L 5 KR 217/15

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 7 KR 1092/13
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 217/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 28.09.2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 04.06.2013 bis zum 30.06.2013.
Der 1969 geborene Kläger, der bei der Beklagten krankenversichert ist, war bis 15.05.2013 als Lagerarbeiter beschäftigt. Anschließend war er arbeitslos. Am 09.03.2013 trat Arbeitsunfähigkeit wegen einer Glaskörperblutung bei diabetischer Retinopathie ein. Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 17.04.2013 einen ersten Auszahlschein für Krankengeld und wies darauf hin, dass spätestens am letzten Tag der bisher vorläufig bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ein Arzt aufgesucht werden müsse, um das Ende der Arbeitsunfähigkeit oder die Verlängerung vermerken zu lassen. Die Beklagte gewährte dem Kläger Krankengeld ab dem 20.04.2013. Der Allgemeinarzt B bescheinigte dem Antragsteller im Auszahlschein vom 06.05.2013 weitere Arbeitsunfähigkeit bis zum 20.05.2013. Im Auszahlschein vom 21.05.2013 gab er an, der Kläger sei voraussichtlich bis zum 03.06.2013 arbeitsunfähig. Am 06.06.2013 stellte er einen weiteren Auszahlschein aus und gab an, der Kläger habe sich zuletzt am 03.06.2013 bei ihm vorgestellt und sei voraussichtlich bis zum 23.06.2013 arbeitsunfähig. Mit Bescheid vom 07.06.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ihm sei am 06.05.2013 Arbeitsunfähigkeit bis zum 20.05.2013 bescheinigt worden. Er habe sich aber erst am 21.05.2013 weitere Arbeitsunfähigkeit bescheinigen lassen, so dass eine durchgängige Arbeitsunfähigkeit nicht anzuerkennen sei. Durch einen von ihr zu vertretenden Irrtum sei ihm aber über den 20.05.2013 hinaus Krankengeld gezahlt worden. Hierbei handele es sich um eine unrechtmäßig begünstigende Entscheidung, die nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nur mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden dürfe. Die Krankengeldzahlung werde spä-testens mit dem 03.06.2013 eingestellt, da nach diesem Tag erneut keine lücken-lose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden sei. Die Ausstellung sei erst am 06.06.2013 erfolgt. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, der 20.05.2013 sei Pfingstmontag gewesen, so dass sich die Frist um einen Tag verlängert habe. Die Bescheinigung weiterer Arbeitsunfähigkeit am 21.05.2013 sei deshalb rechtzeitig gewesen. Danach habe er sich am 03.06.2013 (Montag), also rechtzeitig, beim Arzt vorgestellt, der ihm weiterhin Arbeitsunfähigkeit attestiert habe. Der Zahlschein sei dann am 06.06.2013 ausgefüllt worden. Auch während dieses Zeitraums könne ihm keine Verspätung vorgehalten werden. Der Kläger legte eine Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin B vom 27.06.2013 vor, der ausführte, der Kläger habe sich am 25.03.2013 erstmals in seiner Praxis vorgestellt und sei bis zum 30.06.2013 durchgehend arbeitsunfähig. Ein Reha-Antrag zur Durchführung einer orthopädischen Rehabilitation sei gestellt worden. Durch Widerspruchsbescheid vom 24.10.2013, zugestellt am 29.10.2013, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 28.11.2013 Klage beim Sozialgericht Speyer erhoben. Er hat vorgetragen, er sei am 03.06.2013 bei seinem Hausarzt vorstellig geworden. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm auch Arbeitsunfähigkeit attestiert worden. Warum der Auszahlschein erst am 06.06.2013 ausgestellt worden sei, könne er jetzt nicht mehr nachvollziehen. Das Sozialgericht hat Befundberichte bei den Ärzten Dr. W , B , Dr. S und Dr. P eingeholt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin B hat in seinem Befundbericht vom 09.04.2014 angegeben, es hätten u.a. am 03.06.2013 und 04.06.2013 Patientenkontakte stattgefunden. Am 21.05.2013 sei im Evangelischen Krankenhaus Z eine Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule des Klägers durchgeführt worden. Da bei der damaligen Untersuchung auch der Verdacht auf eine Harnstauung geäußert worden sei und der Befund erst am 03.06.2013 in seiner Praxis vorgelegen habe, sei für den 04.06.2013 eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums durchgeführt worden. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sei am 03.06.2013 zunächst bis zum 30.06.2013 verlängert worden. Beigefügt war ein Computerausdruck der Karteikarte, in der unter dem 03.06.2013 vermerkt ist, dass Arbeitsunfähigkeit am 03.06.2013 festgestellt wurde.
Durch Urteil vom 28.09.2015 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger Krankengeld über den 03.06.2013 hinaus bis zum 30.06.2013 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei im streitigen Zeitraum tat-sächlich gemäß § 44 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) arbeitsunfähig gewesen. Die gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V erforderliche ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei rechtzeitig am 03.06.2013 erfolgt. Zunächst habe zwar aufgrund der ärztlichen Feststellung vom 21.05.2013 eine Lücke von einem Tag bestanden, die Mitgliedschaft des Klägers sei jedoch gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB II durch den Krankengeldbezug bis zum 03.06.2013 erhalten worden. Nach dem Befundbericht und der Patientenkartei des Allgemeinarztes B habe dieser am 03.06.2013 weitere Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Für die rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei nicht maßgeblich, dass der Auszahlschein erst am 06.06.2013 ausgestellt worden sei. Ein Ruhen des Krankengeldanspruchs nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V sei vorliegend nicht eingetreten, da die Meldung vom 06.06.2013 rechtzeitig innerhalb der Wochenfrist erfolgt sei.
