L 7 AS 915/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 1465/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 915/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.03.2014 geändert und wie folgt neu gefasst: Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2012 verurteilt, der Klägerin unter Änderung der bis zum 20.01.2012 ergangenen Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 29.02.2012 höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs iHv 35% des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs zu bewilligen. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte nach § 21 Abs. 4 SGB II.

Die am 00.00.1962 geborene Klägerin ist mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert. Sie leidet unter einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (Colitis Ulcerosa), die dazu führt, dass sie sehr häufig die Toilette aufsuchen muss, außerdem kann es gelegentlich zu Inkontinenzsymptomen kommen. Die Klägerin benötigt aufgrund ihrer Erkrankung während der Arbeitszeit zusätzliche Wäsche und Utensilien zur Körperreinigung. Am Arbeitsplatz muss eine Toilette in der Nähe sein.

Die Klägerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten. Mit Bescheid vom 09.08.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13.02.2012 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum 01.09.2011 bis 29.02.2012. Durch Bescheid vom 22.02.2012 bewilligte er Leistungen für den Zeitraum 01.03.2012 bis 31.08.2012.

Zum 01.05.2010 nahm die Klägerin eine Beschäftigung bei dem Institut für Arbeitsmedizin und Begutachtung in S mit einer Arbeitszeit von 25 Stunden wöchentlich und einem Brutto- Stundenlohn iHv 9,00 EUR auf. Hierfür bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 24.05.2011 dem Arbeitgeber für die Zeit vom 01.08.2010 bis zum 30.04.2013 einen Eingliederungszuschuss für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen (§ 16 Abs. 1 SGB II iVm § 219 SGB III), der zunächst 70 vom Hundert des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts sowie des pauschalen Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag betrug und sich im Verlauf der Beschäftigungszeit verminderte. Die Förderung wurde als Nachteilsausgleich für behinderungsbedingte Einschränkungen und fehlende Berufserfahrung für erforderlich gehalten, um eine dauerhafte Integration der Klägerin in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Nachteile und Minderleistungen der Arbeitskraft der Klägerin waren im Rahmen des Fallmanagements festgestellt worden. Die Klägerin bezog aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Zum 15.03.2014 nahm sie ein Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber auf, der ebenfalls einen Eingliederungszuschuss erhält.

Mit Schreiben vom 20.01.2012 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Überprüfung der bisherigen Bewilligungsentscheidung nach § 44 SGB X unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung wegen der bei ihr bestehenden Darmerkrankung sowie eines Mehrbedarfs für behinderte Erwerbstätige.

Mit Bescheid vom 13.02.2012 erkannte der Beklagte einen Mehrbedarf für Ernährung für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2011 iHv 36,00 EUR monatlich und für die Zeit ab dem 01.01.2012 iHv 37,40 EUR monatlich an. Die rückwirkende Bewilligung eines Mehrbedarfs für behinderte Erwerbstätige lehnte der Beklagte mit weiterem Bescheid vom 13.02.2012 ab. Die Klägerin stehe in einem vertraglichen Beschäftigungsverhältnis und erhalte keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 02.03.2012 am 05.03.2012 Widerspruch ein. Sie machte geltend, dem Arbeitgeber sei ein Eingliederungszuschuss für ihre Einstellung speziell als Schwerbehinderte bewilligt worden. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2012 zurück. Bei dem Eingliederungszuschuss handele es sich nicht um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX und auch nicht um eine Eingliederungshilfe nach dem SGB XII.

