L 2 AS 378/13

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 26 AS 454/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 378/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 19/16 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) von dem Beklagten für den Monat März 2009 in Höhe von zusätzlich 28,76 EUR und für den Monat April 2009 in Höhe von zusätzlich 33,11 EUR.

Der am ... 1949 geborene Kläger wohnte im streitgegenständlichen Zeitraum zusammen mit seiner Mutter in einem ihr gehörenden Einfamilienhaus in G. Der Kläger war im Frühjahr 2003 nach dem Tod des Vaters dort eingezogen. Er bewohnte zwei Zimmer mit zusammen 30 qm Wohnfläche (Wohnzimmer und Schlafzimmer), Küche und Bad nutzte er gemeinsam mit seiner Mutter. Das Haus wird mit Heizöl beheizt. Die Warmwassererwärmung erfolgt zentral über die Heizungsanlage. Am 4. Juli 2004 schloss der Kläger mit seiner Mutter einen Mietvertrag über 2 Zimmer mit einer Wohnfläche von 30 qm ab. Danach war der Kläger verpflichtet, monatlich 162 EUR zu zahlen, für Miete 120 EUR und zusätzlich eine Vorauszahlung für Heizung in Höhe von 42 EUR.

Der Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II von dem Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der ARGE SGB II M. L. (künftig einheitlich: der Beklagte). Im Erstantrag trug der Kläger bei den Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) unter Vorlage der entsprechenden Belege zusätzlich auf ihn entfallende hälftige Nebenkosten (Wasser, Abwasser und Müll) in Höhe von 19,98 EUR im Monat ein.

Bereits mit dem Erstantrag gab der Kläger zu seinem Vermögen neben einem Guthaben in Höhe von 2.921,41 EUR auf dem Girokonto, 141,12 EUR auf dem Sparbuch, und Fonds-Anteilen mit einem Wert von 1.748,45 EUR noch eine private Rentenversicherung bei der Allianz Lebensversicherungs-AG (Rückkaufwert 7.056,60 EUR, eingezahlt 7.669,20 EUR) an. Dabei handelt es sich um eine ab 1. September 1999 laufende kapitalbildende Lebensversicherung mit Kapitalwahlrecht (Einmalzahlung oder Rente ab 1. September 2014) und Beitragsrückerstattung bei Tod vor dem 1. September 2014. Der Kläger zahlte einen monatlichen Beitrag in Höhe von 250 DM und nach der Währungsumstellung in Höhe von monatlich 127,82 EUR ein. Erst im Juni 2009 vereinbarte der Kläger – nachdem ein Mitarbeiter des Beklagten ihn auf einen Verwertungsausschluss angesprochen hatte – mit der Allianz Lebensversicherungs-AG einen Verwertungsausschluss, den diese mit Schreiben vom 24. Juni 2009 bestätigte.

Der Beklagte berücksichtigte anfänglich monatlich KdUH in Höhe von 174,42 EUR (120 EUR + 34,44 EUR (Hz – 18 % Warmwasser) + 19,98 EUR NK). Ab 1. Dezember 2007 berücksichtigte der Beklagte nunmehr nur noch die kopfanteiligen Unterkunftskosten, wogegen sich der Kläger wandte. Der Beklagte begründete diese Entscheidung damit, dass der Wohnraum des Klägers nicht abgeschlossen sei.

Im Fortzahlungsantrag vom 25. September 2008 gab der Kläger an, Grundmiete in Höhe von 120 EUR und Heizkosten in Höhe von 76,64 EUR zu zahlen. Hierbei ging er davon aus, die Hälfte der im Haus anfallenden Heizkosten umgerechnet auf den Monat zu tragen und legte dabei die Kosten für Heizöl aus der Rechnung von August 2008 in Höhe von 1.839,48 EUR zugrunde.

Der Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 25. November 2008 auf, die Anlage VM zur Feststellung der Vermögensverhältnisse nebst Anlagen vorzulegen. Der Kläger legte die betreffende Anlage nebst Belegen am 26. November 2008 bei dem Beklagten vor. Zu den Vermögensverhältnissen gab er an, über ein Guthaben von 58,25 EUR auf dem Girokonto, 500 EUR Bargeld und Sparbücher mit einem Gesamtwert von 424,97 EUR zu verfügen. Sein Aktiendepot habe einen Wert von 1.303,17 EUR. Weiter legte er dar, der Rückkaufwert seiner Rentenversicherung betrage 13.932,45 EUR.

Die interne Vermögensprüfung des Beklagten ergab, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen bestehe (Prüfvermerk vom 28. November 2008).

