L 20 SO 632/16 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 590/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 632/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 22.11.2016 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin auch für das Beschwerdeverfahren. Der Antragstellerin wird ab dem 15.12.2016 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T, F, bewilligt.

Gründe:

I.

Streitig sind im Wege des Eilrechtsschutzes (noch) vorläufige Leistungen nach dem SGB XII für die Monate November und Dezember 2016.

Die 1981 in Afghanistan geborene Antragstellerin ist norwegische Staatsangehörige und reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2015 in das Bundesgebiet ein, um vor Misshandlungen (u.a.) ihres früheren Ehemannes zu fliehen. Dort wohnte sie zunächst bei ihrem Bruder oder Vetter, floh aber - ihrem Vorbringen folgend - im Dezember 2015 vor dessen drohenden Gewalttätigkeiten in ein Frauenhaus in F, in dem sie sich nach wie vor aufhält. Erwerbstätig ist die Antragstellerin seit ihrer Einreise nicht.

Durch Beschluss vom 15.06.2016 verpflichtete das Sozialgericht Duisburg (S 49 AS 1653/16 ER) die (dort beigeladene) Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, der Antragstellerin vom 19.04.2016 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch für sechs Monate, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Form des jeweiligen Regelsatzes nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin blieb erfolglos (Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 04.08.2016 - L 19 AS 1307/16 B ER). Entsprechend zahlte die Antragsgegnerin der Antragstellerin vom 19.04. bis zum 18.10.2016 Leistungen in der vom Sozialgericht tenorierten Höhe aus.

Durch Bescheid vom 06.07.2016, am 08.07.2016 mit einfachem Schreiben an die Bevollmächtigten der Antragstellerin versandt, lehnte die Antragsgegnerin den zwischenzeitlich gestellten Antrag der Antragstellerin vom 05.07.2016 auf Leistungen nach dem SGB XII ab. Den dagegen am 15.08.2016 eingelegten Widerspruch wies die Antragsgegnerin durch Widerspruchsbescheid vom 18.10.2016 zurück. Der Widerspruch sei nicht fristgerecht eingelegt und der Bescheid vom 06.07.2016 daher bestandskräftig geworden. Die dagegen erhobene Klage ist beim Sozialgericht Duisburg (S 2 SO 592/16) anhängig.

Im Rahmen eines weiteren Eilverfahrens (S 48 SO 519/16 ER), mit welchem die Antragstellerin die Weitergewährung der bisherigen Leistungen ab dem 20.10.2016 begehrte, wurde die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB XII in Höhe des Regelbedarfs bis zum 31.10.2016 (= Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung) zu erbringen (Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 20.10.2016).

Am 31.10.2016 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Duisburg erneut um Eilrechtsschutz nachgesucht und nunmehr die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB XII in der bisher zuerkannten Höhe vom 01.11.2016 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch für sechs Monate, begehrt sowie Prozesskostenhilfe beantragt. Eine Rückkehr nach Norwegen sei ihr nicht zumutbar, weil sie dort von ihrem früheren Ehemann misshandelt worden sei.

Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, die Antragstellerin sei als Erwerbsfähige gemäß § 21 SGB XII von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. Sie könne jederzeit in ihr Herkunftsland Norwegen zurückkehren und dort ihren Lebensunterhalt sicherstellen. Norwegen sei zwar kein Mitgliedstaat der Europäischen Union, habe sich jedoch durch den Beitritt als EWR-Staat verpflichtet, die Werte des Art. 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) einzuhalten. Schutz vor häuslicher Gewalt (durch u.a. den Bruder) werde der Antragstellerin auch in Norwegen geboten und sei im Hinblick auf den Wohnsitz diverser Familienmitglieder (in F) auch wirksamer als der Aufenthalt in einem in F befindlichen Frauenhaus. Die Antragsgegnerin sei insofern bereit, der Antragstellerin gemäß § 73 SGB XII Rückkehrhilfe in Form einer Fahrkarte nach Norwegen und eines Verzehrgeldes zu gewähren. Da die Antragstellerin weder über feste familiäre oder weitere soziale Kontakte noch über eine Arbeitsstellte oder Wohnung verfüge, sei ein verfestigter Aufenthalt in Deutschland nicht erkennbar.

