L 2 AL 23/15

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 467/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 23/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. März 2013 sowie der Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2012 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Antrag des Klägers auf Gründungszuschuss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. 2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten. 3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Neubescheidung seines Antrags auf Gründungszuschuss.

Der am xxxxx 1973 geborene Kläger legte am 29. September 2011 die Zweite juristische Staatsprüfung ab, meldete sich anschließend arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld (Alg). Nach seinen unwidersprochenen Angaben erklärte er bereits früh gegenüber der Beklagten, er wolle sich als Rechtsanwalt selbständig machen. Am 29. Dezember 2011 teilte er der Beklagten mit, die Aufnahme einer solchen Tätigkeit werde sich angesichts erheblicher Finanzierungsprobleme noch verzögern, allerdings gehe er davon aus, bis Februar 2012 alles in die Wege geleitet zu haben. Im Vermerk der Beklagten vom selben Tage heißt es "neue Regelung GZ erläutert, fällt jetzt unter das neue Recht; Antragsunterlagen folgen". Am 26. Januar 2012 erfolgte seitens der Beklagten eine telefonische Beratung zum Gründungszuschuss. Im dazugehörigen Vermerk heißt es, es sei ein "AV-T" am 31. Januar 2012 mitgeteilt worden.

Am 19. Januar 2012 schlossen der Kläger und die Rechtsanwaltskanzlei K. mit Wirkung zum gleichen Tag einen Kooperationsvertrag, wonach der Kläger ab demselben Datum als eigenständiger Rechtsanwalt – weisungsfrei – unter dem Namen der Kanzlei auftreten und im Rahmen dieser Tätigkeit einen Büroplatz der Kanzlei nutzen sollte (der Vertrag spricht ausdrücklich von einer Scheinsozietät in Bürogemeinschaft). Im Einzelnen sollte die Kanzlei dem Kläger einen Büroarbeitsplatz zur Verfügung stellen, ihn in den Außenauftritt der Kanzlei integrieren und ihn bei der Beschaffung und Betreuung von Mandaten unterstützen. Der Kläger sollte (nach § 2 Nrn. 1 und 4 des Vertrages) im eigenen Namen unter Firmierung der Kanzlei für seine Auftraggeber und nicht für die Kanzlei tätig sein und keinerlei Weisungen unterliegen. Er verpflichtete sich, für alle Voraussetzungen der Zulassung selbst zu sorgen und sich selbst zu versichern (§ 2 Nr. 5 des Vertrages). Einen entsprechenden Vertrag schloss der Kläger am 1. Februar 2012 mit sofortiger Wirkung auch mit Rechtsanwalt P. (in W. an der L.).

Am 27. Januar 2012 holte der Kläger ein Angebot der A. GmbH hinsichtlich der für die Zulassung zur Anwaltschaft erforderlichen Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung ein und schloss – ausweislich des Versicherungsscheins vom 9. Februar 2012 – eine solche Versicherung auch ab. Am 16. Februar 2012 beantragte er – nach eigenem Vorbringen – die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und entrichtete am 28. Februar 2012 die erforderliche Gebühr. Die Zulassung erfolgte am 23. Mai 2012, woraufhin der Kläger ab dem 1. Juni 2012 in den Kanzleien K. und P. als Rechtsanwalt tätig war.

Am 31. Januar 2012 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung, in der als Zielsetzung die Niederlassung als Rechtsanwalt mit Standort in H. vereinbart wurde; der Kläger verpflichtete sich dazu, mit dem Ziel einer Existenzgründung bis zum 1. April 2012 oder früher zeitnah einen tragfähigen Businessplan, die Begründung für den Antrag auf Gründungszuschuss, die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle sowie die Anmeldung beim Finanzamt vorzulegen. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft habe er bereits beantragt. Die Beklagte verpflichtete sich, die "Förderungsvoraussetzungen für den Gründungszuschuss im Rahmen der Ermessensleistungen" zu prüfen. In einem Vermerk der Beklagten vom selben Tag heißt es u.a. "GZ-Beratung; Antrag ausgegeben".

