S 20 SO 34/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 34/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 654/16
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt als Rechtsnachfolger von dem Beklagten die Übernahme von Heimkosten aus Mitteln der Sozialhilfe für die Zeit vom 01.10.2014 bis 19.10.2015 in Höhe von 16.649,01 EUR

Der Kläger ist das einzige Kind der am 00.00.0000 geborene und am 19.10.2015 verstorbenen I. Q ... Diese war seit 2007 verwitwet. Durch notariellen Vertrag vom 08.09.2010 übertrug I. Q. ihrem Sohn ein Hausgrundstück; in dem Vertrag räumte der Kläger seiner Mutter einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an dem übertragenen Grundbesitz ein, dessen Jahreswert mit 3.600,00 EUR angegeben wurde; einen Kaufpreis hatte der Kläger nicht zu entrichten. Vom 22.06.2012 bis zu ihrem Tod lebte I. Q. in einem Alten- und Pflegeheim. Am 12.07.2012 erteilte I. Q. dem Kläger – notariell beurkundet – Generalvollmacht unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Noch am selben Tag veräußerte der Kläger das im Jahr 2010 von seiner Mutter erhaltene Hausgrundstück für 100.000 EUR; als von den Beschränkungen des §181 BGB befreiter Bevollmächtigter seiner Mutter verzichtete er auf deren Nießbrauchrecht, dessen Jahreswert nunmehr mit 6.000,00 EUR beziffert wurde, und bewilligte dessen Löschung.

Am 20.12.2013 beantragte der Kläger für seine Mutter bei dem Beklagten erstmals die Übernahme von Heimkosten aus Mitteln der Sozialhilfe. Im Rahmen eines Gesprächs mit einer Mitarbeiterin des Beklagten am 13.01.2014 erklärte der Kläger, das Geld aus dem Hausverkauf stehe seiner Mutter zu; es sei zwar auf seinen Namen angelegt, jedoch überweise er davon jeden Monat Geld auf das Konto seiner Mutter, von dem dann deren Heimkosten bezahlt würden. Am 12.02.2014 nahm der Kläger den Antrag im Hinblick auf noch vorhandenes einzusetzendes Vermögen zurück.

Am 26.03.2014 beantragte der Kläger für seine Mutter erneut die Übernahme von Heimkosten aus Mitteln der Sozialhilfe. Am 23.04.2014 erklärte der Kläger bei der Beklagten.: "Das Grundvermögen "O" wurde am 08.09.2010 auf mich übertragen. Für meine Mutter wurde ein Nießbrauchrecht sowie ein Rück¬trittsrecht vereinbart. Das Grundvermögen habe ich am 12.07.2012 an Dritte veräußert. Der Verkaufs¬erlös betrug 100.000,00 EUR. Das Nießbrauch- sowie Rücktrittsrecht wurde im Rahmen der Übertragung gelöscht. Der Verkaufserlös wurde auf meinen Namen angelegt. Bis heute habe ich hiervon für meine Mutter alle Heimkosten, Ta¬schengelder sowie diverse Anschaffungen gezahlt. Ebenso wurde der Bestat¬tungsvorsorgevertrag über 6.000,-EUR hiervon gezahlt. Auf meinem Konto sind aus dem Verkaufserlös zur Zeit noch 70.000,- EUR vorhan¬den. Das Girokonto meiner Mutter weist derzeit ein Guthaben von 7.484,78 EUR auf. Ich werde auch weiterhin alle Kosten meine Mutter betreffend aus dem vorhan¬denen Vermögen zahlen."

Daraufhin lehnte Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 24.04.2014 ab mit der Begründung, es sei noch einsetzbares Vermögen vorhanden, das den Schonbetrag von 2.600,00 EUR übersteige. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28.10.2014 zurück. Die dagegen erhoben Klage (SG Aachen – S 20 SO 208/14) wurde am 26.05.2015 zurückgenommen.

