S 7 SO 773/16 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SO 773/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1512/16 ER-B
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossene erwerbsfähige Unionsbürger haben grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. § 21 S. 1 SGB XII wie auch § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII stehen dem entgegen (Abweichung von BSG, Urteile vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R = B 4 AS 59/13 R).

2. § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII gilt im Wege des "Erst-recht-Schlusses" auch für Unionsbürger, denen gar kein Aufenthaltsrecht (mehr) zusteht.

3. Eine überzeugende gesetzliche Grundlage für die generelle Annahme einer Ermessensreduktion "auf Null" im Rahmen des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII ab einem sechsmonatigen Aufenthalt im Bundesgebiet ist nicht ersichtlich.

4. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Leistungsausschlüsse der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, § 21 S. 1 SGB XII und § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII einen Nachrang des deutschen Sozialsystems gegenüber dem des Herkunftslandes des betroffene Unionsbürgers normieren; auch wenn der dortige Standard vom deutschen abweicht. 5. § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII findet auch Anwendung im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit nach dem Vierten Kapitel des SGB XII.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren in erster Instanz und auf Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt W. vom 26.2.2016 wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die vorläufige Gewährung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB XII.

Der 1978 geborene Antragsteller ist tschechischer Staatsangehöriger. Er lebte nach seinen Angaben bis September 2009 in seinem Heimatland. Am 1.10.2009 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über und lebte zunächst bei seinen Eltern und Geschwistern in F ... Diese kamen zunächst auch, soweit bekannt, für seinen Unterhalt auf. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt verließ der Antragsteller die Wohnung seiner Angehörigen. Er lebte zunächst in V. (Landkreis B.), anschließend wieder in F., allerdings ohne festen Wohnsitz. Sein gewöhnlicher Aufenthalt ist derzeit weiterhin in F ...

Der Antragsteller ging zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthalts in der Bundesrepublik einer Erwerbstätigkeit nach.

Vom 11.11.2011 - 1.8.2014 (mit Unterbrechung vom 28.3.2013 - 2.5.2013) bezog der Antragsteller von den Jobcentern B. und F. laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II). Anschließend befand er sich in Haft.

Nach Entlassung stellte er am 7.10.2015 einen erneuten Leistungsantrag nach dem SGB II beim Jobcenter F ... Diesen lehnte es mit Bescheid vom 9.12.2015 mit der Begründung ab, der Antragsteller sei nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen, weil er ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik allein zum Zwecke der Arbeitssuche habe.

Den gegen diese Entscheidung eingelegten Widerspruch wies das Jobcenter mit Widerspruchsbescheid vom 20.1.2016 als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde bestandskräftig.

Am 26.1.2016 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Sozialhilfe nach dem SGB XII. Auf dem Antragsformular war als begehrte Leistungsart "Grundsicherung" angegeben; allerdings gab der Antragsteller dort auch an, erwerbsfähig zu sein.

Mit Bescheid vom 3.2.2016 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag, den sie als Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII auslegte, ab. Der Antragsteller sei als Ausländer, der in die Bundesrepublik eingereist sei, um Sozialhilfe zu erhalten, oder aber der allein ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche habe, nach § 23 Abs. 3 SGB XII vom Sozialhilfebezug ausgeschlossen.

Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 26.2.2016 Widerspruch ein.

Der Antragsteller sei nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt anders als durch Sozialhilfeleistungen zu sichern. Er verfüge über keinerlei sonstiges Einkommen und kein Vermögen. Vom Arbeitslosengeld II-Bezug sei er ausgeschlossen. Der Antragsteller sei aber nicht nach § 23 Abs. 3 SGB XII von existenzsichernden Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen. Er sei nicht in die Bundesrepublik eingereist, um Sozialhilfe zu erlangen. Die Einreise erfolgte zum Zweck der Familienzusammenführung, da seine Angehörigen bereits hier lebten. Dafür spreche auch, dass der Antragsteller erst Ende 2011 in den Leistungsbezug nach dem SGB II eingetreten sei, nachdem ein Zusammenleben mit seinen Angehörigen nicht mehr möglich war.

