L 20 SO 139/16 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 48 SO 64/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 139/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu einem Anspruch von EU-Bürgern auf Existenzsicherung zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (u.a. Urteile vom 03.12.2015 - B 4 AS 43/15 R, 44/15 R und 59/13 R, vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R) begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Grenzen einer zulässigen verfassungskonformen Auslegung.
2.
In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der ersten und zweiten Instanz ist ggf. ein solcher Anspruch auf existenzsichernde Leistungen zuzusprechen, da er nach höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht und eine Anrufung des Bundessozialgerichts gegen ablehnende instanzgerichtliche Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 09.03.2016 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren. Der Antragstellerin wird für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. M, F, bewilligt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zu vorläufigen Leistungen nach dem SGB XII im Wege des Eilrechtsschutzes.

Die 1970 geborene Antragstellerin ist polnische Staatsangehörige. Sie reiste im Januar 2014 nach Deutschland ein und lebt seither ununterbrochen mietfrei bei ihrem Bruder im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin.

Ihre seit November 2014 beim beigeladenen Jobcenter gestellten Anträge auf Leistungen nach dem SGB II wurden abgelehnt; insoweit sind Klageverfahren vor dem Sozialgericht Duisburg anhängig. In einem der Widerspruchsverfahren hat die Antragstellerin beim Beigeladenen vorgetragen, sie habe im Mai 2015 eine Arbeitsstelle als Reinigungskraft gefunden; es sei ihr allerdings weder ein Arbeitsvertrag ausgehändigt noch Lohn ausgezahlt worden.

Auf einen im April 2015 gestellten Eilantrag verpflichtete das Sozialgericht Duisburg den Beigeladenen, der Antragstellerin vorläufig Leistungen in Höhe des Regelbedarfs nach dem SGB II bis zum 02.10.2015 zu gewähren (S 38 AS 1433/15 ER). Die Beschwerde des Beigeladenen blieb erfolglos (L 19 AS 888/15 B ER).

Am 07.01.2016 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB XII. Die Antragsgegnerin teilte ihr bei einer Vorsprache am 01.02.2016 mit, dass der Beigeladene für Leistungen zuständig sei.

Hierauf hat sich die Antragstellerin am 03.02.2016 an das Sozialgericht Duisburg gewandt und um Eilrechtsschutz nachgesucht. Sie hat vorgetragen, sie halte sich berechtigterweise in Deutschland auf. Denn sie habe ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II anwendbar, so dass sie vom Beigeladenen keine Leistungen erhalten könne. Sie habe jedoch nach § 23 SGB XII einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin. Über Vermögen verfüge sie nicht; die Sache sei deshalb eilbedürftig.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, die Antragstellerin sei gemäß § 21 SGB XII als Erwerbsfähige von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. Die Abgrenzung der Leistungsregime des SGB II und des SGB XII richte sich nach der Erwerbsfähigkeit. Dies gelte auch dann, wenn ein Erwerbsfähiger tatsächlich keine Leistungen nach dem SGB II erhalte; insoweit komme es allein auf die grundsätzliche Zuweisung zum Leistungsregime des SGB II an. Soweit das BSG in seiner Entscheidung vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R in eine Ermessensleistung nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII ausweiche und dabei von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgehe, habe es sich über den deutlichen gesetzgeberischen Willen hinweggesetzt. Anders als Personen, die unter das Leistungsregime des AsylbLG fielen, seien Staatsbürger von Mitgliedsstaaten der EU in der Lage, kurzfristig in ihr Herkunftsland auszureisen. Auch der Antragstellerin sei eine Rückkehr nach Polen grundsätzlich zumutbar; die Antragsgegnerin sei insofern bereit, Hilfe in Form einer Fahrkarte und von Verzehrgeld zu gewähren.

Der Beigeladene hat vorgetragen, die Antragstellerin sei nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

Mit Beschluss vom 09.03.2016 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 03.02.2016 bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung vorläufig Leistungen in Höhe des Regelbedarfs nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu gewähren. Auf die Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen.

