L 4 AS 123/15

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 29 AS 3296/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 123/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Erstattung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1. August 2010 bis zum 30. September 2010 sowie vom 1. November 2010 bis zum 30. April 2011.

Der 1972 geborene Kläger lebt mit seiner Ehefrau (damals noch Lebensgefährtin) und dem gemeinsamen Kind in einer Bedarfsgemeinschaft.

Nach einer Unterbrechung des Bezugs von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II beantragte die Bedarfsgemeinschaft am 3. März 2010 erneut Leistungen und machte dabei Angaben zu Einkommen und Vermögen. In der Anlage EK (Bl. 69 der Verwaltungsakte) gab der Kläger den Erhalt von Arbeitslosengeld I an und reichte den an ihn gerichteten Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 13. Januar 2010 ein, aus dem sich ein Leistungsanspruch bis zum 8. August 2010 ergibt.

Am 28. Mai 2010 stellte der Kläger für die Bedarfsgemeinschaft einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Dabei kreuzte er die Frage zum Einkommen mit nein an. Die Anlage EK gab er nicht ab. Auf diesen Antrag bewilligte der Beklagte dem Kläger und den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 und berücksichtigte für die Monate Juni bis August 2010 als Einkommen Arbeitslosengeld I des Klägers, Elterngeld der Ehefrau des Klägers und Kindergeld sowie für die Monate September bis November 2010 lediglich Elterngeld der Ehefrau des Klägers und Kindergeld (Bescheid vom 31. Mai 2010).

Mit Änderungsbescheid vom 15. September 2010 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum Oktober bis November 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung von Erwerbseinkommen des Klägers (400,- Euro für die Tätigkeit des Klägers bei der Firma W.), Elterngeld der Ehefrau des Klägers sowie Kindergeld.

Mit Änderungsbescheid vom 28. Oktober 2010 bewilligte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Anrechnung eines geringeren Erwerbseinkommens (200 Euro) des Klägers, Elterngeld der Ehefrau des Klägers sowie Kindergeld.

Die Bescheide umfassten alle zwischen 5 und 13 Seiten, wobei die Bedarfsberechnung auf jeweils 2 bis 3 Seiten entfiel, der Rest enthielt Hinweise.

Am 4. November 2010 stellte der Kläger für die Bedarfsgemeinschaft einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen und verneinte Einkommen. In der Anlage EK gab der Kläger den Erhalt von Arbeitslosengeld I i.H.v. 24,84 EUR täglich sowie den Erhalt von Kindergeld an.

Mit Bescheid vom 9. November 2010 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. Mai 2011 und legte der Berechnung lediglich Kindergeld als Einkommen zu Grunde. Der Bescheid umfasste insgesamt 7 Seiten, wobei 2 Seiten auf die Bedarfsberechnung fielen. Mit Änderungsbescheid vom 26. März 2011 bewilligte der Beklagte Leistungen von Januar bis Mai 2011 und berücksichtigte bei der Bedarfsberechnung zum einen die Erhöhung der Regelleistungen, zum anderen Erwerbseinkommen der Ehefrau des Klägers i.H.v.165 EUR (Tätigkeit im Bistro im B.).

Mit Schreiben ebenfalls vom 9. November 2010 forderte der Beklagte den Kläger zur Vorlage der Kontoauszüge aller Girokonten und Kreditkartenabrechnungen der Monate August bis Oktober 2010 auf. Dieser legte daraufhin seine Kontoauszüge unvollständig vor. Mit Aufforderungsschreiben zur Mitwirkung vom 17. November 2010 bat der Beklagte unter anderem um den Kontoauszug Nr. 51 sowie um Nachweise über die Bareinzahlungen im September und Oktober. Mit Aufforderungsschreiben zur Mitwirkung vom 24. November 2010 erinnerte der Beklagte an die Vorlage des Kontoauszugs Nr. 51 und bat um die Vorlage der weiteren Kontoauszüge ab dem 5. November 2010. Schließlich erinnerte der Beklagte mit Schreiben vom 30. November 2010 an die Aufforderung zur Mitwirkung und forderte die Kontoauszüge Nr. 51, 49, 48 und 42 an.

Mit Schreiben vom 7. Dezember 2010 (Eingang beim Beklagten) kündigte der Kläger an, die Kontoauszüge dem Beklagten in Kürze zukommen zu lassen.