Die Anwendungssperre des § 21 Satz 1 SGB XII, die den Personenkreis, der grundsätzlich dem SGB II zuzuordnen sei, von existenzsichernden Sozialhilfeleistungen ausschließe, sei auf den Fall des Antragstellers nicht anwendbar. Denn sie finde laut der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 3.12.2015, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R - juris) gerade keine Anwendung auf Ausländer, die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgenommen seien. Dem Antragsteller seien daher zumindest im Ermessenswege nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII existenzsichernde Leistungen zuzusprechen, da er sich seit mehr als sechs Monaten in Deutschland aufhalte. In diesem Fall sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sogar eine Ermessensreduzierung "auf Null" angezeigt.

Im Übrigen sei fraglich, ob der Antragsteller überhaupt erwerbsfähig sei. Es komme auch ein Anspruch auf Grundsicherung bei Erwerbsunfähigkeit nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in Betracht. Der Antragsteller sei seit Jahren obdachlos und schwer alkoholkrank. Es sei davon auszugehen, dass er gar nicht (mehr) in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit zu sichern.

Über den Widerspruch hat die Antragsgegnerin noch nicht entschieden.

Ebenfalls am 26.2.2016 hat der Antragsteller den vorliegenden Eilantrag beim Sozialgericht Freiburg gestellt. Gleichzeitig beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung seines Bevollmächtigten als Rechtsanwalt.

Zusätzlich zur Widerspruchsbegründung wird für den Antragsteller vorgetragen, dieser habe - bedingt durch seine Alkoholkrankheit - den Kontakt zu seiner Familie inzwischen abgebrochen. Er lebe auf der Straße und in Notübernachtungsstellen und bestreite seinen Lebensunterhalt nur durch Bettelei und mit Hilfe von Essensausgabestellen. Eine Rückkehr in sein Heimatland sei nicht beabsichtigt und auch nicht möglich. Der Antragsteller gehöre der Volksgruppe der Roma an, die in der Tschechischen Republik ständiger Diskriminierung ausgesetzt sei. Dies in Kombination mit der Suchterkrankung des Antragstellers mache eine Rückkehr in die Tschechische Republik unzumutbar. Ärztliche Feststellungen zur Erwerbsfähigkeit des Antragstellers seien allerdings noch nicht getroffen worden.

Der Antragsteller beantragt, teilweise sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab Antragstellung bis zum 30.6.2016 vorläufig Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII, hilfsweise Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsunfähigkeit nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Auffassung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 3.12.2015, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R - juris), dass vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II betroffene EU-Bürger einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII haben könnten, könne nicht gefolgt werden. Diese Auffassung sei systematisch verfehlt, da § 21 SGB XII für Erwerbsfähige gerade eine klare Abgrenzung zwischen SGB II und SGB XII treffen wollte. Eine Auffangzuständigkeit der Sozialhilfe für grundsätzlich erwerbsfähige Personen sei gerade nicht gewollt gewesen. Auch allein aus verfassungsrechtlichen Erwägungen lasse sich kein Anspruch des Antragstellers auf existenzsichernde Leistungen nach dem SGB XII herleiten. Der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts postulierte Schutzauftrag des Staates zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums, der die Gewährung solcher Leistungen auch an Ausländer, die sich im Bundesgebiet aufhielten, erfordere, habe sich auf Leistungsbezieher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bezogen, nicht auf EU-Bürger.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vortrag der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren sowie auf die den Antragsteller betreffende Verwaltungsakte der Antragsgegnerin (Stand 2.3.2016), die das Gericht zum Verfahren beigezogen hat, Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die vorläufige Gewährung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB XII. Er hat auch keinen Anspruch auf sonstige existenzsichernden Sozialleistungen, insbesondere nicht auf Arbeitslosengeld II nach dem SGB II.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen unter anderem zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn kein Fall des Abs. 1 vorliegt und eine vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Begründet ist der Antrag, wenn der Anspruch in der Sache (Anordnungsanspruch) und der Grund der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht sind (§ 86b Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Es fehlt an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs.