Hiergegen hat die Antragsgegnerin am 18.03.2016 Beschwerde eingelegt. Sie hält weiterhin Leistungen nach dem SGB XII trotz anderslautender Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gemäß § 21 SGB XII für ausgeschlossen. Dies folge aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes. Danach sei die Erwerbsfähigkeit das zentrale Abgrenzungskriterium zwischen den Leistungsregimen des SGB XII und des SGB II. Ein Leistungsausschluss nach dem SGB II lasse die dortige Leistungsberechtigung daher nicht "dem Grunde nach" entfallen, sondern stelle lediglich eine anspruchsvernichtende Einwendung dar. Die Gesetzesbegründung zu § 21 SGB XII gebe unmissverständlich zu erkennen, dass erwerbsfähige Ausländer von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen seien; dies entspreche dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Der Leistungsausschluss gelte deshalb für beide Leistungsregime gleichermaßen. Unbeschadet des § 21 SGB XII bestehe auch wegen § 23 SGB XII kein Leistungsanspruch; denn der dort in Abs. 3 S. 1 geregelte Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, erstrecke sich auch auf den vom Bundessozialgericht als Anspruchsgrundlage gesehenen Abs. 1 S. 3 der Vorschrift. Ohnehin sei nicht nachvollziehbar, wie das Bundessozialgericht bei § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII eine Ermessensreduzierung auf Null annehmen könne; denn der EU-Ausländer habe die Möglichkeit der Selbsthilfe durch Ausreise. Auch aus dem Grundgesetz lasse sich ein Anspruch auf dauerhafte Sozialhilfeleistungen für EU-Ausländer nicht ableiten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 09.03.2016 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Das Sozialgericht sei richtigerweise der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gefolgt, während die Auffassung der Antragsgegnerin dieser Rechtsprechung zuwiderlaufe.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin für die Zeit vom 03.02. bis 31.03.2016 Leistungen in Umsetzung des Beschlusses des Sozialgerichts erbracht (780,14 EUR = 376,14 EUR für 03. - 29.02.2016 und 404,00 EUR für März 2016). Ab April hat sie keine Leistungen mehr gewährt; hierzu ist ein neuerliches Eilverfahren vor dem Sozialgericht anhängig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Der Mindestbeschwerdewert von 750,01 EUR (§§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) wird mit 780,14 EUR überschritten. Die Beschwerde ist zudem form- und fristgerecht erhoben worden (§ 173 SGG). Insbesondere besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsgegnerin. Dies ist nicht etwa dadurch entfallen, dass sie den sozialgerichtlichen Beschluss durch vorläufige Leistungserbringung umgesetzt hat (so aber Bayerisches LSG, Beschluss vom 10.07.2009 - L 7 AS 323/09 B ER Rn. 23). Denn eine Beschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten der sich rechtstreu verhaltenden Behörde unter Verweis auf das Hauptsacheverfahren ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes weder vorgesehen, noch erschiene sie gerechtfertigt (vgl. ausführlich dazu LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.06.2010 - L 13 AS 147/10 B ER Rn. 15 ff., m.w.N.).

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller sowohl das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft (i.S.v. überwiegend wahrscheinlich; vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 29.07.2003 - 2 BvR 311/03) macht (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund allerdings nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr zwischen beiden eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt.

Darüber hinaus können sich aus Art. 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Die Gerichte müssen in solchen Fällen bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, also dem Bestehen eines Anordnungsanspruchs, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Das gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. zu alledem BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05).

a) Nach dieser Maßgabe hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin zu Recht zur vorläufigen Erbringung von Leistungen nach dem SGB XII in Höhe des Regelbedarfs verpflichtet. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf vorläufige Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (= Anordnungsanspruch) gegen die Antragsgegnerin hinreichend glaubhaft gemacht.

aa) Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG (Urteile vom 03.12.2015 - B 4 AS 43/15 R, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R; vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R und B 14 AS 33/14 R; vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R) einen Anspruch auf Leistungen in Höhe des Regelbedarfs nach dem SGB XII hat.