Mit Antrag vom 12. Februar 2012 forderte der Kläger die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung an, wobei er als Aufnahmezeitpunkt den 1. April 2012 angab. Nachdem die Beklagte unter dem 20. April 2012 nach dem Sachstand gefragt hatte, erklärte der Kläger am 9. Mai 2012, er habe sich vergeblich um einen Bankkredit bemüht. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft habe er im März 2012 beantragt und gehe nun davon aus, im Mai 2012 vereidigt zu werden. Die selbständige Tätigkeit werde er voraussichtlich zum 1. Juni 2012 aufnehmen. Vollständige Antragsunterlagen gingen bei der Beklagten am 5. Juli 2012 ein, wobei auf dem Antragsformular seitens der Beklagten als Tag der Antragstellung der 31. Januar 2012 vermerkt war.

Mit Bescheid vom 9. Juli 2012 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht mehr über einen Restanspruch auf Alg von 150 Tagen verfügt.

Der Kläger erhob hiergegen am 13. Juli 2012 Widerspruch und führte aus, für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit reichten Vorbereitungshandlungen aus, soweit diese im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalteten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet seien (Hinweis auf BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 28/09 R; BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 – B 7a AL 34/05 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 1, und LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. April 2010 – L 1 AL 39/09 ZVW). Somit seien der Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft – gestellt am 28. Februar 2012 – als auch der Antrag auf Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung für die Zeit ab dem 15. März 2012 als vorbereitende Maßnahmen dieser Art anzusehen (Hinweis auf SG Frankfurt, Urteil vom 15. März 2012 – S 15 AL 300/09 und LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. September 2011 – L 1 AL 148/09). Dass die Rechtsanwaltskammer den Antrag erst im Mai 2012 beschieden habe, sei nicht dem Kläger anzulasten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2012 zurück: Der Kläger habe selbst vorgetragen, seine Tätigkeit zum 1. Juni 2012 aufgenommen zu haben. Dies sei auch nachvollziehbar, da die Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer erst am 23. Mai 2012 erfolgt sei. Am 1. Juni 2012 habe aber nur noch ein Restanspruch auf Alg von 119 Tagen bestanden.

Am 10. August 2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft und ausgeführt, er habe bereits bei seiner ersten Vorsprache am 1. Oktober 2011 erklärt, dass er sich als Rechtsanwalt selbstständig machen wolle. In den Unterlagen, die die Beklagte ihm daraufhin übersandt habe, sei von einem Restanspruch von mindestens 90 Tagen die Rede gewesen. Über die zum 28. Dezember 2011 erfolgte Rechtsänderung, nach der nunmehr ein Restanspruch von mindestens 150 Tagen erforderlich sei, habe ihn die Beklagte nicht informiert. Sie habe lediglich darauf hingewiesen, dass der Gründungszuschuss fortan eine Ermessensleistung sei. In der Folge habe der Kläger sich vergeblich um einen Existenzgründungskredit bemüht und sich bei der H. Existenzgründungsinitiative über die Umstände einer Existenzgründung informiert. Am 19. Januar 2012 und 1. Februar 2012 habe er die Kooperationsverträge mit bestehenden Kanzleien geschlossen und am 4. und 14. Februar 2012 ein Notebook und Büromöbel angeschafft. Am 16. Februar 2012 habe er seinen Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gestellt und am 28. Februar 2012 die erforderliche Gebühr entrichtet. Am 15. März 2012 habe er die erforderliche Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung abgeschlossen und am 22. März 2012 die fällige Prämie entrichtet. Die Dauer des Zulassungsverfahrens sei nicht ihm anzulasten.

Die Beklagte ist bei ihrer Auffassung geblieben und hat ausgeführt, sie habe den Kläger bereits am 29. Dezember 2011 über die Änderungen der Rechtslage informiert.

Durch Urteil vom 25. März 2015 (dem Kläger zugestellt am 27. April 2015) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, wobei es gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Begründung des Widerspruchsbescheides gefolgt ist und ergänzend darauf hingewiesen hat, dass die vom Kläger geschilderten Vorbereitungshandlungen mit der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht gleichzusetzen seien. Der Kläger selbst habe den Beginn seiner selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit auf den 1. Juni 2012 datiert und einen Gründungszuschuss für die Zeit ab diesem Datum beantragt. Außerdem habe er bis zum 31. Mai 2012 Alg bezogen und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden.

Am 18. Mai 2015 hat der Kläger Berufung eingelegt.