Das Gericht legt den Eilantrag dahingehend aus, dass der Antragsteller im Hauptantrag Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII begehrt; im Hilfsantrag - unter Berufung auf die vermutlich fehlende Erwerbsfähigkeit - Grundsicherung bei Erwerbsunfähigkeit nach dem Vierten Kapitel des SGB XII.

Nach seinem eigenen Vortrag ist der Antragsteller wegen seiner schweren Alkoholkrankheit und den Folgen seiner jahrelangen Obdachlosigkeit nicht (mehr) erwerbsfähig, so dass bei strenger Betrachtung sein auf Hilfe zum Lebensunterhalt gerichteter Hauptantrag bereits unschlüssig ist und allein deswegen abzulehnen wäre.

Allerdings hat eine ärztliche Überprüfung der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers bisher noch nicht stattgefunden. Der Antragsteller hat auch im vorliegenden Verfahren - trotz entsprechender Aufforderung durch das Gericht mit Verfügung vom 9.3.2016 - kein ärztliches Attest oder sonstige ärztliche Unterlagen vorgelegt, aus denen sich eine Erwerbsunfähigkeit ableiten ließe.

Im Rahmen der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung kann daher nicht abschließend festgestellt werden, ob der Antragsteller erwerbsfähig oder erwerbsunfähig ist. Daher waren für beide möglichen Fallkonstellationen die in Frage kommenden Ansprüche zu prüfen.

Der Antragsteller hat aber weder einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (siehe unten 1)) noch einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsunfähigkeit nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (siehe unten 2)) glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin hat seinen dahingehenden Antrag vielmehr nach summarischer Prüfung zu Recht abgelehnt, so dass auch der dagegen gerichtete Widerspruch nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) glaubhaft gemacht (siehe unten 3)).

1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII

Nach § 27 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können, Hilfe zum Lebensunterhalt. Diese Hilfeform setzt voraus, dass der Antragsteller erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II wäre; denn bei Erwerbsunfähigkeit wird nicht Hilfe zum Lebensunterhalt geleistet, sondern Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, da ein Erwerbsunfähiger ja gerade nicht (mehr) in der Lage ist, "aus eigenen Kräften" seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Im Folgenden wird daher die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers unterstellt.

a) Auch bei unterstellter Erwerbsfähigkeit des Antragstellers hat dieser dennoch keinen solchen Anspruch glaubhaft gemacht. Denn der Antragsteller ist von dieser Leistung nach § 21 Satz 1 SGB XII ausgeschlossen.

Die gegenteilige Auffassung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 3.12.2015, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R - juris), § 21 Satz 1 SGB II gelte nicht bei einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, überzeugt nicht und wird daher vom hier erkennenden Gericht nicht geteilt. Sie widerspricht sowohl dem Wortlaut als auch dem Normzweck der betroffenen Vorschriften.

