L 8 SO 24/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 SO 46/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 24/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. März 2014 geändert.

Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 15. März 2011 auf Kostenübernahme für einen individuell angepassten Arbeitsstuhl mit Armstützen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu einem Drittel zu erstatten.

Im Übrigen sind Kosten in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. -

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Verurteilung zur Kostenübernahme für einen individuell angepassten Arbeitsstuhl Opera 27 nebst Zubehör entsprechend dem Kostenvoranschlag der Firma E. plus, ggf. zum aktuellen Preis.

Bei der am ... 1985 geborenen Klägerin ist seit dem 11. April 2008 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden eine operativ versorgte Hirnverletzung und eine geistige Hirnleistungsbeeinträchtigung berücksichtigt. Dem Antrag der Klägerin auf eine Höherstufung wurde nach ihren Angaben mit der Anerkennung eines GdB von 50 entsprochen. Das Amtsgericht S. bestellte mit Beschluss vom 23. August 2008 für die Klägerin eine Berufsbetreuerin für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten sowie die Vertretung gegenüber der Einrichtung. Das Amtsgericht stützte sich auf das Gutachten von Herrn S. vom 14. Juli 2008, in dem eine leichte Intelligenzminderung der Klägerin als Diagnose angegeben worden war.

Die Klägerin durchlief eine Schule für lernbehinderte Menschen bis zur neunten Klasse, nachfolgend eine Berufsschule im Bereich Hauswirtschaft und von Januar bis Oktober 2007 eine Produktionsschule. Ab dem 1. August 2008 besuchte die Klägerin die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), deren Trägerin die Beigeladene ist, zunächst bis Oktober 2008 im Eingangsverfahren. Nachfolgend wurde die Klägerin zum 1. November 2008 in den Berufsbildungsbereich der WfbM übernommen. Dem lag die Empfehlung in dem Gutachten für die Agentur für Arbeit mit umfänglicher Untersuchung und einem psychologischen Gutachten vom 14. März 2008 zugrunde. Nach diesem Gutachten ist bei der Klägerin ein Leistungsvermögen von täglich weniger als drei Stunden voraussichtlich auf Dauer gegeben. Neben der im psychologischen Gutachten dokumentierten geistigen Behinderung bestünden bei der Klägerin auch körperliche Einschränkungen.

Seit dem 1. November 2010 ist die Klägerin im Arbeitsbereich der WfbM tätig, die dem Leistungstyp 14a im Sinne des § 4 Abs. 2 i.V.m. der Anlage C des Rahmenvertrages gemäß § 79 SGB XII für das Land Sachsen-Anhalt vom 27. August 2007 (im Folgenden: Rahmenvertrag) zugeordnet ist. Eine entsprechende Befürwortung dieser Beschäftigung der Klägerin sprach die Medizinalrätin Dr. L. in der im Auftrag des Gesundheitsamtes des Altmarkkreises Salzwedel erstellten amtsärztlichen Stellungnahme vom 20. Januar 2009 aus. Nach diesem Gutachten besteht bei der Klägerin ein Zustand nach einem Treppensturz im April 2008 mit einem Schädelbasisbruch und einer Hirnblutung. Als Einschränkungen lägen bei der Klägerin eine Intelligenzminderung, eine Sehminderung, eine Kreislaufinstabilität, eine Störung des Geschmackssinns und ein Herzfehler vor. Es sei eine geistige und körperliche Behinderung mit dem Leitsyndrom der geistigen Behinderung gegeben. Die wesentliche bzw. die drohende wesentliche Behinderung im Sinne des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) bestehe voraussichtlich mehr als sechs Monate. Als Hilfe erforderlich sei eine Förderung unter geschützten Bedingungen im Rahmen einer WfbM. Eine Gemeinschaftsfähigkeit liege vor. Es werde auch die Aufnahme der Klägerin in eine stationäre Wohnform empfohlen.

Der Landkreis S. (im Folgenden: Landkreis) gewährt der Klägerin Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Auf die Anträge der Klägerin auf Eingliederungshilfe für "intensiv betreutes Wohnen" übernahm der Landkreis im Namen des Beklagten, des überörtlichen Sozialhilfeträgers in Sachsen-Anhalt, vom 11. Februar 2011 bis zum 31. Juli 2013 die Kosten für ein betreutes Wohnen in einem von der Beigeladenen getragenen Einrichtung mit dem Leistungstyp 9a der Anlage C zum Rahmenvertrag als Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form der Leistungen zur Teilhabe in der Gemeinschaft. Seit dem 1. August 2013 lebt die Klägerin in einer eigenen Wohnung und wird einmal in der Woche ambulant betreut.

Im Übrigen gewährt der Landkreis der Klägerin im Namen des Beklagten für ihre Betreuung in der WfbM Eingliederungshilfe im Rahmen von Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen im Sinne des § 41 Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) bei dem Leitsyndrom der geistigen Behinderung. Für den Zeitraum vom 1. November 2010 bis zum 31. Oktober 2012 wurde hierfür mit Bescheid vom 14. Oktober 2010 ein Vergütungssatz in Höhe von werktäglich 32,55 EUR anerkannt.

