L 8 AS 1512/13

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 40 AS 3797/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AS 1512/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 11/17 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
überschießendes Kindergeld
1. Aus der am 01.01.2008 in Kraft getretenen Neufassung des § 1612b BGB folgt keine Abkehr von dem Grundsatz, dass im Recht des SGB II Kindergeld, welches zur Bedarfsdeckung des Kindes nicht benötigt wird (überschießendes Kindergeld), entsprechend den Regelungen des EStG dem bezugsberechtigten Elternteil als Einkommen zuzurechnen ist.
2. Mit der Neufassung des § 1612b BGB sollte eine Harmonisierung zwischen Unterhalts- und Sozialrecht durch Anpassung der zivilrechtlichen Bestimmungen an die sozialrechtlichen Grundentscheidungen erreicht werden. Eine Abkehr von der grundsicherungsrechtlichen Zurechnung des Kindergeldes war mit der unterhaltsrechtlichen Neuregelung nicht intendiert.
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 2. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der den Klägern bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum Juni bis September 2012.

Die Kläger zu 1. bis 4. bezogen als Bedarfsgemeinschaft im streitigen Zeitraum von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Der 1970 geborene, im maßgeblichen Zeitraum erwerbsfähige Kläger zu 1. und die 1967 geborene erwerbsfähige Klägerin zu 2. sind miteinander verheiratet; der 1994 geborenen Kläger zu 3. ist der Sohn des Klägers zu 1., die 2010 geborene Klägerin zu 4. ist die gemeinsame Tochter der Kläger zu 1. und 2. Der gleichfalls zur Haushaltsgemeinschaft gehörende, 2001 geborene Kläger zu 5. ist der Sohn der Klägerin zu 2. Er bezog im streitigen Zeitraum keine Leistungen von dem Beklagten, da er seinen Bedarf aus eigenem Einkommen decken konnte.

Die Kläger bewohnten im maßgeblichen Zeitraum eine Mietwohnung, für die monatliche Aufwendungen in Höhe von insgesamt 455,00 EUR anfielen. Die Klägerin zu 2. erzielte Erwerbseinkommen aus einem Beschäftigungsverhältnis in Höhe von monatlich 91,04 EUR (brutto = netto). Darüber hinaus erhielt sie bis einschließlich August 2012 Elterngeld in Höhe von monatlich 150,00 EUR. Für die Kläger zu 3. bis 5. wurde Kindergeld gezahlt und zwar in Höhe von 184,00 EUR für den Kläger zu 3., in Höhe von 190,00 EUR für die Klägerin zu 4. und in Höhe von 215,00 EUR für den Kläger zu 5. Der Kläger zu 5. erhielt darüber hinaus von seinem leiblichen Vater Unterhalt in Höhe von monatlich 364,00 EUR und bezog Wohngeld in Höhe von monatlich 16,00 EUR.

Beim Kläger zu 5. ist aufgrund der Funktionsbeeinträchtigung "Taubheit rechts" ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 festgestellt. Die Klägerin zu 2. unterhält zu seinen Gunsten eine Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung als Kapitalversicherung bei der Allianz Versicherungs-Aktiengesellschaft. Die Versicherung endet mit Erreichen des 18. Lebensjahres (oder mit dem Tod) des Kindes, dann wird der (garantierte) Rückzahlungsanspruch zzgl. einer etwaigen Gewinnbeteiligung fällig, welcher dem Versicherungsnehmer zusteht. Anspruch auf die Leistungen der Unfallversicherung hat das versicherte Kind.

Zugunsten des Klägers zu 3. und der Klägerin zu 4. unterhält die Klägerin zu 2. ebenfalls bei der Allianz Versicherungs-Aktiengesellschaft eine Unfallversicherung (monatlicher Beitrag für zwei versicherte Personen in Höhe von 8,71 EUR), wobei dieser Versicherungsschutz (ausschließlich) die Folgen von Unfällen umfasst.

