L 9 SO 78/12

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 30 SO 252/09
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 78/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 38/16 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Maßgeblich für die Feststellung des Erstattungsanspruchs nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist die örtliche Zuständigkeit für die im Streit stehende Leistung nach § 98 SGB XII.
2. Für eine sog. Einrichtungskette nach § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII ist erforderlich, dass der Einrichtungswechsel ohne erhebliche zeitliche Unterbrechung verwirklicht wird.
3. Ein wirksames Schuldanerkenntnis i. S.v. § 781 BGB begründet einen Kostenerstattungsanspruch des Leistungsträgers bis zum Zeitpunkt des Eingangs einer gemäß § 313 BGB wirksam ausgesprochenen fristlosen Kündigung.
4. Erstattungsansprüche der Träger der Sozialhilfe untereinander sind nicht gemäß § 108 Abs. 2 SGB X zu verzinsen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 23. Oktober 2012 teilweise aufgehoben und der Beklagte verurteilt, dem Kläger die im Zeitraum 2. März 2006 bis 8. Juni 2006 angefallenen Kosten für die vollstationäre Betreuung von in den Werkstätten der Vorwerker Diakonie, T str. in zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für Leistungen, die der Kläger ab dem 18. Juli 2005 für die vollstationäre Betreuung von P L W (in der Folge: Leistungsempfängerin) aufgewendet hat.

Die am. 1992 geborene Leistungsempfängerin ist mehrfach schwerbehindert. Ihr sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, H und RF zuerkannt. Bis zum 30. Juni 2005 wurde sie in einer Einrichtung des N Erziehungsvereins in N vollstationär betreut. Die Kosten hierfür wurden vom Beklagten getragen. Am 12. Mai 2005 verzogen die Eltern der Leistungsempfängerin nach S in den Kreis Ostholstein. Vom 30. Juni 2005 bis zum 18. Juli 2005 lebte die Leistungsempfängerin dann bei ihren Eltern, wo sie von diesen auch polizeilich angemeldet wurde. Anschließend zog sie in eine stationäre Einrichtung der Vorwerker Diakonie in La um.

Bereits am 21. Mai 2005 hatte die Mutter der Leistungsempfängerin die Kostenübernahme für die stationäre Betreuung in dieser Einrichtung beim Kläger beantragt. Der genaue Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung war dabei noch unklar, es wurde lediglich eine Aufnahme zum 15. Juli 2005 in Aussicht gestellt.

Der Kläger bewilligte der Leistungsempfängerin mit Bescheid vom 6. Juli 2005 unter anderem Eingliederungshilfe für ihre vollstationäre Betreuung in der Wohngruppe der Vorwerker Diakonie.

Mit Schreiben vom 24. Februar 2006 meldete der Kläger dann beim Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 105 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für die ab dem 18. Juli 2005 an die Leistungsempfängerin erbrachten Leistungen an. Mit Schreiben vom 17. Mai 2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er seine Zuständigkeit nach § 98 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), grundsätzlich anerkenne, eine Kostenerstattung könne gemäß § 105 Abs. 3 SGB X aber erst ab Eingang des klägerischen Schreibens vom 24. Februar 2006 am 2. März 2006 erfolgen. Daraufhin teilte der Kläger dem Beklagten mit Schreiben vom 24. Mai 2006 mit, dass im Hinblick auf das Schreiben vom 17. Mai 2005 und ein Telefonat vom 24. Mai 2005 eine Übergabe des Leistungsfalls an den Beklagten zum 1. Juli 2006 erfolgen werde. Die eigene Leistungserbringung werde daher zum 30. Juni 2006 eingestellt. Mit Schreiben vom 6. Juni 2006, beim Kläger eingegangen am 8. Juni 2006, nahm der Beklagte erneut Bezug auf die Anmeldung des Kostenerstattungsanspruches vom 24. Februar 2006 und lehnte die Kostenübernahme insgesamt ab. Es liege kein Fall des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII vor, da die Leistungsempfängerin nicht unmittelbar von einer stationären Einrichtung in die andere gewechselt sei. Sie habe vielmehr zwischenzeitlich einen die Zuständigkeit des Klägers begründenden gewöhnlichen Aufenthalt bei ihren Eltern in S begründet.