Durch Beschluss vom 22.11.2016 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin - unter Ablehnung des Antrags im Übrigen - vom 01.11.2016 bis zum 31.12.2016 vorläufig Leistungen in Höhe des Regelbedarfs nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu gewähren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der Entscheidung Bezug genommen.

Dagegen hat die Antragsgegnerin am 30.11.2016 Beschwerde eingelegt. Sie meint weiterhin, die Antragstellerin sei als Erwerbsfähige schon dem Grunde nach nicht leistungsberechtigt i.S.d. SGB XII. Entgegen der insofern ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei sie (die Antragsgegnerin) zudem nicht verpflichtet, die in Rede stehenden Leistungen als Ermessensleistung nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII zu erbringen, zumal die vom BSG vertretene Auffassung nicht mit der Regelung des § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII vereinbar sei. Auch das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 Europäisches Fürsorgeabkommen (EFA) stehe einem Leistungsausschluss nicht entgegen. Das EFA sei schon nicht anwendbar, weil es durch die Verordnung 883/2004/EG verdrängt werde. Schließlich sei aus dem aktuellen Gesetzesentwurf zur Änderung bzw. Anpassung der Leistungsausschlüsse in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII vorliegend ausschließen wolle.

Die Antragsgegnerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 22.11.2016 zu ändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend und beantragt zudem am 15.12.2016, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu gewähren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin sowie der Streitakten S 2 SO 592/16, S 48 SO 519/16 ER und S 49 AS 1653/16 ER (sämtlich Sozialgericht Duisburg) Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.

Sie ist gemäß §§ 172, 173 SGG zwar zulässig, insbesondere gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 S. 1 SGG statthaft; denn der Wert des Beschwerdegegenstandes (= monatlicher Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1 i.H.v. 404 EUR für November und Dezember 2016) übersteigt den Mindestbeschwert von 750,01 EUR.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für die Monate November und Dezember 2016 vorläufig Leistungen nach dem SGB XII in dem tenorierten Umfang zu gewähren.

a) Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin für die genannten, allein streitbefangenen Monate einstweilen Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Höhe des Regelbedarfs nach der Regelbedarfsstufe 1 beanspruchen.

Der Umstand, dass der Bescheid der Antragsgegnerin vom 06.07.2016, mit welchem sie den Antrag der Antragstellerin vom 05.07.2016 auf Leistungen nach dem SGB XII abgelehnt hat, möglicherweise bestandskräftig und damit zwischen den Beteiligten verbindlich geworden ist (§ 77 SGG), steht dem geltend gemachten (vorläufigen) Anspruch nicht entgegen; denn bei summarischer Prüfung dürfte der gegen diesen Bescheid am 15.08.2016 erhobene Widerspruch, auch wenn er verfristet sein sollte, meistbegünstigend (vgl. zum Meistbegünstigungsgrundsatz bei der Auslegung prozessualer Erklärungen u.a. BSG, Urteil vom 10. März 1994 - 7 RAr 38/93) jedenfalls als erneuter Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab dem 15.08.2016 auszulegen sein.

Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 S. 2 SGG sind vorliegend erfüllt.

Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller sowohl das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft (i.S.v. überwiegend wahrscheinlich; vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 29.07.2003 - 2 BvR 311/03) macht (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund allerdings nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr zwischen beiden eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt.

Darüber hinaus können sich aus Art. 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Die Gerichte müssen in solchen Fällen bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, also dem Bestehen eines Anordnungsanspruchs, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Das gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. zu alledem BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05).

aa) Ausgehend hiervon hat die Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG (Urteile vom 03.12.2015 - B 4 AS 43/15 R, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R; vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R und B 14 AS 33/14 R; vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R) glaubhaft gemacht, von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Höhe des Regelbedarfs beanspruchen zu können (= Anordnungsanspruch).

