S 18 KR 570/16 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 570/16 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig vom 12.10.2016 bis zum 31.12.2016 Krankengeld in Höhe von 32,43 EUR kalendertäglich zu zahlen.

Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die vorläufige Zahlung von Krankengeld streitig.

Die 1976 geborene Antragstellerin war aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld bei der Antragsgegnerin versichert. Am 21.07.2016 erkrankte sie arbeitsunfähig. Im Anschluss an die Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall durch die Agentur für Arbeit beantragte sie ab dem 01.09.2016 bei der Antragsgegnerin Krankengeld. Dieses zahlte die Antragsgegnerin ab dem 01.09.2016.

Am 12.09.2016 stellte der behandelnde Hausarzt, Dr. C., Facharzt für Allgemeinmedizin, das weitere bestehen von Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 17.09.2016 fest (Diagnosen: F32.9 G; F45.9 G).

Die Antragsgegnerin holte eine Stellungnahme nach Aktenlage des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ein. Dieser kam am 21.09.2016 auf der Grundlage der Arztanfrage vom 12.09.2016, des radiologischen Befundes vom 12.11.2015 und des chirurgischen Befundes vom 06.04.2016 zu dem Ergebnis, dass bei depressiver Episode, somatoforme Störung, Anpassungsstörung die Arbeitsunfähigkeit mit dem 04.10.2016 beendet werden könne. Zur Begründung hieß es, dass laut Antragstellerin eine Laboruntersuchung durchgeführt wurde. Hierzu seien keine Befunde vorgelegt worden. Die vorliegenden Befunde begründeten keine Arbeitsunfähigkeit. Die Psychotherapie laufe seit Mai 2015 und könne arbeitsbegleitend erfolgen.

Nach Aktenlage informierte die Antragsgegnerin über das Ergebnis der Begutachtung Herrn Dr. C. am 22.09.2016 sowie die Antragstellerin und teilte dieser mit, dass die Arbeitsunfähigkeit am 04.10.2016 ende. Die Antragsgegnerin empfahl der Antragstellerin, sich persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden.

Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Sie gehe davon aus, dass die Krankengeldzahlung an sie ordnungsgemäß und nach entsprechender Untersuchung durch ihren Hausarzt Dr. C. bis auf weiteres durchgeführt werde. Andernfalls bitte sie um sofortige Rückmeldung. Beigefügt war die ärztliche Bescheinigung von Frau Dr. D. vom 26.09.2016. Diese führte aus, dass derzeit ein akuter M. Hashimoto vorzuliegen scheine, der neu diagnostiziert und behandelt werden müsse. Die Antragstellerin sei daher für die nächsten zwei Monate nicht arbeitsfähig, bis Diagnostik und Einstellung abgeschlossen seien. Herr Dr. E. bescheinigte unter dem 25.09.2016, dass die Antragstellerin wegen körperlicher und seelischer Beschwerden bei depressiver Erschöpfung und Schilddrüsenleiden im Krankenstand sei. Die Antragstellerin sei teilweise lethargisch und teilweise völlig überdreht. Der Hausarzt habe die Antragstellerin fest im Griff. Nervenärztliche Kontrollen seien geplant. Einer nervenärztlichen Krankenhauseinweisung bedürfe es vorerst nicht.

Am 04.10.2016 stellte Dr. C. die weitere Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 17.10.2016 fest (Diagnosen: F32.9 G; F45.9 G).

Mit Schreiben vom 05.10.2016 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit seit 21.07.2016 Krankengeld erhalte. Es ergebe sich ab 01.09.2016 folgender Zahlbetrag: tägliches Kalenderkrankengeld – Nettobetrag: 32,43 EUR. "Sind Sie weiterhin krank, bestätigt der behandelnde Arzt Ihre weitere Arbeitsunfähigkeit. Über die Zahlungen werden Sie durch den Überweisungsträger Ihrer Bank informiert. Dort wird der Zahlungszeitraum angegeben."

Herr Dr. C. legte mit Schreiben vom 10.10.2016 ärztlichen Widerspruch gegen die Entscheidung (Beendigung Arbeitsunfähigkeit zum 04.10.2016) ein. Zur Begründung führte er aus: "Aufgrund multipler organischer, sowie auch psychischer Diagnosen ist sie zurzeit nicht arbeitsfähig. Des Weiteren liegt ein akuter, anhaltender Schub der Hashimoto Thyreoiditis vor. Auch besteht ein radiologisch gesichertes Morton Neurom beidseitig. Die OP-Indikation ist gegeben und ein Operationstermin ist für Mitte November im Rotkreuz Krankenhaus avisiert. Das Ende der Arbeitsunfähigkeit ist zurzeit nicht absehbar. Es erfolgt eine fachübergreifende Therapie."