Er ist der Ansicht, er habe seinen mündlichen Antrag rechtzeitig gestellt. Ein mündlicher Antrag sei mangels gesetzlicher Formerfordernisse auch ausreichend. Seine Tätigkeit als Rechtsanwalt habe er erst zum 1. Juni 2012 aufgenommen; eine frühere Aufnahme sei mangels Zulassung auch nicht möglich gewesen. Allerdings sei auf Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung gerade dann abzustellen, wenn die erforderliche Erlaubnis zur Ausübung der Tätigkeit noch nicht erteilt worden sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 28/09 R; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. September 2011 – L 1 AL 148/09; SG Frankfurt, Urteil vom 15. März 2012 – S 15 AL 300/09; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 28. November 2008 – L 8 AL 589/08, und vom 12. Mai 2011 – L 12 AL 1695/10; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. April 2010 – L 18 AL 160/09). Mit den Vorbereitungshandlungen begonnen habe er gegen Ende des Jahres 2011. Er habe damals auch über die H. Sparkasse ein Existenzgründungsdarlehen bei der Kreditanstalt für den Wiederaufbau beantragt. Wie hoch der Arbeitsaufwand für diese Vorbereitungshandlungen genau gewesen sei, könne er nicht sagen und dies lasse sich rückblickend auch nicht mehr feststellen. Allerdings habe allein die Erstellung des Businessplans sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Die letzte Version dieses Plans datiere auf den 30. Januar 2012, nachdem die Bank zuvor verschiedene Änderungen vorgeschlagen habe. Ab der Stellung seines vollständigen Zulassungsantrags am 16. Februar 2012 habe er keinerlei Einfluss mehr auf den Gang des Zulassungsverfahrens gehabt. Ohne die Zulassung habe er aber auch nicht im Rahmen der Kooperationsverträge arbeiten können, die eine eigenständige Tätigkeit vorausgesetzt hätten. Der Kläger hat eine Auskunft der Rechtsanwaltskammer vom 10. Dezember 2015 vorgelegt, wonach der am 16. Februar 2012 eingegangene Antrag auf Zulassung alle erforderlichen Angaben und Unterlagen enthalten habe. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen. Die Bearbeitung habe dann bis Mai 2012 in Anspruch genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. März 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Antrag des Klägers auf Gründungszuschuss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt unter Vorlage verschiedener V.-Vermerke aus, dem Kläger sei es spätestens mit Abschluss des Kooperationsvertrages vom 19. Januar 2012 möglich gewesen, seine Tätigkeit aufzunehmen oder jedenfalls kurzfristig damit zu beginnen. Andere Vorbereitungshandlungen seien unter Zugrundelegung des Kooperationsvertrags nicht erforderlich gewesen. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft habe nicht abgewartet werden müssen, da ein Arbeiten als Rechtsanwalt auch mit Untervollmacht der Kanzleikollegen möglich gewesen sei. Dass der Kläger stattdessen die Stellung des Zulassungsantrags hinausgeschoben und dem Finanzamt auch erst im Mai 2012 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit angezeigt habe, lasse darauf schließen, dass es ihm gerade darum gegangen sei, die Aufnahme der Tätigkeit hinauszuschieben. Die Beklagte habe den Kläger auch – nachdem er auf frühere Anschreiben nicht reagiert habe – am 9. Mai 2012 davon in Kenntnis gesetzt, dass bei einer Aufnahme am 1. Juni 2012 ein Restanspruch von 150 Tagen nicht mehr bestünde.

Der Kläger habe seinen Antrag auch nicht rechtzeitig gestellt. Im Dezember 2011 habe er davon gesprochen, dass sich die Aufnahme der Tätigkeit noch bis Februar 2012 verzögern werde, er den Zulassungsantrag jedoch Mitte Januar 2012 stellen werde. Tatsächlich gestellt habe er ihn indes erst gut einen Monat nach Unterzeichnung des Kooperationsvertrages mit der Kanzlei K. und somit zweieinhalb Monate nach seiner entsprechenden Ankündigung gegenüber der Beklagten. Von einer sofortigen Antragstellung könne keine Rede sein. Nachdem er am 31. Januar 2012 mündlich den Gründungszuschuss beantragt habe, habe er sich zunächst nicht mehr bei der Beklagten gemeldet. Einen vollständigen schriftlichen Antrag mit den erforderlichen Unterlagen habe er erstmals am 8. Juni 2012 eingereicht. Die Annahme einer unbilligen Härte nach § 324 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) scheide aus, da das Erfordernis einer rechtzeitigen Antragstellung dem Kläger bekannt gewesen sei. Eine frühere Aufnahme der Tätigkeit lasse sich auch nicht aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten (Hinweis auf Urteil des Senats vom 24. August 2011 – L 2 AL 34/08), zumal die Voraussetzungen dieses Anspruchs auch gar nicht vorlägen.