(1) Die Antragstellerin ist nicht vorrangig nach einem anderen Leistungsregime als dem des SGB XII leistungsberechtigt.

(a) Eine Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 AsylbLG) ist nicht ersichtlich. Die Antragstellerin gehört insbesondere nicht zu den vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG. Denn eine Feststellung des Nichtbestehens eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt (§ 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU) ist nicht ersichtlich.

(b) Der Antragstellerin steht auch keine Grundsicherung nach dem SGB II zu.

Zwar hat sie das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze - § 7a SGB II - noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat sie zudem in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Bei summarischer Prüfung ist sie auch - entsprechend ihren eigenen Angaben - erwerbsfähig und hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 i.V.m. §§ 8 und 9 SGB II; dies wird auch weder von der Antragsgegnerin noch vom Beigeladenen in Zweifel gezogenen.

Sie ist jedoch gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Danach sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Die Antragstellerin hält sich nach ihrem eigenen Vortrag allein zur Arbeitssuche in Deutschland auf; ein Aufenthaltsrecht kommt deshalb allenfalls nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU in Betracht. Danach sind freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich zur Arbeitssuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Dabei kommt es auf einen Nachweis der Arbeitssuche nicht entscheidend an; denn selbst wenn die Antragstellerin insoweit keine Bemühungen entfaltet hätte, unterfiele sie "erst recht" dem Leistungsausschluss (vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R Rn. 19 ff.).

Auf ein anderes Aufenthaltsrecht kann sich die Antragstellerin nicht berufen. Für ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 7, Abs. 3 FreizügG/EU ist nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich. Zwar hat die Antragstellerin gegenüber der Beigeladenen eine Stelle als Reinigungskraft erwähnt. Eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmerin (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU) folgt daraus jedoch nicht. Denn die Antragstellerin hat insoweit weder Lohn erhalten, noch ist sie weiterhin als Reinigungskraft tätig. Um Arbeitnehmerin zu sein, hätte sie jedoch während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringen und dafür als Gegenleistung eine Vergütung erhalten müssen; es hätte eine Integration in den Betrieb des Arbeitgebers erfolgt sein müssen (vgl. EuGH, Urteil i.S. Genc vom 04.02.2010 - C-14/09). Eine Freizügigkeitsberechtigung als nichterwerbstätige Unionsbürgerin nach § 4 FreizügG/EU besteht nicht, da die Antragstellerin nicht über den dafür notwendigen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt. Andere, aus dem AufenthG folgende Aufenthaltsrechte sind ebenfalls nicht ersichtlich.

Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes europarechtskonform (Urteile i.S. Dano vom 11.11.2014 - C-333/13 sowie i.S. Alimanovic vom 15.09.2015 - C-67/14). Selbst wenn das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld nach dem SGB II als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen i.S.d. Art. 70 VO (EG) Nr. 883/2004 und als "Sozialhilfe" i.S.d. Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG eingeordnet werden, stehen Art. 24 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG und Art. 4 VO (EG) Nr. 883/2004 der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten (einschließlich ihrer Familienangehörigen) vom Bezug dieser Leistungen ausgeschlossen werden, sofern diesen Staatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG zusteht (EuGH, Urteil vom 11.11.2014, a.a.O.). Gleiches gilt für Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten (einschließlich ihrer Familienangehörigen), die nach Deutschland eingereist sind, um Arbeit zu suchen, wenn sie nicht Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder ihnen dieser Status erhalten geblieben ist (EuGH, Urteil vom 15.09.2015 a.a.O.; vgl. zum Ganzen BSG, Urteile vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R Rn. 31 und vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 Rn. 35).

(2) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 03.12.2015, 16.12.2015 und 20.01.2016, a.a.O.) hat die Antragstellerin allerdings einen Anspruch auf Existenzsicherung durch Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII in der gesetzlich festgelegten Höhe gegen die Antragsgegnerin (vgl. auch Coseriu in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 23 Rn. 63 ff.; Eicher in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 21 Rn. 35 ff.).

