S 96 AS 646/16 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
96
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 96 AS 646/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Schutz des unverschuldet an der Wiederherstellung seines Arbeitnehmerstatus gehinderten Unionsbürgers gebietet es, die Verlängerung des Aufenthaltsrechts bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfalls nach § 2 Abs. S. 1 Nr. 1 FreizügG/EU auch dann eingreifen zu lassen, wenn die Erwerbsminderung nicht bereits während des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses, sondern innerhalb von sechs Monaten nach der unfreiwilligen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU eintritt. Für das Eingreifen des Fortbestehens des Aufenthaltsrechts als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FreizügG/EU wegen vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall ist es daher ausreichend, dass seine Voraussetzungen (hier die vorübergehende Erwerbsminderung infolge Krankheit) während der sechsmonatigen Frist eintreten, in der dem Antragsteller sein Arbeitnehmerstatus erhalten bleibt. Es ist nicht erforderlich, dass der sich der Leistungsberechtigte zum Zeitpunkt des festgestellten Eintritts der Arbeitsunfähigkeit noch in einem Arbeitsverhältnis befindet und Arbeitnehmer im originären Sinn ist.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 14. bis 31. Januar 2016 in Höhe von 483,93 EUR und für die Zeit vom 1. Februar 2016 bis 31. April 2016 in Höhe von monatlich 854,00 EUR, längstens jedoch bis zum Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache, zu zahlen.

Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

Gründe:

I. Der 1965 geborene Antragsteller ist bulgarischer Staatsangehöriger. Er hält sich seit dem Jahr 2014 in Deutschland auf. Die Bruttowarmmiete seiner Wohnung beträgt 450 EUR.

In der Zeit vom 17. November 2014 bis 7. Juli 2015 war er auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 17. November 2014 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 13 Stunden zu einem Bruttostundenlohn von 11,10 EUR als Bauhelfer bei der M. GmbH tätig.

Im Mai 2015 wurde beim Antragsteller Diabetes Typ II diagnostiziert. Aufgrund seines schwankenden Blutzuckers befindet er sich seitdem in ständiger ärztlicher Behandlung.

Mit Bescheid vom 3. Juli 2015 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis 30. November 2015.

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis des Antragstellers mit Schreiben vom 23. Juni 2016 aus betrieblichen Gründen zum 7. Juli 2016.

Unter Anerkennung eines fortwirkenden Arbeitnehmerstatus von sechs Monaten bewilligte der Beklagte dem Antragsteller mit Bescheid vom 13. November 2015 Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2016 bis 6. Januar 2016. Leistungen ab 7. Januar 2016 lehnte der Antragsgegner unter Verweis auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ab.

Seit dem 4. Januar 2016 ist der Antragsteller arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2016 beantragte der Antragsteller die Überprüfung des Bescheides vom 13. November 2015 hinsichtlich der Leistungsablehnung ab 7. Januar 2016.

Mit dem am 14. Januar 2016 beim Sozialgericht Berlin gestellten Antrag im einstweiligen Rechtschutz verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er ist der Ansicht, ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 iVm Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FreizügG/EU aufgrund der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit infolge der Diabeteserkrankung zu haben.

Der Antragsteller beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 854,00 EUR zu bewilligen und auszuzahlen,

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Ansicht, das Aufenthaltsrecht des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU greife nicht ein, da der Antragsteller kein Arbeitnehmer mehr sei.

Das Gericht hat einen Befundbericht des behandelnden Arztes des Antragstellers eingeholt. Danach kann mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Antragstellers binnen drei bis sechs Monaten gerechnet werden. Auf den Befundbericht vom 17. Februar 2016 sowie die im Verfahren eingereichte ärztliche Stellungnahme vom 28. Januar 2016 wird ergänzend Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Antragsteller betreffenden Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen, die dem Gericht bei seiner Entscheidung vorgelegen haben.

II. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sind insoweit erfüllt. Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Hierfür muss der Antragsteller nach § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, wenn also das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung überwiegende Erfolgsaussichten hat. Ein Anordnungsgrund ist dann anzunehmen, wenn dem Antragsteller ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zuzumuten ist, weil ihm ohne Erlass der einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die auch nach einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Nach der im einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II nach §§ 7 Abs. 1, 8, 19, 20, 22 SGB II.

Der Antragsteller erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 SGB II und ist auch nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von den SGB II-Leistungen ausgeschlossen. Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Der Antragsteller hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht.