Der Senat hat am 3. Februar 2016 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten einschließlich der vorgelegten V.-Vermerke verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg.

Sie ist statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG).

Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG und der Kläger hat – da die im Verwaltungsverfahren beantragte Leistung im Ermessen der Beklagten steht – einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

I.) Einschlägig ist das ab dem 1. April 2012 geltende Recht, das heißt § 93 SGB III in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (vom 20. Dezember 2011, BGBl. I 2854).

Welche Rechtslage für einen Anspruch auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung anzuwenden ist, bestimmt sich aus § 422 Abs. 1 SGB III: Wird das SGB III geändert, so sind, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung bis zum Ende der Leistungen oder der Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn vor diesem Tag 1. der Anspruch entstanden ist, 2. die Leistung zuerkannt worden ist oder 3. die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist.

Einschlägig für den Gründungszuschuss ist seit dem 28. Dezember 2011 die Vorschrift des § 422 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, denn sie erfasst Ermessensleistungen, für die Ansprüche nach § 40 Abs. 2 erster Satzteil Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) erst bei Bekanntgabe des Leistungsbescheides entstehen (hierzu Brandts in Brand, SGB III 6. Aufl. 2012, § 422 Rn. 3) und der Gesetzgeber hatte den Gründungszuschuss durch Art. 1 Nr. 3 Buchstabe a des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (bereits vor Migration des sedes materiae von § 57 SGB III a.F. nach § 93 SGB III) von der Pflicht- zur Ermessensleistung umgestaltet. Da für eine Entstehung eines (damals noch gebundenen) Anspruchs auf Gründungszuschuss vor dem 28. Dezember 2011 nichts ersichtlich ist, ist auf den Tag der Bekanntgabe des Bescheides vom 9. Juli 2012 abzustellen und es findet das seit dem 1. April 2012 geltende Recht Anwendung.

II.) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gründungszuschusses sind erfüllt. 1.) Nach § 93 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III kann ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Alg hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 SGB III beruht, 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt. Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit gemäß § 93 Abs. 2 Satz 2 SGB III die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten (§ 93 Abs. 3 SGB III). Die Förderung ist nach § 93 Abs. 4 SGB III ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer, in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

2.) Die Anspruchsvoraussetzungen aus § 93 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB III sind – was im Übrigen unstreitig scheint – erfüllt. Die Tragfähigkeit der Existenzgründung hat der Kläger durch eine Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer nachgewiesen. Die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten sind durch Ablegung der Zweiten juristischen Staatsprüfung hinreichend dargelegt im Sinne von § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III. Wie die Zusammenschau mit § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Satz 3 SGB III in der bis zum 27. Dezember 2011 geltenden Fassung zeigt, gehört ein spezielle, über die berufliche Qualifikation hinausgehende unternehmerische Eignung nicht mehr zum Tatbestand der Vorschrift; sie wird nunmehr bei der Ermessensausübung berücksichtigt (ähnlich Hassel in Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 93 Rn. 13).

3.) Auch die Voraussetzung des § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III ist erfüllt. Der Kläger hatte bis zur Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Alg, dessen Dauer bei Aufnahme noch mindestens 150 Tage betrug. Ein Fall des § 147 Absatz 3 SGB III lag nicht vor. Als maßgeblicher Zeitpunkt ist im vorliegenden Fall nicht die Aufnahme der anwaltlichen Tätigkeit "im engeren Sinne" (so die Diktion in LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. April 2010 – L 1 AL 39/09 ZVW, juris) am 1. Juni 2012 anzusehen, sondern bereits die Vorbereitungshandlungen, deren Abschluss in der Zahlung der Zulassungsgebühr an die Rechtsanwaltskammer am 28. Februar 2012 lag.