(a) Das Bundessozialgericht sieht einen solchen Anspruch (a.a.O.) nicht als nach § 21 S. 1 SGB XII von vornherein ausgeschlossen an.

Nach dieser Vorschrift erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Das Bundessozialgericht ist insoweit der Ansicht, die Abgrenzung der Leistungsregime des SGB II und des SGB XII könne nicht auf das schlichte Kriterium der Erwerbsfähigkeit reduziert werden; sie sei vielmehr differenzierter. Wer dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II unterfalle, sei im Sinne des § 21 S. 1 SGB XII nicht "nach dem Zweiten Buch ( ) dem Grunde nach leistungsberechtigt"; dies führe zu einer Zuweisung zum Leistungsregime des SGB XII. § 21 S. 1 SGB XII stelle gerade nicht ausschließlich auf das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit ab (vgl. BSG, Urteile vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R Rn. 40 ff. und vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R Rn. 34 f.; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.05.2014 - L 8 SO 129/14 B ER Rn. 14). Der Ausschluss von Personen, die nicht oder nicht mehr über eine Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitssuche verfügen, vom "erwerbszentrierten" Leistungsregime des SGB II nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II, führt nach Auffassung des Bundessozialgerichts deshalb dazu, "die Sperrwirkung des § 21 SGB XII entfallen zu lassen".

(b) Können diese Personen deshalb nach Ansicht des Bundessozialgerichts grundsätzlich Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten, so setzt dies allerdings voraus, dass kein (anderweitiger) Leistungsausschluss nach dem SGB XII besteht. Bei der Antragstellerin besteht jedoch ein solcher Leistungsausschluss.

Dieser folgt zwar nicht aus § 23 Abs. 3 S. 1, 1. Alt. SGB XII (Einreise, um Sozialhilfe zu erlangen). Denn bei der im einstweiligen Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen finalen Zusammenhang zwischen der Einreise der Antragstellerin nach Deutschland und dem von ihr begehrten Sozialhilfebezug.

Ein Leistungsanspruch ist jedoch nach § 23 Abs. 3 S. 1, 2. Alt. SGB XII ausgeschlossen (Einreise bei Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche). Denn ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin leitet sich nach ihrem Vortrag allenfalls aus dem Zweck der Arbeitssuche ab (s.o.). Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA steht diesem Leistungsausschluss nicht entgegen, weil sie polnische Staatsangehörige und Polen kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens ist.

(c) Trotz dieses Leistungsausschlusses gemäß § 23 Abs. 3 SGB XII kann nach Auffassung des Bundessozialgerichts gleichwohl Sozialhilfe nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII geleistet werden, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt ist (BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R Rn. 51).

Folgt man dieser Auffassung, sieht § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII einen Anspruch der Antragstellerin auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über die Sozialhilfegewährung vor. Das Ermessen des Sozialhilfeträgers soll dabei indes nach Ansicht des BSG (a.a.O. Rn. 53) in einem Fall wie dem vorliegenden nach Grund und Höhe hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert sein. Dies sei immer dann der Fall, wenn sich das Aufenthaltsrecht des ausgeschlossenen Ausländers verfestigt habe; regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland. Denn die Freizügigkeitsberechtigung zum Zwecke der Arbeitssuche ende nach Ablauf von sechs Monaten gemäß § 2 Abs. 1a FreizügG/EU, wenn nicht weiterhin eine begründete Aussicht auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bestehe. Für diese typisierte Dauer einer Arbeitssuche von sechs Monaten nach Einreise sei der Aufenthalt noch nicht verfestigt, weil hinter der zeitlichen Begrenzung die Erwartung stehe, es handele sich um einen angemessenen Zeitraum, die Erfolgsaussichten einer Arbeitssuche in einem anderen Mitgliedstaat ohne Aufenthaltsverfestigung zu prüfen. Werde diese Erwartung enttäuscht und bleibe der tatsächliche Aufenthalt in Deutschland nach Ablauf von sechs Monaten bestehen, trete im Regelfall eine Aufenthaltsverfestigung ein; dieser könne nach geltendem Recht ausländerbehördlich entgegengetreten werden. Bestimmend für die Ermessenausübung sei insbesondere, dass der Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt im Sozialhilferecht auch ansonsten weder nach dem Grund der Einreise noch nach Berechtigung oder Dauer des Aufenthalts frage; bei der Leistungsgewährung nach dem SGB XII komme es in erster Linie auf eine gegenwärtige Hilfebedürftigkeit an. Eine Erbringung existenzsichernder Leistungen nur im Einzelfall nach Ermessen würde dann verfassungsrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG, Urteile vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 sowie vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 und 2/11) nicht mehr genügen (BSG, Urteile vom 03.12.2015 - B 44/15 R Rn. 53 ff. und Urteil vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R Rn. 45).

