S 142 AS 3780/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
142
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 142 AS 3780/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 2678/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Angemessenheit einer Betriebskostennachforderung beurteilt sich ausschließlich nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im Abrechnungszeitraum; dies gilt auch dann, wenn im Monat der Fälligkeit der Betriebskostennachforderung die tatsächlichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung vom Leistungsträger übernommen werden.

2. Eine Betriebskostennachforderung trotz im Abrechnungszeitraum erfolgter Deckelung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung auf das angemessene Maß kommt dann in Betracht, wenn der Leistungsträger zu geringe angemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung gewährt hat und ein die tatsächlichen Unterkunftskosten übersteigender Angemessenheitsrest verbleibt.
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme eines Nachzahlungsbetrags einer Nebenkostenabrechnung, die das Abrechnungsjahr 2012 betrifft, in dem die Bedarfe für Unterkunft und Heizung der Kläger auf das vom Beklagten als angemessen angesehene Maß abgesenkt waren, wobei indes im Fälligkeitszeitraum der Nebenkostennachzahlung – nach einem Umzug der Kläger – wieder die tatsächlichen Unterkunftskosten gewährt wurden.

Die im Jahr 1955 geborene Klägerin zu 1) stand im Jahr 2008 zusammen mit ihren Söhnen, den in den Jahren 1992 und 1994 geborenen Klägern zu 2) und 3), im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Beklagten. Sie bewohnten zunächst eine ca. 77 qm große Wohnung in der W.Straße im 3. Obergeschoss, für die ab April 2008 eine Bruttowarmmiete von 658,43 EUR (Nettokaltmiete 383,36 EUR, Betriebskosten 186,62 EUR, Heizkosten 62,89 EUR und Warmwasserkosten 25,56 EUR) anfiel. Der Beklagte gewährte den Klägern zu diesem Zeitpunkt die tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten abzüglich der konkreten Warmwasserkosten (Bescheid vom 17. März 2008).

Zum 1. Mai 2008 zogen die Kläger, ohne zuvor vom Beklagten eine Zusicherung eingeholt zu haben, in eine ca. 77 qm große Wohnung im 4. Obergeschoss in der W.Straße um, für die eine Bruttowarmmiete von 611,61 EUR (Nettokaltmiete abzüglich Mietnachlass 381,61 EUR, Betriebskosten 150,00 EUR, Heiz- und Warmwasserkosten 80,00 EUR) anfiel, woraufhin der Beklagte am 26. Juni 2008 einen Änderungsbescheid erließ, mit dem den Klägern Kosten der Unterkunft und Heizung nur noch in der vom Beklagten – nach der AV-Wohnen – für einen 3-Personen-Haushalt als angemessen angesehenen Höhe von 542,00 EUR bruttowarm gewährt wurden.

In der Folgezeit bis April 2012 berücksichtigte der Beklagte bei der Leistungsgewährung stets Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 542,00 EUR, ab Mai 2012 aufgrund des Inkrafttretens der Wohnaufwendungenverordnung (WAV) monatlich 602,50 EUR, wobei die tatsächlichen Unterkunftskosten bis einschließlich März 2012 weiterhin 611,61 EUR betrugen, sodann bis einschließlich Oktober 2012 monatlich 621,30 EUR (neue Nettokaltmiete von 391,30 EUR) und dann bis Dezember 2012 eine Bruttowarmmiete von 686,30 EUR (neue Betriebskosten von 215,00 EUR) anfiel.

Nachdem für ihre Wohnung im 4. Obergeschoss der W.Straße ein Räumungstitel vorlag, zogen die Kläger im Jahr 2013 nach Erteilung einer Zusicherung des Beklagten zur Übernahme der Aufwendungen der neuen Unterkunft in eine ca. 75,67 qm große 3-Zimmer-Wohnung in der M.Straße um, für die eine Bruttowarmmiete von 599,97 EUR (Nettokaltmiete abzüglich Mietnachlass 395,88 EUR, Betriebskosten 122,99 EUR sowie Heiz- und Warmwasserkosten 81,10 EUR) anfiel.

Mit Bescheid vom 28. August 2013 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für die Monate September 2013 bis Februar 2014 in Höhe von monatlich 745,97 EUR, wobei er Bedarfe für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe von 599,97 EUR berücksichtigte. Der Vermieter der Kläger, der ihnen sowohl die Wohnungen in der W.Straße als auch in der M.Straße vermietet hatte, forderte von diesen mit der Nebenkostenabrechnung vom 20. September 2013 für das Jahr 2012 einen Nachzahlungsbetrag von 382,18 EUR, der ausschließlich auf die kalten Betriebskosten entfiel. Unter Hinweis auf den Eintritt von Zahlungsverzug bei Nichtzahlung innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit der Abrechnung forderte der Vermieter die Kläger auf, den Nachzahlungsbetrag binnen 30 Tagen auf das Mietenkonto zu überweisen.