Er ist auch erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II iVm § 8 SGB II. Nach § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Als nicht absehbar ist dabei eine Zeit von länger als sechs Monaten anzusehen (vgl. BT-Drs. 15/1516, 52; Arborst in: Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 8 Rn. 17). Zwar ist der Antragsteller ausweislich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 7. Januar 2016 seit dem 4. Januar 2016 sowie nach den ärztlichen Stellungnahmen seines behandelnden Arztes vom 28. Januar 2016 und 17. Februar 2016 auch derzeit aufgrund seines nicht eingestellten Diabetes arbeitsunfähig. Jedoch kann ausweislich der ärztlichen Stellungnahme vom 17. Februar 2016 mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit binnen der nächsten drei bis sechs Monate gerechnet werden. Für das Gericht ist die Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II damit glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller ist auch hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II, weil er seinen Lebensunterhalt nicht mit eigenen Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Er verfügt derzeit über kein Einkommen oder Vermögen, wie durch die Kontoauszüge glaubhaft gemacht ist.

Der Antragsteller hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er hält sich seit dem Jahr 2014 dauerhaft in Deutschland auf. Als bulgarischer Staatsangehöriger ist der Antragsteller Bürger der Europäischen Union und genießt Freizügigkeit, ohne dass es eines Aufenthaltstitels bedarf (§ 2 Abs. 4 S. 1 FreizügigkeitsG/EU).

Der Antragsteller unterfällt auch nicht dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Nach dieser Vorschrift haben Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs. Der Antragsteller hält sich jedoch nicht lediglich zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland auf. Vielmehr ergibt sich das Aufenthaltsrecht des Antragstellers aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 iVm Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FreizügG/EU. Danach bleibt das Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer unberührt bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit.

Nach Ziffer 2.3.1.1 der Verwaltungsvorschriften zum FreizügG/EU bleibt das Freizügigkeitsrecht erhalten, wenn die infolge von Krankheit oder Unfall eingetretene Erwerbsminderung nur vorübergehend ist (§ 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1). Sie ist dann als vorübergehend anzusehen, wenn aufgrund einer ärztlichen Prognose mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, ggf. auch eingeschränkt, gerechnet werden kann. Diese Voraussetzungen sind durch die ärztlichen Stellungnahmen vom 28. Januar 2016 und 17. Februar 2016 glaubhaft gemacht. Dr. S. hat mitgeteilt, dass generell mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bei dieser Erkrankung (Diabetes) gerechnet werden könne. Bei rein diabetesbedingten Problemen sei mit der Wiederherstellung innerhalb der nächsten drei bis sechs Monate zu rechnen. Die Einstellungsphase dauere üblicherweise maximal ein halbes Jahr. Aufgrund der ärztlichen Prognose des behandelnden Arztes ist glaubhaft gemacht, dass mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Antragstellers in absehbarer Zeit gerechnet werden kann.

Die vorübergehende Erwerbsminderung des Antragstellers infolge Krankheit hat zur Folge, dass nach § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FreizügG/EU das Recht nach Absatz 1 für Arbeitnehmer unberührt bleibt, sie also weiterhin über ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer verfügen. Zwar befand sich der Antragsteller zum Zeitpunkt des festgestellten Eintritts der Arbeitsunfähigkeit ab dem 4. Januar 2016 nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis und war damit nicht mehr Arbeitnehmer im originären Sinn. Jedoch blieb dem Antragsteller aufgrund der Regelung des § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU die Arbeitnehmereigenschaft aufgrund seiner vorhergehenden Erwerbstätigkeit für weitere sechs Monate erhalten.

Nach § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU bleibt das Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung während der Dauer von sechs Monaten unberührt. Das weniger als ein Jahr dauernde Arbeitsverhältnis des Antragstellers bei der M. GmbH wurde zum 7. Juli 2015 aus betrieblichen Gründen gekündigt und damit unfreiwillig beendet. Hierdurch bleiben dem Antragsteller die Wirkungen des Arbeitsnehmerstatus für sechs Monate bis zum 6. Januar 2016 erhalten. Dementsprechend hat der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen bis einschließlich zum 6. Januar 2016 gewährt.

Bis zum 6. Januar 2016 galt der Antragsteller daher als Arbeitnehmer mit der Folge, dass § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FreizügG/EU, der für seine Anwendung an die Eigenschaft des "Arbeitnehmers" anknüpft, den aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers als Arbeitnehmer für die Zeiten vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit verlängert. Nach Ansicht der Kammer ist es für das Eingreifen des Fortbestehens des Aufenthaltsrechts nach § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FreizügG/EU ausreichend, dass seine Voraussetzungen (vorübergehende Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall) während der sechsmonatigen Frist eintreten, in der dem Antragsteller der Arbeitnehmerstatus erhalten bleibt.