Nach dieser Maßgabe ist der Aufenthalt der Antragstellerin in der Bundesrepublik verfestigt; denn sie hält sich hier seit mehr als sechs Monaten auf. Zugleich steht ihr jedenfalls nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wegen Ermessensreduzierung auf Null bei wirtschaftlicher Bedürftigkeit Sozialhilfe nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII zu.

(d) Diese Bedürftigkeit hat die Antragstellerin bei summarischer Prüfung glaubhaft gemacht. Sie verfügt nach ihren plausiblen Angaben nicht über einsatzpflichtiges Einkommen oder Vermögen; dies wird von den übrigen Beteiligten (insbesondere von der Antragsgegnerin) auch nicht in Zweifel gezogen.

Die Höhe der der Antragstellerin in Umsetzung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zustehenden Leistungen erstreckt sich auf den maßgeblichen Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 entsprechend der Anlage zu § 28 SGB XII. Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 35 SGB XII macht die (mietfrei bei ihrem Bruder wohnende) Antragstellerin vorliegend nicht geltend.

bb) (1) Ein großer Teil der instanzgerichtlichen der Rechtsprechung folgt allerdings der Auffassung des Bundessozialgerichts zu einem Anspruch nicht freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger (insbesondere zur Anwendung der Ausschlussnorm des § 21 S. 1 SGB XII und zum Anwendungsbereich der Ermessensvorschrift des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII) nicht (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016 - L 12 SO 79/16 B ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 - L 3 AS 668/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 - L 9 AS 1335/15 B ER; SG Dortmund, Beschluss vom 11.02.2016 - S 35 AS 5396/ ER; SG Berlin, Beschluss vom 11.12.2015 - S 149 AS 7191/13; dem Bundessozialgericht hingegen folgend LSG NRW, Beschluss vom 24.02.2016 - L 19 AS 1834/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.03.2016 - L 8 SO 48/16 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.01.2016 - L 28 AS 3053/15 B). Die Antragsgegnerin schließt ihre (ausführlich begründete) Beschwerde an diese vom Bundessozialgericht abweichende Rechtsprechung an.

(2) Auch nach Ansicht des Senats ist der Antragsgegnerin zuzugeben, dass sich die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erheblichen Bedenken aussetzt.

Unbeschadet der (in der Rechtsprechung ausführlich behandelten) Frage, ob die Abgrenzung der Leistungsregime des SGB II und des SGB XII in § 21 SGB XII allein anhand der "Erwerbsfähigkeit" erfolgt, läuft die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erkennbar dem gesetzgeberischen Willen zuwider, der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII zugrunde liegt. Nach den Gesetzesmaterialien sollten Leistungen für den Lebensunterhalt für nicht (mehr) freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger gerade ausgeschlossen sein (vgl. BT-Drucksache 16/2711 S. 10). Insofern bestehen deutliche Zweifel an der Rechtsauffassung des BSG, dass im Anschluss an einen sechsmonatigen Aufenthalt für nicht (mehr) freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, die nach § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII von Sozialhilfeleistungen nach § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII gerade ausgeschlossen sind, nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII regelhaft doch Sozialhilfeleistungen - letztlich in Höhe üblicher Hilfe zum Lebensunterhalt - zu erbringen seien.