Die Beigeladene stellte am 9. Februar 2011 bei dem Landkreis den Antrag auf Kostenübernahme für einen individuell ergonomisch angepassten Arbeitsstuhl für die Klägerin. Diese führe im Arbeitsbereich der WfbM seit dem 1. November 2010 ausschließlich Montagetätigkeiten im Sitzen und Stehen aus. Der Antrag ist von der bei der Beigeladenen beschäftigten Ergotherapeutin unterzeichnet. Die Grundlage für den Leistungsanspruch ergebe sich aus § 16 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX. Eine individuelle, ergonomische Anpassung ihres Arbeitsplatzes sei dringend notwendig, um prophylaktisch einzuwirken. Um der Klägerin angepasste Arbeitsbedingungen zu ermöglichen und eine Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewährleisten sowie fortschreitenden degenerativen Veränderungen ihres Bewegungsapparates entgegenzuwirken, sei eine Versorgung mit diesem individuell auf ihre Bedürfnisse angepassten Arbeitsstuhl dringend erforderlich und gehöre somit nicht zur allgemeinen Ausstattung für den gesamten Personenkreis der behinderten Teilnehmer. Die Versorgung mit diesem technisch individuell auf eine Person angepassten Hilfsmittel gehe über das Maß der Leistungen einer WfbM hinaus. Dem Antrag beigefügt waren eine Vollmacht vom 20. Januar 2011 der gesetzlichen Betreuerin der Klägerin und die "arbeitsmedizinische Stellungnahme" des Fliegerarztes und Arztes für Betriebs- und Allgemeinmedizin Dipl.-Med. T. vom 22. Dezember 2010. Nach seinen Angaben führt er auf Honorarbasis auf Anforderung der Beigeladenen regelmäßig arbeitsmedizinische Untersuchungen für die Beschäftigten der WfbM durch. Als Diagnosen lägen bei der Klägerin eine Intelligenzminderung (F79.9 G = "nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung"), ein Vitium Cordis, eine Kyphoskoliose der Brustwirbelsäule (BWS), ein Zustand nach epiduralen Hämatom im Rahmen einer Synkope 2005, eine Hypotonie, ein Zustand nach traumatischer Lendenwirbelsäulen(LWS)-Fraktur 2008 sowie ein Beckenschiefstand vor. Die "behinderte Mitarbeiterin" - die Klägerin - solle zur regelmäßigen körperlichen Aktivität angehalten werden, um muskelstabilisierend auf den oberen Brustkorb, Schulter, Nacken und Arme sowie das Becken einzuwirken. Für den Arbeitsplatz werde ein individuell angefertigter Arbeitsstuhl unter Berücksichtigung der Unterstützung im BWS-LWS-Bereich dringend empfohlen. Armlehnen und Fußstützen seien nicht erforderlich. In der "Ergotherapeutischen Stellungnahme" der vorgenannten Ergotherapeutin der WfbM vom 14. Januar 2011 wird ausgeführt, der Stuhl solle folgende individuelle Merkmale besitzen: angepasste, ergonomische Rückenlehne, angepasste Sitzfläche, individuell, manuell höheverstellbare Sitzhöhe, angepasst an die Höhe der Arbeitstische, Sitz mit Sitzwinkeleinstellung zur Beckenneigung. Um den Stuhl individuell an die Bedürfnisse der Klägerin anzupassen, sei eine genaue Ausmessung ihrer Körpermaße erforderlich, die vor Ort vom Fachpersonal durchgeführt werde sollte. Beigefügt war das Angebot mit Kostenvoranschlag der ERGO plus vom 2. Februar 2011 über einen "Opera 27 Bürostuhl" in Höhe von insgesamt 2.776,63 EUR. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 77 bis 80 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Am 3. März 2011 ging der von der Krankenkasse der Klägerin weitergeleitete Antrag der Beigeladenen auf Kostenübernahme für einen individuell angepassten Stuhl (unter Beifügung derselben Vollmacht der gesetzlichen Betreuerin der Klägerin) beim Landkreis ein, der dort am 25. Februar 2011 eingegangen war. Der Antrag sei nach § 14 SGB IX weiterzuleiten. Die beantragte Leistung solle die Teilhabe am Arbeitsleben in einer anerkannten WfbM gewährleisten.

Der Landkreis teilte der Ergotherapeutin der WfbM am 8. März 2011 telefonisch mit, dass mindestens drei Kostenvoranschläge vorliegen müssten. Armlehnen und Fußstützen seien nach der arbeitsmedizinischen Stellungnahme nicht erforderlich. Von der Ergotherapeutin, so der Gesprächsvermerk, sei in diesem Zusammenhang auf den Wechsel der Klägerin zu neuen Tätigkeiten im Arbeitsbereich hingewiesen worden, für die Armstützen ratsam wären.

Die Beigeladene stellte bei dem Sozialamt am 15. März 2011 erneut einen Antrag auf Kostenübernahme für einen individuell ergonomisch angepassten Stuhl, nun mit Armstützen, unter Vorlage derselben Vollmacht wie für die vorgenannten Anträge. Der Antrag ist mit Fotos ergänzt, welche die Klägerin u.a. auf einem Stuhl sitzend zeigen.

Der Landkreis lehnte den Antrag auf Kostenübernahme für einen individuell ergonomisch angepassten Arbeitsstuhl vom 15. März 2011 im Namen des Beklagten mit Bescheid vom 25. März 2011 ab. Nach dem Schreiben der Krankenkasse sei ein Arbeitsstuhl nicht im Leistungskatalog für Hilfsmittel aufgeführt. Der Sozialhilfeträger könne nur Leistungen im Rahmen des Leistungskataloges nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) übernehmen, wenn für die betreffende Person ein Krankenversicherungsschutz nicht bestehe. Nach § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX seien Kosten für Hilfsmittel im Rahmen der Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben zu übernehmen, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers bestehe oder eine solche Leistung als medizinische Leistung erbracht werden könne. Der beantragte Arbeitsstuhl sei kein Hilfsmittel, sondern ein Gebrauchsgegenstand, den die Klägerin für ihre sitzende Tätigkeit benutze. Gemäß § 12 Abs. 2 des Rahmenvertrages sei der Träger der WfbM verpflichtet, die Maßnahmen insbesondere der Betreuung, Förderung und pflegerischen Hilfen sowie die Bereitstellung der betriebsnotwendigen Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung zu gewährleisten. Dem Leistungsträger stünden dafür finanzielle Mittel zur Verfügung. Der Arbeitsstuhl gehöre zur Arbeitsplatzausstattung.

Hiergegen legte die Beigeladene im eigenen Namen Widerspruch ein unter Angabe der Klägerin. Sie legte schließlich auch die Vollmacht der Klägerin für einen Widerspruch vor. Zur Begründung wird in dem Widerspruchsschreiben auf einen Anspruch auf § 16 SGB VI i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX verwiesen und ausgeführt, ein speziell auf eine Person angepasster Arbeitsstuhl gehöre nicht in die allgemeine Ausstattung einer WfbM. Der individuell auf die bei der Klägerin vorliegenden Diagnosen abgestimmte Arbeitsstuhl sei kein Gebrauchsgegenstand, sondern ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX.

Der Beklagte wies den Widerspruch, der für die Klägerin erhoben worden sei, mit (nur) an die Lebenshilfe adressiertem und dieser mit Einschreiben zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 8. März 2012 als unbegründet zurück. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten eines individuell angepassten Arbeitsstuhls. Die maßgebenden Rechtsgrundlagen fänden sich in den §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII, §§ 33, 41 SGB IX, der Werkstättenverordnung (WVO) sowie dem Rahmenvertrag. Die Klägerin gehöre zum Personenkreis der wesentlich geistig behinderten Menschen im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Zur Deckung ihres Hilfebedarfs erhalte sie von dem Beklagten Leistungen im Arbeitsbereich der WfbM, um ihr die Ausübung einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen. Der vorhandene Arbeitsstuhl, der von der WfbM bisher bereitgestellt worden sei, sei für die Klägerin auf Grund von körperlichen Beschwerden im Rückenbereich, die durch die überwiegende Montagetätigkeit im Sitzen entstanden seien, nicht mehr geeignet. Ein individuell ergonomisch angepasster Arbeitsstuhl würde ihr die Arbeitshaltung wesentlich erleichtern. Zudem müsse auf ein dynamisches Sitzen mit einem Wechsel von Sitzen und Stehen geachtet werden. Die Klägerin sollte mit gezielter Krankengymnastik einer Verschlechterung ihrer Körperhaltung entgegenwirken. Die arbeitsmedizinische Stellungnahme vom 14. Januar 2011 mache deutlich, dass ein individuell angepasster Arbeitsstuhl erforderlich sei. Nach § 5 Abs. 2 WVO sollten die Arbeitsplätze in der WfbM in ihrer Ausstattung soweit wie möglich denjenigen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entsprechen. Bei der Gestaltung der Arbeitsplätze und -abläufe seien die besonderen Bedürfnisse der behinderten Menschen soweit wie möglich zu berücksichtigen, um sie in die Lage zu versetzen, wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistungen zu erbringen. Die Ausstattung der WfbM müsse insbesondere der Aufgabenstellung der Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und den in § 136 SGB IX gestellten Anforderungen Rechnung tragen. Nach § 12 Abs. 2 des Rahmenvertrages enthielten die vom Träger der Einrichtung zu erbringenden teilstationären Leistungen auch die Bereitstellung der betriebsnotwendigen Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung. Damit habe die Beigeladene als Trägerin der WfbM die erforderliche Ausstattung und Gestaltung des Arbeitsplatzes vorzunehmen sowie die Arbeitsabläufe unter Berücksichtigung der körperlichen Beeinträchtigungen entsprechend zu organisieren. Mithin sei der Klägerin durch die Beigeladene der für ihre Tätigkeit erforderliche Arbeitsstuhl zur Verfügung zu stellen.