Mit Schreiben vom 11.10.2016 teilte die Antragsgegnerin mit, dass die Krankengeldzahlung mit dem 04.10.2016 ende. Weitere Überweisungen erfolgten durch die Antragsgegnerin nicht.

Am 12.10.2016 hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin vor, dass der MDK lediglich nach Aktenlage entschieden habe. Herr Dr. C. habe keine Abschrift des Schreibens vom 22.09.2016 erhalten. Dieser sie auch zu keinem Zeitpunkt von der Antragsgegnerin oder dem MDK über den aktuellen Gesundheitszustand der Antragstellerin befragt worden. Die Antragstellerin habe vom 01.09.2016 bis 04.10.2016 Krankengeld erhalten und sei jetzt mittellos. Außer dem Krankengeld verfüge sie über keine weiteren Einkünfte und kein einsetzbares Vermögen. Ihr Lebensunterhalt sei im Hinblick auf die Entscheidung der Antragsgegnerin stark gefährdet. Inzwischen sei auch eine Verschlechterung des Gesundheitszustands eingetreten. Die konservative Behandlung des Morton-Neurom beidseitig habe nicht den gewünschten Erfolg gehabt. Die Antragstellerin habe sich deshalb zur Operation entschieden, um die Schmerzen zu beseitigen und die Gehfähigkeit wieder herzustellen.

Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beantragt schriftlich,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, an die Antragstellerin ab dem 05.10.2016 bis zur Entscheidung in der Hauptsache Krankengeld in Höhe von monatlich 978,00 EUR zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt schriftlich,
den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung trägt die Antragsgegnerin vor, dass ein Anordnungsanspruch nicht ersichtlich sei und verweist dazu auf die Stellungnahme des MDK. Auch Dr. C. habe mehrfach angegeben, dass die Antragstellerin leichte Arbeiten ausführen könne und die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich zum 17.09.2016 beendet sei. Mit der Antragstellerin sei am 21.09.2016 die Vorlage weitere medizinischer Unterlagen vereinbart worden mit dem Ziel, den MDK erneut einzuschalten. Sollten die vorgelegten Stellungnahmen der behandelnden Ärzte abschließend sein, werde um eine entsprechende Information gebeten, damit der MDK kurzfristig beauftragt werden könne. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe die Antragsgegnerin keine Veranlassung, die Auffassung des MDK in Zweifel zu ziehen. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht ersichtlich. Der Antragstellerin sei es anheimgestellt, Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende in Anspruch zu nehmen. Die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes bestehe darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im grundsätzlich vorrangingen – Verfahren in der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht in der Lage wäre. Hieraus folge jedoch zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und damit eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheide, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen habe, denn insoweit wäre die besondere Dringlichkeit durch Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum sei dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der nach § 86 b Abs. 2 SGG zulässige Antrag ist begründet. Nach §86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt. Nach Satz 2 sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. In beiden Fällen ist erforderlich, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund besteht. Dabei stehen sich Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert einander gegenüber, vielmehr besteht zwischen ihnen eine funktionelle Wechselbeziehung dergestalt, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Eingriffs (Anordnungsgrund) zu verringern sind oder umgekehrt. Dabei dürfen keine zu hohen Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Eilverfahren gestellt werden. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinem Begehren verfolgt. (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 19.03.2004, 1 BvR 131/04, juris). Ist dagegen dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist anhand einer Folgenabwägung unter umfassender Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange aller Beteiligter zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05).

Ausgehend davon lässt sich der Sachverhalt zwar nicht umfassend im Eilverfahren aufklären. Nach der bisherigen Sachlage lassen sich aber nur Beweismittel auswerten, die dafür sprechen, dass bei der Antragstellerin weiterhin auch über den 04.10.2016 hinaus Arbeitsunfähigkeit besteht und damit ein Anspruch auf Krankengeld gegeben ist. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht gemäß § 46 Satz 1SGB V bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.