Bereits mit Schreiben vom 17.10. und 13.11.2014 hatte der Kläger erneut für seine Mutter die Übernahme angeblich ungedeckter Heimkosten beantragt. Er räumte ein, dass seine Mutter zwar das Hausgrundstück an ihn verschenkt und er dieses verkauft und einen Erlös von 100.000 EUR erzielt habe. Er meinte jedoch, ein Rückforderungsanspruch seiner Mutter gem. § 528 Abs. 1 BGB ihm gegenüber sei gem. § 529 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil mit der Rückgabe sein "standesgemäße Unterhalt" gefährdet würde. Bei der Bestimmung des "standesgemäßer Unterhaltes" seien die jeweils einschlägigen familienrechtlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe heranzuziehen; der monatliche angemessene Unterhalt gegenüber den Eltern betrage mindestens 1.600,00 EUR; dazu komme Schonvermögen, das in seinem Fall ca. 100.000,00 EUR betrage. Der Kläger erklärte, bis September 2014 habe er die Heimpflegekosten seiner Mutter in voller Höhe von seinem Konto beglichen. In einer "Eidesstattlichen Versicherung" vom 08.09.2015 erklärte der Kläger, seine Frau zahle seit März 2015 darlehensweise einen Betrag an das Heim, damit der Heimplatz nicht gekündigt werde; sie und auch er seien aber nicht mehr bereit, die Kosten aus seinem Vermögen zu bestreiten.

Durch Bescheid vom 06.10.2015 lehnte der Beklagte die Anträge vom 17.10. bzw. 13.11.2014 auf Übernahme von (nicht gedeckten) Heimkosten ab. Zur Begründung verwies er auf die widersprüchlichen Angaben und Erklärungen des Klägers zu den Vermögensverhältnissen seiner Mutter. Offensichtlich würden die Heimpflegekosten vollumfänglich beglichen, sodass kein sozialhilferechtlicher Bedarf bestehe.

Dagegen erhob der Kläger am 09.11.2015 – nach dem Tod seiner Mutter als deren Rechtsnachfolger – Widerspruch, den der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 11.02.2016 als zulässig, jedoch rechtlich nicht begründet zurückwies.

Dagegen hat der Kläger am 14.03.2016 unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens Klage erhoben. Er meint, als Rechtsnachfolger der Heimbewohnerin zur Geltendmachung der Heimkosten aktivlegitimiert zu sein; dem stehe die Vorschrift des § 19 Abs. 6 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) nicht entgegen. Er klage nicht als "einspringender Dritter", sondern als Erbe seiner verstorbenen Mutter. Zwar seien Sozialhilfeansprüche prinzipiell nicht vererbbar, jedoch gebe es Ausnahmen. Sozialhilfeansprüche seien vererblich, wenn der Hilfebedürftige zu Lebzeiten seinen Bedarf mit Hilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorleistenden Dritten gedeckt habe, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt habe. So sei es im vorliegenden Fall gewesen; er bzw. seine Ehefrau hätten die Heimkosten im Vertrauen auf die Bewilligung von Sozialhilfe geleistet.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.10.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2016 zu verurteilen, ihm 16.649,01 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verbleibt bei seiner in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung. Es könne auch nicht nachvollzogen werden, warum der Kläger Vertrauen in eine noch folgende Bewilligung von Sozialleistungen gesetzt habe. Im Laufe des Antragsverfahrens sei das Vermögen mehrfach erörtert und der Kläger darauf hingewiesen worden, dass dieses vorrangig einzusetzen sei. Der Kläger habe selbst erklärt, dass das Geld aus dem Hausverkauf seiner Mutter zustehe bzw. die Heimkosten daraus bestritten würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der vom Kläger behauptete Anspruch seiner verstorbenen Mutter auf Übernahme ungedeckter Heimkosten, den er als Erbe geltend macht, besteht nicht. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger im Wege der Erbfolge nach § 58 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) i.V.m. §§ 1922 ff. BGB Inhaber dieses nunmehr im eigenen Namen geltend gemachten Anspruchs geworden und somit aktivlegimitiert ist.

Grundsätzlich kann ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen wegen seines höchstpersönlichen Charakters nicht im Wege der Sonderrechtsnachfolge (§ 56 SGB I) und auch nicht im Wege der Vererbung auf einen Dritten übergehen. Eine Ausnahme besteht dann, wenn ein Hilfebedürftiger zu Lebzeiten seinen Bedarf mit Hilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung der Sozialhilfe vorleistenden Dritten gedeckt hat, weil der Sozialhilfeträger nicht rechtzeitig geholfen oder die Hilfe abgelehnt hat (BVerwG, Urteil vom 05.05.1994 – 5 C 43/91; BSG, Urteil vom 23.07.2014 – B 8 SO 14/13 R).

