S 8 KR 756/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 KR 756/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 21.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2014 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Schlauchmagen-Operation als Sachleistung zu gewähren.

3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer adipositas-chirurgischen Maßnahme in Form einer Schlauchmagen-Operation.

Die Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

Die Klägerin reichte am 18.7.2014 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Schlauchmagen-Operation ein. Dazu übersandte die Klägerin einen Bericht der Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg 11.7.2014. Darin wurde ausgeführt, dass die Klägerin einen BMI von 49 habe. Sie habe an einer zwei jährigen Ernährungsberatung teilgenommen und alle am Markt befindlichen Diäten durchgeführt. Dies sei alles ohne Erfolg gewesen. Man bitte um Kostenübernahme. Es wurden weitere Arztberichte der behandelnden Ärzte vorgelegt, die die Schlauchmagen-Operation befürworteten. Außerdem legte die Klägerin eine ärztliche Verordnung für eine Krankenhausbehandlung sowie Rechnungen über selbst finanzierte Kurse in einem Therapie- und Präventionszentrum vor.

Die Beklagte gab am 21.7.2014 eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) in Auftrag.

Der MDK schrieb die Klägerin sodann an und teilte ihr mit, dass verschiedene Unterlagen benötigt würden. Es wurde um Vorlage der Unterlagen bis zum 1.8.2014 gebeten. Mit Schreiben vom 6.8.2014 forderte die Beklagte die Klägerin auf zur persönlichen Begutachtung am 12.8.2014 beim MDK vorstellig zu werden. Der MDK führte die Untersuchung der Klägerin durch und kam dann im Gutachten vom 13.8.2014 zu dem Ergebnis, dass die Kostenübernahme der beantragten Operation nicht empfohlen werden könne. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme:

"In einigen wenigen Fällen kann eine medizinische Indikation zur Durchführung einer adipositaschirurgischen Maßnahme bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn konservative Behandlungsmaßnahmen ausgeschöpft sind und aufgrund der Therapierefraktion ein weiterer Handlungsbedarf besteht, dem ausschließlich durch eine operative Maßnahme ausreichend gut begegnet werden kann. Unseres Erachtens liegt dies zusammenfassend bei der Versicherten nicht vor.

Es fehlt eine ärztlich kontrollierte Bewegungstherapie, Ernährungstherapie wurde zwar durchgeführt, augenscheinlich ohne großen Erfolg. Auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen wurden bisher noch nicht verfolgt. Diese Behandlungsmodalitäten sollten zum Zuge kommen. Zumindest sollte diesbezüglich ein ausreichender Behandlungsversuch unternommen werden. Bevor der Entschluss zu einem operativen Vorgehen gefasst wird, sollte der Schwerpunkt eine 12-monatige ärztlich kontrollierte konservative Therapie im Sinne eines multimodalen Behandlungskonzeptes und ärztlicherseits begleitende Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie gelegt werden. Dies könnte zum Beispiel durch eine derartige Maßnahme in einem zertifizierten Adipositaszentrum, hier in der Gegend überwiegend in Universitätskliniken, durchgeführt werden.

Darüber hinaus geben wir zu bedenken, dass laut Begutachtungsleitfaden zur bariatrischen Chirurgie des MDS eine ausreichende Evidenzlage für Patienten ab 65 Jahren nicht existiert. ( ... ) Auch dies begründet die unseres Erachtens derzeit nicht vorrangig zu sehende Therapie mittels einer Operation." (vgl. Bl. 22 der Verwaltungsakten)

Mit schriftlichem Bescheid vom 21.8.2014 lehnte die Beklagte die begehrte Kostenübernahme ab. Sie stützte sich zur Begründung auf das Gutachten des MDK. Noch am gleichen Tag informierte die Beklagte die Klägerin telefonisch über die Ablehnung und "erläuterte das Ablehnungsschreiben" (vgl. Bl. 25 der Verwaltungsakten).

Die Klägerin legte am 28.8.2014 Widerspruch ein. Zur Widerspruchsbegründung führte die Klägerin aus, dass sie – seit 40 Jahren - zahlreiche konservative Therapiemaßnahmen bereits durchgeführt habe. Sie sehe keinen Sinn darin noch einmal ein Jahr eine Diät, eine Therapie und Sport zu machen. Sie habe außerdem schon 2 Jahre in einem Therapiezentrum mit Geräten und Laufband gearbeitet. Bis vor einem Jahr sei sie auch täglich walken gewesen, was jetzt aber aufgrund von Gelenkproblemen in den Knien nicht mehr gehe. Ergänzend legte die Klägerin eine Stellungnahme der Kreisklinik in Darmstadt-Dieburg vor, die ihre Auffassung stützen sollte. Wörtlich heißt es darin:

"Seit 1996 beschäftige ich mich mit der operativen Behandlung des krankhaften Übergewichtes und in der für mich zugänglichen Weltliteratur, sind keinerlei Daten zu Erfolgen konservativer Maßnahmen bekannt, die bei einem BMI von nahezu 50 mittel- u. langfristig nennenswerte Gewichtsabnahme dokumentieren. ( ...) Hinweisen möchte ich auch auf die Nice Guidance des britischen Gesundheitsdienstes. Dort wird den Patienten mit ähnlichem BMI wie bei der Versicherten nahezu stets und ohne konservative Vorbehandlung durch die Kollegen zur OP geraten. ( ...) Das Argument, nicht belastbare Daten für Patienten älter 65, trägt aus meiner Sicht nicht. Wir bringen alle unsere Patienten, - wie die meisten zertifizierten oder den Zertifizierungsprozess anstreben in Kliniken - in eine Qualitätsstudie, unter Federführung der Universität Marburg, ein.

Mit diesen Daten werden sicherlich - wie mir aus zahlreichen eigenen Fällen seit 1996 bestens bekannt - die Erfolge der operativen Behandlung auch bei "älteren Betroffenen" eindrucksvoll belegt werden können." (vgl. Bl. 29 der Verwaltungsakt)

Die Beklagte gab eine ergänzende Stellungnahme des MDK in Auftrag. Der MDK blieb jedoch bei seiner Auffassung. Auf die Stellungnahme auf Bl. 32 bis 33 der Verwaltungsakt wird Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2014 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte stützte sich weiterhin auf die Gutachten des MDK.

Die Klägerin hat am 9.12.2014 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.

Zur Klagebegründung führt die Klägerin aus, dass sie die Voraussetzungen für die Magenschlauch-Operation erfülle. Die konservativen Therapiemaßnahmen seien ausgeschöpft. Auf nicht-chirurgischem Wege werde sie nicht signifikant und nachhaltig an Gewicht verlieren. Der Body-Maß-Index betrage annähernd 50. In diesen Fällen bestünden nur äußerst selten Behandlungserfolge im Rahmen von konservativen Therapien. Es liege eine ultima-ratio-Situation vor. Die Klägerin verweist auf eine Reihe von Urteilen, die ihren Standpunkt stützen sollen.

Die Klägerin beantragt:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 21.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2014 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Schlauchmagen-Operation als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und auf die Gutachten des MDK.

Das Gericht hat sodann Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Dr. E. führte aus, dass die Klägerin häufig Diäten und eine zweijährige Ernährungsberatung durchgeführt habe. Es würden zahlreiche Erkrankungen vorliegen. Es bestünde eine eingeschränkte Beweglichkeit, Hypertonie mit Entgleisungen, permanentes Vorhofflimmern, COPD und LWS- und BWS-Schmerzen. Es liege eine deutliche Zunahme der Beschwerden der Klägerin vor (vgl. Bl. 25-26 der Gerichtsakten). Auch der Arzt G. führte aus, dass die Klägerin über Belastungsdyspnoe und Bewegungseinschränkungen leide sowie an zahlreichen weiteren Erkrankungen. Es sei eine weitere Verschlechterung zu erwarten. Es bestehe die Gefahr eines Schlaganfalls. Neben den orthopädischen Erkrankungen könnten weitere Erkrankungen wie Diabetes Mellitus auftreten. Insofern komme der Gewichtsreduktion eine zentrale Bedeutung zu (vgl. Bl. 27-28 der Gerichtsakten).

Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Sachverständigen Dr. F. eingeholt. Der Sachverständige hat die Klägerin persönlich untersucht und kam im Gutachten vom 10.2.2016 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin ein Adipositaserkrankung bei einem BMI von 45,7 sowie Bluthochdruck, eine Herzrhythmusstörung, eine chronisch-obstruktive Bronchitis, ein Wirbelsäulenverschleiß, ein Kniegelenkverschleiß, eine Fußfehlform, ein Fersensporn, eine Schilddrüsenvergrößerung und einen Darmteilverlust vorliege. Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, dass bei der Klägerin eine medizinische Indikation für den begehrten adipositas-chirurgischen Eingriff vorliege. Es bestünden keine Kontraindikationen. Alle konservativen Behandlungsmaßnahmen seien ausgeschöpft. Lediglich eine Verhaltenstherapie sei von der Klägerin nicht durchgeführt worden. Eine solche erscheine vor dem Hintergrund des unauffälligen psychiatrischen Untersuchungsbefundes aber nicht indiziert. Mittels einer verhaltenstherapeutischen Maßnahme können eine Gewichtsreduktion nicht erreicht werden. Insofern seien die konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Art und Schwere der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen würden dafür sprechen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann. Es liege eine ultima-ratio erforderliche Behandlungsmethode vor. Eine Untersuchung auf anderem Fachgebiet sei nicht erforderlich. Für die weiteren Einzelheiten des Sachverständigengutachtens wird auf Bl. 45-89 in der Gerichtsakten Bezug genommen.

Die Beklagte legte eine weitere Stellungnahme des MDK vor. Der MDK führte aus, dass in Anbetracht der Berücksichtigung des Alters der Klägerin vor dem Hintergrund der 2015 erfolgten Darmoperation eine Empfehlung für die gewünschte Operation nicht ausgesprochen werden könne. Die Klägerin solle in einem stationären multimodalen Therapieregime mit Ernährungsberatung, Aqua-Sport, Fahrrad fahren, Walking sowie mit supportiven psychotherapeutischen Gesprächen zugeführt werden. Im Anschluss könne sie ambulant konservativ weiter behandelt werden. Eine Verhaltenstherapie sei in jedem Falle zielführend. Für die weiteren Einzelheiten der MDK-Stellungnahme wird auf Bl. 97 98 der Gerichtsakten Bezug genommen.

Das Gericht hat sodann ein Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dr. F. in Auftrag gegeben. Der Sachverständige Dr. F. hat in seinem Ergänzungsgutachten vom 26.8.2016 ausgeführt, dass die Ausführungen des MDK nicht korrekt seien. Der Einschätzung des MDK, dass eine Kontraindikation vorliege sei zu widersprechen. Relevante Folgen der operativen Behandlung aus dem Jahre 2015 würden nicht bestehen. Es würden zwar deutlich erhöhte Operationsrisiken existieren. Diese seien aus Sicht des Sachverständigen jedoch "beherrschbar". Außerdem würden die Risiken, die bei einer nicht durchzuführenden drastischen Reduktion des Körpergewichtes bei der Klägerin auftreten würden (insbesondere von Seiten der Wirbelsäule und der Funktionsstörung der unteren Extremitäten) aus Sicht des Sachverständigen mögliche Operationsrisiken aufgewogen werden. Die vorliegenden Erkrankungen der Klägerin würden keine Kontraindikationen für die gewünschte bariatrische Operation darstellen. Für die weiteren Einzelheiten des Ergänzungsgutachtens wird auf Bl. 107-110 der Gerichtsakten Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 14.12.2016 wies das Gericht darauf hin, dass die Klägerin ihren Anspruch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) gegebenenfalls auch auf § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V stützen kann.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin kann im vorliegenden Fall ihren Anspruch auf die begehrte Schlauchmagen-Operation sowohl auf § 13 Abs. 3a S. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) stützen, als auch auf § 27 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 SGB V. Daher ist die Beklagte verpflichtet, die Schlauchmagen-Operation als Sachleistung zu gewähren. Die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und daher aufzuheben.

Im Einzelnen:

1. Die begehrte Schlauchmagenoperation gilt im vorliegenden Fall gemäß § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V als genehmigt, weil die Beklagte die in § 13 Abs. 3a SGB V vorgesehenen Fristen nicht eingehalten hat.

Im Einzelnen:

a) Voraussetzung für den Eintritt der Genehmigungsfiktion ist zunächst, dass der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V eröffnet ist. In zeitlicher Hinsicht greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Versicherte ab dem 26.2.2013 stellen. Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift gilt, dass Ansprüche auf unmittelbare Geldleistungen und Ansprüche für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von § 13 Abs. 3a SGB V nicht erfasst sind (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016, Az. B 1 KR 25/15 R).

Des Weiteren sieht der Wortlaut des § 13 Abs. 3a S. 1 bis 7 SGB V hinsichtlich der einzelnen Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion vor:

"Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. ( ...) Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet."

§ 13 Abs. 3a S. 1 SGB V bestimmt also 2 exakte zeitliche Höchstgrenzen, nämlich die grundsätzlich für die Entscheidung der Krankenkasse geltende 3-Wochen-Frist und abweichend davon eine Frist von 5 Wochen, wenn eine gutachtliche Stellungnahme des MDK eingeholt wird. Diese Entscheidungsfristen gelten nur für das Antragsverfahren, nicht für das Widerspruchsverfahren. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes beginnt sowohl der Lauf der 3-Wochen-Frist als auch der 5-Wochen-Frist mit dem Antragseingang. Die Fristen werden gemäß § 26 Abs. 1, 3 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in entsprechender Anwendung der §§ 187 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berechnet (vgl. jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 13 SGB V, Rn. 61, 62).

b) Im vorliegenden Fall sind alle Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V zum Eintritt der Genehmigungsfiktion für die Schlauchmagen-Operation erfüllt.

Im Einzelnen:

(1) Der sachliche und zeitliche Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V ist hier eröffnet, da die Klägerin ihren Antrag auf die gewünschte Schlauchmagen-Operation erst am 18.7.2014, somit nach dem 26.2.29013, gestellt hat. Außerdem geht es der Klägerin weder um eine unmittelbare Geldleistung noch um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation, sondern um die Bewilligung einer bestimmten stationären Krankenhausbehandlung.

(2) Die vom der Klägerin begehrte Sachleistung einer Schlauchmagen-Operation gilt im vorliegenden Fall auch im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V als genehmigt. Denn die Beklagte hat im vorliegenden Fall die Fristen des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht eingehalten und sie hat dies der Klägerin auch nicht schriftlich im Sinne von § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V mitgeteilt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen der Kammer:

(a) Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 13 Abs. 3a SGB V sind in weiten Teilen in der Rechtsprechung und der wissenschaftlichen Literatur umstritten. Das Bundessozialgericht hat zur Auslegung von § 13 Abs. 3a S. 1 bis 7 SGB V in dem Urteil vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) nunmehr insbesondere ausgeführt:

"Der Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V) ist in der Erstattungsregelung (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V) verkürzend mit den Worten "nach Ablauf der Frist" vorausgesetzt. Gemeint ist nicht jeder Fall des Ablaufs der Fristen nach § 13 Abs 3a S 1 oder S 4 SGB V. Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V) und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V) vielmehr voraus, dass die KK keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilte. Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung von der KK verlangen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 29 f). Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der KKn zu beschleunigen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, aaO S 29), zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die KK zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggf wiederholt - mitteilen." (Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

Diesen Ausführungen des Bundessozialgerichts schließt sich die Kammer an.

(b) Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Beklagte die Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht eingehalten hat.

Die Frist begann am 19.7.2014 (vgl. § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB), da der Antrag der Klägerin am 18.7.2014 der Beklagten zuging. Die 3-Wochen-Frist endete somit am Freitag, den 8.8.2014 und die 5-Wochen-Frist endete am Freitag den 22.8.2014 (vgl. § 26 Abs. 1 SGB X iVm § 188 Abs. 2 BGB).