a) Grundsätzlich ist eine selbstständige Tätigkeit erst dann aufgenommen, wenn der Gründer unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlungen mit Außenwirkung vorgenommen hat (BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 – B 7a AL 34/05 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 1 = juris, Rn. 11). Hierauf bezogene Vorbereitungshandlungen sind dann als Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit anzusehen, soweit sie im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 28/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 5). An der erforderlichen Ausrichtung auf die spätere Geschäftstätigkeit kann es allerdings fehlen, wenn die Vorbereitungshandlungen für einen substantiellen Zeitraum – das Bundessozialgericht lässt hierfür "mehrere Wochen" genügen – aufgrund der Untätigkeit des Gründers unterbrochen werden (BSG, a.a.O., juris, Rn. 20).

b) Hierbei muss es für die Prüfung von § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III genügen, wenn zu dem Zeitpunkt, an dem der Antragsteller die Vorbereitungshandlungen abgeschlossen, d.h. alles aus seiner Sicht für die Existenzgründung Erforderliche getan hat, noch ein Anspruch auf Alg für mindestens 150 Tage besteht. Ob der Gründer die Vorbereitungshandlungen im genannten Sinne verzögert hat, spielt nur dann eine Rolle, wenn bei deren Abschluss die Voraussetzungen aus § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III nicht mehr erfüllt sind. Die o.g. Überlegungen zur Untätigkeit während der Vorbereitungsphase hat das Bundessozialgericht vor dem Hintergrund des Erfordernisses eines engen zeitlichen Zusammenhangs (von maximal einem Monat) zwischen dem Bestehen des Anspruchs auf die Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit angestellt, wie es sich aus § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III a.F. ergeben hatte (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 28/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 5 = juris, Rn. 20). Vor diesem Hintergrund war es anspruchsschädlich, wenn die Vorbereitungshandlungen zwar in engem zeitlichem Zusammenhang zum Anspruch auf Entgeltersatzleistung aufgenommen, dann aber verzögert worden waren. Hinsichtlich der Frage, ob bei Aufnahme der Tätigkeit noch ein Anspruch auf 150 Tage Alg besteht, sind vorherige Verzögerungen der Vorbereitungshandlungen indes unbeachtlich, soweit bei ihrem Abschluss noch der erforderliche Restanspruch gegeben ist.

c) Insbesondere kommt es im vorliegenden Fall auch nicht darauf an, ob es dem Kläger möglich gewesen wäre, seine anwaltliche Tätigkeit "im engeren Sinne" früher aufzunehmen. Eine tatbestandliche Voraussetzung dahingehend, Gründungszuschuss erhalte nur derjenige, der seine Gründung möglichst zügig vorantreibe, enthält § 93 SGB III nicht. Vielmehr geht die Vorschrift davon aus, dass ein Gründungszuschuss im Regelfall erst in Betracht kommt, wenn eine belastbare negative Vermittlungsprognose möglich ist, d.h. wenn bereits eine gewisse Zeit lang vergebliche Vermittlungsbemühungen der Beklagten stattgefunden haben (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2013 – L 9 AL 81/13, juris, unter Hinweis auf die Relation zwischen dem Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 150 Tagen und der Gesamtanspruchsdauer von 360 Kalendertagen; vgl. zu den Risiken einer verfrühten Existenzgründung in diesem Zusammenhang auch das Urteil des Senats vom 23. September 2015 – L 2 AL 57/13, juris, Rn. 39). Auch die Besonderheiten des vorliegenden Falles, in dem die Beklagte offenbar spätestens Ende Januar 2012 davon ausgegangen war, dass es zu keiner Vermittlung kommen werde, rechtfertigen es jedenfalls nicht, eine derartige Einschränkung auf tatbestandlicher Ebene vorzunehmen. Ob die zeitlichen Abläufe, auf die die Beklagte in diesem Zusammenhang abhebt, bei der Ermessensentscheidung eine Rolle spielen können, hat der Senat im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.