Den Antrag der Kläger vom 6. November 2013 auf Übernahme des Nachzahlungsbetrags lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21. November 2013 ab, weil im Abrechnungszeitraum die Bedarfe für Unterkunft und Heizung lediglich in Höhe des angemessenen Betrags berücksichtigt worden seien. Den Widerspruch der Kläger vom 13. Dezember 2013 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2014 (W 15812/13) als unbegründet zurück und führte insoweit aus, dass nach dem ohne Zusicherung erfolgten Umzug im Jahr 2008 nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung zu berücksichtigten gewesen seien, so dass die darüber hinausgehende Nebenkostennachzahlung nicht zu übernehmen sei.

Mit ihrer am 14. Februar 2014 erhobenen Klage begehren die Kläger die Übernahme der Nebenkostennachforderung des Jahres 2012. Sie führen insoweit aus, dass sie aus der Wohnung in der W.Straße in die aktuelle Wohnung umgezogen seien, weil der Beklagte sie dazu aufgefordert habe, denn die Unterkunftskosten der alten Wohnung seien unangemessen hoch gewesen. Ferner seien die Unterkunftskosten der im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nebenkostennachforderung bewohnten aktuellen Wohnung angemessen, so dass auch die Nachzahlung, die einen Bedarf im Monat der Fälligkeit darstelle, zu übernehmen sei.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 21. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2015 (W 15812/13) aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Nachzahlung aus der Nebenkostenabrechnung vom 20. September 2013 der Kläger für das Jahr 2012 in Höhe von 382,18 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung der Kammer gemachten Prozessakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Mit Schriftsätzen vom 14. August 2014 (Kläger) und 1. Oktober 2014 (Beklagter) haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) konnte das Gericht im Einverständnis mit den Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Übernahme der Nebenkostennachforderung des Jahres 2012 in Höhe von 382,18 EUR. Zwar scheitert die Übernahme nicht daran, dass die Kläger im Fälligkeitszeitpunkt der Nebenkostennachforderung die die Nebenkostenabrechnung betreffende Wohnung nicht mehr bewohnt haben (dazu 4.). Jedoch handelt es sich bei der Nebenkostennachforderung um unangemessene Unterkunftsbedarfe, die der Beklagte nicht zu übernehmen hat (dazu 5.). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Bedarfe für Unterkunft und Heizung der im Fälligkeitszeitpunkt bewohnten Unterkunft angemessen sind (dazu 6.).

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid vom 21. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2014 (W 15812/13), mit dem der Beklagte die Übernahme der Nebenkostennachforderung für das Jahr 2012 in Höhe von 382,18 EUR abgelehnt hat. Die mit dem Bescheid vom 21. November 2013 vorgenommene Ablehnung der Übernahme der Nebenkostennachforderung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

2. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides misst sich an § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, weil der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 28. August 2013 unter anderem für den Monat September 2013 Leistungen einschließlich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung bewilligt hatte und die Fälligkeit der weiteren streitigen Kosten aus der Nebenkostennachforderung zeitlich in diese Bewilligungsentscheidung fällt (vgl. zum Prüfungsmaßstab bei Nebenkostennachforderungen BSG v. 6.4.2011 – B 14 AS 12/10 R, RdNr. 13f.; juris). Denn die Nachforderung aus der Nebenkostenabrechnung war bereits mit Zugang im September 2013 fällig (vgl. BGH v. 8.3.2006 – VIII ZR 78/05, RdNr. 20; juris), die Einräumung der Zahlungsfrist durch den Vermieter in der Abrechnung betrifft lediglich die Frage des Verzugs, berührt aber nicht die Fälligkeit (vgl. BSG v. 25.10.2007 – III ZR 91/07, RdNr. 11; juris). Mit ihrem gestellten Antrag auf Übernahme der Nebenkostennachforderung haben die Kläger den Streitstoff ausdrücklich auf höhere Bedarfe für Unterkunft und Heizung beschränkt (vgl. zur diesbezüglichen Zulässigkeit der Beschränkung des Streitgegenstands für Zeiträume ab 1.1.2011 BSG v. 4.6.2014 – B 14 AS 42/13 R, LS und RdNr. 10ff.; juris).

3. Ob den Klägern die Nebenkostennachforderung zusteht, richtet sich nach § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, hier der Bewilligungsbescheid vom 28. August 2013 betreffend den Monat September 2013, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Hierzu ist der Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (BSG v. 20.12.2011 – B 4 AS 9/11 R, RdNr. 13; juris). Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Unterkunftskosten der Kläger, die die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 und § 22 Abs. 1 SGB II erfüllen, im Fälligkeitsmonat September 2013 unzutreffend festgesetzt worden sein könnten, da der Beklagte – unter Außerachtlassung der streitigen Nebenkostennachforderung – die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in tatsächlich angefallener Höhe übernommen hat. Doch an einer rechtserheblichen Änderung zugunsten der Kläger fehlt es hier, weil die Kläger im Fälligkeitsmonat September 2013 keinen Anspruch auf die Übernahme der Nebenkostennachforderung haben.