Nach Auffassung der Kammer ist im vorliegenden Fall die Frist von 3 Wochen maßgeblich, weil die Beklagte die Klägerin nicht innerhalb der 3-Wochen-Frist im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 2, 5 SGB V darüber unterrichtet hat, dass sie eine gutachtliche Stellungnahme des MDK in Auftrag gegeben hat und dementsprechend auch nicht mitgeteilt hat, dass sich die 3-Wochen-Frist zur 5-Wochen-Frist verlängert. Damit wird sie den gesetzgeberischen Ziele der Beschleunigung und der Transparenz, wonach dem Leistungsberechtigten durch die Unterrichtung Klarheit darüber verschafft werden soll, ob die 3-Wochen Frist oder die 5-Wochen-Frist gilt, nicht gerecht. Insoweit nimmt die Kammer Bezug auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R), in der das Bundessozialgericht (vgl. Leitsatz 2 der Entscheidung) verlangt:

"Will eine Krankenkasse den Eintritt der Genehmigungsfiktion eines Antrags auf Krankenbehandlung hinausschieben, muss sie den Antragsteller von einem hierfür hinreichenden Grund und einer taggenau bestimmten Fristverlängerung jeweils vor Fristablauf in Kenntnis setzen."

Im jurisPraxiskommentar (2. Auflage, § 13 SGB V, Rn. 63.2) heißt es dazu:

"Entgegen der ganz überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. u. a. Noftz in: Hauck/Noftz, SGB V, K § 13 Rn. 58e; Schifferdecker, KassKomm-SGB, SGB V, § 13 Rn. 122; Rieker, NZS 2015, 294, 296) hält das BSG (v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R - juris Rn. 28) die Drei-Wochen-Frist für maßgebend, wenn die Krankenkasse den Leistungsberechtigten nicht über die (tatsächlich erfolgte) Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme unterrichtet. Für dieses Ergebnis, das durch den Gesetzeswortlaut nicht nahegelegt wird, sprechen die gesetzgeberischen Ziele der Beschleunigung und der Transparenz. Die Gesetzesmaterialien heben hervor, dass den Leistungsberechtigten durch die Unterrichtung Klarheit darüber verschafft werden soll, ob die Drei-Wochen Frist oder die Fünf-Wochen-Frist gilt (BT Drs. 17/10488, S. 32). Im Ergebnis ist dem BSG zuzustimmen. Die hier insoweit zuvor vertretene abweichende Auffassung wird aufgegeben."

Diesen Anforderungen ist die Beklagte im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden, so dass im vorliegenden Fall die 3-Wochen-Frist maßgeblich ist. Hier hat die Beklagte mit Schreiben vom 6.8.2014 die Klägerin zwar darüber informiert, dass die Einholung eines Gutachtens des MDK beabsichtigt ist. Jedoch kann die Beklagte im vorliegenden Fall einerseits nicht nachweisen, dass dieses Schreiben vom 6.8.2014 die Klägerin noch innerhalb der 3-Wochen-Frist erreicht hat, denn diese Frist lief bereits am 8.8.2014 ab (und auch das Schreiben des MDK vom 22.7.2014 mit dem lediglich Unterlagen angefordert wurden, wird den Anforderungen des § 13 Abs. 3a S. 2 SGB V nicht gerecht). Und andererseits ist die Klägerin weder vom MDK noch durch das Schreiben der Beklagten vom 6.8.2014 oder durch ein anderes Schreiben der Beklagten darauf hingewiesen worden, dass durch die Einholung eines Gutachtens des MDK nunmehr die 5-Wochen-Frist gelten soll. Die vom Gesetzgeber angestrebte Klarheit und Transparenz wurde damit nicht erreicht.

Da die Entscheidung der Beklagten aber erst nach Ablauf der 3-Wochen-Frist erging, hat die Beklagte die Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht einhalten. Da sie die Klägerin vor Ablauf der 3-Wochen-Frist auch nicht über eine taggenau bestimmte Fristverlängerung in Kenntnis setze, greift somit im vorliegenden Fall die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V.

(c) Offen bleiben kann hier die Frage, ob die Beklagte überhaupt die 5-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V eingehalten hätte, wenn es auf diese ankäme. Denn aus den dargelegten Gründen muss die Kammer diese Frage im vorliegenden Fall nicht entscheiden, da sie nicht streitentscheidend ist.

Wollte man – entgegen der dargelegten Meinung der Kammer - die Auffassung vertreten, dass hier die 5-Wochen-Frist maßgeblich wäre, so würde sich die Frage stellen, ob für das Einhalten der 5-Wochen-Frist lediglich der "fristgerechte Abschluss der behördeninternen Entscheidungsfindung" ausreichend ist oder ob für die Einhaltung der Frist eine "fristgerechte Bekanntgabe" der behördlichen Entscheidung erforderlich ist. Dies ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. zu den unterschiedlichen Auffassungen etwa: Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25.4.2016, Az. L 5 KR 121/16 B ER und Kassler Kommentar, § 13 SGB V, Rn. 125). Außerdem wäre hier dann ggf. weiter zu prüfen, ob gemäß dem Aktenvermerk vom 21.8.2014 (vgl. Bl. 25 der Verwaltungsakte) tatsächlich am 21.8.2014 ein Telefongespräch zwischen der Sachbearbeiterin der Beklagten und der Klägerin stattgefunden hat und was konkret in diesem Telefonat besprochen wurde und ob ggf. in diesem Telefonat ein mündlicher Verwaltungsakt ergangen ist.

Aus den unter Ziffer (b) dargelegten Gründen kommt es darauf im vorliegenden Fall jedoch nicht an, da die Beklagte die aus Sicht der Kammer maßgebliche 3-Wochen-Frist nicht eingehalten hat, so dass es zu diesen Fragen keiner Entscheidung des Gerichts bedarf.

(3) Auch die weiteren Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion liegen hier vor.

Insbesondere hat die Klägerin einen hinreichend bestimmten Antrag gestellt, der genehmigungsfähig ist. Dazu hat das Bundessozialgericht in Entscheidung vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) ausgeführt:

"Damit die Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Entsprechend den allgemeinen, in § 42a VwVfG ( ...) normierten Grundsätzen ( ...) gilt "eine beantragte Genehmigung ( ...) nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt ( ...), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist". Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen ( ...). Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist ( ...). So lag es hier. Der Klägerantrag auf Gewährung von Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen war im Rechtssinne hinreichend bestimmt und fiktionsfähig.

Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Der Antrag der Klägerin war hinreichend bestimmt und damit genehmigungsfähig. Aus dem Antrag geht hervor, dass sie wegen krankhafter Adipositas eine Schlauchmagen-Operation begehrt, für die sie einen ausführlichen Arztbericht der Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg vom 11.7.2014 vorgelegt hat, aus dem sehr detailliert hervorgeht, welche stationäre Behandlung bei der Klägerin durchgeführt werden soll. Mehr kann nach Auffassung der Kammer für einen genehmigungsfähigen Antrag nicht gefordert werden.

(4) Schließlich ist die von der Klägerin als Sachleistung begehrte Schlauchmagen-Operation auch eine Leistung, die die Klägerin im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016 für erforderlich halten darf und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Dazu hat das Bundessozialgericht in Entscheidung vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) ausgeführt:

"Der Antrag des Klägers betraf eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. (.) Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. ( ...) Die beantragte Psychotherapie unterfällt ihrer Art nach dem Leistungskatalog der GKV, wie oben dargelegt. Der Kläger konnte auch aufgrund der fachlichen Befürwortung seines Antrags durch die Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin T. die Behandlung für geeignet und erforderlich halten. Der Gedanke an einen Rechtsmissbrauch liegt fern." (Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Die Klägerin darf die begehrte Schlauchmagen-Operation – nach dem hier anzulegenden subjektiven Maßstab (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016, Az. B 1 KR 25/15 R) - aufgrund der fachlichen Befürwortung durch das Krankenhaus und der übrigen behandelnden Ärzte für erforderlich halten. Die Leistung liegt auch nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung. Vielmehr handelt es sich um eine Leistung, die das Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht. Ob hier tatsächlich die "medizinischen" Voraussetzungen für eine Schlauchmagen-Operation vorliegen oder ob die Auffassung des MDK zutreffend ist, ist für die Beurteilung im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht maßgeblich. Darauf kommt es im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht an, da die Genehmigungsfiktion nach dem Willen des Gesetzgebers nur dadurch eintreten soll, dass die Krankenkasse – wie im vorliegenden Fall - die Fristen und die Mitteilungspflichten des § 13 Abs. 3a SGB V nicht einhält. Anhaltspunkte für ein mißbräuchliches Verhalten der Klägerin liegen nicht vor.

