L 18 AS 284/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 14 AS 6109/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 284/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 8. Dezember 2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte bewilligte der 1974 geborenen Klägerin und ihrer 1993 geborenen Tochter K JD (KJD) mit Bescheid vom 23. Februar 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 1. April 2010 bis 30. September 2010 in Höhe von (iHv) monatlich 850,35 EUR, davon entfielen auf KJD monatlich 270,67 EUR. Mit an die Klägerin gerichtetem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. April 2010 hob er die in Bezug auf KJD getroffene Entscheidung vom 23. Februar 2010 über die Bewilligung von Leistungen teilweise in Höhe von (iHv) 212,- EUR für den Monat April 2010 auf und forderte diesen Betrag zurück, weil KJD im angeführten Zeitraum Einkommen aus einer Berufsausbildungsbeihilfe erzielt habe. Nachdem dieser Aufhebungs- und Erstattungsbescheid unter dem 17. Juni 2013 im Verfahren S 4 AS 2612/11 vor dem Sozialgericht (SG) Cottbus aufgehoben worden war, beantragte die Klägerin am 14. Juli 2013 die Auszahlung des ursprünglich aufgehobenen Betrags sowie dessen Verzinsung. Mit Bescheid vom 3. September 2013 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er habe dem Antrag entsprochen. Sie habe Anspruch auf Zinsen iHv 6,57 EUR. Die Entscheidung beruhe auf § 44 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I). Der anwaltlich vertretene Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, ua könne die Berechnung bzw die Höhe der Zinsen nicht nachvollzogen werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und lehnte die Erstattung von ggf entstandenen notwendigen Aufwendungen zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt: Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I seien Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eintritt ihrer Fälligkeit bis um Ablauf des Kalendermonats vor Zahlung mit 4 von Hundert zu verzinsen. Die Verzinsung beginne gemäß § 44 Abs. 2 SGB I frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger. Verzinst würden entsprechend § 44 Abs. 3 SGB I volle EUR-Beträge. Dabei sei der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen. Mit der Aufhebung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides habe die Klägerin einen Anspruch auf Auszahlung einer bereits fälligen Forderung erlangt. Die Verzinsung beginne frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Vorlage aller für die Bewilligung notwendigen Informationen beim zuständigen Leistungsträger oder beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf des Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. Dem Leistungsträger hätten mit der Einzahlung der vollständigen Erstattungssumme alle für die Bewilligung notwendigen Informationen vorgelegen. Dieser Tag zzgl sechs Monaten (21. November 2012) ergebe den Verzinsungsbeginn 22. November 2012. Verzinsungsende sei der Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung. Die Entscheidung zur Auszahlung sei am 3. September 2013 getroffen worden. Damit sei davon auszugehen, dass die Auszahlung innerhalb der nächsten 5 Arbeitstage erfolgt sei. Damit bestehe ein Anspruch auf Verzinsung für den Zeitraum 22. November 2012 bis 31. August 2013, also insgesamt 279 Tage. Damit ergebe sich bei einem Zinssatz von 4 % und einer Forderung von 212,- EUR ein Zinsbetrag iHv von 6,57 EUR, welcher auch bewilligt worden sei. Die Kostenentscheidung ergebe sich aus § 63 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X).

Im Klageverfahren hat die Klägerin die Erstattung der notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens begehrt und vorgetragen: Der Widerspruch sei erfolgreich gewesen, weil der angegriffene Bescheid bereits wegen Fehlens einer nachvollziehbaren Begründung formell rechtswidrig gewesen und dieser Begründungsmangel erst im Zuge des Widerspruchsverfahrens geheilt worden sei, sodass der Beklagte die Kosten nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X zu erstatten habe. Der Widerspruch sei allein auf die fehlende Begründung gestützt worden. Diese Begründung sei dann nachgeholt worden Insofern sei der Widerspruch erfolgreich gewesen. Die Beklagte hat vorgetragen, Kosten seien nicht zu erstatten, wenn der Widerspruch – wie hier – schon aus anderen Gründen als der Verletzung von Verfahrensvorschriften keinen Erfolg gehabt habe. Mit Urteil vom 8. Dezember 2014 hob das SG Cottbus die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 6. November 2013 aufgehoben und den Beklagten zur Erstattung der Aufwendungen der Klägerin für das Widerspruchsverfahren verpflichtet. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet. Der Widerspruch sei zwar nicht erfolgreich gewesen. Der Beklagte sei aber verpflichtet, die Kosten zu tragen, weil der Widerspruch nur iSv § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X erfolglos gewesen sei. Die Entscheidung zur Verzinsung sei nicht begründet gewesen. Die Berufung sei wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen.

Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens gegen das angegriffene Urteil.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 8. Dezember 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die die Klägerin betreffenden Behelfsleistungsakten der Beklagten (6 Bd.) und die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen

Entscheidungsgründe:

Die im Hinblick auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulassungsbedürftige Berufung des Beklagten ist zulässig. Das SG hat sie – was ausreicht (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014 § 144 Rn. 39) – in den Gründen ausdrücklich zugelassen und das Landessozialgericht (LSG) ist an diese Entscheidung gebunden (vgl § 144 Abs. 3 SGG).

Die Berufung ist auch begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid des Beklagten vom 3. September 2013. Die Kostenentscheidung des Beklagten in dem Widerspruchsbescheid vom 6. November 2013 ist rechtmäßig.

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage unmittelbar gegen die Entscheidung des Beklagten im Widerspruchsbescheid über die Kosten des Widerspruchsverfahrens war zulässig; eines gesonderten Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 SGG hinsichtlich der Kostengrundentscheidung bedurfte es nicht (vg BSG, Urteil vom 19. Juni 2012 – B 4 AS 142/11 R – juris - mwN). Der Beklagte war als Behörde, die über den Widerspruch entschieden hat, auch für die Kostenentscheidung zuständig.

Die Klage ist indes unbegründet.

Die Voraussetzungen für den begehrten Aufwendungsersatz nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, wenn der Widerspruch erfolgreich ist. Erfolg iS des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der Widerspruch nur dann, wenn die Behörde ihm stattgibt (vgl BSG aaO mwN). Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. September 2013 hatte entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Erfolg, denn er wurde vom Beklagten (bestandskräftig) zurückgewiesen.

Ebenso wenig liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X vor. Danach gilt die Rechtsfolge des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X (Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen im Vorverfahren) auch, wenn der Widerspruch "nur" deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich ist. Nach § 41 Abs. 1 SGB X ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 SGB X nichtig macht, unbeachtlich, wenn ua die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird (Nr. 2). Die Regelung des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X stellt also nur eine eng begrenzte Ausnahme gegenüber dem in Satz 1 als Grundregel formulierten Erfolgs- oder Unterliegensprinzip dar, das aber nicht zugunsten eines allgemeinen Billigkeitsprinzips aufgegeben wird. Anders als die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten im Rahmen eines Gerichtsverfahrens nach § 193 SGG, die auch die Kosten eines vorangegangenen - nicht isolierten - Widerspruchsverfahrens umfasst, steht der Inhalt der Kostenentscheidung nach § 63 Abs. 1 SGB X nicht im "billigen Ermessen" der Widerspruchsbehörde. Während § 193 Abs. 1 SGG dem Gericht mangels inhaltlicher Vorgaben ein solches Ermessen einräumt (vgl. Leitherer aaO § 193 Rn 12 ff.), fehlt eine solche Regelung in § 63 Abs. 1 SGB X (vgl BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 - B 13 R 15/10 R - juris). Gleiches gilt für § 80 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG), dem § 63 Abs. 1 SGB X nach gesetzgeberischem Willen nachgebildet ist (vgl BT-Drucks. 8/2034 S. 36 zu § 61 des Entwurfs). Die § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X entsprechende Vorschrift des § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG wurde zwar aus Billigkeitsgründen eingeführt (BT-Drucks. 7/910 S. 92 zu § 76 des Entwurfs). Der Regelung bedurfte es jedoch, weil auch § 80 VwVfG nur bei einem erfolgreichen Widerspruch eine Kostenerstattung vorsieht und der Widerspruchsführer im Verwaltungsverfahren im Gegensatz zum Verwaltungsprozess im Fall einer nachträglichen Heilung des streitigen Verwaltungsaktes nicht bereits durch eine Erledigungserklärung die Kostenlast abwenden kann. Der Grund für die Kostenerstattung trotz Erfolglosigkeit des Widerspruches liegt demnach auch bei § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X in der - ursprünglichen - Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes aufgrund des Verfahrens- oder Formmangels und der damit einhergehenden Berechtigung des Widerspruches. Soweit in Satz 2 also Billigkeitsgründe in die Kostenentscheidung einfließen, sind sie unverändert verknüpft mit einem Erfolg des Widerspruches, der hier nur durch nachträgliche Heilung "entfällt". Das Erfolgsprinzip wird demnach nicht zugunsten eines allgemeinen Billigkeitsprinzip aufgegeben, das die Berücksichtigung von Veranlassungsgesichtspunkten erlaubte (vgl LSG Stuttgart, Urteil vom 19. Mai 2011 – L 7 AS 109/11 – juris). Im gesetzlichen Wortlaut findet dies seinen Niederschlag durch die ausdrückliche Formulierung, dass der Widerspruch "nur" wegen der Unbeachtlichkeit des Fehlers nach § 41 SGB X keinen Erfolg hat. Auf die von der Klägerin herangezogene Regelung des § 63 Abs. 1 Satz 3 SGB X lässt sich die allgemeine Berücksichtigung von Veranlassungsgesichtspunkten nicht stützen. Danach hat Aufwendungen, die durch das Verschulden eines Erstattungsberechtigten entstanden sind, dieser selbst zu tragen. Dabei handelt es sich um eine allein auf den Erstattungsberechtigten bezogene Einschränkung der Kostenerstattung, die gerade nicht an das Verhalten des Erstattungsverpflichteten anknüpfend den Kostenerstattungsanspruch ausdehnt. Bereits aus dem Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X ergibt sich daher, dass eine Kostenerstattung auch nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht in Betracht kommt, wenn neben der Unbeachtlichkeit nach § 41 SGB X auch andere Gründe dem Erfolg entgegenstehen. Die nachträgliche Heilung muss der einzige Grund sein, der den Erfolg letztlich vereitelt.

