L 3 AS 1456/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AS 381/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1456/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Rechtsbehelfen mit grob verunglimpfendem Inhalt, die nur der Schmähung des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter dienen, fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis und sind damit offensichtlich unzulässig.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. März 2016 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte im Wege einer Untätigkeitsklage zur Verbescheidung eines Antrags des Klägers zu verpflichten ist.

Der im Jahr 1976 geborene Kläger beantragte am 01.12.2015 formlos die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und legte den am 07.12.2015 ausgefüllten Formularantrag mit diversen Anlagen vor. In der Folgezeit legte er auf Anforderung des Beklagten weitere Unterlagen - unter anderem den Kontoauszug der P.bank vom 26.11.2015 über das unter der IBAN DE07. geführte Konto, aus dem eine am 19.11.2015 erfolgte Auszahlung in Höhe von 6.300,00 EUR und eine am 19.11.2015 erfolgte Gutschrift in Höhe von 6.370,00 EUR hervorgehen - vor. Zuletzt forderte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 28.01.2016 unter anderem auf, Angaben zum Verbleib der am 19.11.2015 eingegangenen Zahlung in Höhe von 6.370,00 EUR zu machen und entsprechende Nachweise vorzulegen. Mit dem sich hiermit zeitlich überschneidenden Schreiben vom 28.01.2016 legte der Kläger "eine Beschwerde gegen die Sachbearbeiter" des Beklagten ein. Er führte darin aus: "Am 31.12.2015 habt Ihr mein Brief erhalten ... Und die Bearbeitungszeit der Sachbearbeiter beträgt 15 Tage" ... "Da ich ja auf den Antrag warte bis ich mich operieren lassen kann. Und die Sachbearbeiter den Finger nicht aus dem Arsch bekommen. Werde ich ein Anwalt auf Kosten Jobcenter L. nehmen. Und Euch noch auf Schmerzensgeld anklagen. Und zu gutem Schluss werde ich das Sozialgericht in Freiburg noch einschalten. Das die Sachbearbeiter den Finger aus dem Arsch bekommen."

Dieser Beschwerdebrief ist am 29.01.2016 beim Sozialgericht Freiburg (SG) eingegangen. Daraufhin hat das SG ausgeführt, die Beschwerde könne bei sachdienlicher Auslegung allenfalls als Untätigkeitsklage ausgelegt werden, woraufhin der Kläger ausgeführt hat, "ich warte das der Antrag genehmigt wird. Das ich Krankenkassenschutz hab. Und endlich operiert werden kann. Aber Jobcenter bekommt ja den Finger nicht aus dem Po."

Auf das Schreiben des Beklagten vom 28.01.2016 hat der Kläger unter dem 02.02.2016 unter anderem ausgeführt: "Die 6370 EUR sind Schmiergeld vom Internet Geldwäsche." Daraufhin hat der Beklagte mit Schreiben vom 05.02.2016 gegenüber dem Kläger dargelegt, wenn es sich bei dem Betrag in Höhe von 6.370,00 EUR tatsächlich um Schmiergeld handele, dann handele es sich möglicherweise um eine Straftat. Wolle der Kläger ihn lediglich in die Irre führen, wäre der wahre Grund nicht geklärt und somit noch nachzuweisen.

Der Beklagte hat im Gerichtsverfahren dargelegt, bisher habe über den Antrag nicht entschieden werden können, da noch notwendige Unterlagen fehlten beziehungsweise ungeklärte Fragen offen seien.

Das SG hat die Eingabe des Klägers als Untätigkeitsklage ausgelegt und diese mit Gerichtsbescheid vom 24.03.2016 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, diese Klage sei unzulässig, da seit dem Antrag des Klägers noch keine sechs Monate vergangen seien. Es sei daher nicht entscheidend, dass nach wie vor entscheidende Fragen des Beklagten nicht geklärt seien. Es spreche aber einiges dafür, dass ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung bestehe.

Der Kläger hat sich am 08.04.2016 an das SG gewandt und ausgeführt, " ... eine Frechheit vom Nix tauge Nix Verein von Jobcenter. Es nicht auf die reihe bekommen in 4 Monate den Antrag zu bearbeiten. Bleiben sowieso nur noch 2 Monate Bearbeitungszeit. Und viele Feiertage. Denke nicht das sie es schaffen in den letzten 2 Monate zu Bearbeiten. Im Juni eröffne ich ein neues erfahren ... Das Sozialgericht und Unfähiges Jobcenter von L. sowieso unter einer Decke stecken." Er hat in seiner Berufungsschrift ferner den Beklagten beziehungsweise dessen Mitarbeiter/innen als "Pfeiffen", "Unfähige", "Ahnungslose", "Unfähigen Verein", "Angsthasen", "Dümmste Verein in Deutschland" und "Dumme Sirche" bezeichnet sowie mit "Dummschwätzen" und "im Sesselschaukeln" bezichtigt. Diesen Schriftsatz hat das SG an das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg weitergeleitet.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. März 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über seinen Antrag vom 1. Dezember 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat ausgeführt, er sehe keinen Anlass, auf "die sinnfreien und unflätigen Einlassungen" des Klägers einzugehen.