Unbeschadet der weiteren Frage, ob eine Verfestigung des Aufenthalts in Deutschland überhaupt durch eine typisierende Anlehnung an die Sechs-Monats-Dauer eines Aufenthalts nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU feststellbar ist, gründen sich die Bedenken gegen die Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts vor allem darin, dass sie die eigentlich als gesetzliche Ausnahme ausgestaltete Ermessensvorschrift des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII (vgl. zum Charakter der Regelung als besonderer Ausnahmefall etwa Coseriu, a.a.O. § 23 Rn. 27) unter zudem typisierender Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null nach sechsmonatigem Aufenthalt bei Fehlen einer Ausweisungsverfügung regelhaft anwenden will (vgl. auch LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016 - L 12 SO 79/16 B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 07.03.2016 - L 15 AS 185/15 B ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 - L 3 AS 668/15 B ER Rn. 30).

Zwar stützt sich das Bundessozialgericht insofern auf verfassungsrechtliche Notwendigkeiten im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG. Der Senat kann einstweilen offen lassen, ob dieses Grundrecht eine wirtschaftliche Absicherung eines EU-Ausländers auf Grundsicherungsniveau unerlässlich erscheinen lässt, oder ob (auch bei Unterbleiben einer an sich möglichen Feststellung einer Ausreisepflicht nach Maßgabe des § 7 FreizügG/EU) das Anerbieten einer Hilfeleistung zur Selbsthilfe durch Rückkehr ins Herkunftsland (wie sie die Antragsgegnerin durch Gestellung von Fahrkarte und Verzehrgeld zu leisten bereit ist) verfassungsrechtlich hinreichend wäre.

Denn selbst wenn man insoweit dem Bundessozialgericht folgt und eine Gewährleistung des Existenzminimums durch laufende Leistungen zum Lebensunterhalt aus verfassungsrechtlichen Gründen für notwendig erachtet, so spricht doch Vieles dafür, dass eine Auslegung des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII, wie sie das Bundessozialgericht vorgenommen hat, die zulässigen Grenzen der Auslegung - auch unter dem Aspekt einer (vermeintlich) verfassungskonformen Auslegung - sprengt.

Diese Bedenken knüpfen an Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu einer aus Sicht des Senats durchaus vergleichbaren Sachlage an. Das Gericht hat in seiner Entscheidung vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 und 2/11 (zur Frage existenzsichernder Leistungen nach dem AsylbLG) für eine Norm (§ 6 AsylbLG), die "als Ausnahmebestimmung für den atypischen Bedarfsfall konzipiert" sei, ausgeführt (Rn. 89), eine solche Norm sei "von vornherein nicht geeignet, strukturelle Leistungsdefizite im sonstigen Regelbereich" der betroffenen Leistungen (dort: § 3 AsylbLG) zu kompensieren. Es hat dabei (zu § 6 Abs. 1 S. 1 AsylbLG) ausgeführt, die Norm zeige, dass es nicht um die Grundsicherung (nach dem AsylbLG) gehe, sondern um Leistungen, die - so der Gesetzeswortlaut - "im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich" oder "zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten" seien. Der erkennbare Gesetzeszweck rechtfertige die Überlegung nicht, die Ermessensvorschrift (des § 6 AsylbLG) könne sich bei verfassungskonformer Auslegung zu einem von der Verfassung für die Existenzsicherung geforderten Anspruch wandeln.