Über eine Vorsprache des Klägers am 28. November 2008 bei dem Beklagten findet sich ein Aktenvermerk in der Verwaltungsakte, wonach der Kläger noch nicht alle erforderlichen Unterlagen für die Kosten der Unterkunft eingereicht habe. Er wolle die Leistungen dann ohne die Kosten der Unterkunft berechnet haben, da er kein Geld habe.

Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 28. November 2008 für den Zeitraum 1. November 2008 bis 30. April 2009 Leistungen für die Regelleistung in Höhe von 351 EUR monatlich. Die Bewilligung sei nicht abschließend, wie im persönlichen Gespräch am 28. November 2008 vereinbart, erfolge die Leistungsgewährung bis zur Vorlage der restlichen Unterlagen vorläufig ohne Unterkunftskosten.

Der Kläger legte am 1. Dezember 2008 weitere Belege zu den anfallenden Unterkunftskosten vor.

Mit Bescheid der ursprünglich das Datum 9. Januar 2009 trägt und von dem Beklagten durchgehend als Bescheid vom 9. Januar 2009 bezeichnet wird, der aber mit neuem Datum erst am 16. Januar 2009 an den Kläger gesandt wurde (künftig als Bescheid vom 16. (9.) Januar 2009 bezeichnet) änderte der Beklagte die Leistungshöhe aufgrund einer Neuberechnung der Unterkunftskosten und gewährte nunmehr Leistungen für den Zeitraum 1. November 2008 bis 30. April 2009 in folgender Höhe: 1. Dezember 2008 bis 31. März 2009 in Höhe von 458,75 EUR monatlich (davon KdUH 107,75 EUR) und für April 2009 in Höhe von 454,40 EUR (davon KdUH 103,40).

Nachdem der Kläger eine im März 2009 fällig gewordene Heizölrechnung in Höhe von 459,94 EUR für eine Öllieferung eingereicht hatte, änderte der Beklagte mit weiterem Änderungsbescheid vom 2. April 2009 die Bewilligungsentscheidung ab und gewährte nunmehr für den Monat März 2009 Leistungen in Höhe von 477,91 EUR (davon KdUH 126,91 EUR) und für den Monat April 2009 Leistungen in Höhe von 473,56 EUR (davon KdUH 122,56 EUR).

Dagegen richtete sich der am 30. April 2009 erhobene Widerspruch des Klägers. Der Kläger wandte sich gegen die fehlende Berücksichtigung der vereinbarten Miete in Höhe von 120 EUR monatlich: Er sei weder Eigentümer des Hauses, noch bestehe eine Vereinbarung über mietfreies Wohnen. Insoweit sei zu dieser Rechtsfrage bereits für den Zeitraum März bis April 2008 ein Klageverfahren anhängig. Zugleich stellte er einen Überprüfungsantrag hinsichtlich früherer Bewilligungsabschnitte.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2010 als unzulässig zurück. Die Überprüfung des Änderungsbescheides sei nur in dem Umfang möglich, in dem die Bewilligungsentscheidung geändert worden sei. Der angefochtene Änderungsbescheid enthalte keine Regelung zur Kaltmiete. Bereits mit dem Änderungsbescheid vom 16. (9.) Januar 2009 sei eine abschließende Entscheidung zu den KdUH nach der vorläufigen Entscheidung vom 26. November 2008 getroffen worden. Insoweit hätte nur die Änderung aufgrund der Einarbeitung der Heizölrechnung vom 4. März 2009 überprüft werden können.

Dagegen hat der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, am 28. Januar 2010 vor dem Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben und ausgeführt: Der Widerspruch sei nicht unzulässig. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens sei die Höhe der Unterkunftskosten insgesamt zu prüfen. Unerheblich sei, aus welchen Gründen der Bescheid geändert worden sei.

Der Beklagte hat darauf verwiesen, entgegen der Auffassung des Klägers komme es auf den Regelungsgehalt des Änderungsbescheides an. Der Änderungsbescheid enthalte nur eine geänderte Regelung zu den Heizkosten. Im weiteren Verlauf hat der Beklagte dargelegt, dass der Kläger schon deshalb keinen Anspruch auf höhere Leistungen habe, weil er berücksichtigungsfähiges Vermögen habe.

Im Verfahren vor dem SG mit dem Aktenzeichen S 26 AS 689/09, dessen Akten beigezogen wurden, hat der Beklagte näher erläutert, der Kläger habe über berücksichtigungsfähiges Vermögen in Form einer Rentenversicherung verfügt. Für diese sei erst ab Juni 2009 ein Verwertungsausschluss vereinbart worden. Der im Jahr 2008 relevante Betrag von 14.425,63 EUR überschreite den dem Kläger zustehenden Vermögensfreibetrag von maximal 9.750 EUR.