Weiterhin sind Verzögerungen, die nicht die Vorbereitung der Existenzgründung selbst, sondern die Schaffung von Entscheidungsreife im Verwaltungsverfahren betreffen, insoweit unbeachtlich. Sie können Nachteile verfahrensrechtlicher Natur nach sich ziehen, wirken sich auf die Bestimmung des Zeitpunktes der Aufnahme der Tätigkeit indes nicht aus.

d) Dieser Sichtweise steht auch nicht entgegen, dass nach § 93 Abs. 1 SGB III nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, einen Gründungszuschuss erhalten können und dass das Bundessozialgericht das Merkmal der Beendigung von Arbeitslosigkeit (damals im Sinne der Vorgängervorschrift in § 57 Abs. 1 SGB III in der vom 1. August 2006 bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende, a.F.) ausgehend vom Sinn und Zweck des Förderinstruments so ausgelegt hat, dass grundsätzlich die Beschäftigungslosigkeit beendet worden sein muss (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6 = juris, Rn. 26; im Anschluss daran etwa auch Hassel in Brand, SGB III 6. Aufl. 2012 § 93 Rn. 9; ausdrücklich a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13, juris, Rn. 18). Beschäftigungslos ist nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, wer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Die Beschäftigungslosigkeit ist neben den Eigenbemühungen und der Verfügbarkeit (§ 138 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SGB III) eine Voraussetzung für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit, die wiederum nach § 137 Abs. 1 SGB III eine von drei Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruchs auf das Alg ist, das durch den Gründungszuschuss eingespart werden soll (vgl. BT-Drucks 16/1696 S. 30, zu § 57 Abs. 1).

Dieser Einspareffekt tritt indes auch ohne eine Beendigung der Beschäftigungslosigkeit ein, wenn der Arbeitslose im Rahmen seiner Vorbereitungshandlungen gleichsam einen "point of no return" erreicht hat. Dies ist der Fall, wenn er seine Existenzgründung nur noch unter Inkaufnahme erheblicher wirtschaftlicher Nachteile rückgängig machen kann (zu einer vergleichbaren Konstellation bereits Urteil des Senats vom 23. September 2015 – L 2 AL 57/13, juris) oder wenn er – insbesondere in Fällen, in denen die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch von einer hoheitlichen Genehmigung, Zulassung oder ähnlichem abhängig ist – aus seiner Sicht alles zur Existenzgründung Erforderliche getan (und somit den Kausalverlauf aus der Hand gegeben) hat und nun berechtigterweise damit rechnen darf, dass er die Tätigkeit kurzfristig aufnehmen wird. Die hieraus resultierende Selbstbindung des Arbeitslosen lässt zwar die Beschäftigungslosigkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III unberührt, steht aber dem Doppelbezug von Gründungszuschuss und Alg, den es zu vermeiden gilt, deswegen entgegen, weil sie die Bereitschaft, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes anzunehmen und auszuüben, entfallen lässt, somit – wie sich aus § 138 Abs. 5 Nrn. 3 und 1 SGB III ergibt – die Verfügbarkeit beseitigt und gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III die Arbeitslosigkeit und damit die Voraussetzungen für den Alg-Bezug entfallen lässt. Der Senat schließt sich unter dieser Prämisse der Rechtsprechung namentlich der Landessozialgerichte Berlin-Brandenburg und Nordrhein-Westfalen an, die ebenfalls den Begriff der Arbeitslosigkeit in § 93 Abs. 1 SGB III im Sinne der Legaldefinition des § 138 Abs. 1 SGB III als Zusammentreffen von Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit aufgefasst (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. September 2014 – L 9 AL 219/13, beide in juris; offen gelassen im Urteil des Senats vom 23. September 2015 – L 2 AL 20/14, juris) und insbesondere auch das Vorliegen subjektiver Verfügbarkeit gefordert haben (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. April 2014 – L 9 AL 297/13; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. September 2014 – L 9 AL 219/13, beide in juris).

