L 16 AS 221/16 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 142/16 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 221/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Es ist nicht Aufgabe des einstweiligen Rechtschutzverfahrens, streitige Rechtsfragen zu klären.
2. Für die Frage, ob Personen, die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII haben, ist bei der Prüfung, ob ein Anordnungsgrund besteht, von der Rechtsprechung des BSG (hier Urteile vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R) auszugehen.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 3. März 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beigeladene trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten die vorläufige Leistungsberechtigung der Antragsteller vom 01.02.2016 bis zum 30.06.2016 nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II) bzw. denen des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII). Die Antragsteller sind 1988 und 1997 geboren. Sie sind verheiratet und rumänische Staatsangehörige. Der Antragsteller zu 1 reiste im Mai 2014 nach Deutschland ein. Er war von Mai 2014 bis zum 01.10.2015 bei der L. I. T. Cargo GmbH als Fernkraftfahrer beschäftigt. Nach einem Arbeitsunfall erhielt er noch bis zum 01.11.2015 Verletztengeld in Höhe von 29,82 EUR netto. Für die Zeit vom 05.10.2015 bis zum 01.11.2015 war nach dem Bescheid der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft vom 22.09.2015 eine betriebliche Arbeits-und Belastungserprobung (4 bis 6 Stunden täglich) vorgesehen. Bevor es zu der Arbeitserprobung kam, kündigte der Antragsteller zu 1 die Tätigkeit (Kündigungsschreiben vom 21.09.2015). Er verwies darin auf die Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.05.2015. In diesem Zusammenhang sei er zweimal operiert und krankgeschrieben worden. Wegen weiter bestehender Schmerzen habe er immer noch Schwierigkeiten, die bisherige Tätigkeit auszuüben. Außerdem habe er im Juli 2015 geheiratet. Seine Frau wohne in A-Stadt und wolle nicht umziehen. Er habe verstanden, dass die Firma keine Arbeitsstelle in A-Stadt oder in unmittelbarer Umgebung zur Verfügung stellen könne. Deshalb kündige er den Arbeitsvertrag aus wichtigem Grund fristlos. Mit Schreiben vom 13.10.2015 akzeptierte der Arbeitgeber die Kündigung zum 02.10.2015.

Am 28.10.2015 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsteller zu 1 erklärte, dass die im Rahmen der Arbeiterprobung vorgesehene Teilzeittätigkeit mit den Touren seiner Firma nicht möglich gewesen wäre. Die Bundesagentur für Arbeit stellte wegen der Eigenkündigung mit Bescheid vom 28.01.2016 für die Zeit vom 03.10.2015 bis 25.12.2015 den Eintritt einer Sperrzeit fest. Seit dem 01.01.2016 (bis zum 30.05.2016) erhält der Antragsteller zu 1 ein tägliches Arbeitslosengeld von 17,39 EUR

Seit dem 01.01.2016 bewohnen die Antragsteller eine Wohnung für die eine Gesamtmiete von 435 EUR zu entrichten ist (320 EUR Grundmiete, 60 EUR Vorauszahlung der Wärmekosten und 55 EUR Vorauszahlungen für Betriebskosten). Mit Bescheid vom 11.02.2016 lehnte der Antragsgegner den Antrag der Antragsteller auf Leistungen nach dem SGB II ab. Der Antragsteller habe sein Beschäftigungsverhältnis durch Eigenkündigung selbst gelöst und nicht unfreiwillig verloren. Es bestehe ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II.

Mit Schriftsatz vom 10.02.2016 beantragten die Bevollmächtigten der Antragsteller, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II in voller gesetzlicher Höhe vorläufig zu bewilligen und auszubezahlen. Sie vertraten die Auffassung, dass der Antragsteller zu 1 das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt habe, nachdem die dem Antragsteller zumutbare Tätigkeit nicht mehr mit dem bisherigen Beruf eines Fernkraftfahrers vereinbar gewesen sei und der Arbeitgeber ihm keine andere Tätigkeit habe anbieten können. Ein weiterer Grund für die Entscheidung des Antragstellers zu 1 sei die Tatsache gewesen, dass er vor wenigen Monaten geheiratet habe und der künftige Arbeitsort in Hessen sei ca. 450 km vom Wohnort A-Stadt entfernt gewesen wäre. Der in diesem Zusammenhang erforderliche Umzug habe bereits im Vorfeld der Kündigung zu zahlreichen Streitigkeiten mit der Ehefrau geführt, welche aus A-Stadt nicht habe wegziehen wollen.