Die Klägerin hat am 30. März 2012 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben und beantragt, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 25. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2012 "den beantragten ergonomisch individuell angepassten Arbeitsstuhl zu gewähren". Sie gehöre zum Personenkreis der wesentlich geistig behinderten Menschen im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Bei ihr lägen die von Dipl.-Med. T. angegeben Diagnosen vor. Im Herbst 2010 habe sie gegenüber der WfbM erwähnt, dass sie unter Rückschmerzen leide, wenn sie auf dem von der WfbM zur Verfügung gestellten herkömmlichen Bürostuhl sitze. Sie habe mitgeteilt, daher ihre Arbeit lieber im Stehen zu verrichten, um den Schmerzen aus dem Weg zu gehen. Auf Grund dessen sei die arbeitsmedizinische Stellungnahme von Dipl.-Med. T. angefordert worden. Der Beklagte sei zumindest mit der fristgerechten Weiterleitung des Antrags nach § 14 Abs. 1 SGB IX zuständig geworden. Ausweislich der arbeitsmedizinischen Stellungnahme sei ein individuell ergonomisch angepasster Arbeitsstuhl bei ihr - der Klägerin - dringend erforderlich. Die Beigeladene sei nicht verpflichtet, ihr - der Klägerin - einen solchen individuell angepassten Stuhl zur Verfügung zu stellen. § 5 Abs. 2 WVO regele nicht die sächliche Ausstattung der WfbM. Auch aus § 8 WVO ergebe sich nicht zwangsläufig, dass die Ausstattung jedes Arbeitsplatzes jeweils auf den individuellen Bedarf des Einzelnen angepasst werden müsse, wenn dies über das regelmäßig erforderliche Maß hinausgehe. Denn damit sei für die WfbM ein unkalkulierbares Kostenrisiko verbunden. So koste ein solcher Bürostuhl circa 2.800,00 EUR, d.h. "ein Vielfaches über dem Preis eines handelsüblichen Bürostuhls". § 12 Abs. 2 Nr. 2 des Rahmenvertrages regele nicht im Einzelnen, welche Ausstattung tatsächlich betriebsnotwendig sei. Es sei von der Rechtsprechung anerkannt, dass spezifisch auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmte Hilfsmittel grundsätzlich nicht in die Vorhaltepflicht der WfbM fielen. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Oktober 1988 (- 3 RK 29/87 -, juris) zur Ausstattung einer WfbM mit einem orthopädischen Sitzschalenstuhl durch die Krankenkasse sei insoweit übertragbar. Auch z.B. individuell angepasste Sicherheitsschuhe für Beschäftigte einer WfbM seien vom Sozialhilfeträger zu stellen. Von der WfbM müsse nur ein Arbeitsstuhl mit einer ergonomischen Mindestausstattung gemäß der GUV-I 650 zur Verfügung gestellt werden. Ihrer Auffassung nach gehe es im vorliegenden Rechtsstreit um die Auslegung der Leistungsvereinbarung zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten. Dabei sei auch die Bewilligung von Arbeitsstühlen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten in anderen Fällen von Bedeutung. Insoweit werde auf eine Bewilligung des Landkreises S. im Namen des Beklagten vom 19. August 2010 über die Kosten eines von Sanitäts-Centers aus Gardelegen individuell angepassten Arbeitsstuhles auf Antrag der Beigeladenen in Höhe von 730,07 EUR verwiesen. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 80 der Gerichtsakten Bezug genommen. Einen Eigenanteil habe sie - die Klägerin - nicht zu tragen. Insoweit habe "ein interner Ausgleich" zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen stattzufinden. Die notwendige individuelle Anpassung des Hilfsmittels an ihre - der Klägerin - spezielle Bedürfnisse ergebe sich daraus, dass nach der Stellungnahme der Ergotherapeutin der Beigeladenen eine genaue Ausmessung der Körpermaße erforderlich sei. Sie bezieht sich auf eine weitere arbeitsmedizinische Stellungnahme von Dipl.-Med. T. "zur Unterstützung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 10.03.2011" (ohne Datum), in der ausgeführt wird, zur Aufrechterhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit benötige sie – die Klägerin - einen ergonomisch angepassten Stuhl. Im Übrigen wird bezüglich der Einzelheiten auf die Stellungnahme auf Blatt 33 der Gerichtsakten Bezug genommen.

Das SG hat mit Beschluss vom 23. Mai 2012 die Beiladung der Trägerin der Einrichtung bewirkt.

Der Beklagte hat zu seinem Antrag auf Abweisung der Klage mitgeteilt, der Altmarkkreis S. habe früher rechtswidrig die Kosten der Ausstattungsgegenstände für die WfbM übernommen und diese Praxis im Jahr 2010 geändert. Bei der Bewilligung durch den Landkreis S. habe es sich um eine Einzelfallentscheidung gehandelt. Die Beigeladene könne aus dieser früheren Praxis keine Ansprüche ableiten. Neben dem vorliegenden Verfahren würden zwei weitere Klageverfahren vor dem SG Magdeburg geführt. In den Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII werde die Gewährung von Hilfsmitteln in einer WfbM nicht geregelt.

Die Beigeladene hat mitgeteilt, der Klägerin stehe in der WfbM eine Ausstattung "mit ergonomischen Arbeitsstühlen der Firma Werktec und ein standardisierter Arbeitstisch zur Verfügung".