Gemäß § 21 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die als Erwerbsfähige (oder als deren Angehörige) dem Grunde nach nach dem SGB II leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Dem Wortlaut der Vorschrift nach reicht für diesen Leistungsausschluss bereits aus, dass Erwerbsfähigkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II besteht; nicht erforderlich ist, dass die sonstigen Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II vorliegen bzw. dass Leistungen nach dem SGB II tatsächlich bewilligt wurden und gezahlt werden (SG Dortmund, Beschluss vom 11.2.2016, S 35 AS 5396/15 ER - juris; SG Berlin, Beschluss vom 22.2.2016, S 95 SO 3345/15 ER - juris; SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015, S 149 AS 7191/13 - juris). Auch trifft der Wortlaut des § 21 Satz 1 SGB II gerade keine Differenzierung danach, aus welchen Gründen ggf. kein Leistungsanspruch nach dem SGB II besteht. Die vom Bundessozialgericht (Urteile vom 3.12.2015, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R - juris) geforderte Differenzierung der Anwendbarkeit des § 21 SGB XII jeweils danach, aus welchen Gründen der Betroffene keine Leistungen nach dem SGB II erhalten kann, findet daher im Wortlaut des § 21 SGB XII keine Stütze. Ein Leistungsausschluss aus aufenthaltsrechtlichen Gründen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II - wie hier im Fall des Antragstellers - lässt also die Sperrwirkung des § 21 SGB XII gerade nicht entfallen (SG Dortmund, Beschluss vom 11.2.2016, S 35 AS 5396/15 ER - juris; SG Berlin, Beschluss vom 22.2.2016, S 95 SO 3345/15 ER - juris; SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015, S 149 AS 7191/13 - juris).

Diese Interpretation entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. In der Gesetzesbegründung zu § 21 SGB XII heißt es:

"Die Regelung setzt nicht voraus, dass jemand tatsächlich Leistungen des anderen Sozialleistungsträgers erhält oder voll erhält, sondern knüpft an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichneten Angehörigen an." (BT-Drs. 15/1514, S. 57).

In der Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (BT-Drs. 16/688, S. 13) heißt es zudem:

"Auch wenn bei Ausländern die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, das heißt sie zwischen 15 und unter 65 Jahre alt, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, können dennoch die Leistungen nach diesem Buch durch den neugefassten Satz 2 ausgeschlossen sein. Darüber hinaus kommen dann für diese Personengruppe auch Leistungen des SGB XII wegen § 21 Satz 1 SGB XII nicht in Betracht, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist."

Diesen Grundsätzen entsprechend hat auch das Bundessozialgericht selbst in einem Urteil vom 16.5.2012 (Az. B 4 AS 105/11 R - juris) ausgeführt:

"Erwerbsfähigkeit schließt Leistungen nach dem System des SGB XII gemäß § 21 Satz 1 SGB XII grundsätzlich aus. Nach § 21 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts."

Auch unter Gleichheitsgesichtspunkten lässt sich ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII für Unionsbürger mit dem Aufenthaltsstatus des Antragstellers nicht rechtfertigen. Denn diese Personengruppe würde dann im Hinblick auf die Anforderungen, die an ihre Integrationsbemühungen in den Arbeitsmarkt gestellt würden, ohne sachlichen Grund besser gestellt werden als Bezieher von Arbeitslosengeld II nach dem SGB II, d. h. besser als deutsche Staatsbürger und auch besser als ausländische Staatsbürger, die aufgrund ihrer (bisherigen) Erwerbstätigkeit in Deutschland über ein solideres Aufenthaltsrecht verfügen als die Personengruppe des Antragstellers. Denn während dem Anspruch der letzteren beiden Gruppen auf Arbeitslosengeld II eine Vielzahl von Mitwirkungs- und Selbsthilfepflichten gegenübersteht, deren Nichteinhaltung durch Leistungsabsenkungen sanktioniert werden kann ("Fordern und Fördern"), wäre die Personengruppe des Antragstellers, obgleich mit einem weniger soliden Aufenthaltsrecht ausgestattet, von diesen Anforderungen völlig befreit, da entsprechende Vorschriften im SGB XII nicht existieren. Dies wäre mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar (so auch SG Berlin, Beschluss vom 22.2.2016, S 95 SO 3345/15 ER - juris).

