L 31 AS 300/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 61 AS 2132/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 AS 300/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Stromkosten für den Betrieb einer Gastherme können die Höhe von 5 % der Heizkosten anerkannt werden.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2014 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat den Klägern 1/6 der Kosten des Klageverfahrens zu erstatten. Im Übrigen verbleibt es bei den in den Widerspruchsbescheiden getroffenen Kostenentscheidungen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1968 geborene Klägerin zu 1) ist selbstständig tätig. Sie sowie die am 2003 bzw. 2005 geborenen Kläger zu 2) und 3) erhalten ergänzende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Bescheid vom 17. September 2012 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. März 2013. Hiergegen legten die Kläger am 10. Oktober 2012 Widerspruch ein und führten zur Begründung unter anderem aus, die Heizung und die Warmwassererzeugung würden über eine Gastherme erfolgen, die im Vollbetrieb ca. 0,12 kWh und in der Ruhephase 0,06 kWh verbrauche. Die monatlichen Abschlagszahlungen für Strom würden 46,00 EUR betragen. Den Widerspruch hinsichtlich der Gewährung von Leistungen für Strom zum Betrieb einer Gastherme wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2013 zurück.

Mit Änderungsbescheiden vom 13. Januar 2014 änderte der Beklagte diesen Bescheid und gewährte den Klägern für die Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Dezember 2012 monatlich weitere Leistungen i.H.v. 3,80 EUR und für die Monate Februar und März 2013 weitere Leistungen i.H.v. 3,55 EUR. Zur Begründung führte er unter anderem aus, die Änderung erfolge, da eine Berücksichtigung von Stromkosten für den Betrieb der Gastherme in Höhe von monatlich pauschal 5 v.H. der Abschlagszahlungen an den Stromversorger als weiterer Bedarf erfolge.

Mit der anschließenden Klage vor dem Sozialgericht Berlin machten die Kläger weiterhin die Gewährung höherer Leistungen unter Berücksichtigung von so genannten Heizstrom- bzw. Betriebsstromkosten geltend und verwiesen auf die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Mit Bescheid vom 20./21. März 2013 gewährte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 1. April 2013 bis zum 30. September 2013 vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1126,54 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 23. Oktober 2013 setzte der Beklagte die vorläufig bewilligten Leistungen für die Zeit von April 2013 bis September 2013 endgültig fest und gewährte monatliche Leistungen i.H.v. 1008,80 EUR; mit Bescheid vom selben Tag forderte er die Erstattung eines Betrages i.H.v. 706,44 EUR. Gegen die endgültige Bewilligung legten die Kläger Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 13. Januar 2014 gewährte der Beklagte den Klägern für die Monate April bis September 2013 weitere Leistungen i.H.v. 3,55 EUR. Zur Begründung führte er unter anderem aus, die Änderung erfolge, da eine Gewährung von Stromkosten für den Betrieb der Gastherme in Höhe von monatlich pauschal 5 v.H. der Abschlagszahlungen an den Stromversorger als weiterer Bedarf berücksichtigt werde. Den Widerspruch im Übrigen wies er mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2014 zurück.

Auch gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin, die unter dem Aktenzeichen S 116 AS 3843/14 geführt wurde.

Mit Bescheid vom 1. Oktober 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. Oktober 2013 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. März 2014 vorläufig Leistungen nach dem SGB II. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein und begehrten auch insoweit die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten des Betriebsstroms der Gastherme als weitere Leistungen nach dem SGB II. Mit Änderungsbescheid vom 13. Januar 2014 gewährte der Beklagte den Klägern für die Monate Oktober bis Dezember 2013 weitere Leistungen i.H.v. 3,55 EUR. Zur Begründung führte er unter anderem aus, die Änderung erfolge, da eine Gewährung von Stromkosten für den Betrieb der Gastherme in Höhe von monatlich pauschal 5 v.H. der Abschlagszahlungen an den Stromversorger als weiterer Bedarf berücksichtigt werde. Den Widerspruch im Übrigen wies er mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2014 zurück.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhoben die Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin, die unter dem Aktenzeichen S 155 AS 3844/14 geführt wurde.

Mit Beschluss vom 4. November 2014 sind die Streitsachen S 116 AS 3843/14 und S 155 AS 3844/14 zum Aktenzeichen des vorliegenden Verfahrens verbunden worden.