Das SG hat mit Einverständnis nur der Hauptbeteiligten - ohne Einverständnis der Beigeladenen, die mit Schriftsatz vom 19. September 2012 mitgeteilt hat, eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung liege nicht in ihrem Interesse - ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 20. März 2014 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 25. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2012 verurteilt, "der Klägerin die Kosten für einen individuell angepassten Arbeitsstuhl Opera 27 nebst Zubehör entsprechend dem KVA der FA. ERGO plus, ggf. zum aktuellen Preis, zu bewilligen". Die Klägerin werde durch den Bescheid vom 25. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2012 in ihren Rechten verletzt. Sie habe dem Beklagten gegenüber einen Anspruch auf Bewilligung der Kosten für einen individuell angepassten ergonomischen Arbeitsstuhl für ihre Tätigkeit in der WfbM als Maßnahme der Eingliederungshilfe gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX. Die Klägerin gehöre unstreitig zu dem nach § 53 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit den §§ 1 bis 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglH-VO) berechtigten Personenkreis. Das bedürfe hier unter Berücksichtigung ihrer Erkrankungen und Behinderungen, insbesondere einer Intelligenzminderung, eines Vitium cordis, einer Kyphoskoliose der BWS, eines Zustands nach epiduralem Hämatom im Rahmen einer Synkope, einer Hypertonie, eines Zustands nach traumatischer LWS-Fraktur sowie eines Beckenschiefstands keiner weiteren Darlegungen. Die Tätigkeit der Klägerin in der WfbM werde durch die Nutzung eines individuell angepassten Arbeitsstuhles erleichtert. Zu den gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX zu übernehmenden Kosten für Hilfsmittel gehöre auch die Bereitstellung eines individuell angepassten ergonomischen Arbeitsstuhles. Dieser sei nicht durch die Beigeladene zu stellen. Eine solche Verpflichtung entspreche nicht dem Rahmenvertrag, der stets und ständig von einer Pauschalierung der Leistungen ausgehe. Derartig individuell notwendige Leistungen würden danach nicht von den Pauschalvereinbarungen zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen abgegolten, sondern seien zusätzlich zu finanzieren. Eine Abgeltung im Rahmen pauschaler Vereinbarungen würde den Rahmen dieser Vereinbarungen sprengen und für die Beigeladene ein vollkommen unvorhersehbares und wirtschaftlich nicht kalkulierbares Risiko darstellen. Der Beklagte habe der Klägerin daher einen individuell angepassten ergonomischen Arbeitsstuhl zu bewilligen. Dieser Arbeitsstuhl müsse eine angepasste ergonomische Rückenlehne, eine angepasste Sitzfläche, eine individuell manuell höhenverstellbare Sitzhöhe angepasst an die Höhe der Arbeitstische sowie einen Sitz mit Sitzwinkeleinstellung zur Beckenneigung haben und sei nach den heute notwendigen Kosten zu finanzieren.

Gegen das ihm am 8. April 2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 7. Mai 2014 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung seines Rechtsmittels hat der Beklagte im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen im Verfahren und die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2012 Bezug genommen. Auch die mit der Beigeladenen für den Zeitraum vom 5. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2016 vereinbarte Leistungsbeschreibung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII vom 30. Oktober 2013/6. November 2013 regele in der Anlage 1 (Stand 19. Januar 2012) unter Ziffer 2.4 ausdrücklich, dass "alle notwendigen individuellen Sonderausstattungen entsprechend den jeweiligen behinderungsbedingten Besonderheiten der Leistungsberechtigten, soweit dafür nicht Ansprüche gegenüber vorrangigen Leistungsträgern bestehen, die vorrangig in Anspruch zu nehmen sind," Inhalt der zu erbringenden Leistung seien. Die insoweit anfallenden Kosten seien in die Kalkulation des Einrichtungsträgers eingeflossen. Das ergebe sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII vom 24. Juli 2013, an welcher der Prozessbevollmächtigte der Klägerin als Vertreter der Beigeladenen teilgenommen habe. Hier stehe der Bevollmächtigte der Klägerin auch in einem Interessenkonflikt. Bezüglich der Leistungsvereinbarung nebst Anlage 1 wird im Übrigen auf Blatt 164 bis 166 und 151 bis 163, bezüglich der Niederschrift der Schiedsstelle auf Blatt 167 bis 172 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Magdeburg vom 20. März 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. In den Vergütungssatz der Beigeladenen seien nicht auch die Kosten der individuellen Sonderausstattung eingeflossen. Ein Interessenkonflikt in Bezug auf die Mandatierung ihrer Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Rechtsstreit und deren Wahrnehmung von Aufgaben der Beigeladenen in Bezug die Ausstattung der WfbM insbesondere vor der Schiedsstelle sei ausgeschlossen, da es sich um unterschiedliche Angelegenheiten handele.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie meint, die Notwendigkeit eines individuell angepassten Arbeitsstuhles für die Klägerin sei nicht in Frage gestellt worden. Streitig sei nur "unsere Forderung" - gemeint ist die der Beigeladenen - zur Kostenübernahme durch den Beklagten. Die in der WfbM vorhandene Ausstattung entspreche den Bedürfnissen geistig behinderter Menschen mit körperlichen Einschränkungen bzw. körperbehinderter Menschen im Sinne der WVO. Sie hat zu dem bisher von der Klägerin genutzten Arbeitsstuhl mitgeteilt, es handele sich um ein am 21. August 2006 erworbenes Modell der Marke Werktec. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 302 bis 304 Bd. II der Gerichtsakten Bezug genommen. Sie gibt an, mit der Klägerin einen als "Darlehensvertrag" überschriebenen Vertrag geschlossen zu haben, in dem sich die Klägerin, vertreten durch ihre Betreuerin und beraten durch den Prozessbevollmächtigten, unter dem 16. März 2015 verpflichtet habe, auf eine "Vorfinanzierung" der Kosten eines Arbeitsstuhles Opera 27 nebst Zubehör durch ein unverzinsliches Darlehen der Beigeladenen in Höhe von 2.776,63 EUR "die Kosten des Arbeitsstuhles gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verfolgen, die erforderlichen Anträge zu stellen und nach ihren Kräften im Rahmen ihrer Fähigkeiten mitzuwirken". Der Darlehensvertrag sei unter der Bedingung geschlossen worden, dass ein Anspruch gegen sie - die Beigeladene - auf Stellung eines individuell angefertigten Arbeitsstuhls samt Zubehör nicht bestehe. Sobald rechtskräftig festgestellt worden sei, dass der Sozialhilfeträger nicht verpflichtet sei, sondern sie - die Beigeladene -, trete die auflösende Bedingung ein und der Darlehensvertrag sei beendet. Sobald rechtskräftig festgestellt werde, dass die Klägerin gegen den Sozialhilfeträger einen Anspruch auf Übernahme der Kosten des Arbeitsstuhles samt Zubehör habe, verpflichte sich die Klägerin zur Tilgung der Darlehensschuld, den Anspruch gegen den Sozialhilfeträger an sie - die Beigeladene - abzutreten. Alternativ könnten die Vertragsparteien in diesem Fall vereinbaren, dass die Zahlung des Sozialhilfeträgers direkt an die Beigeladene erfolgen solle. Bezüglich der Einzelheiten wird im Übrigen auf Blatt 305 bis 306 der Gerichtsakten Bezug genommen. Von der Beigeladenen ist dem Senat eine der Klägerin "c/o Lebenshilfe A.-W. GmbH" gestellte Rechnung der ERGO plus vom 14. Juli 2015 mit einem Rechnungsbetrag in Höhe von 2.776, 63 EUR über einen "für die Klägerin angeschafften" angepassten Arbeitsstuhl vorgelegt worden, welche sie - die Beigeladene - "vorfinanziert" habe.

Nach übereinstimmenden Ausführungen auch der Klägerin ist dieser ein Arbeitsstuhl nicht übereignet worden. Die Rechnung vom 14. Juli 2015 ist von der Beigeladenen bezahlt worden.