Mit Anhörungsschreiben vom 31. März 2011 gerichtet an die Ehefrau des Klägers teilte der Beklagte mit, dass sie nach den vorliegenden Unterlagen eine Überzahlung verursacht und in der Zeit vom 1. August 2010 bis 30. April 2011 Arbeitslosengeld II zu Unrecht bezogen habe. Der Kläger erschien am 26. April 2011 beim Beklagten persönlich. Er nahm Akteneinsicht und äußerte sich zu dem Sachverhalt, insbesondere zu der fraglichen Angabe des Bezuges von Arbeitslosengeld I (Bl. 274 der Verwaltungsakte). Mit Schreiben vom 1. Mai 2011 (Eingang beim Beklagten am 12. Mai 2011) teilte der Kläger mit, für seinen Unterhalt in Zukunft selber zu sorgen und reichte mit diesem Schreiben zum einen den Arbeitslosengeld I-Bescheid seiner Ehefrau vom 2. September 2010 sowie eine Bescheinigung der Firma W1 an die Ehefrau des Klägers über eine Sozialabfindung i.H.v. 2000 EUR, die diese im Monat August 2010 erhalten habe.

Mit Bescheid vom 30.5.2011 hob der Beklagte die Entscheidungen vom 31.5.2010, 15.9.2010, 28.10.2010, 9.11.2010 und 26.3.2011 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 1.8.2010 bis 30.9.2010 sowie vom 1.11.2010 bis 30.4.2011 teilweise i.H.v. 2353,18 EUR gegenüber dem Kläger auf. Im Einzelnen führte er auf, welche Beträge der Kläger in dem jeweiligen Monat an Regelleistungen und an Kosten für Unterkunft und Heizung zurückzuerstatten habe. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass das Arbeitslosengeld I sowie die Entlassungsentschädigung der Ehefrau des Klägers, verteilt auf die Monate August 2010 bis Februar 2011, nachträglich auf die Leistungen angerechnet werde. Der Kläger sei verpflichtet, alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen. Dieser Verpflichtung sei er zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Außerdem hätte er Einkommen erzielt, das zum Wegfall seines Anspruchs geführt habe. Zwar habe er das Arbeitslosengeld I der Ehefrau in dem Antrag angegeben. Jedoch habe er es in die Anlage eingetragen, die mit seinem Namen versehen gewesen sei.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 3.6.2011 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass die Anrechnung des Arbeitslosengeld I schon bei Antragstellung hätte berücksichtigt werden müssen, egal ob seine Ehefrau oder er das Arbeitslosengeld bezogen hätten. Auch wenn er den Tagessatz falsch in den Unterlagen vermerkt habe, wäre es die Aufgabe des Beklagten gewesen, die Tatsache richtig zu stellen. Zudem hätte anhand der eingereichten Kontoauszüge festgestellt werden können, wer von beiden das Arbeitslosengeld I beziehe. Da die Möglichkeit bestehe, diverse Informationen von der Agentur für Arbeit zu erhalten, wisse er nicht, warum es so weit habe kommen können. Den Nachweis für die erhaltene Abfindung habe er der Agentur für Arbeit sowie auch dem Beklagten zukommen lassen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.9.2011 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er aus, gemäß § 40 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X und § 330 SGB III sei ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit der Verwaltungsakt auf unrichtigen Angaben beruhe oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit hätte leicht erkennen können. Auch sei ein Verwaltungsakt aufzuheben, wenn der Betroffene wesentliche Änderungen nicht mitteile (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III) oder Einkommen erzielt werde, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X und § 330 Abs. 3 SGB III). Im vorliegenden Fall sei Einkommen (Arbeitslosengeld I, Abfindung) erzielt worden das nach § 11 SGB II anzurechnen gewesen sei. Bei einer Aufhebung nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X sei es unerheblich, ob sich der Kläger auf Vertrauensschutz berufen könne. Darüber hinaus könne kein Bezieher der öffentlichen Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II davon ausgehen, dass ein monatliches Einkommen von 745,20 EUR (Arbeitslosengeld I) sowie eine Abfindung von 2000 EUR ohne Auswirkung auf diese Leistung bleiben könne. Nach § 50 Abs. 1 SGB X seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

Daraufhin hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass er mitgeteilt habe, Arbeitslosengeld I i.H.v. 24,84 EUR am Tag zu beziehen. Zudem habe er diverse Kontoauszüge eingereicht, aus denen das Arbeitslosengeld I hervorgehe. Er sei seinen Pflichten zur Mitwirkung nachgekommen. Für Fehler, die durch das Personal des Beklagten gemacht würden, könne er nichts.

Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und sich zur Begründung auf die Ausführungen in seinen Bescheiden berufen.