Die Antragstellerin hat das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen glaubhaft gemacht. Herr Dr. C. hat nach ärztlicher Untersuchung am 04.10.2016 das weitere Bestehen von Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Dieses Vorgehen entspricht § 4 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie. Danach dürfen Feststellungen zur Arbeitsunfähigkeit nur auf Grund ärztlicher Untersuchung erfolgen. Damit wird § 1 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie Rechnung getragen. Zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit heißt es dort: Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und die Bescheinigung über ihre voraussichtliche Dauer erfordern ( ...) wegen ihrer Tragweite für Versicherte und ihrer arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen sowie wirtschaftlichen Bedeutung besondere Sorgfalt. In seinem ärztlichen Widerspruch vom 10.10.2016 hat Herr Dr. C. diese Feststellung noch dahingehend erweitert, dass das Ende der Arbeitsunfähigkeit derzeit nicht absehbar sei.

Bei diesen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen handelt es sich um eine ärztlich-gutachterliche Stellungnahmen, die als Beweismittel verwendet werden können. Deren Inhalt kann durch andere Beweismittel wiederlegt werden. (z.B. Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 24.10.2013, L 8 KR 114/14, Rdnr. 34, juris). Das Gericht hat bei dem derzeitigen Sachstand keinen Grund an der Feststellung von Herrn Dr. C. zu zweifeln. Dessen Einschätzung wird von zwei weiteren die Klägerin behandelnden Ärzten bestätigt. Demgegenüber kommt der Einschätzung des MDK nach Aktenlage kein Aussagewert zu (vgl. auch SG Aachen, Urteil vom 31.01.2005, S 6 KR 76/04, juris). Der MDK führt selber aus, dass ihm nicht alle Befunde vorliegen. Dass der MDK entsprechend § 6 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie vorgegangen wäre, ist nicht erkennbar. Danach haben die behandelnden Ärzte dem MDK auf Anfrage in der Regel innerhalb von drei Werktagen Auskünfte und krankheitsspezifische Unterlagen vorzulegen. Darüber hinaus ist keine Untersuchung der Antragstellerin durch den MDK erfolgt. Ein Vorgehen des MDK, der die Beendigung des Leistungsbezugs empfiehlt, obwohl jede nähere Kenntnis des Krankheitsbildes (insbesondere durch Befragung der behandelnden Ärzte) fehlt, hat das Hessische Landessozialgericht bereits in seinem Urteil vom 18.10.2007, L 8 KR 228/06, Rdnr. 23, juris) an der Grenze zur Willkür gewertet. Insbesondere bei psychischen Krankheitsbildern erscheint eine persönliche Untersuchung regelmäßig von Nöten (Hessisches Landessozialgericht, aaO).

Auch die Weigerung der Antragsgegnerin, den ärztlichen Widerspruch an den MDK unverzüglich weiterzuleiten, damit dieser Gelegenheit bekommt, die Antragstellerin persönlich zu untersuchen, kann nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen. Die Antragsgegnerin ist zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen nach §§ 20, 21 SGB X verpflichtet. Die Antragstellerin hat zwar bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, sie hat aber keine Beweisführungspflicht. Das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit ist vielmehr durch die Antragsgegnerin aufgrund aller vorhandenen Beweismittel festzustellen. (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.11.1986, L 11 Kr 39/85, juris) Liegt ein ärztlicher Widerspruch vor ist es nicht Sache der Antragstellerin die medizinischen Unterlagen dafür vorzulegen. Dazu kann nur erneut auf § 6 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie verwiesen werden. Es ist Aufgabe des MDK diese Unterlagen anzufordern. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin den MDK zu einer persönlichen Untersuchung anzuhalten (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 18.10.2007, L 8 KR 228/06, Rdnr. 25, juris).

Auch entspricht es der gerichtsbekannten gängigen Praxis bei einer Einstellung des Krankengeldes lediglich auf der Grundlage eines MDK-Gutachtens nach Aktenlage bei einem ärztlichen Widerspruch das Krankengeld bis zu einer persönlichen Begutachtung durch den MDK weiterzuzahlen. Dies erscheint vor dem Hintergrund des geringen Aussagewertes einer Begutachtung nach Aktenlage ohne Kenntnis aller Befunde auch angezeigt. Ohne die Erhebung von Befunden kann insbesondere bei psychischen Erkrankungen keine Einschätzung zur Arbeitsfähigkeit getroffen werden. Erst ab dem Zeitpunkt einer persönlichen Begutachtung sind dazu Aussagen möglich.

Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht darauf berufen, Herr Dr. C. habe selber angegeben, die Antragstellerin könne noch leichte Tätigkeiten verrichten. Richtig ist, dass Herr Dr. C. in seinem Bericht für die Krankenkasse bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit am 11.08.2016 erklärt hat, dass die Antragstellerin noch leichte Tätigkeiten in dem Umfang ausüben könne, in dem sie sich der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt habe. Zu diesem Zeitpunkt hielt er auch den Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit für absehbar (29.08.2016). In seinem Bericht vom 12.09.2006 machte er zu der Fähigkeit der Antragstellerin leichte Tätigkeiten auszuüben keine Angaben mehr. Er bescheinigte das weitere Bestehen von Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis zum 17.09.2016. Dem folgte die spätere Feststellung zur nicht absehbaren Arbeitsunfähigkeit.

Davon ausgehend lässt sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren feststellen, dass das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit ganz überwiegend wahrscheinlich ist. Bis zum Zeitpunkt eine persönliche Untersuchung durch den MDK dürfte es der Antragsgegnerin auch nicht möglich sein, Beweismittel vorzulegen, die diese Feststellung endkräftigen könnten. Insbesondere dürfte der MDK aufgrund persönlicher Untersuchung nur Aussagen zur Arbeitsunfähigkeit ab dem Zeitpunkt der Untersuchung treffen können.

Ist das Bestehen eines Anordnungsanspruchs aber ganz überwiegend wahrscheinlich, sind an das Vorliegen des Anordnungsgrundes wesentlich geringere Anforderungen zu stellen. Die Gefahr, dass eine vorläufige Regelung getroffen wird, die später im Rahmen des Hauptsacheverfahrens rückabgewickelt werden müsste, ist bei einem ganz überwiegend wahrscheinlich gegebenen Anordnungsanspruch sehr gering. In Hinblick auf die Bedeutung des Krankengeldes als Lohnersatzleistung ist es vor diesem Hintergrund der Antragstellerin nicht zumutbar, auf die Beantragung von Leistungen der Grundsicherung verwiesen zu werden. Die Antragstellerin hat für das Gericht ausreichend glaubhaft gemacht, dass sie sich in einer finanziellen Notlage befindet. Hinsichtlich der laufenden Einnahmen ergibt sich dies schon aus dem Wegfall des Krankengeldes. Da die Antragsgegnerin zuvor im Rahmen des Bezugs von Arbeitslosengeld auch schon Einkommenseinbußen hatte, ist es auch plausibel, dass sie nicht über ein ausreichend großes Vermögen verfügt, um den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass andere Leistungsträger nicht deshalb mit der Bearbeitung von Anträgen zu belasten sind, weil die Antragsgegnerin ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommt.

Der Antragstellerin waren Leistungen ab Antragstellung bei Gericht zu bewilligen. Für die Zeit davon ist davon auszugehen, dass keine aktuelle Notlage bestand, da andernfalls bereits früher der einstweilige Rechtsschutz beantragt worden wäre. Die Antragstellerin kann auch nicht darauf verwiesen werden, erst ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorläufig Leistungen zu erhalten. Der Anordnungsgrund bestand bei Antragstellung, die Dauer des gerichtlichen Verfahrens geht nicht zu Lasten der Antragstellerin. Es ist gängige gerichtliche Praxis, insbesondere auch in einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf Grundsicherungsleistungen, die Leistungen ab Antragstellung bei Gericht zuzusprechen, sofern Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bestehen. Etwas anderes kann sich ggf. ergeben, wenn während des gerichtlichen Verfahrens der Anordnungsgrund entfällt. Dafür ist hier aber nichts ersichtlich. Im Gegenteil – da die Antragstellerin nunmehr seit dem 4.10.2016 ohne Leistungen ist, geht das Gericht davon aus, dass sich ihre finanzielle Lage weiter verschlechtert hat.

Die Antragsgegnerin ist vorläufig bis zum Ablauf des Folgemonats der gerichtlichen Entscheidung zur Leistung zu verpflichten. Dies ermöglicht es der Antragsgegnerin, ihrer Amtsermittlungspflicht nachzukommen und ein Gutachten des MDK mit persönlicher Untersuchung zu veranlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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