Gerade hieran fehlt es jedoch im Falle der Klägerin. Geht man zu ihren Gunsten davon aus, dass der Bescheid vom 3. September 2013 nicht mit einer ordnungsgemäßen Begründung iSd § 35 Abs. 1 SGB X versehen war, da insbesondere die Berechnung des Zinsanspruches nicht dargelegt wurde und daher nicht ohne weiteres überprüfbar war, wäre dieser Formfehler durch die im Widerspruchsbescheid vom 6. November 2013 enthaltene ausführliche Erläuterung der Berechnung des Zinsanspruches zwar gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X unbeachtlich geworden (nachträgliche Heilung). Dem Erfolg des Widerspruches stand jedoch ein weiterer Grund entgegen.

Wird mit dem Widerspruch über die Beanstandung des Verfahrens- oder Formfehlers hinaus auch eine andere Sachentscheidung begehrt, richtet sich die Erstattungsfähigkeit der Kosten nach dem Erfolg des Widerspruches in der Sache selbst (vgl. LSG Stuttgart aaO mwN). Mit dem angefochtenen Bescheid hatte der Beklagte, wie dargestellt, einen Zinsanspruch iHv 6,57 EUR zuerkannt. Entgegen ihrer im Klageverfahren vertretenen Auffassung hatte die Klägerin mit ihren Widerspruch nicht nur eine fehlende Begründung gerügt. Eine derartige ausdrückliche Einschränkung des Rechtsschutzbegehrens lag gerade nicht vor. Vielmehr lässt die von ihrem Prozessbevollmächtigten gewählten Formulierung "u.a. kann die Berechnung bzw. die Höhe der Zinsen nicht nach vollzogen werden" sich nur so deuten, dass die Klägerin mit ihrem Widerspruch einen von ihr vermuteten höheren Zinsanspruch durchsetzen wollte. Allein die Aufhebung des Bescheides hätte sie diesem eigentlichen Begehren nicht näher gebracht. Ein reiner Anfechtungswiderspruch wäre daher mangels Rechtsschutzinteresses unstatthaft gewesen. Vielmehr war er mit einem auf Leistung gerichteten Begehren zu verknüpfen. Der Widerspruch der Klägerin hatte daher nicht schon dann Erfolg iSd § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X, wenn der Ausgangsbescheid formell rechtswidrig war, sondern erst dann, wenn ihr ein höherer Zinsanspruch zuerkannt worden wäre. Hieran fehlt es vorliegend. Die Klägerin hatte, was sie mittlerweile selbst nicht mehr in Abrede stellt, keinen derartigen Anspruch. Dies steht auch aufgrund des bestandkräftig gewordenen Regelungssatzes des Bescheides vom 3. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2013 zwischen den Beteiligten bindend fest (§ 77 SGG). Denn insoweit hat die Klägerin den genannten Bescheid im Klageverfahren nicht angefochten.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Klägerin ihren Widerspruch auf die isolierte Anfechtung des ihrer Ansicht nach formell rechtswidrigen Bescheides beschränkt hätte und ein solcher isolierter Anfechtungswiderspruch statthaft wäre, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Denn dann stünde dem Erfolg des Widerspruchs als weiterer Grund die Regelung des § 42 SGB X entgegen: Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Satz 1 gilt nicht, wenn die erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt ist.