Hierauf hat der Kläger erwidert: Das Anwachsen des Vermögens über die Freigrenze sei während des laufenden Bezuges von Alg II erfolgt. Bei Beginn des Leistungsbezuges sei die Rentenversicherung schon vorhanden gewesen und habe die Freibeträge nicht überschritten. Der Kläger habe sich die geleisteten Beitragszahlungen bildlich gesprochen "vom Munde abgespart". Der Beklagte habe die ihm bekannte Rentenversicherung bei der Vermögensprüfung unberücksichtigt gelassen. Bei der Einführung der veränderten Vermögensfreibeträge zum 1. August 2006 sei der Kläger nicht auf die Notwendigkeit, einen Verwertungsausschluss zu vereinbaren, hingewiesen worden. Es sollte nach der Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit vom 27. Juli 2006 den Leistungsempfängern die Möglichkeit eingeräumt werden, innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu erklären, ob das Vermögen der Alterssicherung zugeführt werde. Die Verletzung der Beratungs- und Auskunftspflicht des Beklagten im Zusammenhang mit der Veränderung der Vermögensfreibeträge führe dazu, dass jedenfalls ein übersteigendes Vermögen im hier relevanten Zeitraum nicht angenommen werden könne. Es müsse auch von den Rückkaufwerten ausgegangen werden. Außerdem habe der Kläger auch über das Vermögen bei Kündigung der Versicherung nicht direkt verfügen können, weil diese nur zum Schluss einer Versicherungsperiode, die in der Regel ein Jahr betrage, gekündigt werden könne.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft für März 2009 in Höhe von 28,76 EUR und für April 2009 in Höhe von 33,11 EUR zu zahlen. Die Höhe der geltend gemachten Forderung ergebe sich daraus, dass er pro Monat Kosten für Unterkunft und Heizung von 162 EUR gemäß dem Mietvertrag verlange. Hierbei müsse noch die Pauschale für die Warmwassererwärmung von 6,33 EUR monatlich in Abzug gebracht werden. Der Beklagte habe für März 2009 bereits KdUH in Höhe von 126,91 EUR gewährt und für April in Höhe von 122,56 EUR (162 EUR - 6,33 EUR – 126,91 EUR = 28,76 EUR; 162 EUR - 6,33 EUR - 122,56 EUR = 33,11 EUR).

Das SG hat die Klage nach mündlicher Verhandlung vom 29. Januar 2013 mit Urteil vom gleichen Tag abgewiesen und die Berufung zugelassen: Der Kläger sei nicht hilfebedürftig, da er seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen bestreiten könne. Der Rückkaufwert der Lebensversicherung betrage am 1. Mai 2008 14.698 EUR. Von diesem Betrag seien Freibeträge in Höhe von insgesamt 9750 EUR abzusetzen. Die Verwertung der Versicherung sei nicht als der Altersvorsorge dienendes Vermögen geschützt. Der Verwertungsausschluss sei erst nach April 2009 vereinbart worden. Die Verwertung sei auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Dem Rückkaufwert am 1. Mai 2008 von 14.698 EUR, stünden Beitragszahlungen in Höhe von 13.421,10 EUR gegenüber. Die Verwertung der Rentenversicherung sei auch keine unbillige Härte. Versorgungslücken des Klägers seien nicht ersichtlich. Allein die Verwertung von Vermögen, welches unter Konsumverzicht aufgebaut worden sei, stelle ohne Hinzutreten sonstiger Umstände keine solche Härte dar. Wenn tatsächlich Gelder vorhanden seien, stünden diese als Selbsthilfemöglichkeit einem Anspruch auf subsidiäre Leistungen nach dem SGB II entgegen. Für den Fall, dass das Geld nach einer Kündigung nicht sofort zur Verfügung gestanden hätte, hätte ein Darlehen gewährt werden können.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 20. Februar 2013 zugestellte Urteil haben diese für den Kläger am 11. März 2013 vor dem Landessozialgericht Berufung eingelegt und ausgeführt: Im Verlauf des Verfahrens habe der Beklagte immer neue Fragen und Forderungen von Nachweisen für die Kosten der Unterkunft und Heizung aufgestellt, die der Kläger alle beantwortet bzw. erfüllt habe. Vier Jahre nach Beginn der Auseinandersetzung habe der Beklagte nunmehr auf das Vermögen verwiesen. Der Beklagte verhalte sich widersprüchlich, so habe er hinsichtlich der Unterkunfts- und Heizkosten für den Zeitraum März und April 2008 im Verfahren S 26 AS 689/09 ein Anerkenntnis abgegeben. Das Vermögen sei nicht zu verwerten. Die Rentenversicherung bestehe bereits seit dem Jahr 1999. Der Kläger habe die monatlich gezahlten Beiträge allein aus der Regelleistung finanziert. Er habe diese Versicherung und die Werte jeweils mitgeteilt. Der Beklagte habe das Anwachsen des Versicherungsbetrages verfolgt, ohne den Kläger hinsichtlich eines Verwertungsausschlusses zu beraten. Eine Beratung habe sich geradezu aufgedrängt bei Anwachsen des Versicherungsbetrages und durchgängigem Leistungsbezug. Erst im Sommer 2009 sei der Kläger zu einem Verwertungsausschluss befragt worden. Die Vermögensfreibeträge seien am 1. Januar 2005 noch nicht überschritten gewesen. Bei der Rentenversicherung handele es sich um nicht verwertbares Vermögen. Die Verwertung stelle eine besondere Härte dar. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn das Vermögen aus Geldzahlungen stamme, welche als Einkommen nicht zu berücksichtigen seien, dies werde auch in der Literatur vertreten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 29. Januar 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 2. April 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2010 werden abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren für den Monat März 2009 in Höhe von 28,76 EUR und für April 2009 in Höhe von 33,11 EUR.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend: Das Anerkenntnis im Parallelverfahren sei allein deshalb abgegeben worden, weil der angegriffene Bescheid nicht den Voraussetzungen für eine Rückforderung entsprochen habe. Leistungsvoraussetzungen müssten von Amts wegen geprüft werden, weshalb die "späte" Berücksichtigung unerheblich sei. Die Verwertung des Vermögens stelle keine besondere Härte dar. Zwar habe der Kläger die Beiträge aus den Leistungen des Beklagten finanziert, dies sei aber unerheblich. Würde die Rentenversicherung als nicht verwertbar angesehen, würde ein elementarer Grundsatz des SGB II verletzt, nämlich keinen Vermögensaufbau zu fördern. Zudem sei fraglich, wie der Kläger seinen Lebensunterhalt bestritten habe.