Am 18. Dezember 2009 hat der Kläger beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Dabei hat er für den Zeitraum 18. Juli 2005 bis 30. November 2009 seinen Erstattungsanspruch auf 191.747,42 Euro beziffert. Der Beklagte sei der für diesen Leistungsfall zuständige Leistungsträger, denn es liege ein Fall des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII vor. Die Leistungsempfängerin sei während des Bezuges von Leistungen vom Beklagten von einer stationären Einrichtung in eine andere gewechselt. Der Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 18. Juli 2005, den sie zwischenzeitlich bei ihren Eltern verbracht habe, sei unbeachtlich. Es habe nämlich schon beim Auszug aus der Einrichtung in N festgestanden, dass die stationäre Betreuung in der Einrichtung in La fortgesetzt werde. In der Zwischenzeit habe die Leistungsempfängerin keinen gewöhnlichen Aufenthalt in S begründet, da zu keinem Zeitpunkt die Absicht bestanden habe, hier mehr als nur vorübergehend zu verweilen.

Der Kläger hat beantragt, 1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum 18. Juli 2005 bis 30. November 2009 einen Betrag in Höhe von 191.747,42 Euro für die vollstationäre Betreuung in den Werkstätten der Vorwerker Diakonie, T str. in La zu erstatten und diesen gemäß § 108 Abs. 2 SGB X zu verzinsen. 2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte der zuständige Kostenträger für die Unterbringung von P L W , geb. am. 1992, in den Wohnstätten der Vorwerker Diakonie La ist. 3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Leistungsempfängerin habe mit ihrem Zuzug nach S am 30. Juni 2005 dort einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Dabei sei zu beachten, dass die Eltern ihren Lebensmittelpunkt bereits vorher nach S verlegt hatten und die minderjährige Tochter in den elterlichen Haushalt zurückgekehrt sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass eine spätere Unterbringung in den Vorwerker Heimen bereits beabsichtigt gewesen sei.

Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 16. November 2010 hat das Sozialgericht die Klage im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 23. Oktober 2012 abgewiesen. Eine Zuständigkeit des Beklagten nach § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Einrichtungswechsel zwar beabsichtigt, aber nicht unmittelbar erfolgt sei. Nur bei einem direkten Wechsel ohne zeitliche Verzögerung komme diese Vorschrift zur Anwendung. Es sei zudem festzustellen, dass die Leistungsempfängerin bei ihren Eltern in S einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe, so dass der Kläger der zuständige Leistungsträger sei. Dabei sei es unerheblich, dass dieser Aufenthalt nur kurz angedauert habe, denn er sei nicht von vornherein auf einen bestimmten Zeitraum festgelegt gewesen, da der Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung der Vorwerker Diakonie beim Einzug bei den Eltern noch unbekannt gewesen sei.

Der Kläger hat gegen das ihm am 29. Oktober 2012 zugestellte Urteil am 19. November 2012 Berufung eingelegt. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei kein gewöhnlicher Aufenthalt der Leistungsempfängerin in S begründet worden, da dieser Aufenthalt von Anfang an nur für eine kurze Zeitspanne beabsichtigt gewesen sei. Die für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts erforderliche Voraussetzung des zukunftsoffenen Verbleibs sei damit nicht gegeben. Das Sozialgericht habe auch zu Unrecht eine Zuständigkeit des Beklagten nach § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII verneint. Denn eine Unterbrechung der Einrichtungskette sei nur dann anzunehmen, wenn beim Verlassen der einen Einrichtung die folgende stationäre Leistungserbringung noch nicht absehbar sei. Hier habe aber schon seit Mai 2005 festgestanden, dass eine Folgeversorgung in der Einrichtung der Vorwerker Diakonie erfolgen solle.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 23. Oktober 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn - den Kläger - für den Zeitraum 18. Juli 2005 bis 30. November 2009 einen Betrag in Höhe von 191.747,42 Euro für die vollstationäre Betreuung von P L W in den Werkstätten der Vorwerker Diakonie, T str. in La zu erstatten und diesen gemäß § 108 Abs. 2 SGB X zu verzinsen sowie festzustellen, dass der Beklagte der zuständige Kostenträger für die Unterbringung von P L W , geb. am. 1992, in den Wohnstätten der Vorwerker Diakonie La sei.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 22. April 2016 und 25. April 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten des Klägers und des Beklagten verwiesen; diese sind zum Gegenstand der Beratung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 22. April 2016 und 25. April 2016 ausdrücklich ihr Einverständnis hiermit erklärt haben.