Der Senat teilt die in der Literatur zum Teil vertretene Auffassung (vgl Roos, in von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 63 Rn. 24), § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X sei auf die Fälle des § 42 SGB X entsprechend anzuwenden, nicht. Es fehlt nach dem oben Ausgeführten bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Dass die Anwendungsfälle des § 42 SGB X vom Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht erfasst werden, entspricht gerade dem beschriebenen gesetzgeberischen Regelungskonzept, die Kostenentscheidung allein an den Erfolg des Widerspruches zu knüpfen und Billigkeitserwägungen nur in einem eng begrenzten - ebenfalls erfolgsbezogenen - Ausnahmefall zu berücksichtigen. In den Anwendungsfällen des § 42 SGB X hat der Gesetzgeber aber abstrakt und unabhängig von einer späteren (Nachholungs-)Handlung der Behörde Widersprüchen den Erfolg versagt. Eine Ausdehnung des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auf solche Fallkonstellationen stellte eine systemwidrige Einführung von Veranlassungsgesichtspunkten iS allgemeiner Billigkeitserwägungen in die Kostenentscheidung dar und widerspräche damit dem gesetzgeberischen Willen (gegen eine Ausdehnung auf § 42 SGB X auch LSG Stuttgart aaO, ThürLSG, Beschluss vom 25. August 2011 – L 4 AS 1223/11 NZB - juris; LSG Celle, Beschluss vom 8. Mai 2012 – L 7 AS 52/11 B - juris ).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 42 Satz 1 SGB X für den Ausschluss des Aufhebungsanspruches liegen vor. Mit der Neufassung dieser Vorschrift durch das 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) bezweckte der Gesetzgeber eine Erweiterung der Heilungsmöglichkeiten auf Ermessensentscheidungen (BT-Drucks 14/4375 S 59 iVm BT-Drucks. 13/3995 S 8) und nicht etwa eine Einschränkung bereits bestehender Heilungsmöglichkeiten; für den Bereich der gebundenen Verwaltung gelten die bisherigen Grundsätze fort (vgl BSG SozR 3-4100 § 128 Nr. 15). Danach greift § 42 SGB X nicht ein, wenn sich der Fehler auf die Entscheidung ausgewirkt hat; das ist anzunehmen, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Behörde ohne den Verfahrens- oder Formfehler anders entschieden hätte (BVerwGE 69, 256). Der Fehler ist (nur) folgenlos, wenn die getroffene Entscheidung aus zwingenden rechtlichen Gründen nicht hätte anders ausfallen dürfen (BVerwGE 71, 63). Abzustellen hierbei ist wiederum auf die materielle Rechtsposition. Der Rechtsbehelf kann also nur Erfolg haben, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des überprüften Verwaltungsakts nicht erfüllt sind. Die fehlende Darstellung der zugrunde liegenden Berechnung im angefochtenen Ausgangsbescheid eröffnete jedoch nicht die konkrete Möglichkeit einer abweichenden Sachentscheidung. Vielmehr ist es offensichtlich, dass bei - objektiv – nicht gegebenem höheren Zinsanspruch nur eine Ablehnung des Leistungsantrags in Betracht kommt. Offensichtlich bedeutet dabei nicht, dass bereits aus dem Verwaltungsakt selbst die Alternativlosigkeit zu ersehen ist. Maßgeblich ist vielmehr die Sicht eines objektiven Betrachters, der als Hintergrundwissen die Umstände kennt, Einsicht in die Akten und Kenntnis der sonstigen Beweismittel hat (vgl Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, § 42 Rdnr. 20 mwN). Andernfalls wäre im Sinne eines Zirkelschlusses bei einer fehlenden oder unvollständigen Begründung immer die Offensichtlichkeit ausgeschlossen, so dass dieser formale Fehler stets beachtlich wäre, was dem Wortlaut und Zweck der Regelung nicht gerecht wird. Es wäre dann auch zu erwarten gewesen, dass für die Begründung eine ausdrückliche Regelung erfolgt - wie in § 42 Satz 2 SGB X für die Anhörung. Auch bei vollständiger Darlegung der Berechnung im Ausgangsbescheid wäre keine Festsetzung eines höheren Zinsanspruches möglich gewesen. Im Übrigen ist auch zweifelhaft, ob der Klägerin überhaupt ein Zinsanspruch zustand, da der diesen vermittelnde individuelle Leistungsanspruch der KJD – und nicht der Klägerin - zugestanden haben dürfte.

Die begehrte Kostenerstattung kann daher nicht auf § 63 SGB X gestützt werden. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch scheidet als Anspruchsgrundlage ebenfalls aus (vgl BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 15/10 R - juris). In Betracht käme allenfalls ein Anspruch auf Schadenersatz im Rahmen eines Amtshaftungsanspruches, der hier aber nicht geltend gemacht wurde und für den auch nicht der Senat, sondern die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständig wären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor. Denn der weitere Grund für den fehlenden Erfolg der Widersprüche liegt zunächst im erfolglosen Leistungsbegehren, so dass das in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch ungeklärte Verhältnis zwischen § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X und § 42 SGB X nicht allein tragend ist.
Rechtskraft
Aus
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