Dass bei dieser Gesetzeslage bzw. unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Versicherte aufgrund der Genehmigungsfiktion Leistungen erhalten, die sie möglicherweise ansonsten wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes oder des Qualitätsgebotes nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung bekommen würden, ist der vom Gesetzgeber vorgesehen "Genehmigungsfiktion" des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V bzw. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts immanent, und kann dem Eintritt der Genehmigungsfiktion nicht entgegen gehalten werden, solange nicht die Offensichtlichkeits- oder Missbrauchsschwelle überschritten wird (vgl. dazu auch: jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 13 SGB V, Rn. 71.3).

(5) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann dem Eintritt der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3 a S. 6 SGB V auch nicht entgegengehalten werden, dass diese nur im Rahmen eines Kostenerstattungsanspruches eintrete. Diese Rechtsauffassung ist zwar mit guten Gründen vertretbar. Jedoch hat der 1. Senat des Bundessozialgerichts sich in der Entscheidung vom 8.3.2016 – obwohl es nur über einen Kostenerstattungsanspruch zu entscheiden hatte – auch schon dazu geäußert, ob § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V einen Sachleistungsanspruch vermitteln kann. Dazu heißt es im Urteil des Bundessozialgerichts wörtlich:

"Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 7 mwN). Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1)."

Dem schließt sich die Kammer nunmehr an. Somit kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V auch einen Sachleistungsanspruch vermitteln, den die Klägerin im vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahren auch einklagen kann. Sie muss sich nicht darauf verweisen lassen, das Risiko einer Selbstbeschaffung auf eigene Kosten zunächst einzugehen, um dann anschließend auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V zu klagen.

(6) Schließlich ist die Kammer auch davon überzeugt, dass die eingetretene Genehmigungsfiktion für die im Streit stehende Schlauchmagen-Operation nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Anhaltspunkte dafür liegen nicht vor.

(7) Im Ergebnis ist nach Auffassung der Kammer die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V eingetreten, so dass die Klägerin die begehrte Schlauchmagen-Operation als Sachleistung von der Beklagten beanspruchen kann.

2. Die begehrte Schlauchmagen-Operation kann die Klägerin im vorliegenden Fall auch gemäß §§ 27, 39 SGB V von der Beklagten als Sachleistung beanspruchen. Auch aus diesem Grunde sind die Bescheide der Beklagten rechtswidrig und daher aufzuheben.

Im Einzelnen:

a) Nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (vgl. dazu §§ 27 bis 52 SGB V).

Für die einzelnen Leistungsarten bestimmt § 27 Abs. 1 SGB V, dass ein Anspruch auf Krankenbehandlung besteht, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Krankheitswert im Rechtssinne kommt dabei nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass die Versicherte in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass sie an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.2.2008, Az. B 1 KR 19/07 R).

Die Krankenbehandlung ist grundsätzlich als Sach- oder Dienstleistung (vgl. hierzu § 2 Abs. 2 S. 1 SGB V) zu erbringen. Zur Krankenbehandlung ist dabei auch die stationäre Behandlung in einem Krankenhaus zu rechnen (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 39 SGB V), wobei § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V vorsieht, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Darüber hinaus stehen die Leistungen unter dem Vorbehalt des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Dies hat zur Konsequenz, dass Versicherte nur die notwendigen bzw. ausreichenden Leistungen beanspruchen können. Diese müssen zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen bzw. Ausreichenden nicht überschreiten (vgl. § 12 Abs. 1 SGB V). Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Dabei ist für stationäre Krankenhausbehandlungen aber auch die Regelung des § 137c SGB V zu beachten. § 137c Abs. 1 SGB V normierte für Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsgebot grundsätzliche ein Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt, welches durch den Gemeinsamen Bundesausschuss gemäß § 137c Abs. 1 S. 2-7 SGB V ausgeübt werden kann. Diese Regelung darf zwar nicht dahingehend missverstanden werden, dass im stationären Bereich im Gegensatz zur vertragsärztlichen Versorgung jedwede Methode zur Anwendung kommen kann. Jedoch wird durch § 137c Abs. 3 SGB V in Fassung vom 16.07.2015 für Methoden im Krankenhausbereich im Einzelfall die Möglichkeit eröffnet, auch Methoden zu erbringen, deren Nutzen zwar noch nicht nachgewiesen ist, die aber zumindest das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten (vgl. § 137c Abs. 3 SGB V – jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 137c SGB V, Rn. 9). Denn nach § 137c Abs. 3 S. 1 SGB V dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative kann sich etwa daraus ergeben, dass die Methode aufgrund ihres Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse mit der Erwartung verbunden ist, dass andere aufwändigere, für den Patienten invasivere oder bei bestimmten Patienten nicht erfolgreiche Methoden ersetzt werden können oder die Methode in sonstiger Weise eine effektivere Behandlung ermöglichen kann (vgl. jurisPraxisKommentar, 3. Auflage § 137c SGB V, Rn. 44).

b) Vor dem dargelegten Hintergrund ist gerade für den Bereich der bariatrischen operativen Behandlung jedoch zu berücksichtigen, dass aufgrund des dargelegten Wirtschaftlichkeitsgebotes diese Maßnahmen – als ultima ratio – dem Grundsatz nach erst dann in Betracht kommen, wenn konservative Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Insoweit verweist das Gericht auf die zutreffenden Ausführungen in der Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 22.5.2014 (Az. L 8 KR 7/11), in der es heißt:

"Unter Beachtung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen geht die Rechtsprechung im Allgemeinen davon aus, dass Behandlungsmaßnahmen, die in ein an sich gesundes Organ eingreifen, in der Regel ausgeschlossen sind. Daher kommen chirurgische Maßnahmen im Bereich des (gesunden!) Magens, die mittelbar auf eine Reduzierung der Adipositas zielen (Verfahren der bariatrischen Chirurgie), nur als "ultima ratio" und nur bei Patienten in Betracht, die eine Reihe weiterer Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllen. Die Rechtsprechung hat hierzu folgende Grundsätze entwickelt: Die Adipositas muss so gravierend sein, dass ihr Krankheitswert zukommt. Hiervon ist bei einem BMI von mindestens 40 stets auszugehen; wenn der BMI "lediglich" 35 bis unter 40 beträgt, kann dies nur bei erheblichen Begleiterkrankungen angenommen werden. Darüber hinaus wird in der Regel verlangt, dass die konservativen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind. Davon kann ausgegangen werden, wenn der Versicherte über einen längeren Zeitraum (sechs bis zwölf Monate) an einem ärztlich überwachten bzw. koordinierten multimodalen Therapiekonzept, welches unter anderem Diätmaßnahmen, Schulungen, Bewegungs- und Psychotherapie umfasst, erfolglos teilgenommen hat. Schließlich dürfen keine wesentlichen medizinischen Kontraindikationen gegen die Durchführung dieser Operation bestehen."