Mit Bescheid vom 23.05.2012 bewilligte der Beklagte den Klägern zu 1. bis 4. Leistungen für die Monate Juni bis September 2012 und zwar in Höhe von monatlich 898,31 EUR für Juni bis August 2012 sowie in Höhe von 1.048,31 EUR für September 2012. Bedarfsseitig berücksichtigte der Beklagte hierbei neben den Regelbedarfen kopfteilig die Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in tatsächlicher Höhe. Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte bedarfsmindernd das bis einschließlich August 2012 an die Klägerin zu 2. gezahlte Elterngeld (monatlich 150,00 EUR) sowie das für die Kläger zu 3. bis 5. gezahlte Kindergeld, wobei er dieses bei dem volljährigen Kläger zu 3. um die Versicherungspauschale (30,00 EUR) bereinigte. Das für den Kläger zu 5. gezahlte Kindergeld brachte der Beklagte – bereinigt um die Versicherungspauschale (30,00 EUR) und die Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung (21,31 EUR) – als Einkommen des kindergeldberechtigten Klägers zu 1. in Abzug. Dies mit der Begründung, dass der Kläger zu 5. seinen Bedarf (insgesamt 342,00 EUR [251,00 EUR Sozialgeld + 91,00 EUR anteilige KdU]) durch Unterhalt (364,00 EUR) und Wohngeld (16,00 EUR) decken könne. Das zur Bedarfsdeckung nicht benötigte Kindergeld sei damit dem Kläger zu 1. als Kindergeldberechtigten zuzurechnen. Unberücksichtigt ließ der Beklagte – da unterhalb des sog. Grundfreibetrags von 100,00 EUR liegend – das von der Klägerin zu 2. erzielte Erwerbseinkommen. Der gegen den Bescheid vom 23.05.2012 gerichtete Widerspruch der Kläger, mit welchem diese sich gegen den (vermeintlichen) Nichtabzug der Versicherungspauschale vom Kindergeld des Klägers zu 5. wandten, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 24.08.2012).

Am 30.08.2012 haben die Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben und die Bewilligung höherer Leistungen für den Zeitraum Juni bis September 2012 begehrt. Zugunsten der Kläger zu 4. und 5. sei die Versicherungspauschale von 30,00 EUR zu berücksichtigen. Beide Kinder verfügten über eine Unfallversicherung. Die Klägerin zu 4. leide an Neurodermitis, beim Kläger zu 5. sei aufgrund von Taubheit auf dem rechten Ohr ein GdB von 20 festgestellt. Die Wohnung der Kläger befinde sich an einer vielbefahrenen Hauptstraße. Im Übrigen dürfe das für den Kläger zu 5. gezahlte Kindergeld nicht beim Kläger zu 1. angerechnet werden. Dies folge aus der unterhaltsrechtlichen Regelung des § 1612b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Mit Urteil vom 02.07.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe die Leistungen für den streitigen Zeitraum dem Grunde und der Höhe nach zutreffend bemessen. Der Kläger zu 5. habe keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II, da er seinen Bedarf (342,00 EUR) durch eigenes Einkommen (364,00 EUR Unterhalt + 16,00 EUR Wohngeld = 380,00 EUR) decken könne. Die Frage, ob zu seinen Gunsten die Versicherungspauschale in Abzug zu bringen sei, wirke sich nicht aus. Denn selbst bei Berücksichtigung der Versicherungspauschale verbleibe ihm ein seinen Bedarf übersteigendes Einkommen (380,00 EUR abzgl. 30,00 EUR = 350,00 EUR ) 342,00 EUR). Hinsichtlich der Klägerin zu 4. habe die Versicherungspauschale zu Recht keine Berücksichtigung gefunden. Eine Kinderunfallversicherung für ein unter 14-jähriges Kind ohne besonderes gesundheitliches Risiko sei dem Grunde nach unangemessen (Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16.02.2012 – B 4 AS 89/11 R – juris). Ein besonderes gesundheitliches Risiko sei vorliegend nicht nachgewiesen, insbesondere begründe die angeführte Neurodermitis ein solches nicht. Ebenfalls zu Recht habe der Beklagte das für den Kläger zu 5. gezahlte Kindergeld – abzüglich der Versicherungspauschale und den Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung – als Einkommen des kindergeldberechtigten Klägers zu 1. berücksichtigt. Aus § 1612b BGB folge nichts anderes (Verweis auf Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 15.11.2007 – L 7 AS 320/06 – juris). Entgegen der Auffassung der Kläger sei der Anteil des für den Kläger zu 5. gezahlten Kindergeldes, der gemäß § 1612b BGB den Unterhaltsanspruch mindere, nicht vom Kindergeldeinkommen des Klägers zu 1. abzusetzen. Eine dies ermöglichende Regelung sei – zu Recht – nicht im SGB II enthalten. Der Unterhaltsbedarf nach bürgerlichem Recht sei nicht identisch mit dem Grundsicherungsbedarf, er könne diesen durchaus deutlich übersteigen. § 1612b BGB habe lediglich den Unterhaltsbedarf im Blick. Dagegen orientiere sich die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II an § 31 Einkommensteuergesetz (EStG) und diene allein der Sicherung des Existenzminimums des Kindes. Schließlich habe als Einkommen der Klägerin zu 2. zutreffend das bis einschließlich August gezahlte Elterngeld Berücksichtigung gefunden, wobei – angesichts der Nichtberücksichtigung des Erwerbseinkommens von monatlich 91,04 EUR – weitere Absetzbeträge (30,00 EUR Versicherungspauschale + 10,00 EUR Riesterrentenbeitrag + 23,58 EUR Kfz-Haftpflichtversicherung = 63,58 EUR ( 91,04 EUR) nicht in Betracht kämen.