(1) Die Antragstellerin ist nicht vorrangig nach einem anderen Leistungsregime als dem des SGB XII leistungsberechtigt.

(a) Eine Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 AsylbLG) ist nicht ersichtlich. Die Antragstellerin gehört insbesondere nicht zu den vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG. Es ist nicht ersichtlich, dass das Nichtbestehen eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt festgestellt wurde (vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU, der gemäß § 12 FreizügG/EU auch für Staatsangehörige der EWR-Staaten wie Norwegen gilt).

(b) Der Antragstellerin steht auch keine Grundsicherung nach dem SGB II zu.

Zwar hat sie das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze (vgl. § 7a SGB II) noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Bei summarischer Prüfung ist die Antragstellerin - entsprechend ihren eigenen, von dem Antragsgegner nicht bestrittenen Angaben - zudem erwerbsfähig und hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 i.V.m. §§ 8 und 9 SGB II.

Sie ist jedoch gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen (vgl. zur Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses den Beschluss des erkennenden Senats vom 23.05.2016 - L 20 SO 139/16 B m.w.N.). Danach sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

Insofern mag offen bleiben, ob der Antragstellerin ein Aufenthaltsrecht (allein) zur Arbeitssuche (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU) oder keinerlei materielles Aufenthaltsrecht (mehr) zusteht; denn letzterenfalls unterfiele sie erst Recht dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 2 S. 2 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R Rn. 19 ff.). Andere Aufenthaltsrechte als zum Zwecke der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU sind für die Antragstellerin nach dem FreizügG/EU bzw. dem AufenthG jedenfalls bei summarischer Prüfung - vorbehaltlich einer abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren - nicht ersichtlich und werden von der Antragsgegnerin auch nicht behauptet. Insofern verweist der Senat auf die Gründe der Entscheidung des Sozialgerichts vom 15.06.2016 in dem vorangegangenen Eilverfahren (S 49 AS 1653/16 ER) sowie des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 04.08.2016 - L 19 AS 1307/16 B ER).

Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA steht dem Leistungsausschluss der Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II nicht entgegen. Nach Art 1 des Abkommens, das u.a. die Bundesrepublik Deutschland und Norwegen unterzeichnet haben, ist jeder der Vertragschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu erbringen, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind.

Zwar unterfällt die Antragstellerin dem persönlichen Anwendungsbereich des EFA, weil sie norwegische Staatsangehörige und Norwegen Unterzeichnerstaat dieses Abkommens ist. Das EFA ist jedoch sachlich nicht einschlägig. Nachdem die Bundesregierung am 19.12.2011 gemäß Art. 16 Abs. b S. 2 EFA einen Vorbehalt hinsichtlich der Anwendung der Leistungen nach SGB II auf die Staatsangehörige der anderen Vertragsschließenden erklärt hat, ist das EFA insoweit nicht (mehr) anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 20.01.2016 - B 14 AS 15/1 R, Rn. 23 m.w.N.). Jener Vorbehalt wurde formell und materiell wirksam erklärt (vgl. dazu im Einzelnen BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS43715 R, Rn. 17 ff.).

(2) Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 03.12.2015, 16.12.2015 und 20.01.2016, a.a.O.) hat die Antragstellerin allerdings einen Anspruch auf Existenzsicherung durch Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII in der gesetzlich festgelegten Höhe gegen die Antragsgegnerin (vgl. auch Coseriu in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 23 Rn. 63 ff.; Eicher in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 21 Rn. 35 ff.).

(a) Das BSG sieht einen solchen Anspruch (a.a.O.) nicht als nach § 21 S. 1 SGB XII von vornherein ausgeschlossen an.