Zusammenfassend schließt sich daher das hier erkennende Gericht nach eigener Prüfung der Auffassung des SG Berlin (Beschluss vom 22.2.2016, S 95 SO 3345/15 ER - juris) an, dies es wie folgt festhält:

"Einen an sich erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gleichwohl mit Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII auszustatten, wie dies offenbar nach der [ ] Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [in den Urteilen vom 3.12.2015, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R] erfolgen soll, widerspricht nicht nur Wortlaut und Zweck des § 21 SGB XII, sondern auch der gesamten inneren Systematik der Grundsicherungssysteme nach dem SGB II und SGB XII."

b) Lediglich ergänzend weist das Gericht daher darauf hin, dass ein Anspruch des Antragstellers auf Hilfe zum Lebensunterhalt selbst dann ausgeschlossen wäre, wenn man sich - mit den Urteilen des Bundessozialgerichts (Urteile vom 3.12.2015, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R - juris) - über den Leistungsausschluss des § 21 Satz 1 SGB XII hinwegsetzen wollte. Denn dann wäre der Anspruch nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ausgeschlossen, und zwar sowohl im Wege einer gebundenen Entscheidung als auch im Wege einer Ermessensentscheidung.

Denn § 23 Abs. 1 SGB XII bestimmt, dass Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, neben anderen Hilfeformen u. a. Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten ist, Satz 1. "Im Übrigen" kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist, Satz 3. Abs. 1 der Vorschrift knüpft also zunächst lediglich an den tatsächlichen Aufenthalt an, nicht an den rechtlichen Aufenthaltsstatus.

§ 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII bestimmt jedoch, dass Ausländern, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben. Dies gilt erst recht, wenn dem Betroffenen gar kein Aufenthaltsrecht mehr zusteht (insoweit zutreffend BSG, Urteil vom 3.12.2015, B 4 AS 44/15 R - juris).

Dies ist beim Antragsteller der Fall.

Ob der Antragsteller ursprünglich in die Bundesrepublik eingereist ist, "um Sozialhilfe zu erlangen", kann nicht positiv festgestellt werden. Die Tatsache, dass er zunächst von seiner Familie unterhalten wurde und erst ca. zwei Jahre nach seiner Einreise erstmals Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in Anspruch genommen hat, spricht sogar eher gegen den in diesem Zusammenhang erforderlichen finalen Zusammenhang zwischen Einreise und Leistungsbezug (zu diesem Kriterium vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 8 SO 9/13 R - juris; so auch BSG, Urteil vom 3.12.2015, B 4 AS 44/15 R - juris).

Der Antragsteller verfügt aber entweder nur über ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitssuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU oder - mangels erfolgversprechenden Arbeitssuchbemühungen - nicht einmal mehr über ein solches Aufenthaltsrecht.

Auch ein anderes Aufenthaltsrecht des Antragstellers ist nicht erkennbar. Insbesondere verfügt der Antragsteller nicht über ein Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU. Hiernach haben Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 FreizügG/EU genannten Unionsbürger das Recht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, wobei unter Familienangehörigen die Verwandten in aufsteigender und in absteigender Linie der Unionsbürger zu verstehen sind, denen die Unionsbürger Unterhalt gewähren. Diese Voraussetzungen sind hier nicht (mehr) gegeben, nachdem der Antragsteller nach seinem eigenen Vortrag den Haushalt seiner Eltern verlassen und den Kontakt zu ihnen abgebrochen hat, insbesondere also keinen Unterhalt mehr von ihnen erhält.

Der in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII geregelte Ausschluss, der also auch den Antragsteller trifft, bezieht sich dem Wortlaut nach auf "Sozialhilfe", also alle Hilfearten des SGB XII (SG Berlin, Beschluss vom 22.2.2016, S 95 SO 3345/15 ER - juris). Auch nach dem systematischen Aufbau der Vorschrift bezieht sich der Leistungsausschluss auf alle davor aufgeführten Absätze und damit auf den gesamten Absatz 1, also auch auf die Ermessensvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (SG Dortmund, Beschluss vom 11.2.2016, S 35 AS 5396/15 ER - juris; SG Berlin, Beschluss vom 22.2.2016, S 95 SO 3345/15 ER - juris). Sobald einem Ausländer also nur ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche - oder "erst recht" gar kein Aufenthaltsrecht (mehr) - zusteht, greift also der Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII auch in Bezug auf Ermessensleistungen im Einzelfall (SG Dortmund, Beschluss vom 11.2.2016, S 35 AS 5396/15 ER - juris, SG Berlin, Beschluss vom 22.2.2016, S 95 SO 3345/15 ER - juris).