Gegen das ihnen am 02.08.2013 zugestellte Urteil haben die Kläger am 13.08.2013 die vom SG zugelassene Berufung eingelegt. Der Auffassung des SG hinsichtlich der Anrechnung des Kindergeldes könne nicht gefolgt werden. Diese stehe im Widerspruch zu den Zielen des Unterhaltsrechts aus § 1612b BGB. Eine Harmonisierung bzw. Angleichung der beiden Rechtsgebiete sei angezeigt. Mit der Neufassung des § 1612b BGB habe der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, dass das Kindergeld zweckgebunden für das Kind eingesetzt werden solle. Dieses dürfe daher nicht zur Deckung anderer Bedarfe – hier des Bedarfs des Klägers zu 1. – Verwendung finden. Die Berücksichtigung der Versicherungspauschale zugunsten des Klägers zu 5. rechtfertige sich dadurch, dass aufgrund der bestehenden Taubheit rechts der Abschluss einer privaten Unfallversicherung geboten sei.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 2. Juli 2013 abzuändern und den Be- klagten unter Abänderung seines Bescheids vom 23. Mai 2012 in Gestalt des Wi- derspruchsbescheids vom 24. August 2012 zu verurteilen, ihnen weitere Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Der Abschluss einer privaten Kinderunfallversicherung sei auch in Haushalten mit Einkommen oberhalb der Grundsicherungsgrenze nicht üblich, so dass es sich nicht um einen angemessenen Versicherungsschutz handele (Verweis auf BSG, Urteil vom 20.09.2009 – B 8 SO 13/08 R – juris und BSG, Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/10 R – juris). Besonderheiten, die im vorliegenden Fall ein Abweichen von diesem Grundsatz gebieten könnten, lägen nicht vor. Weder eine bestehende Neurodermitis noch das Wohnen an einer Straße, die – wie hier – im ländlichen Gebiet liege, seien dazu geeignet, die Aufwendungen als ausnahmsweise angemessen anzusehen. In Bezug auf den Kläger zu 5. werde die Frage – wie vom SG zutreffend dargelegt – ohnehin nicht relevant. Hinsichtlich der Frage der Anrechnung des für den Kläger zu 5. gezahlten Kindergeldes habe die zum 01.01.2008 in Kraft getretene Neuregelung des § 1612b BGB für den Bereich des SGB II keine Änderungen erbracht. Kindergeld für ein zur Bedarfsgemeinschaft gehörendes Kind sei bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen als Einkommen dem Kind zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt werde. Verfüge das Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, so scheide es aus der Bedarfsgemeinschaft aus. Der nicht zur Bedarfsdeckung des Kindes benötigte Teil des Kindergeldes werde sodann dem Kindergeldberechtigten zugerechnet und als dessen Einkommen nach den Regeln des SGB II verteilt (Verweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.01.2024 – L 12 AS 888/13 NZB – juris).

Beigezogen waren die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Blatt 1-898). Auf diese und auf die Gerichtsakte wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung höherer SGB II-Leistungen für den Zeitraum Juni bis September 2012 als mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2012 bewilligt.