Der Antragsgegner verwies an die Feststellung der Agentur für Arbeit über das Eintreten einer Sperrzeit, an die er gebunden sei. Aufgrund der Eigenkündigung liege auch ein Arbeitnehmerstatus nicht mehr vor.

Mit Beschluss vom 18.02.2016 hat das Gericht die Stadt A-Stadt, Amt für soziale Leistungen, zum Verfahren beigeladen, da diese als leistungspflichtig in Betracht komme. Diese nahm mit Schreiben vom 20.02.2016 zum Verfahren Stellung und erklärte, dass es aufgrund des noch nicht abschließend geklärten Sachverhalts hinsichtlich der Kündigung sachgerecht sei, wenn vorläufig der Antragsgegner zur Leistung verpflichtet werde. Nach dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11.12.2015 (S 149 AS 7191/13) sei ein Leistungsanspruch nach dem SGB XII grundsätzlich nicht gegeben.

Mit Beschluss vom 03.03.2016 verpflichtete das Sozialgericht die Beigeladene, den Antragstellern für die Zeit vom 01.02.2016 bis zum 30.06.2016 monatlich vorläufig Leistungen nach dem SGB XII in Höhe von jeweils 320,65 EUR (gesamt monatlich 641,30 EUR) zu zahlen. Die Antragsteller seien gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von den beantragten Leistungen ausgeschlossen und hätten keinen Anspruch gegen den Antragsgegner. Ein anderes Aufenthaltsrecht als dasjenige zur Arbeitssuche sei nicht glaubhaft gemacht. Dies gelte zweifellos für die Antragstellerin zu 2, aber auch für den Antragsteller zu 1 hinsichtlich des Vorliegens einer Freizügigkeitsberechtigung gemäß § 2 Abs. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU), da dieser nach seiner Kündigung kein Arbeitnehmer mehr sei. Der Arbeitnehmerstatus sei auch nicht im Wege des § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU erhalten geblieben, da es sich ungeachtet etwaiger gesundheitlicher Einschränkungen offensichtlich nicht um eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit gehandelt habe. Denn eine starke Motivation zur Kündigung liege darin, dass die Antragstellerin zu 2 einen gegebenenfalls erforderlich werdenden Umzug nicht habe mittragen wollen. Der Arbeitgeber habe offensichtlich selbst keinen Anlass zu Kündigung gesehen. Anhaltspunkte für ein anderweitiges Aufenthaltsrecht, etwa nach dem Aufenthaltsgesetz, seien weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.

Allerdings hätten die Antragsteller einen Anordnungsanspruch gegenüber der Beigeladenen glaubhaft gemacht. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 03.12.2015 (B 4 AS 44/15 R) entschieden, dass der nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossene Personenkreis nicht auch dem Leistungsausschluss nach § 21 Satz 1 SGB XII unterliege. Es bestehe zwar ein Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 2. Alt. SGB XII bezogen auf einen gebundenen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII. Entsprechend der Entscheidung des BSG bestehe aber ein Anspruch auf Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Dieser sei aufgrund des verfestigten Aufenthalts vorliegend auf Null reduziert, woraus sich im Ergebnis ein gebundener Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII ergebe. Der Antragsteller zu 1 halte sich bereits seit dem Jahr 2014 im Bundesgebiet auf und die Antragstellerin zu 2 nach der in den Akten befindlichen Meldebescheinigung jedenfalls seit dem 14.04.2015. Die Antragsteller hätten einen Regelbedarf von jeweils 364 EUR sowie Kosten der Unterkunft von 435 EUR. Dem Gesamtbedarf von 1.163 EUR sei das Einkommen des Antragstellers zu 1 (Arbeitslosengeld I in Höhe von 521,70 EUR) gegenüberzustellen, woraus sich eine monatliche Leistung von jeweils 320,65 EUR ergebe, die die Beigeladene an die Antragsteller zu erbringen habe. Die Beigeladene habe sich insoweit die Kenntnis des Antragsgegners zuzurechnen lassen. Der Beschluss wurde der Beigeladenen am 07.03.2016 zugestellt.