Nach dieser Vorschrift erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Das BSG ist insoweit der Ansicht, die Abgrenzung der Leistungsregime des SGB II und des SGB XII könne nicht auf das schlichte Kriterium der Erwerbsfähigkeit reduziert werden; sie sei vielmehr differenzierter. Wer dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II unterfalle, sei im Sinne des § 21 S. 1 SGB XII nicht "nach dem Zweiten Buch ( ) dem Grunde nach leistungsberechtigt"; dies führe zu einer Zuweisung zum Leistungsregime des SGB XII. § 21 S. 1 SGB XII stelle gerade nicht ausschließlich auf das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit ab (vgl. BSG, Urteile vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R Rn. 40 ff. und vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R Rn. 34 f.; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.05.2014 - L 8 SO 129/14 B ER Rn. 14). Der Ausschluss von Personen, die nicht oder nicht mehr über eine Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitssuche verfügen, vom "erwerbszentrierten" Leistungsregime des SGB II nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II, führt nach Auffassung des Bundessozialgerichts deshalb dazu, "die Sperrwirkung des § 21 SGB XII entfallen zu lassen".

(b) Können diese Personen deshalb nach Ansicht des BSG grundsätzlich Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten, so setzt dies allerdings voraus, dass kein (anderweitiger) Leistungsausschluss nach dem SGB XII besteht. Bei der Antragstellerin besteht jedoch ein solcher Leistungsausschluss.

Dieser folgt zwar nicht aus § 23 Abs. 3 S. 1, 1. Alt. SGB XII (Einreise, um Sozialhilfe zu erlangen); denn bei der im einstweiligen Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung bestehen keine Anhaltspunkte für einen finalen Zusammenhang zwischen der Einreise der Antragstellerin nach Deutschland und dem von ihr begehrten Sozialhilfebezug.

Ein Leistungsanspruch ist jedoch nach § 23 Abs. 3 S. 1, 2. Alt. SGB XII ausgeschlossen (Einreise bei Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche). Ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin leitet sich nach ihrem Vortrag allenfalls aus dem Zweck der Arbeitssuche ab (s.o.).

(c) Insofern mag offen bleiben, ob schon das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA diesem Leistungsausschluss entgegensteht, weil der oben erwähnte Vorbehalt der Bundesregierung lediglich für Leistungen nach dem SGB II, nicht hingegen für solche nach dem SGB XII erklärt wurde; denn trotz des (unterstellten) Leistungsausschlusses gemäß § 23 Abs. 3 SGB XII kann nach Auffassung des BSG Sozialhilfe nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII geleistet werden, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt ist (BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R Rn. 51).

Folgt man dieser Auffassung, sieht § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII einen Anspruch der Antragstellerin auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über die Sozialhilfegewährung vor. Das Ermessen des Sozialhilfeträgers soll dabei indes nach Ansicht des BSG (a.a.O. Rn. 53) in einem Fall wie dem vorliegenden nach Grund und Höhe hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert sein. Dies sei immer dann der Fall, wenn sich das Aufenthaltsrecht des ausgeschlossenen Ausländers verfestigt habe; regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland. Denn die Freizügigkeitsberechtigung zum Zwecke der Arbeitssuche ende nach Ablauf von sechs Monaten gemäß § 2 Abs. 1a FreizügG/EU, wenn nicht weiterhin eine begründete Aussicht auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bestehe. Für diese typisierte Dauer einer Arbeitsuche von sechs Monaten nach Einreise sei der Aufenthalt noch nicht verfestigt, weil hinter der zeitlichen Begrenzung die Erwartung stehe, es handele sich um einen angemessenen Zeitraum, die Erfolgsaussichten einer Arbeitssuche in einem anderen Mitgliedstaat ohne Aufenthaltsverfestigung zu prüfen. Werde diese Erwartung enttäuscht und bleibe der tatsächliche Aufenthalt in Deutschland nach Ablauf von sechs Monaten bestehen, trete im Regelfall eine Aufenthaltsverfestigung ein; dieser könne nach geltendem Recht ausländerbehördlich entgegengetreten werden. Bestimmend für die Ermessenausübung sei insbesondere, dass der Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt im Sozialhilferecht auch ansonsten weder nach dem Grund der Einreise noch nach Berechtigung oder Dauer des Aufenthalts frage; bei der Leistungsgewährung nach dem SGB XII komme es in erster Linie auf eine gegenwärtige Hilfebedürftigkeit an. Eine Erbringung existenzsichernder Leistungen nur im Einzelfall nach Ermessen würde dann verfassungsrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG, Urteile vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 sowie vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 und 2/11) nicht mehr genügen (BSG, Urteile vom 03.12.2015 - B 44/15 R Rn. 53 ff. und Urteil vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R Rn. 45).