Das Gericht hat am 21. Mai 2012 einen Erörterungstermin sowie am 25. März 2013 und am 21. Januar 2015 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

Mit Urteil vom 21. Januar 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die zulässige Klage sei nicht begründet. Der angefochtene Bescheid 30.5.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.9.2011 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht und mit zutreffender Begründung habe der Beklagte die Bescheide vom 31.5.2010, 15.9.2010, 28.10.2010, 9.11.2010 und 26.3.2011 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.8.2010 bis 30.9.2010 sowie vom 1.11.2010 bis 30.4.2011 teilweise aufgehoben und die bewilligten Leistungen in Höhe von 2353,18 EUR gegenüber dem Kläger zurückgefordert. Die angefochtenen Bescheide seien formell und materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Aufhebung bezüglich des Aufhebungszeitraumes vom 1.8.2010 bis 30.9.2010 sei § 48 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 SGB X iVm. § 40 Abs. 2 Nr. SGB II, § 330 Abs. 3 SGB III. Danach sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eintrete, und zwar, soweit [ ] 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Sowohl die Abfindung, als auch das Arbeitslosengeld I der Ehefrau des Klägers seien zeitlich nach Bescheiderteilung vom 31.5.2010 zugeflossen. Der Zufluss der Abfindung sei im August 2010 erfolgt. Der Zufluss des Arbeitslosengeldes I der Ehefrau des Klägers sei ab September 2010 erfolgt. Diese Einkommen seien gem. § 11 SGB II auf den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen. Insoweit werde auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 23.9.2011 verwiesen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung bezüglich des Aufhebungszeitraumes vom 1.11.2010 bis 30.4.2011 sei § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. §§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III. Danach sei ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden sei ganz oder teilweise für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorlägen.

Vertrauensschutz stehe der Aufhebung der Bewilligungsbescheide durch den Bescheid vom 30.5.2011 nicht entgegen. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt dürfe nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut habe und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig sei. Auf Vertrauen könne sich der Begünstigte nicht berufen, soweit [ ] 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe; grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Maßgebend für grobe Fahrlässigkeit sei die persönliche Einsichtsfähigkeit des Begünstigten, also ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Die erforderliche Sorgfalt verletze, wer schon einfachste, ganz nach liegende Überlegungen nicht anstelle und daher nicht beachte, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsse. Gefordert und ausreichend sei ein bloßes Durchlesen und Kenntnisnehmen des Bescheides (LSG HH, Urteil vom 8.9.2011, L 5 AS 50/08). Unkenntnis sei daher grob fahrlässig, wenn der Adressat, hätte er den Bewilligungsbescheid gelesen und zur Kenntnis genommen, auf Grund einfachster und nahe liegender Überlegungen sicher hätte erkennen können, dass der zuerkannte Anspruch nicht oder jedenfalls so nicht bestehe (Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, § 45, Rn 56). Davon sei bei Fehlern auszugehen, die sich erstens aus dem begünstigenden Verwaltungsakt selbst oder anderen Umständen ergäben und zweitens für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar seien. Der Begründung des Verwaltungsakts nach sei ein Fehler augenfällig, wenn die Fehlerhaftigkeit dem Adressaten unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit ohne weitere Nachforschungen und mit ganz nahe liegenden Überlegungen einleuchten und auffallen müsse. Grob Fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide liege vor. Der Kläger hätte erkennen müssen, dass der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II so, wie erlassen – ohne Anrechnung des Arbeitslosengeldes I seiner Ehefrau und ohne Anrechnung der Abfindung – nicht bestanden habe. Der Kläger sei immer Adressat der Bewilligungsbescheide gewesen, d.h. er habe die Bescheide gelesen oder hätte sie lesen müssen. Es sei auch in der Vergangenheit immer sein Arbeitslosengeld I, Erwerbseinkommen, Elterngeld und Kindergeld angerechnet worden. Der Kläger habe also gewusst, dass Einkommen wie Arbeitslosgengeld I angerechnet werde und habe es deshalb auch (und zwar auf dem auf ihn lautenden Formular) gegenüber dem Beklagten angegeben. Schließlich seien die Berechnungen übersichtlich gewesen, da sie nur eine Seite für drei Personen umfasst hätten und z.B. nicht etwa mehrere Kinder oder weitere verschiedene Einkommen aufgeführt worden seien. Im Zusammenhang mit der grob fahrlässigen Kenntnis der Rechtswidrigkeit komme es nicht darauf an, ob der Kläger das Arbeitslosengeld I seiner Ehefrau angegeben habe oder nicht und ob es den eingereichten Kontoauszügen des Gemeinschaftskontos zu entnehmen gewesen sei. Weiter komme es nicht darauf an, ob er der Bundesagentur für Arbeit gegenüber die Abfindung mitgeteilt habe und ob der Beklagte Möglichkeiten gehabt habe, sich bei der Bundesagentur für Arbeit Informationen zu beschaffen. Maßgeblich sei allein, dass der Kläger hätte erkennen können, dass die Bewilligungsbescheide so wie erlassen nicht richtig gewesen seien.