Am 31.03.2016 hat die Beigeladene Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Sie beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 03.03.2016 aufzuheben.

Zur Begründung verweist sie auf die von der Auffassung des BSG abweichende Instanzenrechtsprechung, zuletzt im Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 11.02.2016 (L 3 AS 668/15 B ER). Danach dürfe entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nicht automatisch nach Ablauf von sechs Monaten von einer Ermessensreduktion auf Null und damit von einem Leistungsanspruch nach dem SGB XII ausgegangen werden.

Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 13.04.2106 erklärt, dass er sich der Beschwerde nicht anschließe.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners und der Beigeladenen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhoben worden und auch statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstand übersteigt die Beschwerdesumme von 750 EUR (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 SGG).

Die Beschwerde ist aber unbegründet, weil die Entscheidung des Sozialgerichts, die Beigeladene zur vorläufigen Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt an die Antragsteller rechtmäßig ergangen ist.

Der Antrag auf vorläufige Gewährung von Leistungen ist als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft, weil die Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen und damit eine Erweiterung seiner Rechtsposition anstreben.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen, wobei Glaubhaftigkeit bedeutet, dass ein geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit ausreicht als die volle richterliche Überzeugung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO). Dabei haben sich die Anforderungen an die Glaubhaftmachung an dem Rechtsschutzziel zu orientieren, das mit dem jeweiligen Rechtsschutzbegehren verfolgt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.07.2003 - 2 BvR 311/03 und Nichtannahmebeschluss vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen. Wenn dies nicht möglich ist, etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte, kann die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auch auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgen (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12 -, juris, Rn. 3).

Die Antragsteller haben hinsichtlich der vom Sozialgericht vorläufig zugesprochenen Leistungen nach dem SGB XII sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Das Sozialgericht hat seiner Entscheidung in nicht zu beanstandender Weise die Rechtsauffassung des BSG in den Urteilen vom 03.12.2015 (B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R) zugrunde gelegt. An dieser Auffassung hat das BSG in weiteren Entscheidungen vom 20.01.2016 (B 14 AS 35/15 R - Terminbericht) und vom 17.03.2016 (B 4 AS 32/15 R - Terminbericht) und trotz unmittelbar einsetzender Kritik ausdrücklich festgehalten.

Aufgabe des einstweiligen Rechtschutzes ist nicht die abschließende Auseinandersetzung mit schwierigen und strittigen Rechtsfragen, sondern die vorläufige Regelung eines streitigen Sachverhalts (hier im Sinne der Behebung einer gegenwärtigen Notlage) unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens. Vor allem dann, wenn - wie vorliegend - bereits eine obergerichtliche Rechtsprechung vorliegt, kann diese bei der Frage, ob im einstweiligen Rechtsschutz ein Anordnungsanspruch anzunehmen ist, nicht unberücksichtigt bleiben. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob das für den Eilrechtsschutz zuständige Gericht diese Auffassung teilt. Insoweit verkennt auch das LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 11.02.2016, a.a.O.) die Bedeutung des einstweiligen Rechtschutzverfahrens. Der Senat schließt sich daher der darin geäußerten Auffassung bei durchaus berechtigter Kritik an der Rechtsprechung des BSG für das vorliegende Verfahren, in dem eine einstweilige Anordnung zu überprüfen ist, nicht an.

Nach den im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Unterlagen hat der Antragsteller zu 1 seinen Arbeitnehmerstatus verloren hat, weil er nicht unfreiwillig arbeitslos geworden ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU). Der Antragsteller zu 1 hat ungeachtet der Frage, ob die Arbeitserprobung wie geplant im Betrieb seines früheren Arbeitgebers hätte stattfinden können oder nicht, ohne objektiv nachvollziehbaren Grund ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis aufgelöst. Er hat nicht abgewartet, ob evtl. der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auflöst, weil die Weiterbeschäftigung des Antragstellers zu 1 nicht möglich gewesen wäre. Offensichtlich hätte er jedenfalls an einer anderen Niederlassung eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gehabt. Stattdessen hat der Antragsteller zu 1 sich dem Willen seiner Ehefrau gebeugt, die A-Stadt nicht verlassen wollte und dadurch den Eintritt der Sperrzeit verursacht.