Hiergegen hat die Klägerin am 10.04.2012 bei dem Sozialgericht Dortmund Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, der Eingliederungszuschuss sei als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des SGB IX anzusehen, so dass ihr der Mehrbedarf für behinderte erwerbsfähige Leistungsberechtigte zustehe. Einen entsprechenden Mehrbedarf habe sie auch tatsächlich, denn aufgrund der Darmerkrankung leide sie unter häufigen Durchfällen und habe einen höheren Bedarf an Hygieneartikeln. Auch sei die Fahrt zur Arbeit problematisch und sie müsse häufig vor Arbeitsbeginn die Wäsche wechseln.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.03.2012 zu verurteilen, ihr unter teilweiser Rücknahme der für die Zeit ab dem 01.01.2011 ergangenen Bewilligungsbescheide einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 12.03.2014 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, die für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 30.04.2013 ergangenen Bewilligungsbescheide teilweise zurückzunehmen und der Klägerin für den gesamten Zeitraum einen Mehrbedarf für behinderte Erwerbstätige nach § 21 Abs. 4 SGB II zu gewähren. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X lägen vor. Soweit Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien, sei ein Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückzunehmen. Hierbei sei die Frist von einem Jahr nach § 40 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen. Ausgehend vom Antrag der Klägerin, der im Januar 2012 gestellt wurde, seien Leistungen des Mehrbedarfs aufgrund Schwerbehinderung gemäß § 21 Abs. 4 SGB II ab dem 01.01.2011 iHv 35 vom Hundert des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs zu zuerkennen. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 21 Abs. 4 SGB II seien erfüllt. Zwar sei Empfänger der Eingliederungshilfe im vorliegenden Fall allein der Arbeitgeber. Dies diene jedoch nicht der Bereicherung des Arbeitgebers, sondern letztlich der Eingliederung von förderungsbedürftigen Arbeitnehmer durch Ausgleich von Minderleistungen. Der Arbeitgeber werde nicht durch Senkung von Lohnkosten gegenüber Wettbewerbern begünstigt. Es sei unerheblich, dass die bewilligten Leistungen in Form des Eingliederungszuschusses nicht in dem § 33 SGB IX, sondern in § 34 SGB IX geregelt sei. Maßgeblich seien der Charakter und damit die Zielrichtung der erbrachten Leistung als Teilhabeleistung am Arbeitsleben.

Gegen das ihm am 17.04.2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 14.05.2014 Berufung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, der Eingliederungszuschuss sei keine Teilhabeleistung, welche an die Klägerin gezahlt werde. Gemäß § 34 SGB IX könne eine Teilhabeleistung zwar auch an den Arbeitgeber erbracht werden. Dies erfordere jedoch eine Leistung durch den Rehabilitationsträger. Der Beklagte sei jedoch kein Rehabilitationsträger im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 SGB IX; und zwar auch unter Berücksichtigung von § 6a SGB IX nicht. Mit dieser Vorschrift bestimme der Gesetzgeber die Bundesagentur für Arbeit als Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB II. Die Klägerin habe keinen Reha-Status bei der Bundesagentur für Arbeit und werde von dieser nicht betreut. Der Eingliederungszuschuss sei ausschließlich vom Beklagten und nicht von der Bundesagentur für Arbeit gewährt worden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.03.2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung ist der Eingliederungszuschuss eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, die behinderungsbedingt notwendig gewesen sei. Aufgrund ihrer chronischen Darmerkrankung und der damit verbundenen Einschränkungen sei ihre Arbeitsleistung gemindert. Auf tatsächliche zusätzliche Aufwendungen käme es nicht an, der begehrte Mehrbedarf sei als pauschalierte Leistung ausgelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Soweit das Sozialgericht den Beklagten verurteilt hat, höhere Leistungen für die Zeit vom 01.03.2012 bis zum 30.04.2013 zu erbringen, verstößt dies gegen § 123 SGG und ist die Berufung begründet. Gegenstand des Rechtsstreits ist ausdrücklich nur der Bescheid vom 13.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2012, mit dem der Beklagte es abgelehnt hat, den Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Klägerin vom 20.01.2012 vollständig positiv zu bescheiden und den Mehrbedarf auch für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte rückwirkend ab dem 01.01.2011 zu bewilligen. Damit sind lediglich die Bescheide erfasst, die im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 20.01.2012 erlassen wurden. Vom Überprüfungsantrag zuletzt erfasst ist damit der Bewilligungsbescheid vom 09.08.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13.02.2012, mit dem Leistungen für den Zeitraum vom 01.09.2011 bis zum 29.02.2012 bewilligt wurden. Der nachfolgende Bewilligungsbescheid vom 22.02.2012, mit dem Leistungen für den Zeitraum vom 01.03.2012 bis zum 31.08.2012 bewilligt wurden, sowie die weiteren Bewilligungsbescheide sind nicht vom Überprüfungsantrag erfasst. Demzufolge umfasst auch der Klageantrag nur die Bescheide, die bis zur Stellung des Überprüfungsantrags bereits ergangen waren. Die nachfolgenden Bescheide sind auch nicht nach §§ 86, 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Nach diesen Vorschriften wird nach Widerspruchs- bzw. Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Verfahrens, wenn er den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Eine Abänderung oder Ersetzung setzt voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit demjenigen des vorherigen identisch ist, was durch einen Vergleich der Verfügungssätze festgestellt werden muss. Da die nachfolgenden Bewilligungsbescheide spätere Leistungszeiträume betreffen, liegt eine Identität der Regelungsgegenstände nicht vor. Aus diesem Grund hat die Berufung teilweise Erfolg und war das Urteil des Sozialgerichts abzuändern.