Auf Anfrage durch den Senat hat die Allianz Lebensversicherungs AG am 24. September 2015 mitgeteilt, dass der Rückkaufwert der Lebensversicherung des Klägers einschließlich Überschussanteile zum 1. Oktober 2008 16.802,77 EUR betragen habe. Die eingezahlten Beträge zu diesem Zeitpunkt betrugen 13.932,38 EUR.

Auf Anforderung übergab der Kläger seinen Rentenbescheid vom 20. Februar 2014, wonach ihm ab dem 1. März 2014 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit in Höhe von 811,28 EUR monatlich gezahlt wird. Für den Versicherungsverlauf wird auf Bl. 112 ff der Gerichtsakte verwiesen.

Der Senat hat die Gerichtsakte S 26 AS 689/09 zum Verfahren beigezogen. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die vom SG zugelassene Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 2. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2010 mit dem der Beklagte dem Kläger höhere Leistungen für die Monate März und April 2009 zugesprochen hat. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Anfechtungs- und Leistungsklage mit dem Begehren, noch höhere Leistungen gezahlt zu bekommen.

I. Die Klage ist zulässig, prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt dann, wenn das angestrebte Ergebnis (höhere Leistungen) auf einfachere Weise erreicht werden kann. Ein solcher Weg ist nicht gegeben, denn es liegt kein Fall vor, bei dem der Kläger sein Klageziel auch durch den Antrag auf eine endgültige Leistungsbewilligung erreichen kann.

Der Bescheid vom 16.(9.) Januar 2009 ist als endgültige Leistungsbewilligung auszulegen, mit der eine abschließende Entscheidung über die Leistungshöhe für den Zeitraum März bis April 2009 getroffen werden sollte (wie sie auch der Kläger verstanden hat), die im Bescheid vom 28. November 2008 nur vorläufig geregelt war. Die vorläufige Regelung beruhte, wie im Gespräch am 28. November 2008 dem Kläger eröffnet, darauf, dass der Beklagte nur noch die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) nicht abschließend beurteilen konnte, da der Kläger noch nicht zu allen Positionen Unterlagen vorgelegt hatte.