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 23. Oktober 2012 ist teilweise rechtswidrig.

Zwar hat der Kläger keinen Anspruch gegenüber dem Beklagten auf Erstattung der Kosten für die stationäre Unterbringung der Leistungsempfängerin nach § 105 Abs. 1 SGB X, da der Beklagte für die Leistungserbringung an die Leistungsempfängerin nicht zuständig ist, ihm steht aber aus dem zwischenzeitlich erklärten Kostenanerkenntnis ein Erstattungsanspruch für den Zeitraum 2. März 2006 bis 8. Juni 2006 zu. Zu Recht hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Kläger der für die Erbringung der Leistungen an die Leistungsempfängerin zuständige Träger ist und ihm deshalb kein Erstattungsanspruch nach § 105 Abs. 1 SGB X gegenüber dem Beklagten zusteht.

Nach der hier maßgebenden Vorschrift des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, soweit dieser nicht bereits geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (Abs. 2). Die Absätze 1 und 2 gelten insbesondere gegenüber den Trägern der Sozialhilfe nach § 105 Abs. 3 SGB X nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorliegen.

Zunächst ist festzustellen, dass sich der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch hier nicht nach der – grundsätzlich vorrangigen – spezialgesetzlichen Regelung des § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB XII richtet. Danach hat der nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII zuständige Träger der Sozialhilfe dem nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII vorläufig leistenden Träger die aufgewendeten Kosten zu erstatten. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn der Kläger hat die Leistungen an die Leistungsempfängerin – wie dem Bescheid vom 6. Juli 2005 zu entnehmen ist – nicht vorläufig erbracht.

Ein – gemäß § 106 Abs. 1 SGB X vorrangiger – Erstattungsanspruch nach § 102 oder § 104 SGB X kommt vorliegend ebenfalls nicht in Betracht, da der Kläger nicht als nachrangig verpflichteter Leistungsträger in Betracht kommt (§ 104 SGB X) und auch die im Streit stehenden Leistungen nicht aufgrund gesetzlicher Bestimmungen vorläufig geleistet hat (§ 102 SGB X). Denn der Kläger hat seine Leistungen nicht aufgrund von § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII erbracht (vgl. hierzu insgesamt Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 30. März 2011, Az. L 2 SO 1196/10 – juris).

Maßgeblich für die Feststellung des Erstattungsanspruchs, ist die örtliche Zuständigkeit für die im Streit stehende Leistung nach § 98 SGB XII. Nach § 98 Abs. 1 SGB XII ist für die Sozialhilfe der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung außerhalb seines Bereichs erbracht wird. Absatz 2 der Vorschrift bestimmt hierzu Besonderheiten bei stationärer Leistungserbringung. Danach ist für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Steht innerhalb von vier Wochen nicht fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt nach Satz 1 oder 2 begründet worden ist oder ist ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder liegt ein Eilfall vor, hat der nach Absatz 1 zuständige Träger der Sozialhilfe über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen. Satz 1 und 2 stehen dabei in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis, so dass § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII grundsätzlich eng auszulegen ist (vgl. Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 98 Rn. 86).

Der Beklagte ist daher nicht wegen einer sogenannten Einrichtungskette nach § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII der örtlich zuständige Leistungsträger. Ein Übertritt im Sinne dieser Vorschrift setzt zum einen voraus, dass die anschließende Aufnahme in eine andere stationäre Einrichtung beabsichtigt war und auch realisiert wurde; zum anderen muss ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Verlassen der einen und der Aufnahme in eine andere Einrichtung gegeben sein (vgl. Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 98, Rn. 39; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 98, Rn. 63; Hohm, aaO. § 98, Rn. 91). Dafür ist erforderlich, dass der Einrichtungswechsel ohne erhebliche zeitliche Unterbrechung verwirklicht wird. Eine Unterbrechung ist in aller Regel nur dann unschädlich, wenn sie durch die Gegebenheiten des Transports bedingt ist und den Zeitraum, der für den konkreten Wechsel erforderlich ist, nicht überschreitet (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 18. Dezember 2014, Az. L 4 SO 29/13 - juris). Dies ist regelmäßig bei einer Unterbrechung von mehr als ein bis zwei Tagen nicht mehr der Fall (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 98, Rn. 27; Hohm, aaO., § 98, Rn. 91). Eine Unterbrechung von 18 Tagen, wie sie hier vorliegt, ist jedenfalls nicht mehr durch den mit dem Einrichtungswechsel einhergehenden Transport bedingt, so dass die Einrichtungskette unterbrochen ist. Soweit der Kläger meint ein Zwischenaufenthalt in der Größenordnung von Schulferien müsse als unerheblich für den Fortbestand einer Einrichtungskette gewertet werden, ist dem nicht zu folgen. Denn eine derart weite Auslegung der geforderten Unmittelbarkeit des Einrichtungswechsels würde dem Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII entgegenstehen.

Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob die Leistungsempfängerin zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung der Vorwerker Diakonie einen aktuellen gewöhnlichen Aufenthalt in S begründet hatte. Denn jedenfalls hatte sie weder zu diesem Zeitpunkt noch in den letzten zwei Monaten zuvor ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Der Aufenthalt in der stationären Einrichtung in N ist insoweit nicht zu berücksichtigen, da gemäß § 109 SGB XII ein Aufenthalt in einer stationären Einrichtung nach § 98 Abs. 2 SGB XII nicht als gewöhnlicher Aufenthalt zu werten ist. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat eine Person den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Für die Feststellung des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts sind die mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände des Einzelfalls festzustellen; im Rahmen einer vorausschauenden Betrachtung (Prognoseentscheidung) unter Berücksichtigung aller für die Beurteilung der künftigen Entwicklung im Zeitpunkt des Eintreffens am maßgeblichen Ort erkennbaren Umstände zu würdigen und als hypothetische Tatsache festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2014, Az. B 8 SO 19/13 R – juris). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich dieser Ort bei einer rückblickenden Betrachtung als gewöhnlicher Aufenthalt herausstellt oder nicht. Ob die äußeren Umstände hier dafür ausreichen, den Aufenthalt der Leistungsempfängerin bei ihren Eltern in S als mehr als nur vorübergehend einzustufen, ist für den streitgegenständlichen Erstattungsanspruch letztlich rechtlich unerheblich. Denn wenn es an einem die örtliche Zuständigkeit des Klägers begründenden gewöhnlichen Aufenthalt fehlt, ergibt sich dessen Zuständigkeit aus § 98 Abs. 2 Satz 3, 2. Alternative i.V.m. § 98 Abs. 1 SGB XII, da die Leistungsempfängerin bei Aufnahme in die Einrichtung der Vorwerker Diakonie jedenfalls ihren tatsächlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Klägers hatte. Obwohl § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII für diesen Fall ausdrücklich nur eine vorläufige Leistungspflicht vorsieht, handelt es sich beim Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthalts faktisch um eine endgültige Zuständigkeit (vgl. Wahrendorf, aaO., § 98, Rn. 28).

Der Kläger hat jedoch aufgrund des Kostenanerkenntnisses des Beklagten aus dem Schreiben vom 17. Mai 2006 einen Anspruch auf Erstattung der für den Zeitraum 2. März 2006 bis 8. Juni 2006 angefallenen Kosten. Denn mit diesem Schreiben hat der Beklagte gegenüber dem Kläger ein wirksames Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgegeben. Hiernach ist zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den das Bestehen eines Schuldverhältnisses anerkannt wird (Schuldanerkenntnis), die schriftliche Erteilung der Anerkennungserklärung erforderlich. Dies erfolgt durch Abgabe einer entsprechenden, empfangsbedürftigen Willenserklärung.

Eine solche Erklärung hat der Beklagte hier mit dem Schreiben vom 17. Mai 2006 gegenüber dem Kläger abgegeben. Diesem Schreiben ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Beklagte seine Kostentragungspflicht für den Zeitraum ab dem 2. März 2006 endgültig und vorbehaltlos anerkennen will. Es bestehen keine Zweifel daran, dass dem Beklagten bei Abfassung dieses Schreibens auch bewusst gewesen ist, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben.