In dem Schreiben der Klägerin vom 02.03.2012 ist bei interessengerechter Auslegung jedoch auch ein Widerspruch gegen die Nichtgewährung des Mehrbedarfs für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte im Bewilligungsbescheid vom 22.02.2012 enthalten, über den der Beklagte noch nicht entschieden hat.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin durch die angefochtenen Bescheide iSd § 54 Abs. 2 SGG beschwert wird und nach § 44 Abs. 1 SGB X einen Anspruch auf Änderung der bis zum 20.01.2012 ergangenen Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 29.02.2012 hat.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Die Bescheide sind rechtswidrig, soweit der streitige Mehrbedarf nicht bewilligt wird.

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II hinsichtlich des Alters, der Erwerbsfähigkeit, des Wohnsitzes und der Hilfebedürftigkeit im maßgeblichen Zeitraum. Mit den Weiterbewilligungsanträgen für die Zeit vom 01.01.2011 sind zugleich alle in Betracht kommenden Leistungen als beantragt iSd § 37 SGB II anzusehen, mithin auch die Leistungen für einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. nur Urteile vom 22.03.2010 - B 4 AS 62/09 R, vom 23.03.2010 - B 14 AS 6/09 R und vom 12.11.2015 - B 14 AS 34/14 R). Danach wird ein Mehrbedarf von 35 vom Hundert des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten anerkannt, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII erbracht werden. Die Klägerin erfüllt im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen dieser Vorschrift. Sie ist behindert und erhielt Eingliederungsleistungen iSd § 21 Abs. 4 SGB IX.

Bei dem für die Klägerin gezahlten Eingliederungszuschuss handelt es sich um eine Leistung zur Teilhabe iSd § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II iVm § 33 SGB IX.

Der Anspruch auf den Mehrbedarf scheitert nicht etwa daran, dass der Beklagte nicht als Reha-Träger iSd § 6 SGB IX anzusehen wäre. Leistungsträger des gem. §§ 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II aF, 217 f SGB III aF bewilligten Eingliederungszuschusses war nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II iVm § 6a SGB IX die Bundesagentur für Arbeit, die ein Träger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Nr. 2 SGB IX). Der Beklagte besaß lediglich die Wahrnehmungszuständigkeit. Gemäß § 6d SGB II sind sowohl die gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b SGB II als auch die zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a SGB II unter der Bezeichnung "Jobcenter" zusammengefasst worden, wobei die Trägerschaft nach § 6 sowie nach den §§ 6a und 6b SGB II unberührt geblieben ist und die gemeinsame Einrichtung gem. § 44b Abs. 1 SGB II weiterhin die Wahrnehmungszuständigkeit besitzt (so zur Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung BSG, Urteil vom 12.11.2015 - B 14 AS 34/14 R).

Nach § 33 Abs. 1 SGB IX aF werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Zu den Leistungen, die diese Voraussetzungen erfüllen, zählen nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX aF die dort genannten Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich vermittlungsunterstützender Leistungen. Der in § 33 SGB IX genannte Leistungskatalog ist nicht abschließend ("insbesondere"). Auch ein Eingliederungszuschuss kann zu den Leistungen gehören (so ausdrücklich Luik, in: JurisPK, SGB IX, § 33 Rn. 160), wie auch aus § 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX deutlich wird.