Die Beteiligten sind mit Schreiben des Berichterstatters vom 19. März 2015 gebeten worden, ggf. eingetretene Änderungen, insbesondere in Bezug auf die Frage einer Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin und ihre wesentliche Behinderung im Sinne des § 53 Abs. 1 SGB XII, mitzuteilen. Bei der Klägerin wurde sodann im Auftrag des Landkreises vom Gesundheitsamt des Landkreises unter dem 9. Juni 2015 von der Fachpsychologin der Medizin Diplom-Psychologin T. ein psychologischer Leistungsbefund erhoben. Die Klägerin erreiche überwiegend extrem niedrige, sehr niedrige und niedrige Leistungen in den geprüften intellektuellen Fähigkeitsbereichen mit einem Gesamt-IQ von 63, einer Intelligenzminderung/geistigen Behinderung leichten Grades (ICD-10 F70 = Leichte Intelligenzminderung) entsprechend. Sie sei auf Grund der intellektuellen Defizite in ihrer selbstständigen Lebensführung eingeschränkt, bedürfe psychagogischer Führung, Anleitung und Unterstützung im lebenspraktischen und im beruflichen Bereich.

Der Senat hat sowohl den die Klägerin bis zum 31. Dezember 2012 als Hausarzt behandelnden Dipl.-Med. K. als auch die sie nachfolgend als Hausärztin behandelnde Dipl.-Med. B. zu den körperlichen Einschränkungen der Klägerin, ggfs. seit Behandlungsbeginn eingetretenen Veränderungen und verordneten Heilmitteln befragt. Dipl.-Med. K. hat hierzu im April 2015 angegeben, die Klägerin habe sich bei ihm zuletzt im März 2011 vorgestellt und nicht über körperliche Einschränkungen geklagt. Dipl.-Med. B. hat unter dem 4. Mai 2015 mitgeteilt, ihr sei von der Notwendigkeit eines individuell angepassten Arbeitsstuhles nichts bekannt. Insbesondere gehe aus den ihr vorliegenden Facharztbefunden nicht hervor, dass es eine Indikation für einen derartigen Stuhl gebe. Im Übrigen wird zu den Einzelheiten auf Blatt 299, 302 und 307 Bd. II der Gerichtsakten Bezug genommen.

Dipl.-Med. T. hat unter dem 27. August 2015 auf die Anfrage des Berichterstatters mitgeteilt, am 15. Dezember 2010 in dieses Verfahren "involviert" worden zu sein und an diesem Tag eine Arbeitsplatzbegehung durchgeführt zu haben. Bei der Klägerin habe sich eine Fehlhaltung entwickelt, die den Bereich der Wirbelsäule betreffe, die bei langanhaltender sitzender Tätigkeit besonders beansprucht werde. Die kyphoskoliotische Fehlhaltung führe zu einer weiteren Verschlechterung, wenn nicht gegengesteuert werde. Das sei möglich einerseits durch aktive Maßnahmen des Betroffenen selbst, andererseits aber auch durch angepasste Arbeitsmittel in den Belastungsphasen des Alltags. Die Konsequenzen mangelhafter Unterstützung seien Ausfallzeiten und eine Verschlechterung der körperlichen Situation mit möglicherweise noch mehr Hilfebedarf. Bezüglich der Einzelheiten wird im Übrigen auf Blatt 330 bis 331 Bd. II der Gerichtsakten Bezug genommen.

Die Klägerin hat den von ihr mit der WfbM nach § 13 Abs. 1 WVO geschlossenen Vertrag vom 13. September 2010 übersandt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat im Rahmen des Ermessens von einer Zurückverweisung an das SG abgesehen. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das LSG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Es liegt ein Verfahrensfehler vor, weil das SG das rechtliche Gehör der Beigeladenen verletzt hat. Ein Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Sinne des § 124 Abs. 2 SGG liegt nur vor, wenn neben den Hauptbeteiligten auch der Beigeladene dieses Einverständnis erklärt (vgl. z.B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 124 RdNr. 3 m.w.N.). Vor dem Hintergrund der im Ergebnis vom Senat für notwendig erachteten erneuten Befassung des Beklagten mit dem Antrag der Klägerin dürften die notwendigen weiteren Feststellungen im Wesentlichen dem Verwaltungsverfahren zuzuordnen sein, sodass der Senat die Frage der Notwendigkeit einer umfangreichen und aufwändigen Beweisaufnahme durch das SG als nachrangig angesehen hat.

Die Beiladung der Trägerin der WfbM hält der Senat, wie das SG zutreffend entschieden hat, für geboten. Ob es sich hierbei um eine notwendige Beiladung im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG handelt, ist bereits mit der rechtlichen Würdigung der streitigen Rechtsverhältnisse in der Weise verknüpft, dass der Senat die Beiladung aufrecht erhalten hat (vgl. zu der Abgrenzung: BSG, Urteil vom 9. Dezember 2008 - B 8/9b SO 10/07 R -, juris und BSG, vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 22/07 -, juris). Sowohl die Klägerin als auch die Beilgeladene gehen indes unzutreffend davon aus, dass der Senat im vorliegenden Rechtsstreit mit Rechtskraftwirkung entscheiden könnte, ob die Beigeladene der Klägerin einen individuell angepassten Arbeitsstuhl zur Verfügung zu stellen hat. Eine Verurteilung der Beigeladenen auf der Grundlage von § 75 Abs. 5 SGG ist hier von vornherein ausgeschlossen, sodass das Urteil des Senats im Verhältnis der Klägerin zu der Beigeladenen, dessen Rechtsgrundlagen nicht der Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit unterliegen, nur in dem Sinne entfalten könnte, dass die Klägerin ggf. einen weiteren Stuhl nicht mehr gegenüber der Beigeladenen verlangen könnte. Der Senat entscheidet hier, anders als die Klägerin und die Beigeladene meinen, auch nicht mit Rechtskraftwirkung über die Auslegung der zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen abgeschlossenen der Vereinbarungen zur Umsetzung des § 41 Abs. 3 Satz 1 bis 4 SGB IX.

Die Beiladung anderer Rehabilitationsträger hat der Senat nicht für notwendig erachtet. Die Zuständigkeit des Rehabilitationsträgers erstreckt sich nach § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX im Verhältnis des Rehabilitationsträgers zu dem behinderten Menschen auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation vorgesehen sind (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2016 - B 8 SO 18/14 R -, juris). Nicht erforderlich ist vor diesem Hintergrund die Beiladung von Rehabilitationsträgern, die nur abstrakt, aber nicht im konkreten Verhältnis zu dem behinderten Menschen leistungspflichtig sein können. Eine Beiladung der für die Klägerin zuständigen Krankenkasse scheidet hier aus. Die Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung decken im Rahmen der Teilhabe, insbesondere durch Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V), nur solche Bedarfe ab, die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens betreffen; nicht erfasst werden Auswirkungen der Behinderung in einem bestimmten Lebensbereich, insbesondere den Bereichen Beruf, Gesellschaft oder Freizeit (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juli 2002 - B 3 KR 3/02 R -, SozR 3-2500 § 33 Nr. 46, RdNr. 10 f.). Ein Anspruch der Klägerin im Rahmen der Vorschriften der Arbeitsförderung ist hier nicht gegeben, da sie im Arbeitsbereich einer WfbM beschäftigt ist und die beantragte Leistung der Teilhabe der Aufrechterhaltung ihrer Leistungsfähigkeit in der WfbM dient (vgl. § 117 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III); vgl. auch BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993 - 13 RJ 21/93 -, juris). Ein möglicher Anspruch der Klägerin gegenüber dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (§§ 9 ff. SGB VI) scheitert hier bereits daran, dass die Klägerin nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Sinne des § 11 SGB VI erfüllt, da sie weder eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezieht noch seit ihrem Eintritt in die WfbM im Jahr 2008 die Wartezeit von 15 Jahren zurückgelegt haben kann.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und überwiegend begründet.