Auch § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII aber ist schon nach seinem Wortlaut eine Regelung für den besonderen Einzelfall (s.o.), innerhalb dessen zudem eine Ermessensausübung erforderlich ist. Wandelt sich § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII in der Anwendung durch das Bundessozialgericht jedoch in Fällen der vorliegenden Art zu einer regelhaften Anspruchsgrundlage für Leistungen in Höhe der gesetzlich in pauschalierten Leistungssätzen festgelegten Grundsicherung, obwohl zugleich die "eigentlichen" Sozialhilfeleistungen an Ausländer des § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII ausgeschlossen sind, dürfte dies den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift unzulässig ausdehnen. Kann § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII dann aber nicht im Sinne des Bundessozialgerichts angewendet werden, so bliebe bei Annahme einer grundrechtsverletzenden Nichtgewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums von betroffenen EU-Ausländern nur eine Aussetzung entsprechender Verfahren, um im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Unterlässt ein Gericht eine solche Vorlage an das Bundesverfassungsgericht, weil es in nicht vertretbarer Weise die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des betroffenen Gesetzes annimmt, verletzt es die Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG (BVerfG, Beschluss vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 Leitsatz 2; hiergegen stünde nach Leitsatz 1 des Beschlusses der betroffenen Behörde die Verfassungsbeschwerde offen).

cc) Der Senat kann jedoch offen lassen, ob die genannten Zweifel gegen die Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts letztlich tragen.

Denn jedenfalls im Rahmen eines Eilverfahrens wie dem vorliegenden hält er es trotz dieser Zweifel nicht für geboten, von der von mehreren Senaten des Bundessozialgerichts übereinstimmend geübten Rechtsprechung zur Auslegung bundesrechtlicher Normen abzuweichen. Zu bedenken ist dabei zum einen, dass der Senat über die Beschwerde der Antragsgegnerin endgültig entscheidet (§ 177 SGG), der Antragstellerin also im Falle einer einstweiligen Leistungsversagung eine Anrufung des Bundessozialgerichts nicht möglich wäre, obwohl sie nach dessen Rechtsauffassung Anspruch auf die von ihr geltend gemachten Leistungen hat. Zum anderen geht es um die Absicherung des wirtschaftlichen Existenzminimums der Antragstellerin; ohne zusprechende Entscheidung wäre sie gänzlich mittellos. Höchstrichterliche Entscheidungen im Sozialrecht aber dienen der Orientierung der Rechtsanwender in Verwaltung und Instanzgerichten im Interesse einer einheitlichen Anwendung der Leistungsvorschriften. Dementsprechend müsste der Senat, wollte er - was im vorliegenden Verfahren dahinstehen kann - in einem Hauptsacheverfahren von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abweichen, durch Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG den Weg für eine Entscheidung durch das Bundessozialgericht öffnen (vgl. in diesem Sinne ebenso LSG NRW, Beschluss vom 18.04.2016 - L 6 AS 2249/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.03.2016 - L 8 SO 48/16 B ER).

In der Gesamtschau erscheint es deshalb sachgerecht, der Antragstellerin einstweilen existenzsichernde Leistungen zuzusprechen, die ihr jedenfalls nach der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts zustehen.

b) Das Eilbedürfnis der Antragstellerin für eine gerichtliche Entscheidung (= Anordnungsgrund) folgt aus dem glaubhaft gemachten Fehlen jeglicher Mittel zur Bestreitung ihres Lebensbedarfs (außerhalb des vom Bruder gestellten Wohnraums).

c) Hat das Sozialgericht nach allem zu Recht die Voraussetzungen für die von ihm getroffene einstweilige Anordnung bejaht, so ist die Beschwerde der Antragsgegnerin ohne Erfolg.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

4. Der Antragstellerin ist gem. § 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu bewilligen. Obwohl die Antragsgegnerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren zu tragen hat, ist dem Prozesskostenhilfegesuch das erforderliche Rechtsschutzinteresse nicht abzusprechen; denn der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt hat ein Wahlrecht, ob er sich wegen seines Vergütungsanspruchs gemäß § 45 RVG an die Staatskasse oder an den erstattungspflichtigen Gegner wendet (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 01.02.2016 - L 20 SO 517/15 B ER).

5. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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