Nach dieser Maßgabe ist der Aufenthalt der Antragstellerin in der Bundesrepublik verfestigt; denn sie hält sich hier seit mehr als sechs Monaten auf. Zugleich steht ihr jedenfalls nach der Rechtsprechung des BSG wegen einer Ermessensreduzierung auf Null bei wirtschaftlicher Bedürftigkeit Sozialhilfe nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII zu.

(d) Diese Bedürftigkeit hat die Antragstellerin bei summarischer Prüfung glaubhaft gemacht. Sie verfügt nach ihren plausiblen Angaben nicht über einsatzpflichtiges Einkommen oder Vermögen; dies wird auch von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen.

Die Höhe der der Antragstellerin in Umsetzung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zustehenden Leistungen erstreckt sich auf den maßgeblichen Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 entsprechend der Anlage zu § 28 SGB XII. Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 35 SGB XII macht die Antragstellerin vorliegend nicht geltend.

bb) (1) Der Senat verkennt nicht, dass ein großer Teil der instanzgerichtlichen Rechtsprechung der Auffassung des BSG zu einem Anspruch nicht freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger (insbesondere zur Anwendung der Ausschlussnorm des § 21 S. 1 SGB XII und zum Anwendungsbereich der Ermessensvorschrift des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII) nicht folgt (vgl. u.a. LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016 - L 12 SO 79/16 B ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 - L 3 AS 668/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 - L 9 AS 1335/15 B ER; SG Dortmund, Beschluss vom 11.02.2016 - S 35 AS 5396/ ER; SG Berlin, Beschluss vom 11.12.2015 - S 149 AS 7191/13; dem BSG hingegen folgend LSG NRW, Beschluss vom 24.02.2016 - L 19 AS 1834/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.03.2016 - L 8 SO 48/16 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.01.2016 - L 28 AS 3053/15 B).

(2) Auch nach Ansicht des Senats ist der Antragsgegnerin zuzugeben, dass sich die Rechtsprechung des BSG erheblichen Bedenken aussetzt.

Unbeschadet der (in der Rechtsprechung ausführlich behandelten) Frage, ob die Abgrenzung der Leistungsregime des SGB II und des SGB XII in § 21 SGB XII allein anhand der "Erwerbsfähigkeit" erfolgt, läuft die Rechtsprechung des BSG erkennbar dem gesetzgeberischen Willen zuwider, der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII zugrunde liegt. Nach den Gesetzesmaterialien sollten Leistungen für den Lebensunterhalt für nicht (mehr) freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger gerade ausgeschlossen sein (vgl. BT-Drucksache 16/2711 S. 10). Insofern bestehen deutliche Zweifel an der Rechtsauffassung des BSG, dass im Anschluss an einen sechsmonatigen Aufenthalt für nicht (mehr) freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, die nach § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII von Sozialhilfeleistungen nach § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII gerade ausgeschlossen sind, nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII regelhaft doch Sozialhilfeleistungen - letztlich in Höhe üblicher Hilfe zum Lebensunterhalt - zu erbringen seien.