Er hat auf Anfrage des Senats seinen Bescheid vom 13.04.2016, mit dem er auf den Antrag des Klägers vom 01.12.2015 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 725,60 EUR für die Zeit vom 01.10.2015 bis zum 31.10.2015 und in Höhe von 0,00 EUR für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 31.03.2016 bewilligt hat, vorgelegt. Er hat ferner ausgeführt, dass der Kläger gegen diesen Bescheid keinen Widerspruch eingelegt und sich seither auch nicht mehr bei ihm gemeldet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat legt das ihm vom SG vorgelegte Schreiben des Klägers vom 08.04.2016 unter Beachtung des Meistbegünstigungsgrundsatzes sowie des im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren geäußerten Begehrens als gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 24.03.2016 erhobene Berufung aus. Indem er ausführt, "Das Sozialgericht und Unfähiges Jobcenter von L. sowieso unter einer Decke stecken.", hat er zum Ausdruck gebracht, die Entscheidung des SG für rechtswidrig zu erachten. Es handelt sich damit unter Nichtanlegung strenger Maßstäbe um eine gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie nach § 151 SGG form- und fristgerechte Berufung des Klägers.

Diese Berufung ist dennoch unzulässig, da es an einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers fehlt.

Ein Rechtsschutzbedürfnis ist zu verneinen, wenn jemand die Gerichte zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele ausnutzen will (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, Vor § 51, Rn. 16). Eine Ausprägung des für jeden Rechtsbehelf vor den Gerichten notwendigen Rechtsschutzbedürfnisses stellt es dar, dass der Rechtsschutzsuchende das Gericht nicht für unnütze oder unlautere Zwecke in Anspruch nehmen kann. Insbesondere muss der Rechtsschutzsuchende ernsthaft und nach freiem Entschluss ein Urteil wollen. Andernfalls liegt ein Missbrauch des Prozessrechts zu verfahrensfremden Zwecken vor (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 12.02.2015 - B 10 ÜG 8/14 B - juris Rn. 8; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.06.2014 - L 8 AL 397/14 WA - juris Rn. 30; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.03.2014 - L 2 SF 265/14 EK, L 2 SF 266/14 EK, L 2 SF 608/14 bis L 2 SF 743/14 EK - juris Rn. 7). Dies gilt insbesondere für einen Rechtsbehelf mit grob verunglimpfendem Inhalt, das nur der Schmähung des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter dient. Ein solches Rechtsmittel ist gänzlich ungeeignet und damit offensichtlich unzulässig (Landesarbeitsgericht [LAG], Hamburg, Beschluss vom 16.03.2016 - 3 Sa 73/15 - juris Rn. 8; OLG Köln, Beschluss vom 05.07.2013 - 20 W 45/13, 20 W 49/13 - juris Rn. 3; ). Wird ein sachlicher Anspruch nur formal zur Entscheidung gestellt, geht es dem Kläger aber in Wahrheit ausschließlich darum, das Gericht, andere Verfahrensbeteiligte oder Dritte unter dem Deckmantel eines Klage- oder Rechtsmittelverfahrens zu beleidigen, ohne dass das sachliche Begehren im Vordergrund steht, so handelt es sich um einen Missbrauch des Verfahrens, der zur Unzulässigkeit des Begehrens mangels Rechtsschutzbedürfnisses führt (Bundesfinanzhof, [BFH], Urteil vom 04.06.1992 - IV R 139-140/91, IV R 139/91, IV R 140/91 - juris Rn. 12; siehe auch Zöller, ZPO, 74. Auflage, Einl III Rn. 54, 56, Grundz § 253 Rn. 33, 51).

So liegt der Fall hier. Indem der Kläger in seiner Berufungsschrift den Beklagten als "Nix tauge Nix Verein", "Pfeifen", "Unfähige", "Ahnungslose", "Unfähigen Verein", "Angsthasen", "Dümmste Verein in Deutschland" und "Dumme Sirche" bezeichnet sowie mit "Dummschwätzen" und "im Sesselschaukeln" bezichtigt, setzt er das Rechtsinstitut der Berufung in derart rechtsmissbräuchlicher Weise ein, dass ihm ein Rechtsschutzinteresse fehlt und es deshalb als unzulässig zu verwerfen ist.

Dadurch wird der Kläger nicht in seinen Grundrechten verletzt. Der mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) garantierte Rechtsschutz erfolgt durch eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche richterliche Entscheidung. Eine Inanspruchnahme der Gerichte in zweckwidriger, rechtsmissbräuchlicher Weise steht außerhalb dieses Schutzes (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.06.2014 - L 8 AL 397/14 WA - juris Rn. 30).

Nach alledem war die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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