Darauf hat auch die Beklagte zutreffend hingewiesen. Einschränkend führt das Hessische Landessozialgericht in der zitierten Entscheidung jedoch weiter aus, dass in "Sonderfällen" von diesen strengen Vorgaben Abweichungen möglich sein sollen. Wörtlich heißt es dazu in der Entscheidung vom 22.5.2014 (Az. L 8 KR 7/11):

"Dass die Klägerin unstreitig in den letzten 6 bis 12 Monaten vor der Magenbypass-Operation nicht die klassischen konservativen Behandlungsmöglichkeiten in Form von ärztlich angeleiteter und begleiteter Ernährungs-, Bewegungstherapie und Psychotherapie in Anspruch genommen und intensiv durchgeführt hat, steht nach Überzeugung des Senats im Hinblick auf die Sondersituation der Klägerin einem Anspruch auf Gewährung einer bariatrischen Operation als Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs nicht entgegen. Zu Gunsten der Klägerin ist nämlich zu berücksichtigen, dass deren Adipositas bereits seit früher Jugend bestand und sie in den letzten Jahren immer wieder - wenn auch erfolglos - in Eigeninitiative vielfältige Bemühungen unternommen hat, ihr Körpergewicht zu reduzieren. Diese Erfolge waren jedoch wegen des sich bei ihr einstellenden Jo-Jo-Effekts nicht dauerhaft. Dass solche Konstellationen auftreten und die Art und Ausprägung einer Adipositas per magna in Einzelfällen dazu führen kann, dass eine konservative Therapie von vornherein als ohne Aussicht auf Erfolg angesehen muss, wird nunmehr auch in der S 3 Leitlinie "Chirurgie der Adipositas" vom Juni 2010 unter Abschnitt 3.2 Unterpunkt 4 Primäre Indikation hervorgehoben. Darin heißt es: "Lassen Art und/oder Schwere der Krankheit bzw. psychosoziale Gegebenheiten bei Erwachsenen annehmen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist, kann in Ausnahmefällen auch primär eine chirurgische Therapie durchgeführt werden; die Indikation hierzu ist durch einen in der Adipositastherapie qualifizierten Arzt und einen bariatrischen Chirurgen gemeinsam zu stellen. Damit hat die Leitlinienkommission ein weiteres Beurteilungskriterium nach eingehender Diskussion präzisierend in die neuen Leitlinien aufgenommen, nämlich den Begriff der geringen Erfolgsaussicht der konservativen Therapie". ( ...) Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Erfolgsaussichten einer rein konservativen Therapie mit dem Ausmaß der Adipositas in einer Wechselbeziehung stehen. Somit sind daher bei einer vergleichsweise geringen Adipositas an die Durchführung einer vorherigen konservativen Therapie strenge Anforderungen zu stellen. Je höher aber der BMI ist, desto schwieriger wird es erfahrungsgemäß, alleine durch eine Umstellung der Ernährung, Bewegungs- und Psychotherapie sowie sonstige konservative Maßnahmen eine ausreichende Gewichtsreduktion in angemessener Zeit zu bewerkstelligen. Daher ist es angemessen, wenigstens in den Sonderfällen, in denen der BMI im oberen Bereich liegt und den Wert von 40 deutlich überschreitet, eine Magenverkleinerungsoperation krankenversicherungsrechtlich auch dann zu bewilligen, wenn die hinreichend glaubhaften und ernsthaften eigeninitiativen Bemühungen des Versicherten zur Gewichtsreduktion nicht den strengen Vorgaben zu einem sechs- bis zwölfmonatigen multimodalen und ärztlich geleiteten bzw. überwachten Therapiekonzept entsprechen (vgl. Sozialgericht Mannheim, Urteil vom 17.01.2013 - S 9 KR 491/12, juris)." (Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

c) Vor dem dargelegten Hintergrund ist die Kammer davon überzeugt, dass die Voraussetzung für die Gewährung einer Schlauchmagen-Operation im Falle der Klägerin gegeben sind.

Diese Auffassung stützt die Kammer auf die vorliegenden Gutachten des Sachverständigen Dr. F., der in seinen Gutachten vom 10.2.2016 und in seinem Ergänzungsgutachten vom 26.8.2016 überzeugend und schlüssig ausgeführt hat, dass die Klägerin unter folgenden Erkrankungen leidet:

"Bei der Klägerin liegen die folgenden Gesundheitsstörungen vor:
1. Übergewichtigkeit von Krankheitswert (Körpergröße 162 cm, Körpergewicht 120 kg. BMI 45,7 kg/m2 Körperoberfläche)
2. Bluthochdruck - sekundäre Organschädigung (hypertensive Herzkrankheit) Herzrhythmusstörungen - Herzschrittmacherimplantation
3. Chronisch-obstruktive Bronchitis, fortgesetzter Nikotinmissbrauch
4. Wirbelsäulenverschleiß
5. Kniegelenkverschleiß Fußfehlform Fersensporn
6. Schilddrüsenvergrößerung (Struma nodosa)
7. Darmteilverlust, Polypenbildung 27.11.2015

Ja, es liegt eine Übergewichtigkeit mit einem Body-Maß-index von )= 40 (Körpergröße162 cm. Körpergewicht 120 kg, BMI 45,7 kg/m² Körperoberfläche) vor mit erheblichen Begleiterkrankungen. (vgl. Bl. 64 der Gerichtsakte)

Auf die Fragen (Beweisfragen 2-4), welche konkreten Behandlungsmaßnahmen bei der Klägerin in Betracht kommen, um das Übergewicht der Klägerin zu heilen, seine Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, welche davon medizinisch notwendig und wirtschaftlich sind und ob bei der Klägerin die medizinische Indikation zu einem adipositas-chirurgischen Eingriff nach den Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft bestehen, hat der Sachverständige Dr. F. nachvollziehbar und schlüssig ausgeführt, dass bei der Klägerin insbesondere die medizinische Indikation zu einem adipositas-chirurgischen Eingriff nach den Leitlinien der Deutschen Adipositasgesellschaft vorliegt und dass

"bei der Klägerin ( ...) mit Ausnahme einer verhaltenstherapeutischen Maßnahme, nach ihren Ausführungen und unter Berücksichtigung der vorliegenden Befundberichte, neben umfangreichen, bereits über viele Jahre hinweg durchgeführten diätetischen Maßnahmen auch entsprechende ärztlich begleitende Maßnahmen, Ernährungsberatungen durchgeführt [wurden]. Alle diese haben keine positive Wirkung bisher gehabt.

Letztendlich ist bei der Klägerin zuerst einmal die Durchführung einer bariatrischen Operation zu empfehlen. Hierzu ist auf die aktuellen S3-Leitlinien zu verweisen" (vgl. Bl. 64-65 der Gerichtsakte – Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen zur Überzeugung der Kammer bei der Klägerin auch keine Kontraindikationen vor. Es ist zwar zutreffen, dass aufgrund der Begleiterkrankungen der Klägerin bei ihr ein erhöhtes Operationsrisiko vorliegt. Jedoch hat der Sachverständige Dr. F. nach Auffassung der Kammer nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass diese keine Kontraindikationen bilden und das die Operationsrisiken bei der Klägerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt zum einen beherrschbar sind und zum anderen auch mit den Risiken abgewogen werden müssen, die für die Klägerin entstehen, wenn die Schlauchmagen-Operation nicht durchgeführt wird. Dazu hat der Sachverständige wörtlich ausgeführt, dass der Einschätzung des MDK, dass aufgrund der 2015 Hemicolektomie eine Kontraindikation vorliege:

"zu widersprechen [ist].

Bei der Klägerin wurde die operative Behandlung durchgeführt, relevante Folgen bestehen hier nicht. Insofern stellt dies derzeit keinesfalls eine Kontraindikation dar. Bezüglich des "[ ...] deutlich erhöhten Operationsrisikos [ ...]" ist anzumerken, dass die Bluthochdruckerkrankung sicherlich als Operationsrisiko anzusehen ist. Auch die chronisch obstruktive Atemwegerkrankung ist als ein solches anzusehen. Dabei handelt es sich aus hiesiger Sicht um durchaus beherrschbare Risiken. Die Risiken, die bei einer nicht durchzuführenden, drastischen Reduktion des Körpergewichtes auftreten, beziehungsweise die Folgeerscheinungen, insbesondere von Seiten der Wirbelsäule und der Funktionsstörungen der unteren Extremitäten, wiegen aus hiesiger Sicht das mögliche Operationsrisiko durch die zuvor genannten Gesundheitsstörungen auf.

Dies ist für die Kammer überzeugend, zumal die behandelnden Ärzte der Klägerin noch weitere bei ihr drohende Begleiterkrankungen genannt habe, wie etwa das Auftreten von Diabetes. Außerdem hat der Sachverständige gerade im Hinblick auf das bei der Klägerin vorliegende tolerable Operationsrisiko ergänzend ausgeführt,

"dass sich hier unter Berücksichtigung der jetzt vorliegenden ärztlichen Befundberichte und dem Ergebnis der jetzigen Begutachtung sonst keine relevante Einschränkungen über das Übliche beziehungsweise bei der Klägerin als Folge der genannten Gesundheitsstörungen leicht hinausgehende Operationsrisiko für eine operative Behandlung finden."