1. Streitig ist die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum Juni bis September 2012. Streitgegenständlich ist insoweit der Bescheid vom 23.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2012, gegen welchen sich die Kläger zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage wenden (§ 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtgesetz [SGG]).

2. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Bewilligung höherer Leistungen als mit den angefochtenen Bescheiden festgesetzt.

a) Die Kläger zu 1. bis 3. erfüllen dem Grunde nach die Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 SGB II. Die Klägerin zu 4. lebt mit den Klägern zu 1. bis 3. in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II) und ist daher nach § 7 Abs. 2 SGB II anspruchsberechtigt. Der Kläger zu 5. gehört dagegen nicht zur Bedarfsgemeinschaft. Er kann seinen Bedarf aus eigenem Einkommen decken und ist daher nicht hilfebedürftig i.S.d. § 9 SGB II. Sein Bedarf liegt bei 342,00 EUR (251,00 EUR Sozialgeld + 91,00 EUR anteilige KdU). Dem steht ein Einkommen aus Unterhalt (364,00 EUR) sowie Wohngeld (16,00 EUR) gegenüber, so dass sein Bedarf – auch ohne Berücksichtigung des für ihn gezahlten Kindergeldes – gedeckt ist. Zutreffend verweist das SG darauf, dass es insoweit unerheblich ist, ob zu seinen Gunsten die Versicherungspauschale nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung (Alg II-V) in Abzug zu bringen ist. Denn selbst bei Berücksichtigung der Pauschale in Höhe von 30,00 EUR wäre sein Einkommen (ohne Berücksichtigung des Kindergeldes) nach wie vor bedarfsdeckend (380,00 EUR abzgl. 30,00 EUR = 350,00 EUR ) 342,00 EUR). Nur ergänzend sei vor diesem Hintergrund darauf hingewiesen, dass einer Berücksichtigung der für den Kläger zu 5. bei der Allianz AG abgeschlossenen Versicherung deren Unangemessenheit entgegensteht. Denn es handelt sich bei dieser Versicherung um eine Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung als Kapitalversicherung. Diese Versicherung dient nicht in erster Linie der Absicherung gesundheitlicher Risiken, die aus der Behinderung des Klägers zu 5. folgen könnten, sondern vorrangig der Kapitalbildung. Der begleitende Unfallversicherungsschutz tritt hinter dem die Versicherung prägenden Sparzweck zurück. Die Leistungen nach dem SGB II dienen indes nicht dem Zweck, die private Kapitalbildung zu ermöglichen oder zu erleichtern. Damit ist die Versicherung als kapitalbildende Sparanlage weder dem Grunde nach, noch – mit einem Beitrag von 40,50 DM monatlich – der Höhe nach angemessen (vgl. zu einer fondsgebundenen Kinderrentenversicherung: BSG, Urteil vom 16.02.2012 – B 4 AS 89/11 R – juris RdNr. 28).

b) Die Höhe der den Klägern zu 1. bis 4. gewährten Leistungen hat der Beklagte zutreffend festgesetzt. Bedarfsseitig hat er hierbei neben den Regelbedarfen die Aufwendungen für die KdU in tatsächlicher Höhe berücksichtigt. Als Einkommen hat er neben dem Elterngeld der Klägerin zu 2. das für die Kläger zu 3. bis 5. gezahlte Kindergeld berücksichtigt.