Hiergegen hat die Beklagte am 14.10.2015 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V sei vorliegend eindeutig erst am 06.06.2013 erfolgt, da sie an diesem Tag ärztlich attestiert worden sei. An diesem Tag sei der Kläger nicht mehr mit Krankengeldanspruch versichert gewesen, da er als Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne Krankengeldanspruch versichert gewesen sei. Eine Ausnahme von der Anwendung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V lasse das Bundessozialgericht nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu. Die Voraussetzungen hierfür seien nicht gegeben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 28.09.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht geltend, er sei am 03.06.2013 persönlich durch den Arzt untersucht worden. Dieser habe an diesem Tag seine Arbeitsunfähigkeit festgestellt. § 46 SGB V stelle allein auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, nicht auf das Ausfüllen einer
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und deren Vorlage ab.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt der Senat Bezug auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 04.06.2013 bis zum 30.06.2013.
Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Nach § 46 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen bis zum 23.07.2015 geltenden Fassung entsteht der Anspruch auf Krankengeld (1.) bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, (2.) im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Wird das Krankengeld jeweils aufgrund der vom Vertragsarzt ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entsprechend der dort angegebenen voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit gezahlt, liegt hierin regelmäßig eine zeitlich befristete Bewilligung (BSG 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R, juris Rn. 16; BSG 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R, juris Rn. 29). Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit, aber abschnittsweiser Krankengeldbewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig zu prüfen. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs ist es deshalb erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird (vgl. BSG 16.12.2014 – B 1 KR 19/14 R, juris Rn. 13 mwN; LSG Rheinland-Pfalz 18.02.2015 – L 5 KR 180/15 mwN).
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger für die Zeit vom 04.06.2013 bis 30.06.2013 keinen Anspruch auf Krankengeld. Der Kläger hat sich zwar nach seinen Angaben, die durch die vorgelegte ärztliche Karteikarte bestätigt werden, am 03.06.2013 bei dem Arzt für Allgemeinmedizin B vorgestellt, dieser hat jedoch eine weitere Arbeitsunfähigkeit gerade nicht nach außen dokumentiert. Die Angabe von Arbeitsunfähigkeit allein in den Krankenunterlagen des Arztes ohne eine Dokumentation nach außen reicht für eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V indessen nicht aus. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit soll verhindern, dass die Krankenkasse die Voraussetzungen einer verspätet geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit oder einer nachträglichen Bescheinigung im Nachhinein aufklären muss. Die Krankenkasse soll die Möglichkeit erhalten, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den MDK prüfen zu lassen. Das dient der Vermeidung von Leistungsmissbrauch und setzt die Krankenkasse in die Lage, gegebenenfalls Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten einzuleiten (Sonnhoff, in Schlegel/Voelzke, jurisPK SGB V, 3. Auflage 2016, § 46 SGB V, Rn. 24 mwN). Würde man eine interne ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit allein in der Krankendokumentation des Arztes ohne entsprechende Manifestation der Feststellung nach außen ausreichen lassen, so würde das Manipulationsmöglichkeiten eröffnen, die einen Leistungsmissbrauch ermöglichen und die Nachprüfung durch die Krankenkasse erschweren. Danach hätte vorliegend ein Anspruch auf Krankengeld erst am 07.06.2013 aufgrund des Auszahlscheins vom 06.06.2013 entstehen können. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger als Bezieher von Arbeitslosengeld II nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Die nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V durch den Bezug von Krankengeld aufrechterhaltene Mitgliedschaft war am 04.06.2013 entfallen.
Es liegen auch keine besonderen Umstände vor, bei denen ausnahmsweise eine nachträgliche ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zulässig sein könnte (BSG 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R, juris, Rn 26 ff). Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheidet aus, da der Kläger nicht durch einen Beratungsfehler der Beklagten an der rechtzeitigen ärztlichen Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit gehindert war. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Beklagte habe ihm gesagt, er solle nicht ständig, sondern nur etwa im Abstand von zwei bis vier Wochen, Auszahlscheine vorlegen. Deshalb habe er sich am 03.06.2013 noch keinen Auszahlschein ausstellen lassen. Diese Angaben sind indessen nicht nachvollziehbar, da die Beklagte ihn mit Schreiben vom 17.04.2013 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass spätestens am letzten Tag der bisher vorläufig bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ein Arzt aufgesucht werden müsse, um das Ende der Arbeitsunfähigkeit oder die Verlängerung vermerken zu lassen, da ansonsten der Anspruch auf Krankengeld erst wieder mit dem Folgetag der erneuten Feststellung der Arbeitsunfähigkeit beginne. Ein Beratungsfehler der Beklagten liegt daher nicht vor.
Dem Kläger steht auch kein nachgehender Leistungsanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V zu. Danach besteht, wenn die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger endet, Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Der Kläger war aber ab dem 04.06.2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V als Bezieher von Arbeitslosengeld II versichert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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