Mit im Ergebnis überzeugenden Argumenten geht der Sachverständige somit auch davon aus, dass bei der Klägerin derzeit ein tolerables Operationsrisiko besteht. Dies ist für die Kammer aus den dargelegten Gründen überzeugend. Dass der Sachverständige Dr. F. ausgeführt hat, dass jedoch "letztendlich ( ...) eine Bewertung der Operationsfähigkeit und des Operationsrisikos nur in direktem zeitlichen Zusammenhang mit der vorgesehenen Operation möglich" ist, vermag an der Richtigkeit der Einschätzung des Sachverständigen keine Zweifel zu begründen, da bei jeder Operation der die Operationsfähigkeit und das Operationsrisiko im konkreten zeitlichen Zusammenhang mit der Operation noch einmal vom operierenden Arzt/Krankenhaus geprüft werden muss. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer an der Überzeugungskraft der Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. keine Zweifel.

Des Weiteren hat der Sachverständige Dr. F. nachvollziehbar und plausibel dargelegt, dass bei der Klägerin eine ausreichende Motivation zur Gewichtsreduktion vorliegt und dass bei der Klägerin auch keine manifeste psychiatrische Erkrankung besteht.

Außerdem hat der Sachverständige Dr. F. überzeugend – und entgegen der Auffassung der Beklagten und des MDK – dargelegt, dass

"im Verhältnis zu einem operativen Eingriff ( ...) alle konservativen Behandlungsmaßnahmen ausgeschöpft [sind]. Lediglich eine Verhaltenstherapie wurde bei der Klägerin nicht durchgeführt. Dies erscheint allerdings aufgrund des völlig blanden psychiatrischen Untersuchungsbefundes und der guten Strukturiertheit der Klägerin nicht primär indiziert. Es ist nicht davon auszugehen, dass lediglich durch eine entsprechende verhaltenstherapeutische oder auch neurologisch-psychiatrisch-psychotherapeutische Maßnahme eine Gewichtsreduktion (unter Durchführung der üblichen Maßnahmen) erreicht werden kann. Insofern sind die konservativen Behandlungsmöglichkeiten aus hiesiger Sicht ausgeschöpft.

Auch dies ist für die Kammer schlüssig und überzeugend. Soweit die Beklagte demgegenüber von der Klägerin vorrangig auch die Durchführung verhaltenstherapeutischer Maßnahmen fordern, so vermag die Kammer nicht zu erkennen, wieso es für das Ausschöpfen der konservativen Behandlungsmöglichkeiten erforderlich sein soll, dass eine nicht indizierte Maßnahme durchgeführt wird, die offensichtlich keinen Erfolg bringen wird. Somit konnte die Beklagte bzw. der MDK hier keine überzeugenden Argumente vortragen. Dies hat der Sachverständige Dr. F. in seinem Ergänzungsgutachten auch noch einmal untermauert, in der er ausführte:

"Es ist auch korrekt, dass bezüglich des Substanzmissbrauches eine Nikotinabhängigkeit besteht. Dabei ist der Nikotinmissbrauch mit angegebenen zehn Zigaretten pro Tag allerdings als gering bis allenfalls mittelgradig zu bezeichnen. Auch hier ergeben sich keine Hinweise auf eine psychisch bedingte Substanzabhängigkeit. Die Ausführungen der Frau Dr. G.: "Eine psychiatrische Abklärung hat im allgemeinen meines Erachtens daher präoperativ in jedem Einzelfall zu erfolgen, eine psychotherapeutische Behandlung zum Auffangen ggf. auftretender instabiler psychologischer Zustande ist in jedem Fall bei allen Gewichtsreduktionsmaßnahmen erforderlich." sind aus hiesiger Sicht so nicht grundsätzlich zu bestätigen. Wie oben bereits ausgeführt und in dem von mir erstellten Gutachten dokumentiert, finden sich bei der Klägerin weder zum Zeitpunkt der durch mich vorgenommenen Begutachtung noch anhand der vorliegenden ärztlichen Befundberichte irgendwelche Hinweise auf eine psychische Alteration."

Diese überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. überzeugen die Kammer.

Dies gilt im Übrigen erst recht vor dem Hintergrund, dass nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. aufgrund der Art und der Schwere der zwischen bei der Klägerin eingetretenen Begleiterkrankungen davon auszugehen ist, dass eine chirurgische Therapie bei der Klägerin nicht aufgeschoben werden kann und dass es sich bei der Klägerin gewünschten bariatrischen Operation um "ultima ratio erforderliche Behandlungsmethode" handelt.

Vor dem Hintergrund der dargelegten überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. ist die Kammer davon überzeugt, dass die Voraussetzungen für die im Streit stehende Schlauchmagen-Operation vorliegen.

Im vorliegenden Fall ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin schon mehrere Jahre an einer hochgradigen Adipositas litt (teilweise mit einem BMI nahe 50 kg/m²) und dass sie auch derzeit noch einen BMI von knapp 46 kg/m² aufweist. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin inzwischen zahlreiche Begleiterkrankungen vorliegen und dass bei der Klägerin eine weitere Zustandsverschlechterung droht, wenn sie die begehrte adipositas-chirurgische Maßnahme nicht durchführen kann. Dies haben sowohl der Sachverständige Dr. F. als auch die behandelnden Ärzte der Klägerin nachvollziehbar und überzeugend dargelegt. Beispielhaft wird auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. auf S. 16-17 seines Sachverständigengutachtens Bezug genommen, wo ausgeführt wurde:

"Folgt man diesen S3-Leitlinien, die recht aktuell sind (April 2014), so wäre auf den ersten Blick bei der Klägerin die Indikation zur Durchführung einer bariatrischen Maßnahme durchaus indiziert. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass bei der Klägerin sich bereits jetzt erhebliche Folgezustände eingestellt haben, die neben dem Alter der Klägerin ( ...) mit Sicherheit auch auf die Übergewichtigkeit zurückzuführen sind. Hier ist an erster Stelle die Herz-Kreislauf-Erkrankung (Bluthochdruck mit sekundärer Organschädigung im Sinne einer hypertensiven Herzerkrankung) zu verweisen. Auch der Kniegelenkverschleiß bzw. die intermitierend auftretenden Wirbelsäulenbeschwerden sind mit hoher Wahrscheinlichkeit als eine Folge der Übergewichtigkeit als Co-Ursache mit aufzuführen. Insofern besteht prima vista die Auffassung, dass die Inidkation zur Durchführung einer bariatrischen Operation gegeben ist. ( ...) Das Ziel soll neben der deutlichen Gewichtsreduktion zum einen sein, dass die Blutdruckwerte (derzeit wird eine medikamentöse Fünffach-Therapie!!! durchgeführt) deutlich gesenkt werden können. Die sekundäre Schädigung im Sinne einer Durchblutungsstörung der Herzkranzgefäße, einer mechanischen Überlastungsreaktion des Herzens mit drohender Herzinsuffizienz können deutlich vermieden werden. Auch bezüglich der Kniegelenke zeigt sich ja bereits ein Verschleiß, eine deutliche Reduzierung des Gewichts, das unbedingt angestrebt werden müsste, führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem langsameren Fortschreiten des Kniegelenkverschleißes und somit besteht die Möglichkeit, dass die Implantation eines oder zweier künstlicher Kniegelenke vollständig vermieden werden kann. Darüber hinaus finden sich bei der Klägerin derzeit intermittierend auftretende Wirbelsäulenbeschwerden, auch hier ist davon auszugehen, dass durch eine drastische Gewichtsreduktion die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten weiterer Wirbelsäulenbeschwerden bis hin zur operativen Behandlung einer Bandscheibenschädigung bzw. eines Wirbelgleitens, die durch das deutliche Übergewicht begünstigt werden, vermieden werden kann."