Es liegt ein Sonderfall vor, bei dem aus den weiteren Umständen und den allgemein zugänglichen Unterlagen für den Bescheidempfänger deutlich wurde, dass im Bescheid vom 16. (9.) Januar 2009 endgültig entschieden wurde, auch wenn aus dem Verfügungssatz selbst dies nicht eindeutig hervorgeht (zum Regelfall: BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 31/14 R – zitiert nach juris, bei einer teilweisen Aufhebung von Leistungen). Allein die Bezeichnung "Änderungsbescheid" steht dem nicht zwingend entgegen, wenn aus dem Inhalt des Bescheides eine endgültige Festsetzung hervorgeht (vgl. hierzu den Sachverhalt im Urteil des BSG vom 17. Februar 2016 – B 4 AS 17/15 R – bei dem ein Änderungsbescheid als endgültige Leistungsbewilligung angesehen wurde). Der Beklagte hatte ursprünglich Unterlagen zu den Kosten der Unterkunft und den Vermögensverhältnissen vom Kläger angefordert. Nach Vorlage der Unterlagen zu den Vermögensverhältnissen hat er dem Kläger im Gespräch am 28. November 2008 eröffnet, dass nur noch weitere Unterlagen zu den Kosten der Unterkunft fehlen und über diese noch nicht abschließend entschieden werden könne. Infolgedessen hat er im Bescheid vom 28. November 2008 vorläufig noch keine Kosten der Unterkunft bewilligt. Nachdem der Kläger weitere Unterlagen eingereicht hatte, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 16. (9.) Januar 2009 insgesamt die Leistungen und verwies darauf, dass auch die Kosten der Unterkunft nunmehr festgesetzt würden. Nach der eigenen Logik des Beklagten, der die Unterkunftskosten durchschnittlich für jeden Monat angesetzt hat, konnte er "durchentscheiden", weil er nicht auf tatsächlich im jeweiligen Monat fällige Unterkunftskosten abgestellt hat. Dies war aufgrund der Vorkorrespondenz und der persönlichen Vorsprache für den Kläger auch erkennbar. Nach dem Empfängerhorizont waren die Unterkunftskosten von dem Beklagten abschließend geprüft und bewilligt worden.

II. Zu Recht hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen.

Der Bescheid des Beklagten vom 2. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2010 ist nicht zu Lasten des Klägers unrechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Leistungen für März und April 2009 gegen den Beklagten.

Ein weiterer Anspruch für März 2009 scheidet aus. Die Voraussetzungen für eine wesentliche Änderung der Verhältnisse zugunsten des Klägers gem. §§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III), 48 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) liegen nicht vor. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen eintritt, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, sofern die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorliegen.

Es liegt keine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Vergleich zum Erlass des Bescheides am 16. (9.) Januar 2009 vor. Denn der Kläger hat auch nach der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse keinen höheren Anspruch, als ihm der Beklagte ursprünglich bewilligt hat.

Voraussetzung für § 48 SGB X ist es, dass der Bescheid nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte. Hierbei ist von den objektiven Verhältnissen auszugehen. In diesem Fall, bei dem der Kläger § 48 SGB X zu seinen Gunsten angewandt wissen will, muss sich ein Anspruch auf höhere Leistungen ergeben.

1. Vorliegend begehrt der Kläger über § 48 SGB X höhere Leistungen, weil eine Änderung zu seinen Gunsten eingetreten sei. Infolge der Berücksichtigung der auf ihn entfallenden tatsächlichen Kosten für Heizmaterial durch die Heizöllieferung im März 2009 kann eine wesentliche Änderung vorliegen. Bei der Leistungshöhe sind nach § 22 SGB II die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen, soweit diese angemessen sind. Es kommt bei einem Mietverhältnis darauf an, ob der Kläger einer ernsthaften Mietforderung ausgesetzt ist, bzw. nach der vertraglichen Gestaltung bestimmte auf ihn entfallende Nebenkosten zu übernehmen hat. Würde der Kläger abweichend von dem damals geltenden ursprünglichen schriftlichen Mietvertrag noch vor der formellen Änderung des schriftlichen Mietvertrages verpflichtet sein, die auf ihn entfallenden Heizkosten zu tragen, würde die Forderung mit Fälligkeit anfallen. Die Heizkosten hätten dann nicht wie von dem Beklagten geschehen auf den Monat umgerechnet werden dürfen, sondern würden im Monat März 2007 bedarfserhöhend zu berücksichtigen sein.