Das SG hat den Beklagten zu Unrecht unter Aufhebung des Bescheides vom 25. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2012 verurteilt, der Klägerin die Kosten für einen individuell angepassten Arbeitsstuhl Opera 27 nebst Zubehör entsprechend dem Kostenvoranschlag der Firma ERGO plus, ggf. zum aktuellen Preis, zu bewilligen.

Die Klage kann in dem Umfang der Stattgabe durch das SG keinen Erfolg haben, weil die angefochtene Entscheidung einen Verstoß gegen den Grundsatz des "ne ultra petita" darstellt. Der vom SG seiner Entscheidung sinngemäß zugrunde gelegte Antrag der Klägerin entspricht nicht ihrem Antrag in der Klageschrift. Er weicht wesentlich von dem von der Klägerin gestellten Antrag ab, weil die Frage der konkret zu übernehmenden Kostenhöhe nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen ist. Allein mit dem Hinweis im Klageantrag auf "den beantragten" ergonomisch individuell angepassten Arbeitsstuhl wird weder ein bestimmter Hilfsmittelerbringer benannt noch kann eine spätere Preisänderung, insbesondere eine Preiserhöhung, als von dem Klageantrag erfasst angesehen werden. Auch dem Antrag der Klägerin bzw. der Beigeladenen vom 15. März 2011, den der angefochtene Bescheid betrifft, ist ein dem Tenor des SG entsprechendes Begehren nicht zu entnehmen.

Bedenken begegnet die Zulässigkeit der Klage unter dem Gesichtspunkt des notwendigen Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin, soweit man davon ausginge, dass ihre Interessen gegenüber der Einrichtung wahrgenommen würden und sie bereits mit einem individuell angepassten Stuhl versorgt wäre. Die von der Klägerin vorgebrachte Belastung mit Kosten ist für den Senat nicht nachvollziehbar, da der von ihr - in anwaltlicher Vertretung durch den Prozessbevollmächtigten - mit der Beigeladenen geschlossene Vertrag nach Maßgabe des geltenden Rechts keine Verbindlichkeit der Klägerin begründen kann.

Dem Senat ist nicht nachgewiesen worden, dass der Darlehensvertrag vom 16. März 2015 vom Betreuungsgericht genehmigt worden ist. Schließt der Betreuer einen Vertrag ohne die erforderliche Genehmigung des Betreuungsgerichts, so hängt die Wirksamkeit des Vertrages nach § 1908i Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 1829 Abs. 1 Satz 1 BGB von der nachträglichen Genehmigung des Betreuungsgerichts ab. Nach § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB gilt § 1822 Nr. 8 BGB für die Betreuung sinngemäß. Damit bedarf die Aufnahme von Geld auf den Kredit des Betreuten der Genehmigung durch das Betreuungsgericht. Entscheidend ist insoweit, ob der Vertrag der Beschaffung von Geld dient, für das der Betreute einzustehen hat (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 75. Aufl. 2016 m.w.N.).

Im Übrigen geht der Senat von einer Unwirksamkeit des Vertrages, d.h. nicht nur von einer schwebenden Unwirksamkeit, aus. Der Darlehensvertrag vom 16. März 2015 legt zunächst eine Schuld der Klägerin in Höhe von 2.776,63 EUR fest. Die Klägerin soll den zinsfreien Kredit zwar durch Abtretung einer Forderung gegen den Beklagten ablösen können. Diese Abtretung ist aber ihrerseits nicht mit § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vereinbar, der eine Übertragung, Verpfändung oder Pfändung eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB XII ausschließt. Eine Abtretung unter Verstoß gegen dieses gesetzliche Verbot ist nichtig (vgl. z.B. Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII Kommentar, § 17 RdNr. 16). Hier sprechen überwiegende Gesichtspunkte dafür, dass der vorgenannte Darlehensvertrag auch unter dem Gesichtspunkt des § 134 i.V.m. § 139 BGB insgesamt unwirksam ist. Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nach § 134 BGB nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Ist ein Teil eines Rechtsgeschäftes nichtig, so ist nach § 139 BGB das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Da die Klägerin das Darlehen aus eigenen Mitteln nicht abtragen kann, ist davon auszugehen, dass ohne die Tilgungsregelung durch Abtretung einer vermeintlichen Forderung gegen den Beklagten ein Darlehensvertrag nicht zustande gekommen ist.

Ein Vertrag über ein Darlehen, dessen Höhe für die Vertragsparteien offenkundig das der Klägerin als Bezieherin von Sozialhilfe zur Verfügung stehende Schonvermögen überschreitet und das für die Kosten der Nutzung eines nicht von der Klägerin selbst angeschafften Bürostuhles bestimmt ist, dürfte im Übrigen unwirksam sein, weil es gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 Abs. 1 BGB). Ein gegenseitiger Vertrag ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach dieser Regelung sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 15. Januar 2016 - V ZR 278/14 -, juris). Hier steht die Darlehensforderung in Höhe des Kaufpreises zu der Überlassung des Stuhles zur bloßen Nutzung völlig außer Verhältnis. Auch auf wiederholte Nachfrage des Senats ist eine Übereignung eines individuell angepassten Arbeitsstuhls an die Klägerin nicht dargelegt bzw. nachgewiesen worden. Ein besonderer Umstand im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des BGH tritt hier dadurch hinzu, dass das Schonvermögen der Klägerin nach § 90 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 SGB XII auf einen Gesamtbetrag von 2.600,00 EUR begrenzt ist. Damit könnte sie den Vertrag nur langfristig durch Zahlungen aus dem ihr zur Sicherung der Existenz gewährten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung unter Zurückstellung ihres notwendigen Bedarfs erfüllen. Eine ungerechtfertigte Bereicherung der Klägerin dürfte bereits deshalb nicht vorliegen, weil der Kaufpreis von der Beigeladenen nicht an die Klägerin, sondern an den Hilfsmittellieferanten gezahlt wurde. Die Nutzung des Stuhles dürfte insoweit nicht ausreichen. Im Übrigen stünde die von der Beigeladenen wiederholt vorgebrachte fehlende eigene Verpflichtung, der Klägerin einen individuell angepassten Arbeitsstuhl zur Verfügung zu stellen, nach § 814 BGB einer gegen diese gerichteten Rückforderung entgegen.

Der Senat kann indes nicht ausschließen, dass durch ein Zusammenwirken mit der Beigeladenen im Ergebnis eine Belastung der Klägerin mit Zahlungsverpflichtungen nicht abzuwenden ist, sodass ein Rechtsschutzbedürfnis im Ergebnis vom Senat bejaht worden ist. Der Senat ist insoweit nicht berufen, eine Wahrnehmung der zivilrechtlichen Interessen der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits sicherzustellen.