Nach § 50 Abs. 1 SGB X habe der Kläger die Summe von 2353,18 Euro zu erstatten. Ob die teilweise Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 31.5.2010, 15.9.2010, 28.10.2010, 9.11.2010 und 26.3.2011 durch den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30.5.2010 in ihrem Umfang und ob die Erstattungsforderung in ihrer Höhe rechtmäßig ist, könne vom Gericht nicht abschließend geprüft werden. Dies gehe jedoch zu Lasten des Klägers. Zwar liege die objektive Beweislast der Rechtmäßigkeit der Aufhebung und der Erstattungsforderung grundsätzlich bei dem Beklagten. Es komme im vorliegenden Fall aber zu einer Beweislastumkehr. Diese habe das Bundessozialgericht für tatsächliche Fallgestaltungen anerkannt, in denen der Gegner der beweisbelasteten Partei den Beweis vereitelt oder erschwert habe oder die Beweisführung unmöglich sei, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich des Gegners abgespielt hätten und dieser an der ihm möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht mitgewirkt habe (Urteil vom 10.9.2013, B 4 AS 89/12 R mwN). So liege der Fall hier. Allein der Kläger könne durch Vorlage seiner Kontoauszüge, insbesondere für das Konto Nr. 1015756156 bei der Haspa bzgl. den Zeitraum August 2010 (Kontoauszüge Nr. 42, 45, 48, 49, 51 sowie 62) und bis zum Jahresende 2010, sowie Januar 2011 bis Ende April 2011, nachweisen, ob und in welcher Höhe er über weiteres, den Anspruch auf SGB II-Leistungen minderndes Einkommen oder Vermögen verfügt habe.

Am 8. Januar 2015 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung beruft er sich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und trägt ergänzend vor, er sei als Privatperson nicht verpflichtet, alle Kontoauszüge aufzubewahren. Er habe nach bestem Wissen und Gewissen alle ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen eingereicht. Außerdem träfen auch den Beklagten und seine Mitarbeiter gewisse Mitwirkungspflichten, denen sie nicht in gebotener Weise nachgekommen seien.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21.1.2015 sowie den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 30.5.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.9.2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und auf das erstinstanzliche Urteil.

Die Beteiligten haben sich am 26. Oktober 2015 (Beklagte) und am 26. April 2016 (Kläger) mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Unterlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

II. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Die Berufung ist aber unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 1. August bis zum 30. September 2010und vom1. November 2010 bis zum 30. April 2011 teilweise aufgehoben und den bereits geleisteten Betrag von 2.353,18 Euro zurückgefordert. Insoweit wird auf die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren ausführt, dass auch die Mitarbeiter des Beklagten gewisse Mitwirkungspflichten hätten und er als Privatperson nicht verpflichtet sei, alle Kontoauszüge aufzubewahren, vermag dies keine andere rechtliche Beurteilung zu rechtfertigen. Es ist zwar richtig, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, seine Kontoauszüge aufzubewahren. Dies führt dann allerdings im Falle der Nichterweisbarkeit einer Tatsache dazu, dass der Kläger die diesbezügliche Beweislast trägt und die Nichterweisbarkeit zu seinen Lasten geht. Darauf hat das Sozialgericht bereits in seiner Entscheidung hingewiesen und dieser Umstand wurde dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2016 eingehend erläutert. Die Mitwirkungspflichten des Beklagten führen auch nicht dazu, dass der Kläger von seiner Verpflichtung entbunden werden kann, die an ihn gerichteten Bescheide sorgfältig durchzulesen. Der Tatbestand der groben Fahrlässigkeit, der dem Kläger nach § 45 Absatz 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X im erstinstanzlichen Urteil vorgeworfen worden ist, wurde mit dem Kläger in der mündlichen Verhandlung ebenfalls ausführlich erörtert. Er hat in der Verhandlung eingeräumt, die Bescheide nicht durchgelesen zu haben und hat auch verstanden, dass er hierzu verpflichtet gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision ist nicht nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr.1 oder Nr. 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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