aa) Von dem Kindergeld der Klägerin zu 4., welches bei dieser zur Bedarfsdeckung benötigt wird und daher auf ihren Bedarf anzurechnen ist (§ 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II in der Fassung vom 13.05.2011 [a.F.]), war hierbei die Versicherungspauschale nicht in Abzug zu bringen. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-V ist von dem Einkommen Minderjähriger ein Betrag in Höhe von 30,00 EUR monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, abzusetzen, wenn der oder die Minderjährige eine entsprechende Versicherung abgeschlossen hat. Hiernach kommt ein Abzug der Versicherungspauschale bereits deshalb nicht in Betracht, weil die bestehende Versicherung nicht dem Grunde nach angemessen im Sinne der vorgenannten Regelung ist. Eine Kinderunfallversicherung für ein unter 14-jähriges (hier: 1-jähriges) Kind ohne besonderes gesundheitliches Risiko stellt grundsätzlich eine dem Grunde nach unangemessene Versicherung dar, für die Beiträge nicht vom Kindergeld oder anderem Einkommen bei der Berechnung des Sozialgeldes in Abzug zu bringen sind (BSG, Urteil vom 16.02.2012 – B 4 AS 89/11 R – juris Leitsatz). Dies deswegen, weil der Abschluss einer solchen Versicherung nicht zu den in der Bevölkerung üblichen Versicherungen gehört (BSG, Urteil vom 16.02.2012 – B 4 AS 89/11 R – juris RdNr. 27; LSG Hamburg, Urteil vom 11.11.2010 – L 5 AS 58/07 – juris RdNr. 29; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.11.2012 – L 2 AS 1589/12 NZB – juris RdNr. 6). Im Jahr 2008 bestand für die allgemeine Unfallversicherung für alle Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren eine Versicherungsdichte von 37,1 % (Jungen: 37,6 %) der Wohnbevölkerung (LSG Hamburg, a.a.O. unter Verweis auf die Auskunft des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. [GDV] vom 08.11.2010). Im Jahr 2010 lag diese nach den Angaben des GDV bei 35,3 % (Jungen) bzw. 34,7 % (Mädchen), wobei insgesamt seit dem Jahr 2006 rückläufige Werte zu verzeichnen waren (2006: 38,0 % / 36,9 %, 2007: 37,6 % / 36,5 %, 2008: 37,6 % / 36,6 %, 2009: 36,1 % / 35,2 %). Auch im hier streitigen Jahr 2012 hielten nur ca. 1/3 der Familienhaushalte eine entsprechende Versicherung vor (Müller in: VW 2012, 784). Ein Verbreitungsgrad von annähernd 50 %, der es rechtfertigen würde, von einer üblichen Versicherung zu sprechen (siehe hierzu BSG, Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 13/08 R – juris RdNr. 21), wurde und wird in der Gesamtbevölkerung nicht erreicht. Erst recht handelt es sich damit nicht um eine Vorsorgeaufwendung, die üblicherweise von Beziehern knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze getätigt wird (BSG, Urteil vom 16.02.2012 – B 4 AS 89/11 R – juris RdNr. 27; Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/10 R – juris RdNr. 21; Schmidt in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 11b RdNr. 18). Dies auch deswegen, weil das mit der Versicherung abgedeckte Risiko zu großen Teilen bereits durch die gesetzliche Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch abgedeckt ist. Eines über die gesetzliche Unfallversicherung hinausgehenden Schutzes, namentlich bei Freizeitunfällen, bedarf es daher nur, wenn die individuellen Lebensverhältnisse – insbesondere eine besondere Gefährdungslage aufgrund von Krankheit oder Behinderung (BSG, Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/10 R – juris RdNr. 23) – dies gebieten. Daran fehlt es vorliegend. Die von den Klägern insoweit angeführte (nicht näher belegte) Neurodermitis geht nicht mit einer erhöhten Unfallgefährdung einher. Entsprechendes gilt für die (im Übrigen jederzeit veränderbare) Wohnsituation der Kläger. Die Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr birgt keine individuell erhöhte Gefährdungssituation in sich. Die hieraus folgenden Gefahren sind vielmehr allgemeiner Art, sie treffen jeden Verkehrsteilnehmer in gleicher Weise.

bb) Ebenfalls zu Recht hat der Beklagte das für den Kläger zu 5. gezahlte, bei diesem nicht zur Bedarfsdeckung benötigte Kindergeld – nach Abzug der Versicherungspauschale und den Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung – als Einkommen des kindergeldberechtigten Klägers zu 1. berücksichtigt. Diese Vorgehensweise entspricht den Vorgaben des Gesetzes (§ 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II a.F.) sowie der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 16.02.2012 – B 4 AS 89/11 R – juris RdNr. 16; Urteil vom 13.05.2009 – B 4 AS 39/08 R – juris RdNr. 17; Urteil vom 18.06.2008 – B 14 AS 15/07 R – juris RdNr. 34). Denn Kindergeld ist nach der Zurechnungsregel des § 62 EStG Einkommen des Kindergeldberechtigten (BSG, Urteil vom 06.12.2007 – B 14/7b AS 54/06 R – juris RdNr. 12 ff.; Urteil vom 23.11.2006 – B 11b AS 1/06 R – juris RdNr. 33 f.; Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R – juris RdNr. 25). Eine abweichende Zurechnung erfolgt grundsicherungsrechtlich (nur) dann, wenn das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder beim jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Ist dies – wie hier – nicht der Fall, verbleibt es bei der Zurechnung nach § 62 EStG.