4. Die Übernahme der Nebenkostennachforderung scheitert indes nicht daran, dass die Kläger im Fälligkeitszeitpunkt der Nebenkostennachforderung die die Nebenkostenabrechnung betreffende Wohnung nicht mehr bewohnt haben.

Zwar dienen die Leistungen für laufende wie für einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II – "lediglich" – der Unterkunftssicherung, so dass Nebenkostennachforderungen grundsätzlich nur dann übernahmefähig sind, wenn das Mietverhältnis der Wohnung, auf das sich die Nachforderung bezieht, noch besteht (vgl. BSG v. 25.6.2015 – B 14 AS 40/14 R, RdNr. 15ff.; juris). Dies gilt auch, wenn der Vermieter der aktuellen Wohnung mit dem früheren Vermieter identisch ist; denn eine Rechtsgrundlage für eine Vermieter-kündigung des vertragstreu durchgeführten bestehenden Mietverhältnisses über die aktuell genutzte Wohnung wegen der ausstehenden Erfüllung einer Nachforderung aus dem anderen, bereits beendeten Mietverhältnis über die frühere Wohnung sehen die Regelungen zum Wohnraumkündigungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht vor (so ausdrücklich BSG v. 25.6.2015 – B 14 AS 40/14 R, RdNr. 24; juris).

Indes ist eine Ausnahme von diesem Grundsatz nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, von der abzuweichen die Kammer keinen Anlass sieht, anerkannt, wenn der Leistungsberechtigte sowohl im Zeitpunkt der tatsächlichen Entstehung der Kosten im Leistungsbezug nach dem SGB II stand, als auch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung noch steht, sowie die Aufgabe der Wohnung in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit gegenüber dem Leistungsträger erfolgt und keine anderweitige Bedarfsdeckung eingetreten ist; in diesem Fall sind auch Aufwendungen für eine Nebenkostennachforderung aus einem nicht mehr bestehenden Mietverhältnis durch Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zu übernehmen (BSG v. 20.12.2011 – B 4 AS 9/11 R, LS und RdNr. 17 sowie BSG v. 25.6.2015 – B 14 AS 40/14 R, RdNr. 18; juris). Dies ist vorliegend der Fall. Die Kläger stehen seit dem Jahr 2008 durchgehend im Leistungsbezug beim Beklagten und der Auszug aus der Wohnung im 4. Obergeschoss der W.Straße erfolgte, weil Mietschulden angefallen waren, da der Beklagte lediglich die – nach seiner Auffassung – angemessenen Unterkunftskosten dieser Wohnung berücksichtigt hatte. Die Kläger sind folglich mit dem Umzug ihrer Kostensenkungsobliegenheit beim Bestehen unangemessenen hoher Unterkunftskosten nachgekommen, so dass es sich um einen vom Leistungsträger veranlassten Umzug handelte und der Leistungsträger deshalb grundsätzlich nicht von seiner Verantwortung für die Berücksichtigung unterkunftsbezogener Bedarfe für die frühere Wohnung enthoben ist (vgl. dazu BSG v. 25.6.2015 – B 14 AS 40/14 R, RdNr. 21f.; juris).

5. Die Kläger haben im Fälligkeitsmonat September 2013 keinen Anspruch auf die (kopfteilige) Übernahme der Nebenkostennachforderung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Bei der Nebenkostennachforderung handelt es sich indes um unangemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung, die der Beklagte daher nicht zu übernehmen hat.

a. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Nebenkostennachforderung ist ausschließlich auf den Abrechnungszeitraum der Nebenkostennachforderung – hier das Jahr 2012 – abzustellen.

Die Fälligkeit der Nebenkostennachforderung im September 2013 führt nicht dazu, diesen Bedarf auch materiell diesem Monat zuzuordnen. Denn aus der Zuordnung des Bedarfs zum Bewilligungszeitraum der Fälligkeit der Nachforderung folgt nicht, dass auch die Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizkosten nach den Verhältnissen im Fälligkeitsmonat zu beurteilen ist. Vielmehr beurteilt sich die Rechtslage nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Zeitraums, dem die fragliche Forderung nach ihrer Entstehung im tatsächlichen Sinne zuzuordnen ist (so ausdrücklich BSG v. 6.4.2011 – B 4 AS 12/10 R, RdNr. 16f.; BSG v. 20.12.2011 – B 4 AS 9/11 R, RdNr. 16, juris). Der Anspruch beurteilt sich deshalb ausschließlich nach den Verhältnissen im Abrechnungszeitraum, mithin in den Monaten Januar bis Dezember 2012.

b. Im Jahr 2012 waren für einen 3-Personen-Haushalt Bedarfe für Unterkunft in Höhe von monatlich 512,00 EUR bruttokalt angemessen.

Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Ob die Aufwendungen für die Wohnung angemessen sind, ist weder anhand der vom Beklagten bis April 2012 herangezogenen Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gem. § 22 SGB II – AV-Wohnen – (vgl. BSG v. 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, RdNr. 26; B 14 AS 65/09 R, RdNr. 26; B 14 AS 2/10 R, RdNr. 20; juris) noch anhand der vom Beklagten ab Mai 2012 herangezogenen Wohnaufwendungenverordnung – WAV – (vgl. BSG v. 4.6.2014 – B 14 AS 53/13 R, RdNr. 22ff.; juris), die beide von einem Bruttowarmmieten-Konzept ausgehen, zu bestimmen. Die Angemessenheitsprüfung hat vielmehr für die Unterkunftskosten und für die Heizkosten getrennt zu erfolgen (so bereits BSG v. 2.7.2009 – B 14 AS 36/08 R, 1.LS und RdNr. 18; juris). Die Kammer ist in der Lage, anhand des vorhandenen Datenmaterials ein eigenes schlüssiges Konzepts für die in Berlin angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu bestimmen (vgl. zur Notwendigkeit des Versuchs der Ermittlung eines schlüssigen Konzepts durch das Gericht für den Fall des Fehlens eines schlüssigen Konzepts des Leistungsträgers BSG v. 14.2.2013 – B 14 AS 61/12 R; juris). Daher ist ein Rückgriff auf Werte der bundesweit geltenden Wohngeldtabelle nicht angezeigt (vgl. BSG v. 22.3.2012 – B 4 AS 16/11 R, LS und RdNr. 15ff.; juris).

Nach Überzeugung der Kammer ist im vorliegenden Fall für einen 3-Personen-Haushalt eine Bruttokaltmiete von 512,00 EUR abstrakt angemessen. Dies ermittelt sich wie folgt.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – von der abzuweichen die Kammer keinen Anlass sieht – ist zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheit einer Wohnung das Produkt aus angemessener Wohnfläche (dazu aa.) und der Summe von angemessener Kaltmiete je Quadratmeter (dazu bb.) und angemessenen kalten Betriebskosten (dazu cc.) zu ermitteln. Es kommt darauf an, dass das Produkt aus Wohnfläche und Wohnstandard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht (sog. Produkttheorie).

aa. Im ersten Schritt ist zunächst die maßgebliche Größe der Unterkunft zu bestimmen. Hierzu ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen. Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) i.V.m. § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Da das Land Berlin zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen hat, ist zur Bestimmung der örtlichen Angemessenheitsgrenze an die (unveröffentlichten) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 (Mitteilung Nr. 8/2004 vom 15. Dezember 2004, Hinweis 8) zu § 5 WoBindG und § 27 WoFG anzuknüpfen, die ihrerseits auf die zuvor ergangene Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin Nr. 57 vom 10. November 1995, S. 4462) zurück greifen. Danach darf an 1-Personen-Haushalte Wohnraum von bis zu 50 qm und an 2-Personen-Haushalte Wohnraum von bis zu 60 qm überlassen werden (so für 1-Personen-Haushalte in Berlin BSG, Urteile v. 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, RdNr. 17 und B 14 AS 65/09 R, RdNr. 22f. sowie für 2-Personen-Haushalte in Berlin BSG, Urteil v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, RdNr. 21 f.).

Für Haushaltsgrößen ab drei Personen sehen die Arbeitshinweise keine Regelungen vor. Mangels landesrechtlicher Bestimmungen zu § 10 WoFG und § 5 Abs. 2 WoBindG hält es die Kammer für sachgerecht, bei ihrer Entscheidung auf die inhaltsgleichen Größenmaße aus den Wohnraumförderbestimmungen von 1977 und 1990 für Eigentumswohnungen in Verbindung mit den Förderbestimmungen über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum aus dem Jahre 1999 abzustellen (vgl. auch Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Einheitliche Kosten der Unterkunft in Berlin - Ein Projekt von Richterinnen und Richtern des Sozialgerichts Berlin, in Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit Nr. 1/2010, S. 31 ff.; nunmehr auch LSG Berlin-Brandenburg v. 20.3.2014 – L 25 AS 2038/10, RdNr. 39, juris).