Zwar spricht der das verlängerte Aufenthaltsrecht vermittelnde § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU nicht wörtlich davon, dass der Arbeitnehmerstatus erhalten bleibt, sondern besagt, dass "das Recht nach Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt bleibt" bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung. Der Wortlaut des § 2 Abs. 3 S. 1 FreizügG/EU ist jedoch im Lichte von Art. 7 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG zu sehen. § 2 Abs. 3 FreizügG/EU dient der Umsetzung von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG (vgl. Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU Rn. 98). Nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bleibt für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger nicht mehr ausübt nach Buchstabe c) in den Fällen mindestens für sechs Monate erhalten, in denen er sich bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt. Artikel 7 Abs. 1 Buchstabe a, auf den Abs. 3 Bezug nimmt, bestimmt das Aufenthaltsrechts der Arbeitnehmer und Selbständigen. Der Begriff des Erwerbstätigen umfasst daher sowohl den Arbeitnehmer als auch den Selbständigen. Soweit Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG ausdrücklich von der Erhaltung der "Erwerbstätigeneigenschaft" normiert, ist damit die Erhaltung der Arbeitnehmereigenschaft sowie der Eigenschaft als Selbständiger umfasst.

In diesem Sinne ist auch § 2 Abs. 3 S. 1 FreizügG/EU zu verstehen. Im Falle unfreiwilliger Arbeitslosigkeit bleibt dem Unionsbürger seine Eigenschaft als Arbeitnehmer (bzw. Selbständiger) in dem Sinne erhalten, dass er nach wie vor als Arbeitnehmer (bzw. Selbständiger) gilt. § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FreizügG/EU ist daher nach Ansicht der Kammer in dem Sinne zu lesen, dass das Aufenthaltsrecht nach § 2 Absatz 1 FreizügG/EU bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit unberührt bleibt für (originäre) Arbeitnehmer und solche, die aufgrund der Erhaltung ihrer Arbeitnehmereigenschaft freizügigkeitsrechtlich weiterhin als Arbeitnehmer gelten.

Diese Auslegung rechtfertigt sich auch durch den Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Verlängerung des Arbeitnehmerstatus um sechs Monate nach einem unfreiwilligen Verlust des Arbeitsplatzes bewirkt, dass der Unionsbürger, der seine Eigenschaft als Arbeitnehmer andernfalls sofort mit der von ihm nicht verschuldeten Beendigung seiner Erwerbstätigkeit verlieren würde, während einer Übergangszeit von sechs Monaten Bemühungen zur Wiederherstellung seines originären Arbeitnehmerstatus unternehmen kann. Wird der Unionsbürger innerhalb der sechsmonatigen Übergangsfrist infolge Krankheit oder Unfalls vorübergehend erwerbsgemindert, sind ihm solche Bemühungen aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit unmöglich. Der Schutz des unverschuldet an der Wiederherstellung seines Arbeitnehmerstatus gehinderten Unionsbürgers gebietet es daher, die Verlängerung des Aufenthaltsrechts bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfalls nach § 2 Abs. S. 1 Nr. 1 FreizügG/EU auch dann eingreifen zu lassen, wenn die Erwerbsminderung nicht bereits während des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses, sondern innerhalb von sechs Monaten nach der unfreiwilligen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU eintritt.

Leistungen stehen dem Antragsteller in Form des Regelbedarfs in Höhe von 404 EUR sowie in Höhe der Unterkunftskosten von 450 EUR zu, insgesamt daher in Höhe von 854 EUR monatlich zu. Für Januar 2016 ergibt sich ein anteiliger Anspruch ab Antragseingang ab 14. Januar 2016 in Höhe von 17/30, was einem Betrag von 483,93 EUR entspricht.

Die Leistungen waren abweichend vom Sechs-Monats-Zeitraum des § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II auf 3,5 Monate zu begrenzen, da nach Ablauf dieses Zeitraums eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Antragstellers in Betracht kommt, welche eine leistungsrelevante Änderung des Aufenthaltsrechts zur Folge haben könnte.

Der Anordnungsgrund ergibt sich aus dem existenzsichernden Charakter der Leistungen. Dem Antragsteller ist ein Abwarten der Hauptsache nicht zuzumuten. Er erhält derzeit keine existenzsichernden Leistungen und verfügt über kein deckendes Einkommen oder Vermögen, wie durch die vorgelegten Kontoauszüge glaubhaft gemacht wurde.

Die Verpflichtung des Antragsgegners wird auf die Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens begrenzt, weil eine einstweilige Anordnung nicht über das im Hauptsacheverfahren erreichbare Begehren hinausgehen darf.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
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