Ein höherer Anspruch und damit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse scheidet hier jedoch aus, unabhängig davon, ob die auf den Kläger entfallenden zusätzlichen Heizkosten im Monat März 2009 berücksichtigt werden oder nicht. Dies gilt auch dann, wenn als weitere bedarfserhöhende Positionen bei den Kosten für Unterkunft und Heizung noch ein monatlicher Mietzins von 120,00 EUR zu berücksichtigen wäre. Insofern kann offen bleiben, ob diese Position Gegenstand einer zu einer Leistungserhöhung führenden weiteren Berücksichtigung bei der Überprüfung eines für den Kläger günstigen Änderungsbescheides sein kann (vgl. zur Zulässigkeit einer Inzidentprüfung: BSG für den Fall einer Absenkung der Leistung nach § 48 SGB X bei einer ursprünglich zu niedrig bewilligten Leistung, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 132/11 R – Rn. 26, zitiert nach juris). Denn der Kläger hat unter keinem nach seinem Vorbringen oder sonst in Betracht kommenden, zu einer Erhöhung der KdUH führenden Gesichtspunkt einen höheren Leistungsanspruch für den streitgegenständlichen Monat. Denn es liegt ein zu berücksichtigendes Vermögen vor, dass den konkret maximal berücksichtigungsfähigen Bedarf deutlich übersteigt.

2. Der Kläger war nicht hilfebedürftig i. S. der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. 9 Abs. 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung. Danach ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit nicht oder nur nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Der Kläger verfügte neben einem Aktiendepot mit einem damaligen Wert von 1.303,17 EUR und Sparbucheinlagen in Höhe von 424,97 EUR über berücksichtigungsfähiges Vermögen aus einer Kapitallebensversicherung mit einem Verkehrswert von 16.802,77 EUR. Der Verkehrswert von Vermögen ergibt sich daraus, was am Markt für ein Preis erzielt werden kann. Bei einer Lebensversicherung ist dies der Rückkaufwert der Versicherung zuzüglich der Überschussanteile (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 – B 4 AS 29/12 R – zitiert nach juris). Diesen Rückkaufwert inclusive Überschussanteile hat die Allianz Lebensversicherungs-AG am 24. September 2015 mitgeteilt.

Dieses Vermögen überschreitet die Freibetragsgrenzen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 4. SGB II in der bis zum 16. April 2010 gültigen Fassung (a. F.) erheblich. Die Vermögensfreibeträge des Klägers betrugen 150 EUR je vollendetem Lebensjahr, also 9.000 EUR. Die Sonderregelung nach § 65 Abs. 5 SGB II greift für den Kläger nicht, weil er nach dem 1. Januar 1948 geboren ist. Hinzu kommt gem. § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II a. F. ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 EUR.

Die Kapitallebensversicherung des Klägers ist auch nicht mit dem diese Freibeträge überschreitenden Anteil nach anderen Vorschriften nicht als Vermögen zu berücksichtigen.

a) Eine Freistellung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II a. F. scheidet aus, weil es sich nicht um eine geförderte Riesterrente handelt.

b) Auch eine Freistellung nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a. F. greift nicht. Nach dieser Vorschrift sind geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 250 EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen höchstens jedoch den Höchstbetrag nach Satz 2 (hier 16.250 EUR) nicht überschreitet, freigestellt. Es fehlt an einer vertraglichen Vereinbarung nach § 165 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), wonach die Versicherung vor dem Eintritt des Ruhestandes nicht verwertet werden konnte. Eine solche Vereinbarung hat der Kläger erst im Juni 2009 abgeschlossen. Dieser kommt keine Rückwirkung zu, denn im März und April 2009 konnte der Kläger tatsächlich seine Lebensversicherung verwerten. Ein Rückgriff auf die durch Richterrecht geschaffene Rechtslage zum Recht der Arbeitslosenhilfe scheidet seit dem Inkrafttreten des SGB II aus (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012, a. a. O.).

Der Kläger kann nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so behandelt werden als ob er einen Verwertungsausschluss früher vereinbart hätte. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen Verletzung einer Beratungspflicht des Beklagten kann nicht bestehen, weil die erforderliche zivilrechtliche Vereinbarung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer nicht durch eine dem Beklagen mögliche und zulässige Amtshandlung nachträglich herbeigeführt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 14 AS 27/07 R – Rn. 40, zitiert nach juris; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, 01/16, § 12 SGB II Rn. 331).

c) Auch ein Ausschluss der Berücksichtigung des Vermögens aus der Versicherung gem. § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II a. F. kommt nicht in Betracht.

Nach dieser Vorschrift sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen, Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.

aa) Die Verwertung der Versicherung ist nicht offensichtlich unwirtschaftlich, weil der Erlös höher ist als die eingezahlten Beträge. Der Kläger hatte Beiträge in Höhe von 13.932,38 EUR eingezahlt und der Verkehrswert betrug 16.802,77 EUR.