Ob und welchen Aufenthaltsstatus die Antragstellerin zu 2 hat, erschließt sich aus den Akten nicht. Offensichtlich hat sie Verwandte in A-Stadt und ist nicht berufstätig. Sie ist jedenfalls seit dem 14.04.2015 in A-Stadt gemeldet. Weitere Hinweise finden sich in den Akten nicht. Allerdings ist auch von ihren Bevollmächtigten kein anderes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitssuche angegeben worden.

Es ist daher mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Antragsteller sich auf kein anderes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitssuche berufen können und damit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II wirksam vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind (BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R; EuGH Rs. Alimanovic vom 15.9.2015, C-67/14 Rn. 63).

Damit ist aber nach dem Urteil vom 03.12.2015 (a.a.O.) nicht zugleich das Recht auf Existenzsicherung durch Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII ausgeschlossen, weil der Leistungsausschluss aus § 21 Satz 1 SGB XII sich ungeachtet der Frage der Erwerbsfähigkeit nach der Auslegung des BSG nicht auf Personen bezieht, die dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II unterfallen. Obwohl im Grundsatz bei der Systemzuweisung die Erwerbszentriertheit des SGB II zu beachten ist, hat das BSG sich unter Bezugnahme auf andere Leistungsausschlüsse (vgl. insbesondere § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II) für eine andere Auslegung entschieden und diesen Personenkreis dem Grunde nach dem Leistungssystem des SGB XII zugewiesen. Diese Rechtsauffassung legt auch der Senat im vorliegenden Verfahren hinsichtlich des Anordnungsanspruchs zugrunde.

Die Antragsteller sind zwar mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gemäß § 23 Abs. 3 SGB XII auch von den Leistungen der Sozialhilfe ausgeschlossen, weil sie allenfalls über ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche verfügen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 47ff). Gleichwohl können ihnen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auch bei einem Verlust auf den Rechtsanspruch Leistungen der Sozialhilfe gewährt werden, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Soweit der BSG weiter folgert, dass immer dann, wenn sich das Aufenthaltsrecht des ausgeschlossenen Ausländers verfestigt hat, was regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland anzunehmen ist, aus verfassungsrechtlichen Erwägungen im Regelfall von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen ist, sind auch diese Voraussetzungen erfüllt.

Die Antragsteller halten sich seit über einem Jahr in der Bundesrepublik auf, wobei jedenfalls der Antragsteller zu 1 bis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses über ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer verfügte. Der Verlust dieses Aufenthaltsrechts steht im Zusammenhang mit einem (wohl) noch nicht bestandskräftigen Sperrzeitbescheid und der Antragsteller zu 1 erhält derzeit Lohnersatzleistungen der Agentur für Arbeit. Diese Umstände lassen nicht darauf schließen, dass sich die Antragsteller nicht auf Dauer im Inland aufhalten werden. Die Ausländerbehörde hat bisher keine konkreten Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass der vorliegende Fall grundsätzlich geeignet wäre, eine andere rechtliche Beurteilung im Rahmen der vorzunehmenden Ermessensentscheidung herbeizuführen.

Die Antragsteller haben auch die weiteren Voraussetzungen für den streitigen Anspruch glaubhaft gemacht.

Da es bei der Leistungsgewährung nach dem SGB XII nur auf die Tatsache der Hilfebedürftigkeit ankommt (BSG vom 10.11.2011, B 8 SO 12/10 R), ist unerheblich, ob der Antragsteller zu 1 seine Hilfebedürftigkeit und die seiner Frau selbst verschuldet hat. Ein etwaiger Kostenersatzanspruch nach § 103 Abs. 1 SGB XII, mit dem die Leistungen bis auf das jeweils Unerlässliche aufgerechnet werden könnten (§ 26 Abs. 2 Satz 1 SGB XII), müsste erst festgestellt werden und ist daher vornherein nicht geeignet, die Leistungsberechtigung im streitigen Zeitraum bis zum 30.06.2016 einzuschränken.

Die Antragsteller haben auch glaubhaft gemacht, dass sie im streitigen Zeitraum ihren Lebensunterhalt jedenfalls nicht vollständig aus eigenen Kräften und Mitteln, hier dem Arbeitslosengeld des Antragstellers zu 1 decken können (§ 19 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 27 Abs. 1 SGB XII). Die Berechnung des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden.

In diesem Umfang besteht auch ein Anordnungsgrund.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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