Aus der zum 01.01.2008 in Kraft getretenen Neuregelung des § 1612b BGB folgt nichts anderes (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.02.2016 – L 7 AS 199/15 – juris RdNr. 32, Urteil vom 12.11.2015 – L 6 AS 415/14 – juris RdNr. 29 ff., Beschluss vom 22.01.2014 – L 12 AS 888/13 NZB – juris RdNr. 16, Beschluss vom 16.05.2012 – L 6 AS 10/12 B - juris RdNr. 17; Thüringer LSG, Beschluss vom 04.07.2013 – L 9 AS 395/10 – juris RdNr. 8 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.10.2015 – L 6 AS 1100/15 – juris RdNr. 19 ff.; Söhngen in: jurisPK-SGB II, 4. Aufl., Stand: 18.08.2016, § 11 RdNr. 50.2 ff.; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 01/15, § 11 RdNr. 364; Harich in: SGb 2012, 220, 225 f.; zweifelnd: Geiger in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 11 RdNr. 33). Mit der Neuregelung des § 1612b BGB erfolgt im Unterhaltsrecht seit dem 01.01.2008 eine Berücksichtigung des Kindergeldes bereits bei der Bestimmung des Bedarfs des Kindes, während bis dahin das Kindergeld auf den Barunterhaltsanspruch des Kindes angerechnet wurde. Mit der Neuregelung sollte (u.a.) eine Harmonisierung der unterhaltsrechtlichen und der sozialrechtlichen Rechtslage durch Anpassung des Unterhaltsrechts an die sozialrechtliche Rechtslage erreicht werden (BT-Drs. 16/1830, S. 29; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14.07.2011 – 1 BvR 932/10 – juris RdNr. 18). Sowohl § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II a.F. als auch nunmehr § 1612b BGB ordnen – abweichend von der grundsätzlichen kindergeldrechtlichen Zuordnung – an, dass das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Deckung des sozialrechtlichen bzw. unterhaltsrechtlichen Bedarfs des Kindes zu verwenden ist. Eine Abkehr von der grundsicherungsrechtlichen Zurechnung des Kindergeldes, wie sie § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II a.F. (§ 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II n.F.) vorsieht, war dagegen mit der unterhaltsrechtlichen Neuregelung nicht intendiert. Denn die Angleichung der unterhaltsrechtlichen Behandlung des Kindergeldes an die sozialrechtliche vermag die grundsätzliche kindergeldrechtliche Zuordnung nach § 62 EStG nicht außer Kraft zu setzen (vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.12.2003 – 5 C 25/02 – juris).

Im Übrigen wird hinsichtlich der Berechnung der Leistungshöhe im Einzelnen auf die Ausführungen im Urteil des SG sowie in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.02.2016 – L 7 AS 199/15 – juris RdNr. 35 und Beschluss vom 22.01.2014 – L 12 AS 888/13 NZB – juris RdNr. 16; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.10.2015 – L 6 AS 1100/15 – juris RdNr. 24). Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Rechtsfragen zur Anrechnung des Kindergeldes auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind in der Rechtsprechung des BSG seit Langem hinreichend geklärt (BSG, Urteil vom 16.02.2012 – B 4 AS 89/11 R – juris; Urteil vom 13.05.2009 – B 4 AS 39/08 R – juris; Urteil vom 18.06.2008 – B 14 AS 15/07 R – juris; Urteil vom 06.12.2007, B 14/7b AS 54/06 R – juris; Urteil vom 23.11.2006 – B 11b AS 1/06 R – juris; Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R – juris). Die in § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II a.F. getroffene Regelung wird – auch vor dem Hintergrund der (Neu-)Regelung des § 1612b BGB – in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung und auch nahezu einhellig in der Literatur nicht angezweifelt (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.10.2015 – L 6 AS 1100/15 – juris RdNr. 24).
Rechtskraft
Aus
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