Es begegnet bereits erheblichen Zweifeln, ob der Kläger die Heimkosten seiner Mutter bezahlt hat im Vertrauen auf eine spätere Bewilligung von Sozialhilfe. Denn ein solches Vertrauen wäre durch nichts gerechtfertigt gewesen. Im Gegenteil, der Kläger hatte gegenüber dem Beklagten geäußert, dass das Geldvermögen aus dem Hausverkauf seiner Mutter zustehe. Er hat gerade im Hinblick auf dieses vorhandene Vermögen seiner Mutter frühere Anträge auf Übernahme von Heimkosten zurückgenommen. Letztlich kann die Frage, ob der im Vertrauen auf die Bewilligung von seiner Mutter zustehenden Sozialhilfe vorgeleistet hat, dahinstehen. Denn seine Mutter hatte bis zu ihrem Tod keinen Anspruch auf Übernahme von Heimkosten aus Sozialhilfemitteln, weshalb der Kläger auch nicht Erbe eines solchen (behaupteten) Anspruchs werden konnte.

Die Mutter des Klägers verfügte neben ihrem Einkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Altersrente) und der sozialen Pflegeversicherung (Pflegegeld nach Pflegestufe II) über Vermögen in einem Umfang, dass sie daraus die Heimkosten in voller Höhe bestreiten konnte und auch tatsächlich bestritten hat. Alle Forderungen des Heimträgers aus dem Heimvertrag mit der Mutter des Klägers sind beglichen worden. Die Heimbewohnerin hat das Geld zwar nicht persönlich gezahlt/überwiesen, jedoch hat dies der Kläger als Generalbevollmächtigter seiner Mutter getan. Er hat dies gegenüber dem Beklagten so erklärt, dass er im Jahre 2010 eine Immobilie von seiner Mutter unentgeltlich unter Einräumung lebenslangen Nießbrauchs zu deren Gunsten erhalten habe; dieses Haus habe er 2012 unter Löschung des Nießbrauchrechts für 100.000,00 EUR veräußert; der Verkaufserlös sei zwar auf seinen Namen angelegt worden, stehe aber seiner Mutter zu; von dem angelegten Verkaufserlös habe er jeden Monat Geld auf sein eigenes Konto und von dort auf das Konto seiner Mutter zwecks Überweisung an den Heimträger gezahlt. Schon dieser Geldfluss belegt, dass nicht der Kläger aus eigenem Vermögen, sondern dessen Mutter von ihrem Konto – mithilfe des Klägers als ihrem Bevollmächtigten – die Heimkosten bezahlt hat.

Das Geld, mit dem sie die Heimkosten bezahlt hat, war nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich ihrem Vermögensbestand zuzuordnen. Denn sie hatte gegenüber dem Kläger einen Rückforderungsanspruch gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Herausgabe des Geschenkes, dass der Kläger durch die notariell beurkundete unentgeltliche Übertragung der vormals seiner Mutter gehörenden Immobilie im Jahre 2010 erhalten hatte. Nach § 528 Abs. 1 Satz 1 kann ein Schenker, soweit er nach der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerecht gefertigten Bereicherung fordern.

Selbst wenn man in der Bezahlung der Heimkosten keine Zahlungen der Mutter, sondern des Klägers aus dessen Vermögensbestand sähe, läge darin nichts anderes als eine Abwendung der Herausgabepflicht nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn nach § 528 Abs. 1 Satz 2 BGB kann der Beschenkte die Herausgabe durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrages abwenden. Die Heimkosten waren jedenfalls die für den Unterhalt der Mutter des Klägers erforderlichen Beträge.

Der Rückforderungsanspruch der Mutter des Klägers diesem gegenüber war – offensichtlich – nicht nach § 529 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Auch der vom Kläger geltend gemachte Ausschlussgrund nach § 529 Abs. 2 BGB greift nicht. Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes ausgeschlossen, soweit der Beschenkte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, das Geschenk herauszugeben, ohne dass sein standesgemäßer Unterhalt oder die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflichten gefährdet wird. Mit dem standesgemäßen Unterhalt ist der angemessene Unterhalt im Sinne eines Notbedarfs gemeint (BGH, Urteil vom 11.07.2000 – X ZR 126/98; Urteil vom 06.09.2005 – X ZR 51/03; Palandt, BGB, 72. Auflage 2013, § 529 Rn. 3). Die Ausführungen und Berechnungen des Klägers hierzu sind angesichts der Größenordnung des Hauswertes und des Verkaufserlöses einerseits und der streitbefangenen Heimkosten andererseits weder nachvollziehbar noch überzeugend. Der Kläger selbst hat im Schriftsatz vom 11.05.2016 eingeräumt, dass die von ihm vertretene Rechtsauffassung etwas "irritieren" mag; die Kammer hält seine Auffassung und das daraus resultierende Ergebnis für schlichtweg absurd.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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