Auch das Argument, die Versicherung könne nicht sofort gekündigt werden, greift nicht, denn auch vor der Fälligkeit kann die Versicherung beliehen oder verkauft werden.

bb) Die Verwertung der Kapitallebensversicherung stellt auch keine besondere Härte für den Kläger dar. Maßgebend sind hierfür außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen und die Absetzbeträge erfasst werden. Die Vorschrift setzt voraus, dass die Umstände dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte. Sinn und Zweck der Härteklausel ist es, in atypischen, mit den abstrakten Merkmalen der Gesetzessprache nicht erfassbaren Fallgestaltungen Lösungen zu ermöglichen, die den gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Leitvorstellungen entsprechen (vgl. Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 11/2015, § 12 SGB II Rn. 94). Eine besondere Härte kann sich entweder aus den besonderen Lebensumständen des Klägers – dazu unter (1) – oder aus anderen Umständen, insbesondere der Herkunft des Vermögens ergeben – dazu unter (2).

(1) Eine Härte nach den Lebensumständen liegt danach vor, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles, wie z. B. der Art, Schwere und Dauer der Hilfe, des Lebensalters, des Familienstandes oder der sonstige Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen, eine typische Vermögenslage deshalb zu einer besonderen Situation wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden nachhaltig beeinträchtigt ist (vgl. Mecke in Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 12 Rn. 122). Dabei reicht nicht schon der Verlust der privat aufgebauten Altersvorsorge kurz vor dem Renteneintritt oder der ein mangelnder Verwertungsausschluss aus, es muss eine Versorgungslücke aufgrund einer atypischen Erwerbsbiographie hinzukommen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012, a. a. O. Rn. 27).

Eine solche atypische Erwerbsbiographie liegt ausweislich des Rentenbescheides nicht vor und wird von dem Kläger auch nicht geltend gemacht. Eine Atypik liegt nicht schon bei langen Zeiten der Arbeitslosigkeit vor (BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 14/7b AS 52/06 R – zitiert nach juris). Der Kläger bezieht auch eine Altersrente, die über seinem Bedarf der Grundsicherung liegt. Andere besondere Umstände in den Lebensumständen sind nicht ersichtlich.

(2) Die Herkunft des Vermögens begründet nur in Ausnahmekonstellationen eine besondere Härte. Grundsätzlich muss der Leistungsträger nicht prüfen, woher das zu berücksichtigende Vermögen stammt, sondern der Leistungsempfänger muss dieses Vermögen zur Selbsthilfe einsetzen. Dies folgt aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge, welche erst eingreifen soll, wenn der Hilfebedürftige ihm zur Verfügung stehende Mittel verbraucht hat. Es müssen außergewöhnliche Umstände hinzukommen, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, hiervon abzuweichen. Hierunter sind Leistungen zu zählen mit denen ein besondere Zweck bei der Zahlung verbunden war, der fortwirkt, wenn das gezahlte Geld nach einer neuerlichen Antragstellung auf SGB II noch als Vermögen vorhanden ist. So ist beispielsweise die Erbringung von Schmerzensgeld eine Leistung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens. Dieser Zweck der Zahlung wirkt fort, auch wenn im folgenden Bewilligungsabschnitt das noch vorhandene Geld als Vermögen anzusehen ist.

Solche außergewöhnliche Umstände können nicht in dem Ansparen von nicht benötigten Hilfeleistungen gesehen werden. Ein solches Ansparen von berücksichtigungsfähigem Vermögen während des Leistungsbezuges liegt hier vor. Zu Beginn des Leistungsbezuges lag das Vermögen noch unter den gesetzlichen Freibeträgen und ist erst im laufenden Leistungsbezug weiter aufgebaut worden, so dass es die Freibeträge überstieg.

Ob die Herkunft des Vermögens, welches ursprünglich aus dem gezahlten laufenden SGB II-Leistungen stammte, eine besondere Härte darstellt ist umstritten. In der Literatur wird überwiegend das Ansparen von Vermögen unter Konsumverzicht aus der Regelleistung nicht als besondere Härte eingestuft (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, a.a.O. Rn. 541; Radüge in jurisPKSGB II, § 12 Rn. 173, Striebinger in Gagel, a.a.O. § 12 SGB II Rn. 21 f; a. A. wohl Mecke in Eicher a. a. O., § 12 Rn. 126).