Mit dem SG Berlin (Beschluss vom 22.2.2016, S 95 SO 3345/15 ER - juris) ließe sich darüber hinaus sogar auch systematisch argumentieren, dass Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel selbst unabhängig von der Regelung in § 23 Abs. 3 SGB XII grundsätzlich nie als Ermessenleistung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII erbracht werden könne, da sich der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII gerade nicht auf die in Satz 1 der Vorschrift genannten Leistungen (einschließlich der Hilfe zum Lebensunterhalt) beziehe, sondern nur auf andere Leistungsarten ("Im Übrigen ") (SG Berlin, Beschluss vom 22.2.2016, S 95 SO 3345/15 ER - juris).

Aber auch selbst wenn man – entgegen den obigen Ausführungen – trotz des in § 23 Abs. 3 SGB XII geregelten Anspruchsausschlusses mit dem Bundessozialgericht (Urteile vom 3.12.2015, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R - juris) einen verbleibenden Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt annehmen wollte, so vermag zumindest die vom Bundessozialgericht postulierte quasi automatische Ermessensreduktion "auf Null" nach einer Aufenthaltsdauer von mehr als sechs Monaten nicht zu überzeugen.

Denn für diese Auffassung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 3.12.2015, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R - juris), dass bei einem mehr als sechs Monate andauernden Aufenthalt des Betroffenen im Bundesgebiet von einem "verfestigten Aufenthalt" auszugehen sei, welcher regelmäßig eine Ermessensreduktion "auf Null" erfordere, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.2.2016, L 3 AS 668/15 B ER - juris). Sie findet auch keine Stütze im Gesetzeszweck der entsprechenden unionsrechtlichen Vorschriften, aus denen sie sich argumentativ ableitet. Denn im Gegenteil lockert sich nach europäischem Gemeinschaftsrecht das Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a und Satz 2 FreizügG/EU für arbeitslose und arbeitsuchende Unionsbürger nach Ablauf von sechs Monaten eher, als dass es sich verfestigt, da sein Fortbestand nach Verstreichen dieses Zeitraums gerade vom individuellen Nachweis einer ernsthaften Arbeitssuche mit begründeter Einstellungsaussicht abhängt (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.2.2016, L 3 AS 668/15 B ER - juris, SG Berlin, Beschluss vom 22.2.2016, S 95 SO 3345/15 ER - juris).

Der Argumentation des Bundessozialgerichts im Urteil vom 3.12.2015 (B 4 AS 44/15 R - juris), dass ein aufenthaltsrechtliches Vollzugsdefizit - keine Ausreiseaufforderung durch das Ausländeramt trotz Wegfalls des Aufenthaltsrechts nach sechs Monaten - nicht zum Wegfall von existenzsichernden Sozialleistungen führen kann, ließe sich mit gleichem Recht entgegenhalten, dass es nicht Aufgabe des Sozialleistungssystems sein kann, aufenthaltsrechtliche Vollzugsdefizite durch die Gewährung so im Gesetz nicht vorgesehener existenzsichernder Leistungen zeitlich unbegrenzt "aufzufangen".

Im Übrigen wäre die pauschalierende Annahme von Gründen für eine Ermessensreduzierung "auf Null" allein aufgrund eines solchen Zeitablaufs, ohne Blick auf den Einzelfall, generell systemwidrig (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.2.2016, L 3 AS 668/15 B ER - juris).