e) Vor diesem Hintergrund muss die Zahlung der für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erforderlichen Gebühr (am 28. Februar 2012) als Abschluss der Vorbereitungshandlungen angesehen werden. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Dauer des Alg-Anspruchs noch deutlich mehr als die vom Gesetz geforderten 150 Tage. Als Vorbereitungshandlungen im oben genannten Sinne kommen bei Rechtsanwälten insbesondere die Einrichtung eines Büros, die Anstellung von Personal und die Anmeldung zur Kammer in Betracht (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. April 2010 – L 1 AL 39/09 ZVW, juris). Im vorliegenden Fall lassen sich folgende Vorbereitungshandlungen in diesem Sinne identifizieren: Der Kläger schloss am 31. Januar 2012 und am 1. Februar 2012 Kooperationsverträge mit zwei Rechtsanwaltskanzleien, kraft derer er Büroarbeitsplätze erhalten, in die Außenauftritte der Kanzleien integriert werden und bei der Beschaffung und Betreuung von Mandaten unterstützt werden sollte. Am 27. Januar 2012 holte er ein Angebot der A. GmbH hinsichtlich der für die Zulassung zur Anwaltschaft erforderlichen Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung ein und schloss – ausweislich des Versicherungsscheins vom 9. Februar 2012 – eine solche Versicherung auch ab. Am 16. Februar 2012 beantragte er – nach eigenem Vorbringen – die Zulassung zu Rechtsanwaltschaft und entrichtete am 28. Februar 2012 die erforderliche Gebühr. Dass sich die Zulassung dennoch verzögerte, lag – wie sich aus der vom Kläger vorgelegten Auskunft der Rechtsanwaltskammer vom 10. Dezember 2015 ergibt – an Umständen, auf die der Kläger seinerzeit keinerlei Einfluss mehr hatte.

4.) Der Kläger hat den Gründungszuschuss im Übrigen auch rechtzeitig beantragt. Leistungen der Arbeitsförderung werden gemäß § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III nur erbracht, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sind. Da die Vorschrift indes keine besondere Form vorschreibt, reicht die mündliche Antragstellung aus (auch hierzu BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 28/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 5; so auch bereits BSG, Urteil vom 6. Mai 2008 – B 7/7a AL 16/07 R, SozR 4-4300 § 217 Nr. 2). Eine solche ist anzunehmen, wenn der Betreffende bei einer Vorsprache mündlich und sinngemäß die Bewilligung eines Gründungszuschusses verlangt (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2010, a.a.O.). Im vorliegenden Fall haben Kläger und Beklagte – nachdem zuvor zumindest über einen Gründungszuschuss gesprochen worden war – am 31. Januar 2012 eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen, in der sich die Beklagte zur Prüfung der "Fördervoraussetzungen für den Gründungszuschuss" und der Kläger sich zur Vorlage eines tragfähigen Businessplans, der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle, der Anmeldung beim Finanzamt und einer "Begründung für den Antrag auf Gründungschuss" verpflichtete. Dies lässt sich nur so verstehen, dass der Kläger einen mündlichen Antrag spätestens zu diesem Zeitpunkt gestellt hatte. Welche Folgen die erheblichen Verzögerungen, zu denen es später gekommen ist, haben, ist keine Frage der Voraussetzungen aus § 93 SGB III, sondern der Rechtsfolgenseite.

III.) Die Beklagte wird daher – wie vom Kläger beantragt – neu über seinen Antrag vom 31. Januar 2012 zu entscheiden und dabei ihr Ermessen gemäß den Vorgaben aus § 39 Abs. 1 SGB I auszuüben haben. Der Senat weist hierbei allerdings darauf hin, dass es der Beklagten angesichts der Eingliederungsvereinbarung vom 31. Januar 2012 verwehrt sein dürfte, sich auf den Vorrang der Vermittlung (§ 4 Abs. 2 SGB III) zu berufen. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Beklagte sich dann nicht auf § 4 Abs. 2 SGB III berufen kann, wenn sie zuvor – insbesondere in einer Eingliederungsvereinbarung – der Vermittlung den Nachrang gegenüber der Selbstständigkeit beigemessen hatte. Hierbei handelt es sich um widersprüchliches Verhalten ("venire contra factum proprium"), das dem Grundsatz von Treu und Glauben zuwiderläuft und damit eine unzulässige Rechtsausübung darstellt (Urteil des Senats vom 23. September 2015 – L 2 AL 70/14, juris, Rn. 28). Im vorliegenden Fall war die Beklagte laut ihrem Vermerk vom 31. Januar 2012 davon ausgegangen, eine Vermittlung sei nicht möglich und hat offensichtlich auch vor diesem Hintergrund die Eingliederungsvereinbarung geschlossen.

IV.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da er der Frage nach der Auslegung des Begriffs der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in § 93 Abs. 1 SGB III einerseits und in § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III andererseits im Lichte des Urteils des Bundessozialgerichts vom 5. Mai 2010 (Az. B 11 AL 11/09 R) grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Rechtskraft
Aus
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