Mit Urteil vom 15. Dezember 2014 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die Kläger hätten keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Leistungen für den Betriebsstrom der Gastherme. Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II habe der Beklagte die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu übernehmen, soweit sie angemessen seien. Die begehrten Leistungen für den Betriebsstrom der Gastherme seien jedoch keine Heizkosten im Sinne dieser Regelung, da diese Kosten in den seit dem 1. Januar 2011 neu berechneten Regelsätzen vollumfänglich enthalten seien, denn der in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 ermittelte Strombedarf sei vollständig bei der Regelsatzberechnung berücksichtigt worden.

Gegen das ihnen am 30. Dezember 2014 zugestellte Urteil haben die Kläger am 28. Januar 2015 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt und ihr Begehren weiter verfolgt.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2014 aufzuheben und den Beklagten unter teilweiser Aufhebung - des Bewilligungsbescheides vom 17. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Januar 2014, - des endgültigen Bewilligungsbescheides vom 23. Oktober 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2014, - des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 1. Oktober 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. Oktober 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2014, zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. März 2014 höhere Leistungen nach dem SGB II wegen der Berücksichtigung der Stromkosten einer Gastherme zu bewilligen sowie den Erstattungsbescheid vom 23. Oktober 2013 betreffend den Leistungszeitraum vom 1. April 2013 bis zum 30. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2014 teilweise aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Gerichtsakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie frist- und formgemäß eingelegt worden und da um Leistungen für mehr als 12 Monate gestritten wird auch statthaft. Sie ist jedoch unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Abänderung der angefochtenen Bescheide in der Fassung, die sie durch die Änderungsbescheide vom 13. Januar 2014 erhalten haben, denn zutreffend hat der Beklagte die Stromkosten des Betriebes der Gastherme mit einem pauschalen Betrag von 5 % der entstandenen Heizkosten berücksichtigt. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin, durch das die Klage abgewiesen worden ist, ist im Ergebnis zutreffend.

Zutreffend hat der Beklagte, anders als vom Sozialgericht in seiner Urteilsbegründung angenommen, die Aufwendungen der Kläger für den Betrieb einer Heizungsanlage dem Grunde nach als einen Bedarf angesehen, der durch Leistungen für Heizung nach § 22 Abs. 1 S 1 SGB II – zusätzlich - zu decken ist. Dies hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 03. Dezember 2015 (Az. B 4 AS 47/14 R –, juris) ausdrücklich klargestellt und ausführlich erläutert, dass dies auch auf Grundlage des § 20 Abs. 1 S. 1 SGB II i. d. F. des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG (vom 24.3.2011, BGBl I 453) weiterhin gilt und dass er trotz der statistischen Erhebungen zur Bemessung des Regelbedarfs in der Abteilung 04 (Erwachsene) nach der EVS 2008 keinen Anlass zur Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung zu erkennen vermag. Dem schließt sich der erkennende Senat an.