Schließlich ist für die Kammer im vorliegenden Fall nicht nachvollziehbar, wieso der MDK bzw. die Beklagte hier weiter auf der Durchführung einer 6-12 monatigen multimodalen Therapie mit Ernährungsberatung, Aqua-Sport, Fahrrad fahren, Walking und psychotherapeutischen Gesprächen besteht. Denn zum einen wurde bereits dargelegt, dass überhaupt nicht nachvollziehbar ist, dass eine Psychotherapie oder eine Verhaltenstherapie bei der Klägerin zu einem Erfolg führen kann und zum anderen hat die Klägerin eine Bewegungstherapie und eine 2-jährige Ernährungsberatung sowie zahlreiche Diäten bereits durchgeführt. Außerdem ist die Klägerin in ihrer Bewegungsfähigkeit inzwischen bereits deutlich eingeschränkt, so dass die Auffassung des MDK nicht nachzuvollziehen ist, wie eine Versicherte wie die Klägerin mit einem "langsamen, schwerfälligen Gangbild", einer Belastungsdyspnoe/chronisch-obstruktiven Bronchitis, Herzkrankheiten, Knie- und Wirbelsäulenschäden und einer sehr eingeschränkten Gehfähigkeit (vgl. Bl. 48 der Gerichtsakte) mit dauerhaftem Erfolge eine mehrmonatige Bewegungstherapie mit Walking und Fahrrad fahren zur Gewichtsreduktion durchführen soll. Für die Kammer ist nicht nachzuvollziehen, wie es der Klägerin möglich sein soll, eine solche "multimodale Therapie" durchzuführen.

d) Aber selbst wenn man der Beklagten darin folgen wollte, dass die Klägerin in den letzten 6 bis 12 Monaten vor der Operation nicht die klassischen konservativen Behandlungsmöglichkeiten in Form von ärztlich angeleiteter und begleiteter Ernährungs-, Bewegungstherapie und Psychotherapie in Anspruch genommen und durchgeführt hat, so würde im vorliegenden Fall – unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts - zur Überzeugung der Kammer feststehen, dass dies

im Hinblick auf die Sondersituation der Klägerin

einem Anspruch auf Gewährung einer bariatrischen Operation als Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs nicht entgegen.

Zu Gunsten der Klägerin ist – ebenso wie in der zitierten Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 22.5.2014 (Az. L 8 KR 7/11) - nämlich zu berücksichtigen, dass deren Adipositas bereits seit früher Jugend bestand und sie in den letzten Jahren immer wieder - wenn auch erfolglos - in Eigeninitiative vielfältige Bemühungen unternommen hat, ihr Körpergewicht zu reduzieren. Dass solche Konstellationen auftreten und die Art und Ausprägung einer Adipositas per magna in Einzelfällen dazu führen kann, dass eine konservative Therapie von vornherein als ohne Aussicht auf Erfolg angesehen muss, wird auch in der S 3 Leitlinie "Chirurgie der Adipositas" vom Juni 2010 unter Abschnitt 3.2 Unterpunkt 4 Primäre Indikation hervorgehoben. Darin heißt es:

"Lassen Art und/oder Schwere der Krankheit bzw. psychosoziale Gegebenheiten bei Erwachsenen annehmen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist, kann in Ausnahmefällen auch primär eine chirurgische Therapie durchgeführt werden" (http://www.adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/Leitlinien/ADIP-6-2010.pdf)

Auch in der Interdisziplinären S3 Leitlinie "Prävention und Therapie der Adipositas" aus dem Jahre 2014 werden Ausnahmen vorgesehen, wonach auf das Ausschöpfen der konservativen Therapieoptionen verzichtet werden kann/soll und eine bariatrische Operation zur Adipositasbehandlung empfohlen wird (vgl. http://www.adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/Leitlinien/050-001l S3 Adipositas Praevention Therapie 2014-11.pdf). Danach soll eine adipositas-chirurgische Maßnahme insbesondere unter folgenden Voraussetzungen indiziert sein:

5.45 Eine chirurgische Therapie kann auch primär ohne eine präoperative konservative Therapie durchgeführt werden, wenn die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist oder der Gesundheitszustand des Patienten keinen Aufschub eines operativen Eingriffs zur Besserung durch Gewichtsreduktion erlaubt. Dies ist unter folgenden Umständen gegeben:
- Besondere Schwere von Begleit- und Folgekrankheiten der Adipositas
- BMI ) 50 kg/m2
- Persönliche psychosoziale Umstände, die keinen Erfolg einer Lebensstiländerung in Aussicht stellen.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. liegen im vorliegenden Fall die nach den S3 - Leitlinie "Chirurgie der Adipositas" sowie "Prävention und Therapie der Adipositas" im Falle der Klägerin wegen ihrem hohen BMI und ihren erheblichen Begleit- und Folgeerkrankungen der Adipositas vor, die gerade keinen Aufschub des operativen Eingriffs zur Besserung der Gewichtsreduktion duldet und weil eine weitere konservative Therapie nicht erfolgversprechend ist.

Soweit der MDK in seiner Stellungnahme vom 3.5.2016 meint, dass die in den Leitlinien genannten aus Ausnahmeindikation genannten besonders schweren Begleit- und Folgeerkrankungen nicht vorliegen würden, vermag die Kammer dem vor Hintergrund der dargelegten bereits bestehenden und der darüber hinaus bei der Klägerin noch drohenden Begleiterkrankungen nicht zu folgen, zumal der MDK seine Auffassung insoweit nicht im Ansatz begründet hat. Daher bestehen seitens der Kammer auch keine Zweifel an den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. Somit liegt hier bei der Klägerin – wie im Fall des Hessischen Landessozialgericht in der Entscheidung vom 22.5.2014 (Az. L 8 KR 7/11) – eine Sondersituation vor, die es ausnahmsweise zulässt, dass auch ohne Durchführung eines 6-12 monatigen multimodalen Therapieprogramms die Voraussetzungen der bariatrischen Schlauchmagen-Operation vorliegen.

Ergänzend verweist die Kammer auf die Ausführungen im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22.4.2014 (Az. L 8 KR 7/11), in dem es heißt:

"Der Senat stellt auf diese Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften ab, da diese eine systematisch entwickelte Hilfe für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen darstellt (siehe: www.awmf.org/leitlinien.html. Stand 20.06.2013). Auch wenn diese rechtlich nicht bindend ist, gibt sie doch wichtige Entscheidungshilfen, zumal sie auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und auf in der Praxis bewährten Verfahren beruht. Die Klassifizierung als "S3 Leitlinie" bringt zum Ausdruck, dass diese auf der Grundlage einer formellen oder systematischen Evidenzrecherche erstellt wurde und alle Elemente einer Systematischen Entwicklung (Logik-, Entscheidungs- und Outcomeanslyse, Bewertung klinischer Relevanz wissenschaftlicher Studien und regelmäßige Überprüfung) beinhaltet (www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk/ .../awmf-regelwerk ...organisation ..., Stand 20.06.2013). Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Erfolgsaussichten einer rein konservativen Therapie mit dem Ausmaß der Adipositas in einer Wechselbeziehung stehen. Somit sind daher bei einer vergleichsweise geringen Adipositas an die Durchführung einer vorherigen konservativen Therapie strenge Anforderungen zu stellen. Je höher aber der BMI ist, desto schwieriger wird es erfahrungsgemäß, alleine durch eine Umstellung der Ernährung, Bewegungs- und Psychotherapie sowie sonstige konservative Maßnahmen eine ausreichende Gewichtsreduktion in angemessener Zeit zu bewerkstelligen. Daher ist es angemessen, wenigstens in den Sonderfällen, in denen der BMI im oberen Bereich liegt und den Wert von 40 deutlich überschreitet, eine Magenverkleinerungsoperation krankenversicherungsrechtlich auch dann zu bewilligen, wenn die hinreichend glaubhaften und ernsthaften eigeninitiativen Bemühungen des Versicherten zur Gewichtsreduktion nicht den strengen Vorgaben zu einem sechs- bis zwölfmonatigen multimodalen und ärztlich geleiteten bzw. überwachten Therapiekonzept entsprechen (vgl. Sozialgericht Mannheim, Urteil vom 17.01.2013 - S 9 KR 491/12, juris)." (Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

Diese Ausführungen gelten auch im vorliegenden Fall der Klägerin und die Kammer schließt sich dem in dem vorliegenden Fall der Klägerin an.

