L 3 R 49/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 33 R 1108/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 49/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.12.2013 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für seine in der Zeit vom 01.06.2012 bis zum 31.12.2014 bei der Beigeladenen zu 2) ausgeübten Beschäftigung.

Am 08.08.2012 ging bei der Beklagten der Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für seine am 01.06.2012 begonnene Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) ein. Der Kläger erklärte, es bestehe eine gesetzliche Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer der Rechtsanwälte in Frankfurt seit dem 05.09.2000. Seit dem 14.09.2000 sei er Mitglied der Beigeladenen zu 1). In einer vorgelegten Stellen- und Funktionsbeschreibung der Beigeladenen zu 2) findet sich folgende Passage:

"Herr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Dr. T ist in unserem Hause seit dem 01. Juni 2012 in der Funktion des Programmbereichsleiters Baurecht/Bauwesen (X Verlag) tätig."

Der Kläger legte seinen mit der Beigeladenen zu 2) am 22.11.2011 geschlossenen Einstellungsvertrag vor, auf den Bezug genommen wird.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab. Im Ergebnis wertete sie die vom Kläger als Programmbereichsleiter bei der Beigeladenen zu 2) ausgeübte Tätigkeit nicht als anwaltlich.

Hiergegen hat der Kläger am 26.07.2013 Klage erhoben. Er hat ausführlich zu den Rechtsgrundlagen der anwaltlichen Tätigkeit bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber vorgetragen und weiter begründet, er sei bei der Beigeladenen zu 2) anwaltlich tätig.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 01.06.2012 für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht nach § 6 SGB VI zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer bislang vertretenen Auffassung festgehalten.

Die Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.

Die Beigeladene zu 2) hat sich dem Antrag des Klägers angeschlossen.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 20.12.2013 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 2) stelle eine anwaltliche Tätigkeit dar. Der Kläger sei rechtsberatend, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend und rechtsvermittelnd für seinen Arbeitgeber tätig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen dieses ihr am 03.01.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.01.2014 Berufung eingelegt. Sie sieht sich durch die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 03.04.2014 in ihrer Auffassung bestätigt. Der Kläger habe auch keinen Antrag auf rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs 4 b SGB VI in der seit 01.01.2016 geltenden Fassung gestellt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.12.2013 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, er habe zum 01.01.2015 von der Beigeladenen zu 2) in eine Rechtsanwaltskanzlei gewechselt und sei für diese Tätigkeit gem. § 6 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit worden. Einen Zulassungsantrag als Syndikusrechtsanwalt gem. §§ 46, 46 a Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) mit einem auch dieses Verfahren umfassenden Rückwirkungsantrag gem. § 231 Abs 4 b SGB VI habe er nicht mehr stellen können. Es dürfe ihm jedoch nicht als Nachteil angelastet werden, dass er, aus welchen Gründen auch immer, in seiner Tätigkeit von einem nichtanwaltlichen zu einem anwaltlichen Arbeitgeber gewechselt habe. Auch sei er für die gerichtlichen Laufzeiten nicht verantwortlich. Das Landessozialgericht müsse in Anwendung der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 19.07.2016 die Berufung zurückweisen. Dieses habe einen ausführlichen Appell an die Sozialgerichte gerichtet, im Interesse des Vertrauensschutzes für eine einheitliche Versicherungsbiografie zu sorgen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten hat neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für seine in der Zeit vom 01.06.2012 bis zum 31.12.2014 bei der Beigeladenen zu 2) ausgeübten Beschäftigung.

Der Kläger stand in diesem Zeitraum als Syndikus in einem festen Dienst- bzw. Anstellungsverhältnis bei der Beigeladenen zu 2). Er hat dieser seine Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung gestellt und war in deren Arbeitsorganisation eingegliedert. Eine anwaltliche Berufsausübung ist in der äußeren Form der Beschäftigung aber nicht möglich und kann dem Berufsfeld des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden (BSG in seinen Urteilen vom 03.04.2014 - B 5 RE 3/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 13/14 R).

Nach Maßgabe vorstehender Auffassung kann das erstinstanzliche Urteil keinen Bestand haben.

Zur Überzeugung des Senats kann der Kläger auch aus der Verabschiedung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte keine für ihn günstigere Rechtsposition herleiten.

Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ist auch unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 01.01.2016 geltenden Fassung nicht zu erteilen. Denn der Kläger hat keinen Antrag auf rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs 4 b S 1 SGB VI bis zum Datum des 01.04.2016 gestellt. Damit erfüllt er unstreitig nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 231 Abs 4 b SGB VI in der Fassung durch Artikel 7 Nr 2 des Gesetzes vom 21.12.2015 (BGBl I 2517).

Auch wenn es erklärtes Ziel der Gesetzesänderung war, den vor Verkündung der Urteile des Bundessozialgerichts vom 03.04.2014 bestehenden Rechtszustand aufrechtzuhalten bzw. wiederherzustellen - so das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 22.07.2016 - 1 BvR 2534/14 unter Bezugnahme auf BT-Drucksache 18/6915 S 1ff - ist der Kläger nicht so zu behandeln, als erfüllte er die Tatbestandsvoraussetzungen des § 231 Abs 4 b SGB VI für eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht.

Die fehlende Zulassung als Syndikusrechtsanwalt im Sinne der §§ 46, 46 a BRAO in der Fassung des Artikel 8 des Gesetzes vom 21.12.2015 (BGBI I 2517) und der fehlende Antrag auf rückwirkende Befreiung bis zum Ablauf der Frist des § 231 Abs 4 b S 6 SGB VI lassen sich nicht im Wege richterlicher Gesetzesauslegung herstellen. Auch mit Blick auf die Hinweise des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung des § 231 Abs 4 b SGB VI (vgl. Schafhausen in Anwaltsblatt 2016, 719) sieht der Senat keinen Ansatz, durch Richterrecht gegen den eindeutigen gesetzlichen Wortlaut eine Erweiterung des von der Rückwirkung erfassten Personenkreises vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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