Die Richtlinie über die Förderung des steuerbegünstigten Wohnungsbaus in Berlin durch Aufwendungsdarlehen im Regionalprogramm des Bundes (FstWo 1977) vom 19. Juli 1977 (Amtsblatt Berlin 1977, S. 1140ff.) sah als Höchstwohnfläche für 4 Personen 90 Quadratmeter vor. Bei einer abweichenden Personenzahl vergrößerte bzw. verringerte sich die förderungsfähige Wohnfläche um jeweils 10 Quadratmeter pro Person (Anlage 1 Abschnitt 5), so dass sich für 3 Personen eine maximale förderungsfähige Wohnfläche von 80 Quadratmetern ergab. Die Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau in Berlin - Wohnbauförderbestimmungen 1990 (WFB 1990) vom 16. Juli 1990 (Amtsblatt für Berlin 1990, S. 1379 ff.) sahen für Kaufeigenheime und Kaufeigentumswohnungen für 3 Personen 80 Quadratmeter und für jede weitere Person im Haushalt zusätzliche 10 Quadratmeter als Maximalfläche vor (Anlage 1 Abschnitt II 1 c). Die Richtlinie über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (EFS 1999) vom 25. Mai 1999 (Amtsblatt Berlin 1999, S. 2918 ff.) bestimmte die förderfähige Wohnfläche für 3-Personen-Haushalte ebenfalls mit 80 Quadratmetern und sah für jeden weiteren Haushaltsangehörigen weitere 10 Quadratmeter vor (Abschnitt II 4 Abs. 3). Auch die Richtlinie über die Förderung des Erwerbs von Wohnungen aus dem Bestand durch Mieter sowie nach Erwerb berechtigt selbstnutzende Dritte vom 25. Mai 1999 (Amtsblatt Berlin 1999, S. 2932ff.) bestimmte als Höchstgrenze für die Förderung eine Wohnfläche von 80 Quadratmetern für Haushalte mit 3 Angehörigen und jeweils 10 weitere Quadratmeter für jeden weiteren Haushaltsangehörigen (Abschnitt 3 Abs. 1).

Die Fördervorschriften für Wohneigentum aus den Jahren 1977 und 1990 eignen sich auch deshalb als Bemessungsgrundlage, weil in dieser Zeit die Förderregelungen für Mietwohnungen bei 3- und 4-Personenhaushalten im Hinblick auf die Wohnungsgrößen im Wesentlichen die genau gleichen Maximalgrößen aufwiesen (vgl. Schifferdecker/Irgang/Silbermann, a.a.O., S. 33). Es ist daher der Schluss gerechtfertigt, dass sich die Angabe der Personenzahl in den Regelungen zu Kaufwohnungen auf die jeweilige identische Wohnflächengröße in den Regelungen zu den Mietwohnungen übertragen lässt.

Danach ist in Berlin grundsätzlich für 3 Personen eine Wohnung mit einer Gesamtwohnfläche bis höchstens 80 qm angemessen.

bb. In einem zweiten Schritt ist der Wohnstandard festzustellen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht (vgl. etwa BSG v. 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, RdNr. 25; B 14 AS 65/09 R, RdNr. 25; B 14 AS 2/10 R, RdNr. 19). Als Vergleichsmaßstab ist regelmäßig die Miete am Wohnort heranzuziehen.

Zur Bestimmung des angemessenen Mietzinses stützt sich die Kammer auf den örtlichen, gemäß den §§ 558c und 558d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) qualifizierten Mietspiegel des Landes Berlin von Mai 2011 (Amtsblatt für Berlin 2011, Nr. 22 vom 30.5.2011), weil jeweils auf den vor dem jeweiligen Bewilligungsabschnitt (hier der Abrechnungszeitraum des Jahres 2012) geltenden Mietspiegel abzustellen ist (BSG v. 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R, RdNr. 21; juris).

Als örtlicher Vergleichsraum ist dabei das gesamte Stadtgebiet Berlins heranzuziehen, weil es sich insoweit um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handelt, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (so ausdrücklich BSG v. 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, RdNr. 24; B 14 AS 65/09 R, RdNr. 24; B 14 AS 2/10 R, RdNr. 18; juris).

Heranzuziehen sind die Grundlagendaten für Wohnungen in der Wohnlage "einfach" des Berliner Mietspiegels (vgl. Schifferdecker/Irgang/Silbermann, a.a.O., S. 33). Die Heranziehung der Wohnungen in der "einfachen" Wohnlage gewährleistet grundsätzlich, dass das untere Marktsegment hinreichend abgebildet wird (BSG v. 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R, RdNr. 19; juris). Nicht zu berücksichtigen sind Wohnungen, die nicht über ein Bad oder nicht über eine Sammelheizung verfügen, da sie nicht den unteren, sondern den untersten Wohnungsstandard repräsentieren, auf den Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich von vornherein nicht verwiesen werden können. Aus diesem Grund berücksichtigt die Kammer die Werte der Spalten 1 und 3 des Mietspiegels für unterdurchschnittliche Ausstattung sowie die in den Fußnoten zur Mietspiegeltabelle ausgewiesenen Abschläge auf die Spalten 1, 3, 5 und 6 für weit unterdurchschnittliche Ausstattungen nicht (vgl. Schifferdecker/Irgang/Silbermann, a.a.O., S. 33 f.; BSG v. 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, RdNr. 29; B 14 AS 65/09 R, RdNr. 31; B 14 AS 2/10 R, RdNr. 24; juris).

Ferner sind der Berechnung sodann die Mittel- und nicht die Spannenoberwerte der einfachen Wohnlage zugrunde zu legen (ebenso BSG v. 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R, RdNr. 27). Die Mittelwerte sind jeweils nach dem sich aus den Grundlagendaten ergebenden Verhältnis der den Wohnungsangaben zugrundeliegenden Wohnungsanzahl zum insgesamt vom Berliner Mietspiegel erfassten Wohnungsbestand zu berücksichtigen (vgl. BSG v. 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, RdNr. 32; B 14 AS 65/09 R, RdNr. 35; B 14 AS 2/10 R, RdNr. 27; juris).

Damit ergibt sich ein durchschnittlicher, abstrakt angemessener Kaltmietwert für Wohnungen von 60 bis unter 90 qm von 4,86 EUR/qm.

cc. In einem letzten Schritt sind in das Produkt die kalten Betriebskosten einzubeziehen. Zur realistischen Abbildung der kalten Betriebskosten greift die Kammer auf die örtlichen Übersichten und die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte zurück (vgl. BSG v. 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R, RdNr. 29).

Die Kammer legt hierzu die ebenfalls im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung durch die Gewos GmbH ermittelten Betriebskostenwerte für das Land Berlin zugrunde ("Grundlagendaten für den empirischen Mietspiegel – Endbericht zum Berliner Mietspiegel 2011", a.a.O., Tabelle 5). Diese Daten enthalten Durchschnittswerte für die in den einzelnen Spalten angegebenen Wohnungen, jedoch keine gesonderten Angaben zu Betriebskosten von Wohnungen der einfachen Wohnlage oder mit unterdurchschnittlicher Ausstattung.

Die Kammer hat sich für eine Gewichtung der Betriebskostenwerte unter Heranziehung der Grundlagendaten entsprechend der Berechnung der Nettokaltmiete entschieden (vgl. dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, a.a.O., S. 37 ff.), um so die Verzerrungen bei der Bildung eines bloß arithmetischen Mittelwerts zu vermeiden (für eine Gewichtung der Betriebskosten hat das BSG in den Urteilen vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, RdNr. 34; B 14 AS 65/09 R, RdNr. 37; B 14 AS 2/10 R, RdNr. 29, lediglich solange keine Notwendigkeit gesehen, als nicht erkennbar sei, welcher zuverlässige "Mehrwert" sich daraus ableiten lasse). Die Berliner Mietspiegelwerte weisen die Besonderheit auf, dass die einzelnen Angaben jeweils sehr unterschiedlichen Anteilen entsprechen. Der höchste Wert von durchschnittlichen kalten Betriebskosten von 1,95 EUR/qm für 1973 bis 1983 in Berlin (West) errichtete Wohnungen entspricht nur einem Anteil von 1,56 % der vom Mietspiegel erfassten 1,2 Mio. Wohnungen bzw. einem Anteil von 1,79 % der für die hiesige Berechnung berücksichtigten Wohnungen (nach Herausrechnung der Wohnungen unterdurchschnittlichen Standards). Der niedrigste Wert von 1,31 EUR/qm für bis 1918 errichte Wohnungen betrifft hingegen 22,9 % (bzw. 26,49 %) der Wohnungen. Angesichts dieser Unterschiede würde gerade die Bildung eines arithmetischen Mittelwertes aus den Durchschnittswerten die erforderlichen zuverlässigen Angaben verhindern. wird auf die Ausführungen von verwiesen. Danach ergeben sich durchschnittliche, gewichtete kalte Betriebskosten von monatlich 1,54 EUR/qm.

Bei der Berechnung hat die Kammer nicht die addierten Werte zu einzelnen Betriebskostenarten aus Anhang I zum Berliner Mietspiegel zugrunde gelegt (vgl. Betriebskostenübersicht im Anhang I zum Berliner Mietspiegel 2011; Amtsblatt für Berlin 2011, Nr. 22 vom 30.5.11). Denn diese Angaben weisen Mittel- und Spannenwerte aller möglichen Betriebskostenarten auf und sollen eine Vergleichbarkeit mit den im Einzelfall abgerechneten Kostenpositionen ermöglichen. Es fallen jedoch nicht alle Betriebskostenarten in allen Haushalten an, so dass nur auf den angegebenen Durchschnittswert zurückgegriffen werden kann (vgl. Berliner Mietspiegel 2011, Anlage I, S. 22 rechte Sp., a.a.O.).

Die Kammer hat sich ferner durch einen Vergleich mit alternativen Datengrundlagen versichert, dass dieses Ergebnis sachgerecht ist. So ergeben sich nach den Ermittlungen des Deutschen Mieterbundes aus dem Jahr 2011 deutschlandweit durchschnittlich kalte Betriebskosten von monatlich 1,10 EUR/qm (2,19 EUR/qm durchschnittliche warme Betriebskosten abzgl. 0,84 EUR/qm Heiz- und 0,25 EUR/qm Warmwasserkosten, http://www.mieterbund.de/betriebs-kostenspiegel.html, Datenbasis 2009). Die Kammer hält es jedoch für vorzugswürdig, ausschließlich die für Berlin ermittelten kalten Betriebskosten(-vorauszahlungs-)werte der Bestimmung angemessener Unterkunftskosten in Berlin zugrunde zu legen.