Abgesehen von der weiteren Frage, ob eine Verfestigung des Aufenthalts in Deutschland überhaupt durch eine typisierende Anlehnung an die Sechs-Monats-Dauer eines Aufenthalts nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU feststellbar ist, gründen sich die Bedenken gegen die Rechtsauffassung des BSG vor allem darin, dass sie die eigentlich als gesetzliche Ausnahme ausgestaltete Ermessensvorschrift des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII (vgl. zum Charakter der Regelung als besonderer Ausnahmefall etwa Coseriu, a.a.O. § 23 Rn. 27) unter zudem typisierender Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null nach sechsmonatigem Aufenthalt bei Fehlen einer Ausweisungsverfügung regelhaft anwenden will (vgl. auch LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016 - L 12 SO 79/16 B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 07.03.2016 - L 15 AS 185/15 B ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 - L 3 AS 668/15 B ER Rn. 30).

Zwar stützt sich das BSG insofern auf verfassungsrechtliche Notwendigkeiten im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG. Insofern kann der Senat einstweilen offen lassen, ob dieses Grundrecht eine wirtschaftliche Absicherung eines EU-Ausländers auf Grundsicherungsniveau unerlässlich erscheinen lässt, oder ob (auch bei Unterbleiben einer an sich möglichen Feststellung einer Ausreisepflicht nach Maßgabe des § 7 FreizügG/EU) das Anerbieten einer Hilfeleistung zur Selbsthilfe durch Rückkehr ins Herkunftsland (wie sie der Antragsgegner durch Übernahme von Reisekosten zu leisten bereit ist) verfassungsrechtlich hinreichend wäre.

Denn selbst wenn man insoweit dem BSG folgt und eine Gewährleistung des Existenzminimums durch laufende Leistungen zum Lebensunterhalt aus verfassungsrechtlichen Gründen für notwendig erachtet, so spricht doch Vieles dafür, dass eine Auslegung des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII, wie sie das BSG vorgenommen hat, die zulässigen Grenzen der Auslegung - auch unter dem Aspekt einer (vermeintlich) verfassungskonformen Auslegung - sprengt.

Die diesbezüglichen Bedenken knüpfen an Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu einer aus Sicht des Senats durchaus vergleichbaren Sachlage an. Das Gericht hat in seiner Entscheidung vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 und 2/11 (zur Frage existenzsichernder Leistungen nach dem AsylbLG) für eine Norm (§ 6 AsylbLG), die "als Ausnahmebestimmung für den atypischen Bedarfsfall konzipiert" sei, ausgeführt (Rn. 89), eine solche Norm sei "von vornherein nicht geeignet, strukturelle Leistungsdefizite im sonstigen Regelbereich" der betroffenen Leistungen (dort: § 3 AsylbLG) zu kompensieren. Es hat dabei (zu § 6 Abs. 1 S. 1 AsylbLG) ausgeführt, die Norm zeige, dass es nicht um die Grundsicherung (nach dem AsylbLG) gehe, sondern um Leistungen, die - so der Gesetzeswortlaut - "im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich" oder "zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten" seien. Der erkennbare Gesetzeszweck rechtfertige die Überlegung nicht, die Ermessensvorschrift (des § 6 AsylbLG) könne sich bei verfassungskonformer Auslegung zu einem von der Verfassung für die Existenzsicherung geforderten Anspruch wandeln.