Er hat diese Erklärung auch nicht wirksam mit dem Schreiben vom 6. Juni 2006 angefochten oder widerrufen. Zwar mag dieses Schreiben, in dem der Beklagte in keiner Weise ausdrücklich auf sein Schreiben vom 17. Mai 2006 eingeht, bei verständiger Auslegung eine entsprechende Erklärung beinhalten, dem Beklagten standen aber weder ein Widerrufsrecht noch ein Anfechtungsrecht zu.

Dennoch entfaltet das Schuldanerkenntnis vom 17. Mai 2006 nur Wirkung bis zum 8. Juni 2006, dem Tag des Zugangs des Schreibens vom 6. Juni 2006 beim Kläger. Denn mit diesem Schreiben hat der Beklagte gemäß § 313 BGB wirksam eine fristlose Kündigung ausgesprochen. Nach dieser Vorschrift gilt: Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (Abs. 1). Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen (Abs. 2). Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung (Abs. 3).

Hier liegt ein Fall des § 313 Abs. 2 BGB vor, denn der Beklagte ging bei Fertigung des Schreibens vom 17. Mai 2006 offensichtlich davon aus, für die Leistungserbringung an die Leistungsempfängerin örtlich zuständig zu sein. Dabei handelt es sich um eine für das abgegebene Schuldanerkenntnis wesentliche und sich – wie oben ausgeführt – als falsch herausstellende Vorstellung. Da eine Vertragsanpassung im Sinne von § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB bei einem Schuldanerkenntnis grundsätzlich nicht möglich ist, war der Beklagte nach Satz 2 zur Kündigung berechtigt. Denn das ab dem 2. März 2006 zunächst unbegrenzt wirkende Schuldanerkenntnis stellt ein Dauerschuldverhältnis im Sinne dieser Vorschrift dar. Die Kündigung hat der Beklagte mit Schreiben vom 6. Juni 2006 erklärt. Dabei ist es unbeachtlich, dass dieses Schreiben nicht als Kündigung bezeichnet ist und auch nicht direkt auf das Schreiben vom 17. Mai 2006 Bezug nimmt. Denn es ist dem Schreiben gleichwohl zweifelsfrei zu entnehmen, dass sich der Beklagte nicht (mehr) an sein Kostenanerkenntnis gebunden sieht. Diese Kündigung hat mit ihrem Zugang beim Kläger am 8. Juni 2006 die sofortige Beendigung des Schuldanerkenntnisses für die Zukunft zur Folge, da § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB insoweit eine fristlose Kündigung vorsieht. Eine Verpflichtung zum Kostenersatz an den Kläger über den 8. Juni 2006 hinaus besteht daher nicht mehr.

Ein Anspruch auf die vom Kläger geltend gemachten Zinsen nach § 108 Abs. 2 SGB X besteht jedoch nicht. Unmittelbar ist diese Vorschrift schon deshalb nicht anzuwenden, weil dem Kläger hier kein Erstattungsanspruch nach den §§ 102 ff. SGB X zusteht. Eine Verzinsung nach dieser Vorschrift kommt auch nicht in entsprechender Anwendung in Betracht, denn diese Vorschrift sieht einen Zinsanspruch für Sozialhilfeträger nur gegenüber anderen Leistungsträgern vor. Eine Verzinsung durch einen anderen Sozialhilfeträger scheidet jedoch aus (vgl. Roller in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 108 Rn. 7 mwN.).

Das Feststellungsbegehren des Klägers hat aus den oben ausgeführten Erwägungen keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen weder der Kläger noch der Beklagte des anhängigen Verfahrens zu den in § 183 SGG genannten Privilegierten gehört, werden nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben; die §§ 154 bis 162 VwGO sind entsprechend anzuwenden. Gemäß § 154 Abs. 1 VwGO trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Bei einem teilweisen Obsiegen kann eine Quotenbildung gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterbleiben, wenn der Anteil des Obsiegens im Verhältnis zum Unterliegen nicht ins Gewicht fällt (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Hier hat der Kläger mit seinem Kostenerstattungsbegehren nur für ca. 3 der geltend gemachten 52 Monate obsiegt, so dass – auch im Hinblick auf das vollständige Unterliegen hinsichtlich des Feststellungsantrages – der Teil des Obsiegens von sehr geringer Bedeutung ist.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG durch den Senat zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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