Wie eingangs dargestellt, ergibt sich der hier maßgebliche Wert der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete aus dem Produkt von angemessener Wohnfläche und der Summe aus angemessener Kaltmiete und angemessenen kalten Betriebskosten je Quadratmeter. Dies ergibt eine abstrakt angemessene Bruttokaltmiete pro Monat für 3 Personen von 80 qm x 6,40 EUR (4,86 EUR + 1,54 EUR) = 512,00 EUR.

c. Der Nachzahlungsbedarf überschreitet die Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, so dass eine Übernahme der Nebenkostennachzahlung durch den Beklagten nicht in Betracht kommt.

aa. Die Angemessenheit der Nebenkostennachzahlung beurteilt sich – wie bereits ausgeführt – nicht nach den Verhältnissen im Fälligkeitsmonat, sondern nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Zeitraums, dem die fragliche Forderung nach ihrer Entstehung im tatsächlichen Sinne zuzuordnen ist (so ausdrücklich BSG v. 6.4.2011 – B 4 AS 12/10 R, RdNr. 16f.; BSG v. 20.12.2011 – B 4 AS 9/11 R, RdNr. 16, juris). Da die Nebenkostennachforderung das Abrechnungsjahr 2012 betrifft, ist der Nachzahlungsbetrag von 382,18 EUR auf die zwölf Monate des Abrechungszeitraums aufzuteilen. Sodann ist zu prüfen, ob dieser anteilige monatliche Nachzahlungsbetrag sich bei Betrachtung der Unterkunftsbedarfe im Abrechnungszeitraum als angemessen darstellt.

bb. Insoweit ist es einerseits unbeachtlich, ob die den Abrechungszeitraum betreffenden Bewilligungsbescheide bestandskräftig geworden sind. Denn vorliegend ist allein über den Nachforderungsbedarf zu entscheiden, nicht indes über die Rechtmäßigkeit der sonstigen den Abrechnungszeitraum betreffenden Leistungsbewilligung; diese steht allein bei einer Anfechtung der seinerzeitigen Bewilligungsbescheide – die sodann ihrerseits nicht den hier streitigen Nachforderungsbedarf betrifft – zur rechtlichen Überprüfung (diese Trennung detailliert erläuternd Kaniess/Schifferdecker, Angemessenheit von Nebenkostennachforderungen im SGB II, NZS 2015, im erscheinen). Andererseits ist es auch ohne Belang, ob der Beklagte im Abrechnungszeitraum Leistungen in zutreffender Höhe gewährt hat (a.A. SG Berlin v. 18.4.2012 – S 174 AS 18801/10, RdNr. 23 und 58ff.; nachfolgend – im Ergebnis – bestätigt durch LSG Berlin-Brandenburg v. 19.9.2013 – L 18 AS 1218/12). Denn eine Berechnung des zu übernehmenden Nachzahlungsbetrags durch Addition der im Abrechnungszeitraum ggfs. in zu geringer Höhe erbrachten monatlichen Unterkunftskosten scheitert ebenso wie eine Verrechnung etwaiger im Abrechnungszeitraum zu hoch erbrachter Unterkunftskosten mit dem Nachzahlungsbetrag daran, dass diese einerseits nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind, in welchem allein die Angemessenheit der Nachforderung zu überprüfen ist, und andererseits eine getrennte Beurteilung der Angemessenheit dieser unterschiedlichen Bedarfe angezeigt ist.

Eine Einbeziehung der im Abrechnungszeitraum bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung in dem Sinne, dass auch diesbezüglich eine höhere Leistungsgewährung – die aber weiterhin von der Prüfung der Angemessenheit des Nachzahlungsbedarfs zu trennen wäre – zu prüfen ist, kann nur ausnahmsweise dann gelten, wenn der Leistungsberechtigte bei Geltendmachung der Nebenkostennachforderung gegenüber dem Leistungsträger zum Ausdruck bringt, dass er auch eine Überprüfung der Berechnung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Abrechnungszeitraum begehrt, so dass sodann inzident im Wege des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine Überprüfung vorzunehmen wäre (vgl. etwa BSG v. 16.5.2012 – B 4 AS 132/11 R, RdNr. 26 und klarer formuliert von LSG Sachsen v. 1.3.2012 – L 5 AS 339/09, 1. und 2.LS sowie RdNr. 41f. zur Überprüfung der einer Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X zu Grunde liegenden bestandskräftigen Bewilligungsentscheidung und BSG v. 21.3.2012 – B 7 AL 44/01 R, 1.LS und RdNr. 24 zur Überprüfung der einer wiederholten Sperrzeitentscheidung zugrunde liegenden erstmaligen Sperrzeit; juris). Im vorliegenden Fall liegen dafür indes keine Anhaltspunkte vor; vielmehr haben die Kläger im Widerspruch vom 13. Dezember 2013 ausdrücklich anerkannt, dass sie in der Vergangenheit zu Recht zur Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert wurden, da die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in der Wohnung W.Straße,4.Obergeschoss, unangemessen hoch gewesen seien.