Ein solcher besonderer Zweck, der nach den gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Leitvorstellungen, auch bei der Vermögensprüfung berücksichtigt werden muss, ist mit der laufenden Zahlung der SGB II-Leistung nicht verbunden. Das Jobcenter muss nicht prüfen, ob berücksichtigungsfähige Vermögensbestandteile eventuell während der Phase des Leistungsbezuges angespart wurden. Denn das Ansparen von Vermögen während eines laufenden Bezuges von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Konsumverzicht, kann nicht dazu führen, dass ein so gebildetes Vermögen, dann wenn es die Freibetragsgrenzen übersteigt, wegen der Annahme einer besonderen Härte nicht zu berücksichtigen ist. Die Regelleistung ist darauf ausgerichtet, das soziokulturelle Existenzminimum abzusichern. Gleichwohl kann der Leistungsberechtigte ohne Vorgaben über den Einsatz der ihm zur Verfügung gestellten Mittel entscheiden. Es obliegt ihm sogar, eine bestimmte Summe für Ersatzbeschaffungen anzusparen. Der Verwertungsschutz ist dann durch die entsprechenden Freibeträge und den allgemeinen Freibetrag sichergestellt. Es ist aber nicht Sinn und Zweck der pauschalierten Leistungsgewährung, dass Vermögen über die Freibetragsgrenzen hinaus aufgebaut wird.

Darauf, dass die geforderte Verwertung des während des Leistungsbezuges angesparten Vermögens, eine besondere Härte darstellt, können nach Auffassung des Senates auch keine Rückschlüsse aus der Entscheidung des BSG vom 23. August 2011
B 14 AS 185/10 R – zitiert nach juris, gezogen werden. In jener Entscheidung ging es um die Berücksichtigung von Einkommen infolge einer Stromkostenrückerstattung und nicht um die Frage einer Verwertung von über den Freibetragsgrenzen liegendem Vermögen. Das BSG hat nach dem Sinn und Zweck aus der Wertung, dass Leistungen nach dem SGB II nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II kein auf den Hilfebedarf anzurechnendes Einkommen sind, Rückschlüsse auf die Nichtanrechenbarkeit der Stromkostenerstattung gezogen. Entscheidend war, dass die Leistungen für die Stromkosten während des laufenden Leistungsbezuges der Befriedigung eines regelsatzrelevanten Grundbedarfs dienten. Es sei geboten - so das BSG - Einnahmen, die aus Einsparungen bei den Regelbedarfen resultieren (hier die Rückzahlung der regelbedarfsrelevanten Stromkosten) von der Berücksichtigung freizustellen. Im Falle des Klägers resultierten die für die Zahlung des Beitrages von 127 EUR monatlich zum Vermögensaufbau verwendeten Mittel aber nicht erkennbar aus Leistungen für besondere regelbedarfsrelevante Positionen, sondern aus einer entsprechenden Verwendung von Leistungen für die allgemeine Lebenshaltung. Zudem kann eine auf die Einkommensanrechnung bezogene Wertung nicht auf die anders geregelte Frage der Vermögensverwertung übertragen werden. Schon von daher liegt der Fall hier entscheidend anders.

Der Frage der Vermögensverwertung mag wertungsmäßig anders liegen, wenn eine hohe Nachzahlung vorenthaltener SGB II-Leistungen zu einem berücksichtigungsfähigen Vermögen führen würde. Hier würde das unrechtmäßige Vorenthalten der Leistungen durch den Leistungsträger bei einer einmaligen Nachzahlung den Kläger schlechter stellen, als wenn diesem die Leistungen regelmäßig ausgezahlt würden. Der Kläger konnte die zunächst vorenthaltene Leistung in dieser Fallkonstellation nicht für seine laufende Existenzsicherung verbrauchen. Es wurde somit quasi gegen seinen Willen Vermögen gebildet. Dann dürften vom Normalfall abweichende außergewöhnliche Umstände vorliegen, weil die Bildung des Vermögens auf dem Leistungsträger zuzurechnenden Umständen beruht.

(3) Eine besondere Härte kann auch nicht mit der Verletzung einer Beratungspflicht durch den Beklagten begründet werden. Isoliert betrachtet, stellt ein etwaiges Beratungsverschulden, welches keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründet, keinen solchen außergewöhnlichen Umstand dar. Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Beratungspflicht besteht in dem möglichen Vorliegen der Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches oder einem Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB (auch in Entscheidungen des BSG wurde bei einer Ablehnung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht zusätzlich geprüft, ob das Beratungsverschulden als besondere Härte berücksichtigt werden kann - BSG Urteil vom 15. April 2008 – B 14 AS 27/07 R und im Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 63/06 R – jeweils zitiert nach juris).

Auch für den Monat April 2009 kommen höhere Leistungen nicht in Betracht, weil der Kläger durch das berücksichtigungsfähige Vermögen keinen Leistungsanspruch hat.

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtsfrage, ob "vom Munde abgesparte SGB II-Leistungen" von der Vermögensberücksichtigung ausgenommen sind, noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, weshalb die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat.
Rechtskraft
Aus
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