Wollte man also die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt im Ermessenswege nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII für möglich halten, wäre anstatt einer pauschalierenden Ermessensreduzierung "auf Null" allein aufgrund der Aufenthaltsdauer zumindest eine wirkliche individuelle Einzelfallprüfung anzustellen (SG Berlin, Beschluss vom 22.2.2016, S 95 SO 3345/15 ER - juris). Deren möglicher Ausgang kann aber hier dahinstehen, da das Gericht - wie oben dargelegt - einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt in der vorliegenden Konstellation grundsätzlich verneint.

2) Grundsicherung bei Erwerbsunfähigkeit nach dem Vierten Kapitel des SGB XII

Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB XII erhalten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, Grundsicherung im Altern und bei Erwerbsminderung.

Auch unterstellt, dass der Antragsteller tatsächlich aufgrund seiner jahrelangen Obdachlosigkeit und seiner Alkoholabhängigkeit dauerhaft voll erwerbsgemindert im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB XII ist, hat er gleichwohl keinen Anspruch auf die entsprechenden Leistungen.

Die Frage einer Sperrwirkung des § 21 Satz 1 SGB II stellt sich dann nicht, da von dieser nur Erwerbsfähige betroffen sein können. Gleichwohl scheidet ein Grundsicherungsanspruch in diesem Fall in direkter Anwendung des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII aus.

Wie oben unter 1b) dargelegt, hat der Antragsteller - wenn überhaupt - nur ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche. Ein sonstiges Aufenthaltsrecht, z. B. als Familienangehöriger, oder eines der in § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB XII genannten Aufenthaltsrechte kommt nicht in Betracht. Der Antragsteller ist damit - ggf. bei völlig fehlendem Aufenthaltsrecht "erst recht" - von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ausgeschlossen. Dies gilt auch - wie oben zu 1b) ausgeführt - für Leistungen im Ermessenswege.

3) Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II)

Der Antragsteller kann auch nicht darauf verwiesen werden, weiter Arbeitslosengeld II in Anspruch zu nehmen.

Er ist nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die dahingehenden ablehnenden Bescheide des Jobcenters F. vom 9.12.2015 und 20.1.2016 sind bestandskräftig.

Auch aus Sicht des Gerichts ist dieser Leistungsausschluss rechtlich nicht zu beanstanden, denn der Antragsteller verfügt - wie oben unter 1b) dargelegt - entweder nur über ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitssuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU oder - mangels erfolgversprechenden Arbeitssuchbemühungen - nicht einmal mehr über ein solches Aufenthaltsrecht, so dass § 7 Abs. 1 SGB II im Wege des "Erst-Recht-Schlusses" ebenfalls auf ihn anzuwenden wäre (BSG, Urteil vom 3.12.2015, B 4 AS 44/15 R - juris; SG Dortmund, Beschluss vom 11.2.2016, S 35 AS 5396/15 ER - juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.2.2016, L 3 AS 668/15 B ER - juris; SG Berlin, Beschluss vom 22.2.2016, S 95 SO 3345/15 ER - juris, SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015, S 149 AS 7191/13 - juris).

Dieser Leistungsausschluss ist auch europarechtskonform. Dies folgt aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Alimanovic (Urt. v. 15.09.2015, C 67/14) (so auch BSG, Urteil vom 3.12.2015, Az. B 4 AS 44/15 R - juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11.12.1953 (BGBl II 1956, 564). Die Tschechische Republik ist nicht Vertragsstaat des EFA, so dass der Antragsteller als deren Staatsbürger daraus keine Rechte ableiten kann.

Der Antragsteller kann also nicht darauf verwiesen werden, gegenüber dem Jobcenter weiterhin Ansprüche nach dem SGB II geltend zu machen. Das Gericht hat aus diesem Grund auch von einer Beiladung des örtlich zuständigen Jobcenters nach § 75 Abs. 2 SGG abgesehen.