Der Beklagte war zu verpflichten, den Antrag der Klägerin auf Eingliederungshilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Hält das Gericht die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts für begründet und diese Frage in jeder Beziehung für spruchreif, so ist im Urteil nach § 131 Abs. 2 Satz 1 SGG die Verpflichtung auszusprechen, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen. Im Übrigen gilt nach § 131 Abs. 2 Satz 2 SGG der Absatz 3 dieser Vorschrift. Danach ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, wenn das Gericht die Unterlassung eines Verwaltungsaktes für rechtswidrig hält. Der Anwendungsbereich dieser Regelungen ist insbesondere eröffnet, wenn ein Ermessen der Behörde besteht (vgl. z.B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 131 RdNr. 12).

Der Senat kann selbst keine abschließende Entscheidung über die Frage treffen, ob ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme oder Freistellung von den Kosten eines für einen individuell angepassten Arbeitsstuhl Opera 27 nebst Zubehör entsprechend dem Kostenvoranschlag der Firma ERGO plus haben könnte. Ein Anspruch auf Erstattung der tatsächlich für einen selbst beschafften Stuhl verauslagten Kosten entsprechend der vorgelegten Rechnung besteht hier nicht. Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB IX ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der tatsächlichen Aufwendungen einer selbstbeschafften Leistung verpflichtet. Diese Regelung gilt indes nach § 15 Abs. 1 Satz 5 SGB IX nicht für die Träger der Sozialhilfe.

Im Rahmen der Bescheidung des Antrags der Klägerin auf Eingliederungshilfe ist hier allerdings ein rechtlich relevanter Bedarf ihrer Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht in ausreichender Weise gewürdigt worden, da der Beklagte den Bedarf einem unzutreffenden Regelungsbereich zugeordnet hat.

Die von der Klägerin beantragte Versorgung mit einem Arbeitsstuhl ist eine Leistung zur Teilhabe im Sinne der § 33 SGB IX. Als erstangegangener Rehabilitationsträger hat der Beklagte die Alleinzuständigkeit für die Entscheidung über einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Teilhabe für den geltend gemachten Bedarf der Eingliederungshilfe, da er als überörtlicher Sozialhilfeträger Rehabilitationsträger im Sinne des § 6 SGB IX ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 33/07 R - BSGE 101, 207 ff. RdNr. 28 ff.). Diese Auffassung stützt sich darauf, dass erst in dem Antrag vom 15. März 2011 ein Stuhl mit Armstützen genannt wird. Zu demselben Ergebnis würde es führen, wenn man diesen Antrag in einem Gesamtzusammenhang mit dem an den Beklagten weitergeleiteten Antrag sehen würde. Dann wäre der Beklagte hier als zweitangegangener Träger endgültig für die Entscheidung zuständig.

Die Klägerin hat dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen gegen den Beklagten nach den Vorschriften über die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§§ 19 Abs. 3 Satz 1, 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 SGB XII).

Der Beklagte ist für die Leistungen der Eingliederungshilfe als überörtlicher Sozialhilfeträger sachlich und örtlich zuständig (§ 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII vom 11. Januar 2005 (GVBl. LSA S. 8), § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).

Die Klägerin ist wesentlich geistig behindert im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 2 EinglH-VO. Denn sie ist durch ihre Intelligenzminderung in erheblichem Umfang in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt. Der Senat stützt diese Feststellung auf die überzeugenden Ausführungen in der amtsärztlichen Stellungnahme der Medizinalrätin Dr. L. vom 20. Januar 2009, in dem für die Agentur für Arbeit erstellten Gutachten vom 14. März 2008 und dem von dem vom Gesundheitsamt des Landkreises erstellten psychologischen Leistungsbefund vom 9. Juni 2015.

Die Klägerin hat einen Bedarf der Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach Kapitel 5 des SGB IX. Das wird auch von dem Beklagten nicht in Abrede gestellt. Denn die Klägerin erhält laufende Leistungen im Arbeitsbereich einer anerkannten WfbM nach § 41 SGB IX. Über das "Ob" einer Teilhabe wird damit hier nicht gestritten. Vielmehr geht es ausschließlich darum, "wie" der Teilhabebedarf der Klägerin zu decken ist. Diesbezüglich steht dem Beklagten ein Ermessen zu.

Damit wird in keiner Weise ein Anspruch der Klägerin gegenüber der Beigeladenen ausgeschlossen oder eine Verpflichtung zur Ausstattung der WfbM mit der Arbeit angepassten behindertengerechten Arbeitsstühlen in Abrede gestellt. Beide Fragestellungen sind jeweils nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Selbst wenn man aus § 138 Abs. 1 SGB IX für die arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisse der Beschäftigten einer WfbM einen Ausschluss für die Anwendbarkeit der Individualansprüche zur Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ausstattung der Arbeitsplätze mit technischen Arbeitshilfen nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 SGB IX ableiten wollte, was hier offen bleiben kann, wäre auch aus § 138 Abs. 4 i.V.m. § 36 SGB IX eine auf dem aktuellen Stand des Arbeitsschutzes zu haltende Ausstattung der WfbM als Verpflichtung der Beigeladenen abzuleiten (vgl. zur Anwendbarkeit der Arbeitsstättenverordnung z.B. Busch in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartols (Hrsg.), SGB IX Kommentar, 3. Aufl. 2015, § 36 RdNr. 15). Beschäftigt der Arbeitgeber Menschen mit Behinderungen, hat er die Arbeitsstätten nach § 3a Abs. 2 Satz 1 ArbStättV so einzurichten und zu betreiben, dass die besonderen Belange dieser Beschäftigten im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigt werden. Ein Verstoß gegen eine entsprechende Verpflichtung ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ArbStättV bußgeldbewehrt. Die Regelungen begründen auch individualrechtliche Ansprüche (vgl. für die Konkretisierung von § 618 BGB: Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 19. Mai 2009 - 9 AZR 241/08 -, juris). Es sprechen überwiegende Gesichtspunkte dafür, § 8 WVO in ähnlicher Weise als Konkretisierung von § 138 Abs. 2 i.V.m. § 36 SGB IX anzusehen. Damit sind insbesondere von einer Einrichtung für (auch) körperbehinderte Menschen Arbeitsstühle vorzuhalten, die nach den heutigen Standards gerade für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen konzipiert sind. In Bezug auf das Verhältnis des Beklagten zu der Beigeladenen begründet die vorliegende Entscheidung keine Freistellung der Beigeladenen von den von ihr nach § 41 SGB IX übernommenen Verpflichtungen, wie sie in den hierzu geschlossenen Verträgen konkretisiert worden sind.