Insbesondere hat die Kammer im vorliegenden Fall auch keine Veranlassung, die Angaben der Klägerin – die einen BMI von 45,7 kg/m² aufweist - über ihre langjährigen erfolglos gebliebenen Bemühungen zur Gewichtsreduktion in Zweifel zu ziehen. Auch der Sachverständige Dr. F. ist davon ausgegangen, dass die Klägerin ernsthaft vielfältige Versuche zur Gewichtsreduzierung unternommen hat. Somit liegt hier zumindest ein Sonderfall vor, eine bariatrische Operation krankenversicherungsrechtlich auch dann zu bewilligen ist, wenn die hinreichend glaubhaften und ernsthaften eigeninitiativen Bemühungen der Versicherten zur Gewichtsreduktion nicht den strengen Vorgaben zu einem 6- bis 12-monatigen multimodalen und ärztlich geleiteten bzw. überwachten Therapiekonzept entsprechen.

Im Ergebnis ist die Kammer somit der Auffassung, dass die Beklagte rechtlich verpflichtet ist, der Klägerin die Schlauchmagen-Operation als Sachleistung zu gewähren.

e) Die Einwände der Beklagten bzw. des MDK vermögen demgegenüber nach Auffassung der Kammer nicht zu überzeugen. Insoweit wird zunächst auf die Ausführungen unter der Ziffer b) bis d) Bezug genommen.

Soweit der MDK bzw. die Beklagte darauf hingewiesen haben, dass dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auch entgegenstünde, dass nach dem Begutachtungsleitfaden des MDS keine ausreichende Evidenzlage für Patienten ab 65 Jahren existiert und aus diesem Grunde bei der Klägerin keine Indikation für die begehrte Operation bestehe, so vermag dieses Argument ebenfalls – und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht - nicht zu überzeugen. Denn die Beklagte bzw. der MDK geben hier die Ausführungen im Begutachtungsleitfaden des MDS nur unvollständig wieder. Darin wird nämlich keineswegs die Durchführung der bariatrischen Operation bei Menschen ab dem 65. Lebensjahr ausgeschlossen. Es soll nämlich bei der dieser Personengruppe vielmehr nur eine individuelle Abwägung von Risiko und Nutzen erfolgen. Wörtlich heißt es im MDS-Leitfaden:

"Eine ausreichende Evidenzlage für Patienten ab 65 Jahren existiert nicht. Laut IQWiG Leitlinien-Recherche [27] werden in zwei Leitlinien Aussagen getroffen, die als "nicht auf RCT-basiert" eingestuft werden. Die operative Therapie birgt ein höheres Mortalitätsrisiko. Eine Senkung der Mortalität ist nicht nachgewiesen [20]. Ein Nutzen ist nach einer Leitlinie vorwiegend in der Verbesserung der Lebensqualität zu sehen. Die Bestätigung der Indikation sollte auf individueller Basis nach Abwägen von Nutzen und Risiko erfolgen." (https://www.mds-ev.de/fileadmin/dokumente/Publikationen/GKV/Begutach-tungsgrundlagen GKV/12 BLF BariatrChir 2009.pdf - Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

Auf die letzten beiden Sätze aus dem zitierten Begutachtungsleitfaden des MDS ist die Beklagte und der MDK im vorliegenden Fall jedoch nicht eingegangen. Dies verwundert, da diese Sätze den von der Beklagten und dem MDK im vorliegenden Fall gezogenen Schluss, dass bei Versicherten über 65 Lebensjahren die bariatrische Operation nicht zu gewähren sei, entgegenstehen. Vielmehr hat die Kammer – auch unter Berücksichtigung der zitierten Ausführungen aus dem Begutachtungsleitfaden - vor dem Hintergrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. und den Angaben der behandelnden Ärzte der Klägerin keinen Zweifel daran, dass hier eine medizinische Indikation für die begehrte Operation besteht. Denn nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. F. fällt im vorliegenden Fall gerade die Abwägung von Nutzen und Risiken der Schlauchmagenoperation im Falle der 71-jährigen Klägerin aufgrund der wegen der Adipositas bereits bestehenden und der zukünftig drohenden Verschlechterung des Zustandes der Klägerin, eindeutig zugunsten der von der Klägerin begehrten Operation aus.

Außerdem verweist die Kammer auf die S3-Leitlinie der Adipositas-Gesellschaft (S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas) aus dem Jahre 2010, in der es bezüglich der chirurgischen Adipositasbehandlung bei Menschen über 65 Jahren ausdrücklich heißt:

"Auch bei einem höheren Lebensalter ()65 Jahre) kann bei gutem Allgemeinzustand eine bariatrische Operation durchgeführt werden, denn das Alter allein stellt keine Kontraindikation dar. Bei Patienten im höheren Lebensalter soll die Indikation zur bariatrischen Operation besonders begründet werden. Ziel des Eingriffes ist oft die Verhinderung von Immobilität und Pflegebedürftigkeit."

Auch dies steht nach Auffassung der Kammer den Ausführungen der Beklagten bzw. des MDK entgegen.

Schließlich weist die Kammer darauf hin, dass – selbst wenn man der Beklagten bzw. dem MDK folgen wollte – die vermeintlich fehlende Evidenz der bariatrischen Operation bei Menschen über 65 Jahren dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin nicht entgegensteht. Denn § 137c Abs. 3 SGB V in Fassung vom 16.07.2015 eröffnet im Rahmen der stationären Behandlung – die auch die Klägerin hier anstrebt - für Methoden im Krankenhausbereich im Einzelfall die Möglichkeit, auch Methoden zu erbringen, deren Nutzen zwar noch nicht nachgewiesen ist, die aber zumindest das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten (vgl. § 137c Abs. 3 SGB V – jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 137c SGB V, Rn. 9). Das hier die Schlauchmagen-Operation bei der Klägerin das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, steht für die Kammer im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund der vorliegenden Arztberichte, der vorliegenden Gutachten des Sachverständigen Dr. F. und vor dem Hintergrund der Ausführungen in den zitierten S3-Leitlinien außer Frage.

Soweit der MDK in der Stellungnahme 3.5.2016 kritisiert hat, dass der Sachverständige Dr. F. mit der Klägerin die durchgeführten konservativen Maßnahmen intensiver hätte erörtern müssen, kann die Kammer diese Kritik nicht nachvollziehen. Denn zum einen kann die Kammer nicht erkennen, welche "Erörterungen" hier konkret fehlen sollen. Daher hat der Sachverständige Dr. F. in seinem Ergänzungsgutachten nach Auffassung der Kammer zutreffend auf die Kritik des MDK ausgeführt:

"Diese Aussage ist nicht korrekt. Auf den ersten Abschnitt auf Seite 2 meines Gutachtens wird verwiesen. Hier wird ausdrücklich beschrieben, dass die Klägerin gezielt dazu befragt worden ist, welche verschiedenen Maßnahmen zur Reduktion des Körpergewichtes in den letzten Jahren bisher durchgeführt worden seien."

Im Übrigen verwundert diese Kritik des MDK die Kammer doch erheblich, weil das Gericht vor dem Hintergrund der vorliegenden Gutachten davon ausgeht, dass der Sachverständige Dr. F. eine deutlich umfassendere Anamnese und Befunderhebung durchgeführt hat, als der MDK, dem es im Rahmen seiner Gutachten jederzeit möglich gewesen wäre, weitere Umstände zu ermitteln, wenn er dies für erforderlich gehalten hätte.

Hinsichtlich der weiteren Einwände des MDK bzw. der Beklagten wird auf die Ausführungen unter der Ziffer 2b) bis 2d) Bezug genommen. Auf diese wurde an den dortigen Stellen bereits eingegangen.

Im Ergebnis vermögen die Einwände der Beklagten bzw. des MDK gegen das schlüssige und plausible Gutachten des Sachverständigen Dr. F. nicht zu überzeugen.

3. Im Ergebnis war der Bescheid der Beklagten vom 21.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2014 rechtswidrig und die Beklagte war aus den dargelegten Gründen antragsgemäß zu verurteilen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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