4) Die Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII begegnen auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Das Gericht verkennt nicht, dass der Gesetzgeber mit diesen Regelungen letztlich einen Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert hat, auch wenn sich die Sozialleistungssysteme der EU-Mitgliedsstaaten in ihren Standards sowohl in der Theorie als auch in der praktischen Umsetzung teilweise erheblich unterscheiden. Es steht aber einem solchen Leistungsausschluss nicht entgegen, dass der Antragsteller ggf. in seinem Heimatland nach den Maßstäben des dortigen Sozialleistungssystems keine dem deutschen Standard vergleichbare Existenzsicherung erhalten kann (so auch LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.2.2016, L 3 AS 668/15 B ER - juris; SG Dortmund, Beschluss vom 11.2.2016, S 35 AS 5396/15 ER - juris; SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015, S 149 AS 7191/13 - juris).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - juris). Gegenstand dieser Entscheidung war die Frage, in wiefern der Gesetzgeber berechtigt ist, bei der Bestimmung der Höhe von existenzsichernden Leistungen nach dem Aufenthaltsstatus der Betroffenen zu differenzieren. Die Entscheidung erging aber zum Existenzminimum nach dem AsylbLG, insbesondere im Vergleich zu den Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II und SGB XII. Das dort postulierte Verbot der Differenzierung nach dem Aufenthaltsstatus ist auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II und/oder § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht ohne weiteres übertragbar. Denn die Situation eines Asylbewerbers bzw. Flüchtlings, der wegen politischer Verfolgung bzw. wegen Kriegs oder Bürgerkriegs sein Land verlässt, ist nicht vergleichbar mit der eines EU-Bürgers, der (lediglich) von seinem Freizügigkeitsrecht zum Zweck der Arbeitsuche Gebrauch macht. Während ersterem die Rückkehr in sein Heimatland regelmäßig verwehrt oder jedenfalls unzumutbar ist, ist letzterem die Rückkehr grundsätzlich ohne weiteres möglich (SG Dortmund, Beschluss vom 11.2.2016, S 35 AS 5396/15 ER - juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.2.2016, L 3 AS 668/15 B ER - juris; SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015, S 149 AS 7191/13 - juris). Einen ansonsten voraussetzungslosen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen für alle bedürftigen Personen, sobald sie sich faktisch im Bundesgebiet aufhalten, normiert auch das Bundesverfassungsgericht nicht.

Soweit der Antragsteller anführt, dass er fürchte, als Angehöriger der ethnischen Minderheit der Roma in der Tschechischen Republik Diskriminierungen und Gewalterfahrungen ausgesetzt zu werden, so kann dies nicht gleichwohl nicht zu einer Gleichsetzung des Antragstellers mit Asylbewerbern bzw. Flüchtlingen vor Krieg oder Bürgerkrieg führen. Es ist anzunehmen, dass der Antragsteller einen Asylantrag gestellt hätte, wenn er sich tatsächlich einer entsprechenden Verfolgung ausgesetzt sähe. Dass er dies getan hätte, ist aber nicht bekannt.

Angesichts des Fehlens eines Anordnungsanspruchs kann das Vorliegen eines Anordnungsgrundes (besondere Eilbedürftigkeit bzw. Unzumutbarkeit des Abwartens der Entscheidung in der Hauptsache) dahingestellt bleiben. Das Gericht verkennt nicht, dass dem Antragsteller nach dieser Entscheidung keinerlei staatliche Existenzsicherungsleistungen mehr offen stehen. Dieser Umstand kann aber über das gänzliche Fehlen des Anordnungsanspruchs nicht hinweghelfen.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war also abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Prozesskostenhilfeantrag war ebenfalls als zulässig, aber unbegründet abzulehnen. Denn entsprechend § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da der Antrag in der Hauptsache keinen Erfolg hat. Ausführungen zur Bedürftigkeit des Antragstellers erübrigen sich daher.

Rechtsbehelfsbelehrung

Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Baden-Württemberg angefochten werden (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Sozialgericht F., Habsburgerstr. 127, 79104 F., einzulegen (§ 173 S. 1 SGG). Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstr. 5, 70190 Stuttgart - Postfach 10 29 44, 70025 Stuttgart -, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 173 S. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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