cc. Die Nebenkostennachzahlung ist bei Betrachtung der Verhältnisse im Jahr 2012 unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Denn wie bereits ausgeführt betrugen die im Jahr 2012 angemessenen monatlichen Unterkunftskosten 512,00 EUR bruttokalt. Die tatsächlichen Unterkunftskosten betrugen bereits in den Monaten Januar bis März 2012 jeweils 531,61 EUR bruttokalt (Nettokaltmiete abzüglich Mietnachlass 381,61 EUR zzgl. Betriebskosten 150,00 EUR) in den Monaten April bis Oktober 2012 monatlich 541,30 EUR (neue Nettokaltmiete von 391,30 EUR) und in den Monaten November und Dezember 2012 jeweils 606,30 EUR (neue Betriebskosten von 215,00 EUR). Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Nebenkostennachzahlung ist dieser nachträglich angefallene Bedarf – anteilig – auf die tatsächlichen Unterkunftskosten im Abrechnungszeitraum aufzuschlagen. Da indes im vorliegenden Fall bereits die tatsächlichen Unterkunftskosten von 531,61 EUR (bzw. 541,30 EUR und 606,30 EUR) unangemessen hoch waren, verbleibt kein die tatsächlichen Unterkunftskosten übersteigender "Angemessenheitsrest" (vgl. zu diesem Begriff Kaniess/Schifferdecker, a.a.O.), so dass die nachträglich noch zusätzlich zu den tatsächlichen Unterkunftskosten angefallene Nebenkostennachforderung unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II und daher nicht zu übernehmen ist.

7. Es gibt keinen Grund, eine Ausnahme bei Betrachtung der Angemessenheit bezogen auf den Abrechnungszeitraum zuzulassen, weil im Fälligkeitszeitraum angemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung erbracht wurden. Zwar trifft es – wie von den Klägern vorgetragen – zu, dass der geltend gemachte Bedarf im Monat der Fälligkeit anfällt und in diesem vom Beklagten die tatsächlichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung als angemessen übernommen wurden. Dies ändert aber nichts daran, dass sich der Anspruch auf Übernahme der Nebenkostennachforderung ausschließlich nach den Verhältnissen im Abrechnungszeitraum beurteilt (so ausdrücklich BSG v. 6.4.2011 – B 4 AS 12/10 R, RdNr. 16f.; BSG v. 20.12.2011 – B 4 AS 9/11 R, RdNr. 16, juris). Denn in diesen Monaten ist die Nebenkostennachforderung entstanden, in diesen Monaten konnten die Kläger durch Einflussnahme auf die verbrauchten Nebenkostenkosten die Höhe der Nachzahlung beeinflussen (darauf abstellend BSG v. 6.4.2011 – B 4 AS 12/10 R, RdNr. 17; juris). Vorliegend waren indes in diesen Monaten den Klägern aufgrund des ohne Zusicherung erfolgten Umzugs in die unangemessen teure Unterkunft im 4. Obergeschoss in der W.Straße nur noch die angemessenen Unterkunftskosten zu gewähren, was der Beklagte nach dem Umzug seinerseits auch umgesetzt hat. Die Kläger sind mithin im Jahr 2012 ihrer Obliegenheit zur Kostensenkung nicht nachgekommen, so dass sie auch nicht darauf vertrauen konnten, dass diesen Zeitraum betreffende Nebenkostennachzahlungen übernommen werden würden. Eine Übernahme der den Abrechnungszeitraum zuzurechnenden Nebenkostennachforderung kommt daher nicht allein deshalb in Betracht, weil die Kläger zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Nebenkostennachforderung in einer angemessenen Unterkunft gewohnt haben.

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Berufung der Kläger bedurfte gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, weil ihr Beschwerdewert in Anbetracht der Höhe der geltend gemachten Nebenkostennachzahlung von 382,18 EUR den Betrag von 750,00 EUR nicht übersteigt. Die Berufung war gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Es ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt, inwieweit die Übernahme einer Nebenkostennachzahlung zu beurteilen ist, wenn die Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Entstehungszeitpunkt (Abrechnungszeitraum der Nebenkosten) unangemessen sind und im Zeitpunkt des Bedarfseintritts – also bei Fälligkeit der Nebenkostennachforderung – Bedarfe für Unterkunft und Heizung in tatsächlich entstandener Höhe der Aufwendungen erbracht werden (ausdrücklich offengelassen in BSG v. 20.12.2011 – B 4 AS 9/11 R, RdNr. 15; juris). Im Übrigen fehlt es auch an einer höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Frage, wie die zu übernehmende Höhe einer Nebenkostennachzahlung zu berechnen ist, wenn im Abrechnungszeitraum die Bedarfe für Unterkunft und Heizung auf das vom Leistungsträger als angemessen angesehene Maß abgesenkt waren, der Beklagte indes die Höhe der angemessenen Kosten unzutreffend ermittelt hat.
Rechtskraft
Aus
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