Steht somit fest, dass der Beklagte bei der Berechnung des Leistungsanspruchs der Kläger auch die Stromkosten für den Betrieb einer Gastherme berücksichtigen muss, so ist nur noch festzustellen, in welcher Höhe diese Stromkosten, wenn – wie hier – kein separater Stromzähler für die Erfassung des Betriebsstromes der Heizanlage vorhanden ist, anzunehmen sind. Auch insoweit hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 03. Dezember 2015 (Az. B 4 AS 47/14 R –, juris) Ausführungen gemacht: "18 3. Im Hinblick auf die Höhe der Leistung geht das SG zutreffend davon aus, dass nur tatsächliche Aufwendungen bei der Berechnung der Leistungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen sind. Diese zu erforschen ist das Tatsachengericht nach § 103 SGG grundsätzlich von Amts wegen verpflichtet. In einem Fall wie dem vorliegenden bestehen jedoch keine Bedenken, unter Anwendung von § 202 SGG, § 287 Abs. 2 ZPO die Aufwendungen zu schätzen. 19 Nach § 287 Abs. 2 ZPO sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen als der Schadensermittlung die Vorschriften des § 287 Abs. 1 S 1, 2 ZPO entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen. In diesem Fall entscheidet das Gericht nach § 287 Abs. 2 i. V. m. § 287 Abs. 1 S 1 ZPO über die Höhe der Forderung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung und es bleibt gemäß § 287 Abs. 2 i. V. m. § 287 Abs. 1 S 2 ZPO seinem Ermessen überlassen, ob und inwieweit - von Amts wegen - eine Begutachtung durch einen Sachverständigen anzuordnen ist (BGH Urteil vom 28.10.2015 - VIII ZR 158/11 - RdNr 92) ... 20 Die soeben dargelegten Voraussetzungen für die Anwendung der Methode einer Schätzung liegen vor. Dem Grunde nach steht die Erbringung von Leistungen nach § 22 Abs. 1 S 1 SGB II für die Aufwendungen für den Strom zum Betrieb der Heizungsanlage fest. Die Bestimmung ihrer Höhe unterliegt jedoch der tatsächlichen Schwierigkeit, dass es vorliegend an einer Vorrichtung - separater Zähler bzw. Zwischenzähler - fehlt, mit dessen Hilfe diese bestimmt werden könnte. Ihre Ermittlung wäre nur mittels eines Sachverständigengutachtens und - wohl auch in diesem Rahmen - einer Schätzung der Betriebsdauer der Anlage möglich. Dieses Vorgehen stünde jedoch im Hinblick auf die Bedeutung des hier streitigen Berechnungselements für die Höhe der gesamten Leistungen für Unterkunft und Heizung in keinem Verhältnis. 21 23 Anknüpfungspunkte für die Schätzung könnten sich vielmehr aus den in der mietrechtlichen Rechtsprechung gebräuchlichen Berechnungsmethoden ergeben. Sie stellen entweder - worauf auch das SG zutreffend hinweist - auf einen geschätzten Anteil (üblicherweise 4 - 10 %) der Brennstoffkosten ab (vgl. BGH Urteil vom 20.2.2008 - VIII ZR 27/07; Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss vom 10.1.1997 - 2Z BR 35/96; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 10.7.2012 - L 7 AS 988/11 ZVW; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 25.3.2011 - L 12 AS 2404/08) oder auf den geschätzten Stromverbrauch der Heizungsanlage während der ebenfalls geschätzten durchschnittlichen Betriebsstunden ihrer wesentlichen elektrischen Vorrichtungen (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 22.12.2005 - 15 W 375/04; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 22.11.2012 - L 5 AS 83/11; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 25.3.2011 - L 5 AS 427/10 B ER)."

Der erkennende Senat schließt sich auch insoweit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an. Danach sind die Bescheide des Beklagten, mit denen er Stromkosten für den Betrieb einer Gasheizung i. H. v. 5 % der Heizkosten anerkannt hat, nicht zu beanstanden. Zwar haben die Kläger die ihnen entstandenen Stromkosten zum Betrieb der Heizungsanlage nicht konkret nachgewiesen, nachdem der Stromverbrauch der Heizungsanlage nicht gesondert mit einem (geeichten) Zähler erfasst wird, jedoch schätzt der Senat gem. §§ 202 SGG, 287 Abs. 2 ZPO die im streitgegenständlichen Zeitraum angefallenen Kosten für den Betriebsstrom auf 5 % der Heizkosten. Der Senat zieht dabei die zivilrechtliche Rechtsprechung zur Heizkostenabrechnung in einem Mietverhältnis heran, wonach der Vermieter berechtigt ist, die als Teil der Heizkosten abzurechnenden Stromkosten (vgl. § 7 Abs. 2 Heizkostenverordnung) für die Heizungsanlage zu schätzen, wenn gesonderte Zähler dafür nicht vorhanden sind (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 20. Februar 2008 - VIII ZR 27/07 - WuM 2008, 285). Die gesonderte Erfassung ist dem Vermieter nämlich nicht zumutbar und kann vom Mieter nicht verlangt werden, weil die Kosten für die Installation und den Betrieb eines Zwischenzählers in keinem angemessenen Verhältnis zu den im Regelfall geringfügigen Betriebskosten stehen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. März 2011 – L 12 AS 2404/08 –, juris Rdnr. 23 m. w. N). Die Schätzung stützt sich dabei auf Erfahrungswerte, wonach die Kosten des Betriebsstroms (höchstens) 5 % der Brennstoffkosten betragen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. März 2011 – L 12 AS 2404/08 –, juris Rdnr. 23 m. w. N). Der Senat überträgt diese mietrechtlichen Grundsätze für den Fall, dass - wie vorliegend - kein Zwischenzähler zur Erfassung des Betriebsstroms der Heizungsanlage vorhanden ist, auf die Bestimmung der als Heizkosten i.S. des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II anzuerkennenden Kosten des Betriebsstroms, so dass die Bescheide des Beklagten nicht zu beanstanden sind.

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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