Das Ermessen des Beklagten ist hier auch nicht auf Null in Bezug auf die Übernahme von Kosten eines Stuhles einer bestimmten Marke oder eines bestimmten Anbieters reduziert. Bereits aus der von der Klägerin selbst vorgelegten Kostenübernahmeerklärung des Landkreises S. vom 19. August 2010 geht hervor, dass es andere Leistungsanbieter für individuell angepasste Arbeitsstühle auch im Land Sachsen-Anhalt mit anderen Angeboten gibt. Anhaltspunkte für Abdeckung eines Hilfebedarfs der Klägerin allein durch den Erwerb des Arbeitsstuhls "Opera 27 nebst Zubehör entsprechend dem Kostenvoranschlag der Firma ERGO plus" sind weder von der Klägerin vorgetragen worden noch feststellbar.

Die möglichen Leistungen der Eingliederungshilfe ergeben sich hier aus den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX sowie § 54 Abs. 1 SGB XII. Art und Umfang der Eingliederungshilfe werden durch die auf der Grundlage von § 60 SGB XII erlassene EinglH-VO näher ausgestaltet. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden nach § 55 SGB IX erbracht, die dem behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder sichern oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln vier bis sechs des SGB IX (dort geregelt sind: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen) nicht erbracht werden. Leistungen der Eingliederungshilfe sind nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX u.a. die Versorgung mit anderen als den in § 31 SGB IX genannten Hilfsmitteln oder den in § 33 SGB IX genannten Hilfen.

Der Senat hat zunächst keine Kenntnis von einem medizinisch gesicherten Hilfebedarf der Klägerin, der nicht abgedeckt sein könnte. Entsprechende Ermittlungen sind indes von dem Beklagten zu keinem Zeitpunkt durchgeführt worden. Diesbezüglich genügt eine von einer Beschäftigten der Beigeladenen, die gleichzeitig in Vertretung der Klägerin handelt, erstellte Empfehlung nicht. Auch die arbeitsamtsärztliche Stellungnahme von Dipl.-Med. T. stellt lediglich eine Empfehlung dar und ist in ihrer arbeitsmedizinischen Ausrichtung als Ergebnis einer Wunschuntersuchung nach § 11 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) zu sehen (vgl. zur Anwendbarkeit des ArbSchG nach § 138 Abs. 2 i.V.m. § 36 SGB IX: Busch in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartols (Hrsg.), a.a.O., § 36 RdNr. 15). Bereits aus der Zielsetzung der Untersuchung ergibt sich, dass sich daraus keine für den Sozialhilfeträger bindenden Feststellungen ableiten lassen. Zumindest mit der von ihm ausgesprochenen Unterstützung des Widerspruchs der Klägerin ist ersichtlich geworden, dass Dipl.-Med. T. dem Sachverhalt nicht wie ein unabhängiger Sachverständiger gegenübersteht. Aus den Angaben der Hausärztin der Klägerin ist die Notwendigkeit einer Anpassung des Arbeitsplatzes der Klägerin zudem nicht erkennbar geworden.

Erst unter Berücksichtigung der Feststellungen zu dem bei der Klägerin vorliegenden Hilfebedarf, der durch die aktuell bewilligten Leistungen zur Teilhabe nicht gedeckt wird, wäre festzulegen, ob hier eine Anpassung des Arbeitsplatzes der Klägerin über die sich aus der ArbStättV hinausgehenden Anforderungen erforderlich ist.

In Bezug auf die Ermessensausübung im Einzelnen ist dann zu differenzieren, welche Leistungen konkret in Betracht kommen. In Bezug auf einen Arbeitsstuhl ist abzugrenzen, ob es sich um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX oder eine technische Arbeitshilfe im Sinne des § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 SGB IX handelt. Von dieser Zuordnung hängt insbesondere ab, in welchem Umfang eine Leistungspflicht des Arbeitgebers in die Ermessenserwägungen einzustellen ist. Nach § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX umfassen die Leistungen nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6 SGB IX auch Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistungen erbracht werden können. Umfasst werden nach § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 SGB IX auch Kosten technischer Arbeitshilfen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung erforderlich sind. Dabei ist der Anwendungsbereich des § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 SGB IX eng auszulegen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. März 2016 - L 6 R 504/14 -, juris, RdNr. 28 m.w.N.). Hilfsmittel sind in Abgrenzung von den technischen Hilfen dadurch gekennzeichnet, dass sie erforderlich sind, um eine bestimmte Arbeitstätigkeit erst zu ermöglichen. Demgegenüber zielen technische Hilfen darauf ab, die Arbeitsbelastung zu verringern (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O. RdNr. 28 m.w.N.). Ein an die körperlichen Verhältnisse einer bestimmten Person angepasster Bürostuhl unterfällt damit den technischen Hilfen (vgl. Götze in Hauck/Noftz, SGB IX Kommentar, § 33 RdNr. 37; Feldes in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartols (Hrsg.), a.a.O., § 81 RdNr. 52).

Bei den technischen Hilfen gilt der Vorrang der Bereitstellung der Leistungen zur Teilhabe durch den Arbeitgeber nicht (vgl. z.B. Bieritz-Harder in: Lachwitz/Schellhorn/Welti (Hrsg.), Handkommentar zum SGB IX, § 33 RdNr. 40). Die Frage einer entsprechenden Verpflichtung der Beigeladenen ist in diesem Rahmen in den Vertragsverhältnissen der Klägerin zu der Beigeladenen und des Beklagten zu der Beigeladenen mit ggfs. bestehenden Ansprüchen auf Schadensersatz oder Ausgleichszahlungen zu klären, über die der Senat hier nicht zu befinden hat.

Sollte diesbezüglich im Rahmen von verschiedenen Angeboten nur ein Arbeitsstuhl in Betracht kommen, den allein die Klägerin nutzen könnte, wäre eine Zuständigkeit des Beklagten im Rahmen des § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 SGB XII möglich und entsprechend die Kosten des wirtschaftlichsten Modell, um den Hilfebedarf abzudecken, zu übernehmen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der Klägerin zum maßgebenden Zeitpunkt eine entsprechende technische Arbeitshilfe zur Verfügung steht und hierfür von ihr Kosten zu tragen sind. Insoweit wäre in Bezug auf den von der ERGO plus gelieferten Arbeitsstuhl zu berücksichtigen, dass der von der Klägerin mit der Beigeladenen geschlossene Darlehensvertrag, wie bereits ausgeführt, unwirksam sein dürfte.

In Bezug auf die Armstützen des Arbeitsstuhles geht der Senat von einer besonderen Ausstattung des Stuhles auf Grund der Erfordernisse eines bestimmten Arbeitsplatzes in der WfbM aus. Eine medizinische Indikation für eine Ausstattung eines Arbeitsstuhles mit Armstützen ist von Dipl.-Med. T. ausdrücklich verneint worden. Auch der Stellungnahme der Ergotherapeutin der Beigeladenen ist zu entnehmen, dass die Notwendigkeit der Ausstattung des Arbeitsstuhles erst mit der Wahrnehmung anderer Aufgaben durch die Klägerin entstanden sei. Damit handelt es sich bei den Armstützen um Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX. Diesbezüglich könnte der Beklagte im Rahmen der Ermessensausübung eine vorrangige Leistungspflicht der WfbM berücksichtigen, soweit sich ein medizinisches Erfordernis für einen Arbeitsstuhl mit Armstützen belegen lässt, der nicht zur behindertengerechten Ausstattung einer WfbM gehört.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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