Der Umstand, dass der Zuschuss dem Arbeitgeber bewilligt und gezahlt wird, ist unschädlich. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der dem Arbeitgeber ausgezahlte Eingliederungszuschuss nicht zum Zwecke der Bereicherung und des Wettbewerbsvorteils hinsichtlich Lohnkosten, sondern zur Kompensation der Minderleistung durch einen behinderten Arbeitnehmer zuerkannt worden. Es handelt sich um eine Sozialleistung (Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 88 Rn. 5 mwN), deren ausschließlicher Zweck die Eingliederung des Arbeitnehmers ist. Die Bewilligung des Eingliederungszuschusses an den Arbeitgeber ist damit zugleich die Erbringung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX) an den Arbeitnehmer iSd § 21 Abs. 4 SGB II. Deshalb steht auch der Wortlaut von § 21 Abs. 4 SGB II, der lediglich auf Leistungen nach § 33 SGB IX, nicht aber ausdrücklich auf solche nach § 34 SGB IX verweist, der Anerkennung des Mehrbedarfs nicht entgegen.

Voraussetzung für Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben ist über die Verweisung in § 16 Abs. 1 Satz 3 SGB II auf das SGB III, dass die Aussichten eines behinderten Menschen, am Arbeitsleben teilzuhaben, wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und diese Menschen deshalb Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen (§ 19 Abs. 1 SGB III). Daraus folgt, dass nicht jede von § 2 Abs. 1 SGB IX erfasste Behinderung auch die Voraussetzungen des § 19 SGB III erfüllt, wenn aus der Behinderung keine Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit folgen. Es ist erforderlich, dass die Behinderung sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirkt und die Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben behinderungsbedingt nötig sind (BSG, Urteil vom 12.11.2015 - B 14 AS 34/14 R).

Dies ist bei der Klägerin der Fall. Sie hat plausibel und nachvollziehbar ihre behinderungsbedingten Einschränkungen wegen der Notwendigkeit, sehr häufig eine Toilette aufsuchen zu müssen, die sich in der Nähe des Arbeitsplatzes befinden muss, beschrieben. Der Senat hat keine Bedenken, diesen Ausführungen zu folgen, denen auch der Beklagte nicht widersprochen hat und die durch die Beratungsvermerke des Arbeitsvermittlers bestätigt werden. Hinzu kommt, dass der Eingliederungszuschuss als Eingliederungszuschuss für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen bewilligt worden ist. Dies beruht auf einer Anwendung von §§ 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II aF iVm 219 SGB III aF (seit 01.04.2012 § 90 Abs. 2 SGB III). Die schwerbehinderten Menschen, die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung oder sonstiger Umstände im Arbeitsleben besonders betroffen sind, werden in § 72 Abs. 1 SGB IX (nicht abschließend) näher bestimmt. Hierzu gehören ua Personen, die infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend offensichtlich nur eine wesentlich verminderte Arbeitsleistung erbringen können (§ 72 Abs. 1 Nr. 1c SGB IX). Mit der Bewilligung des Eingliederungszuschusses für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen hat der Beklagte damit selbst erkannt und zugestanden, dass die Klägerin einen besonderen behinderungsbedingten Betreuungsbedarf hat. Schließlich spricht auch der Umstand, dass auch der neue Arbeitgeber der Klägerin den Eingliederungszuschuss erhält, deutlich für das Vorliegen behinderungsbedingter Einschränkungen, denn anderweitige, nicht behinderungsbedingte Vermittlungshemmnisse sind bei der Klägerin, die seit vielen Jahren im Arbeitsleben steht, nicht ersichtlich.

Der Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige wegen des Bezugs von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben setzt die Teilnahme an einer regelförmigen Maßnahme voraus (BSG, Urteil vom 22.03.2010- B 4 AS 59/09 R). Diese sich aus der Verwendung des Wortes "Maßnahme" in § 21 Abs. 4 Satz 2 SGB II ergebende Voraussetzung fehlt zB bei Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten (BSG, Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 44/09 R) und bei bloßen Beratungs- und Betreuungsleistungen (BSG, Urteil vom 06.04.2011 - B 4 AS 3/10 R) und ist in der Regel zu bejahen bei der Teilnahme an Arbeitsgelegenheiten iSd § 16d SGB II (BSG, Urteil vom 12.11.2015 - B 14 AS 34/14 R). Die hier durch einen behinderungsbedingt erforderlichen Eingliederungszuschuss geförderte Arbeitstätigkeit erfüllt die Anforderungen an eine regelförmige Maßnahme, da das Arbeitsverhältnis der Klägerin in einem strukturierten und regelförmigen Rahmen stattgefunden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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