Auch § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII aber ist schon nach seinem Wortlaut eine Regelung für den besonderen Einzelfall (s.o.), innerhalb dessen zudem eine Ermessensausübung erforderlich ist. Wandelt sich § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII in der Anwendung durch das BSG jedoch in Fällen der vorliegenden Art zu einer regelhaften Anspruchsgrundlage für Leistungen in Höhe der gesetzlich in pauschalierten Leistungssätzen festgelegten Grundsicherung, obwohl zugleich die "eigentlichen" Sozialhilfeleistungen an Ausländer des § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII ausgeschlossen sind, dürfte dies den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift unzulässig ausdehnen. Kann § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII dann aber nicht im Sinne des BSG angewendet werden, so bliebe bei Annahme einer grundrechtsverletzenden Nichtgewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums von betroffenen EU-Ausländern nur eine Aussetzung entsprechender Verfahren, um im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Unterlässt ein Gericht eine solche Vorlage an das Bundesverfassungsgericht, weil es in nicht vertretbarer Weise die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des betroffenen Gesetzes annimmt, verletzt es die Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG (BVerfG, Beschluss vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 Leitsatz 2; hiergegen stünde nach Leitsatz 1 des Beschlusses der betroffenen Behörde die Verfassungsbeschwerde offen).

(3) Der Senat kann jedoch offen lassen, ob die genannten Zweifel gegen die Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts letztlich tragen. Denn jedenfalls im Rahmen eines Eilverfahrens wie dem vorliegenden hält er es trotz dieser Zweifel nicht für geboten, von der von mehreren Senaten des BSG übereinstimmend geübten Rechtsprechung zur Auslegung bundesrechtlicher Normen abzuweichen. Zu bedenken ist dabei zum einen, dass der Senat über die Beschwerde der Antragsgegnerin endgültig entscheidet (§ 177 SGG), der Antragstellerin also im Falle einer einstweiligen Leistungsversagung eine Anrufung des BSG nicht möglich wäre, obwohl sie nach dessen Rechtsauffassung Anspruch auf die von ihr geltend gemachten Leistungen hat. Zum anderen geht es um die Absicherung des wirtschaftlichen Existenzminimums der Antragstellerin; ohne zusprechende Entscheidung wäre sie gänzlich mittellos. Höchstrichterliche Entscheidungen im Sozialrecht aber dienen der Orientierung der Rechtsanwender in Verwaltung und Instanzgerichten im Interesse einer einheitlichen Anwendung der Leistungsvorschriften. Dementsprechend müsste der Senat, wollte er - was im vorliegenden Verfahren dahinstehen kann - in einem Hauptsacheverfahren von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abweichen, durch Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG den Weg für eine Entscheidung durch das Bundessozialgericht öffnen (vgl. in diesem Sinne ebenso LSG NRW, Beschluss vom 18.04.2016 - L 6 AS 2249/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.03.2016 - L 8 SO 48/16 B ER). In der Gesamtschau erscheint es deshalb sachgerecht, der Antragstellerin einstweilen existenzsichernde Leistungen zuzusprechen, die ihr jedenfalls nach der Rechtsauffassung des BSG zustehen.

bb) Hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch i.S.v. § 86b Abs. 2 S. 2 SGG somit glaubhaft gemacht, so ist es ihr zugleich nicht zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (= Anordnungsgrund). Das Eilbedürfnis der Antragstellerin für eine gerichtliche Entscheidung folgt aus dem - für die allein streitbefangenen Kalendermonate November und Dezember 2016 - nach wie vor glaubhaft gemachten (weiteren) Fehlen jeglicher Mittel zur Bestreitung ihres Lebensbedarfs.

cc) Der Senat geht im Übrigen davon aus, dass die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der vorliegenden Entscheidung für den Fall im Wesentlichen gleichbleibender Umstände, insbesondere bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung zu § 23 SGB XII (vgl. Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, das am 01.12.2016 vom Bundestag beschlossen, aber noch nicht im Bundesgesetzblatt verkündet wurde; siehe dazu BT-Drs. 18/2011) auch über den 31.12.2016 hinaus weiterhin Leistungen in dem tenorierten Umfang erbringen wird. Anderenfalls stünde es der Antragstellerin frei, erneut einstweiligen Rechtsschutz zu suchen.

b) Hat der Eilantrag somit in dem genannten Umfang Erfolg, so steht der (mittellosen) Antragstellerin für das zweitinstanzliche Eilverfahren auch Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu (§ 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

3. Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved