S 62 SO 628/16 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
62
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 62 SO 628/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.) Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Verpflichtung der Antragsgegnerin, der Antragstellerin Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu gewähren.

Die am XX.XX.XXXX geborene Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige. Sie ist seit dem 25.08.1966 mit dem am 25.07.1950 geborenen bulgarischen Staatsbürger T. I. verheiratet. Im Juli 2013 reisten die Antragstellerin und Herr I. in die Bundesrepublik Deutschland ein. Dort lebten sie zunächst in I, wo Herr I ein selbständiges Gewerbe im Trockenbau unter Ausschluss handwerklicher Tätigkeiten führte. Er betrieb das Gewerbe nach eigener Auskunft bis zum 31.12.2015 und meldete es zum 03.03.2016 ab. Parallel bezogen die Eheleute in I Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), Herr I zuletzt Leistungen nach dem 4.Kapitel des SGB XII.

Am 01.03.2016 zogen die Antragstellerin und Herr I nach I1. Herr I beantragte bei der Antragsgegnerin Leistungen nach dem 4.Kapitel des SGB XII, die die Antragsgegnerin ihm nach Aktenstand seither durchgehend gewährt. Die Antragstellerin selbst beantragte zunächst beim Kommunalen Jobcenter I1 AöR Leistungen nach dem SGB II. Dieses lehnte den Antrag zunächst mit Bescheiden vom 29.02.2016 und 16.03.2016 unter Bezugnahme auf Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin ab. Einen erneuten Antrag der Antragstellerin vom 29.07.2016 lehnte das Kommunale Jobcenter I1 AöR mit Bescheid vom 01.08.2016 ab. Die Antragstellerin sei gemäß § 7 Abs.1 Satz 2 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen, weil ihr kein weitergehendes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitsuche zustehe. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2016 zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat hiergegen keine Klage erhoben.

Am 29.07.2016 beantragte die Antragstellerin durch ihre damalige Bevollmächtigte, Frau Rechtsanwältin B bei der Antragsgegnerin Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Sie fügte dem Antrag unter anderem ein ärztliches Attest einer orthopädischen Praxis bei, wonach aufgrund einer ausgeprägten Polyarthrose die Gebrauchsfähigkeit ihrer beiden Hände erheblich eingeschränkt sei. Weiter bestünden unter anderem eine Arthrose des Knies, ein degeneratives LWS-Syndrom und ein Diabetes mellitus. Die Antragsgegnerin richtete in der Folge ein Ersuchen nach § 45 SGB XII an die Deutsche Rentenversicherung Westfalen, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 41 Abs.1 Nr.2 SGB XII vorlägen. Gemäß einem weiteren orthopädischen Attest "zur Vorlage Rechtsanwalt" vom 12.09.2016 liegt keine Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin vor, "auch nicht stundenweise".

Am 20.10.2016 beantragte die Antragstellerin - vertreten durch die nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten - erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII. Sofern bis zum 28.10.2016 keine Leistungen gewährt würden, müsse ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt werden. Die Antragsgegnerin wies die Antragstellerin mit Schreiben vom 31.10.2016 daraufhin, dass über den Antrag noch nicht entschieden werden könne, weil die Frage der dauerhaften vollen Erwerbsminderung der Antragstellerin noch nicht geklärt sei.

Am 07.11.2016 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel einer vorläufigen Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen gestellt. Sie könne keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben und benötige finanzielle Unterstützung.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihr für den Zeitraum ab dem 07.11.2016 vorläufig im Hinblick auf eine rechtskräftige Entscheidung in einem möglichen Hauptsacheverfahren Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Vierten Kapitel des SGB XII nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es bestehe schon kein Anordnungsgrund. Dies ergebe sich daraus, dass die Antragstellerin gegen die Ablehnungsbescheide des Trägers von Leistungen nach dem SGB II nicht vorgegangen sei. Diese habe auch im hiesigen Verfahren keine aussagekräftigen Atteste eingereicht. Wann im Verfahren nach § 45 SGB XII eine Entscheidung erfolge, könne nicht vorhergesagt werden.

Bereits mit Schreiben vom 03.11.2016 hatte die Stadt I1, Amt für Soziale Integration, die Antragstellerin zu einem möglichen Verlust ihrer Freizügigkeit angehört. Ihr wurde aufgegeben, sich binnen drei Wochen zu den diesbezüglichen Tatsachen zu äußern. Mit Schreiben vom 03.01.2017 hat die Stadt I1 die auch im dortigen Verfahren anwaltlich vertretene Antragstellerin an die diesbezügliche Stellungnahme erinnert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakte, die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie auf die beigezogene Akte der Stadt I1, Amt für Soziale Integration, Bezug genommen.

II.) Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet.

Eine einstweilige Anordnung kann gemäß § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG hat der Antragsteller im Sinne von § 920 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen, dass ihm der umstrittene und zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) zusteht und die Regelung eines vorläufigen Zustands zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund).

Im vorliegenden Fall fehlt es aber bereits an einem Anordnungsanspruch.

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf die Gewährung von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Dies gilt auch dann, wenn die Antragstellerin (dauerhaft) erwerbsgemindert ist, wie es ihrem eigenen Vortrag entspricht und wie es in Anbetracht der noch ausstehenden Begutachtung der Antragstellerin gemäß § 45 SGB XII auch denkbar erscheint. Die in dem Beschluss der erkennenden Kammer vom 20.09.2016 – SG Dortmund, Beschluss vom S 62 SO 403/16 ER –, juris, maßgeblich problematisierte Frage, ob ein Erwerbsfähiger bereits aufgrund der Vorschrift des § 21 Satz 1 SGB XII dem Grunde nach vom Leistungssystem des SGB XII ausgeschlossen ist, ist hier mithin nicht entscheidungserheblich.

Die Antragstellerin ist nämlich für den Zeitraum vom 07.11.2016 bis zum 28.12.2016 aufgrund der Vorschrift des § 23 Abs.3 Satz 1 2. Alt. SGB XII in der Fassung vom 31.07.2016 (in der Folge a.F.) von der Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. Hiernach haben Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Für den Zeitraum ab dem 29.12.2016 ergibt sich der Ausschluss aus § 23 Abs.3 Satz 1 Nr.2 SGB XII in der Fassung vom 22.12.2016 (in der Folge n.F.). Hiernach erhalten Ausländer und ihre Familienangehörigen keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.

Diese Leistungsausschlüsse sind zunächst dem Grunde nach auf die von der Antragstellerin begehrten Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII anwendbar. Für den Zeitraum ab dem 29.12.2016 ergibt sich dies unmittelbar aus dem Wortlaut des § 23 Abs.3 Satz 1 Nr.2 SGB XII n.F., der sich ausdrücklich auch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel bezieht. Die Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel gilt aber auch für den Zeitraum bis zum 28.12.2016, für den § 23 Abs.3 Satz 1 Nr.2 SGB XII a.F. sich nur allgemein auf den Begriff der "Sozialhilfe" bezog. Die Norm des § 23 Abs.1 Satz 2 SGB XII (a.F. und n.F.), wonach die "Vorschriften des Vierten Kapitels ( ) unberührt" bleiben, ist nicht so zu verstehen, dass die in § 23 SGB XII normierten Einschränkungen und Besonderheiten ohne ausdrückliche Klarstellung keine Anwendung auf die Vorschriften dieses Kapitels finden sollen. Vielmehr soll hiermit lediglich der Katalog der in § 23 Abs.1 Satz 1 SGB XII genannten Leistungsarten, die Ausländern grundsätzlich gewährt werden können, um die Leistungen nach dem Vierten Kapitel erweitert und im Hinblick auf Art und Umfang grundsätzlich auf dieses Kapitel verwiesen werden (Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 SGB XII, Rn. 23). Der Begriff der "Sozialhilfe" in § 23 Abs.3 Satz 1 Nr.2 SGB XII a.F. erfasst damit auch die Leistungen nach dem Vierten Kapitel, so dass die hier geregelten Leistungsausschlüsse ohne Einschränkung auf dieses anwendbar sind (Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 SGB XII, Rn. 58). Eine andere Auslegung erschiene nach Auffassung der Kammer auch vor dem Hintergrund widersinnig, dass die Regelungen des § 23 SGB XII in ihrer Gesamtheit erkennbar darauf abstellen, einen (zumindest auch) durch die Aussicht auf einen Bezug von Sozialleistungen motivierten Zuzug ins Bundesgebiet und eine hierdurch entstehende Inanspruchnahme der staatlichen Sozialsysteme zu verhindern. Gerade die Leistungen des Vierten Kapitels (Leistungen für ältere und dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen) sind aber in besonderer Weise von einer langfristig fehlenden Erwerbsperspektive und damit von einem voraussichtlich dauerhaften Bezug von Sozialleistungen geprägt.

Die Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses gemäß den vorab zitierten Vorschritten liegen auch im Übrigen vor:

Zunächst ist kein über ein mögliches Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zur Arbeitsuche hinausgehendes weitergehendes Aufenthaltsrecht erkennbar. Insbesondere kommt der Antragstellerin kein Freizügigkeitsrecht zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 2 Nr.2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/ EU) zugute, dass sie über die §§ 2 Abs. 2 Nr.6, 3 Abs.1 Satz 1, 3 Abs.2 FreizügG/EU von ihrem Ehemann ableiten könnte. Dieser hat das selbständige Gewerbe nämlich zum 31.12.2015 eingestellt. Aufgrund des Zeitablaufs von mehr als sechs Monaten seit der Aufgabe des Gewerbes kommt auch der "Verlängerungstatbestand" gemäß § 2 Abs.3 Satz 2 FreizügG/EU nicht in Betracht.

Da die Antragstellerin nach dem erkennbaren Sachstand nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt, kommt auch ein Freizügigkeitsrecht gemäß § 4 FreizügG/EU nicht in Betracht.

Ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4a FreizügG/EU, das einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt, scheitert daran, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann erst im Juli 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind.

Die Frage, ob der Antragstellerin momentan ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche gemäß § 2 Abs.2 Nr.1a FreizügG/EU zusteht, bedarf keiner weiteren Klärung. Danach sind Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden, freizügigkeitsberechtigt. Die Antragstellerin ist aber auch dann vom Leistungsausschluss erfasst, wenn ihr im streitgegenständlichen Zeitraum gar kein Aufenthaltsrecht zusteht. Für den Zeitraum ab dem 29.12.2016 ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut des § 23 Abs.3 Satz 1 Nr.2 SGB XII n.F. , der nunmehr auch ausdrücklich Ausländer ohne Aufenthaltsrecht vom Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ausschließt. Im Zeitraum vom 07.11.2016 bis zum 28.12.2016 wird die Antragstellerin, sofern ihr gar kein Aufenthaltsrecht zugutekommt, "erst recht" vom Leistungsausschluss des § 23 Abs.3 Satz 1 2.Alt. SGB XII a.F. erfasst. Zu diesem Ergebnis kommen auch die mit dem Recht der Grundsicherung befassten Senate des Bundessozialgerichts, das in seinem Urteil vom 03. Dezember 2015 B 4 AS 44/15 R in Rn.21- juris, zunächst zum Hintergrund der Vorschrift des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II ausführt: "Es sollte von der Option des Art 24 Abs 2 RL 2004/38 EG Gebrauch gemacht werden (BT-Drucks 16/5065, S 234). Für Unionsbürger, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, sollte eine weitere leistungsrechtliche Hürde geschaffen werden, sofern sie wegen des vorbehaltlosen Aufenthalts in den ersten drei Monaten oder allein zum Zweck der Arbeitsuche freizügigkeitsberechtigt sind (BT-Drucks 16/5065 S 234; BT-Drucks 16/688 S 13). Leistungsberechtigt sollten sie nur sein, wenn sie über eine von § 7 Abs.1 S 2 SGB II nicht erfasste Freizügigkeitsberechtigung oder ein sonstiges Aufenthaltsrecht verfügen. Hieraus folgt umgekehrt, dass nicht freizügigkeits- oder aufenthaltsberechtigte Unionsbürger nach dem gesetzgeberischen Plan von vornherein nicht leistungsberechtigt sein sollten." In Rn.48 des vorgenannten Urteils heißt es zu der parallel formulierten Vorschrift des früheren § 23 Abs.3 Satz 1 2.Alt. SGB XII a.F. weiter: "Ebenso wie oben zum Leistungsausschluss im SGB II dargelegt, sind jedoch auch nach § 23 Abs. 3 S 1 SGB XII nichtfreizügigkeits- oder aufenthaltsberechtigte Ausländer von den existenzsichernden Leistungen der Sozialhilfe ausgenommen (offengelassen BSG vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R - BSGE (vorgesehen) = SozR 4-3500 § 25 Nr 5, RdNr 25; aA Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und der Sozialhilfe, Band 1 Teil II, Stand VIII/2013, § 23 SGB XII RdNr. 47b; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 23 RdNr. 54d, Stand VI/2012). Im Hinblick auf die weitere Argumentation zur Verknüpfung der §§ 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II, 23 Abs.3 Satz 1 2.Alt. SGB XII a.F. mit Art 24 Abs. 2 RL 2004/38 EG wird vollumfänglich auf die überzeugenden Ausführungen des BSG in dem vorgenannten Urteil vom 03.Dezember 2015- B 4 AS 44/15 R in Rn.21, 48- juris verwiesen.

Zweifel an der Europarechtskonformität der §§ 23 Abs.3 Satz 1 2. Alt. SGB XII a.F. und 23 Abs.3 Satz 1 Nr.2 SGB XII n.F. - auch nach Maßgaben der vorgenannten Auslegung - bestehen nach den Urteilen des EuGH in den Rechtssachen Dano (vom 11.11.2014, C 333/13) und Alimanovic (vom 15.09.2015, C 67/14) nicht mehr. In diesen Rechtssachen hat der EuGH in der Sache entschieden, dass ein Mitgliedsstaat Staatsangehörige anderer Mitgliedsstaaten vom Zugang zu Sozialhilfeleistungen ausschließen kann, wenn ihnen gar kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38 EG zusteht (Dano) oder wenn ihr Aufenthaltsrecht sich nur aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Alimanovic) (vgl. ausführlicher zu der Problematik BSG, Urteil vom 03.Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R, Rn.35, juris).

Auch für den Zeitraum vom 07.11.2016 bis zum 28.12.2016 verblieb aufgrund des Leistungsausschlusses gemäß § 23 Abs.3 Satz 1 2.Alt. SGB XII a.F. kein Raum für die Gewährung laufender Leistungen nach dem SGB XII im Ermessenswege gemäß § 23 Abs.1 Satz 3 SGB XII a.F. Gemäß § 23 Abs.1 SGB XII a.F. war Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels blieben unberührt. Im Übrigen konnte Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt war. § 23 Abs. 3 Satz 1SGB XII a.F. enthielt die bereits vorab formulierten Leistungsausschlüsse: Hiernach hatten Ausländer, die eingereist waren, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergab (wie im Falle der Antragstellerin), sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Bereits nach dem systematischen Aufbau der Vorschrift bezog sich der in § 23 Abs.3 Satz 1 2.Alt. SGB XII a.F. geregelte Leistungsausschluss aber auf die davor aufgeführten Absätze und damit auch auf die Vorschrift des § 23 Abs.1 SGB XII a.F. insgesamt – mithin auch auf § 23 Abs.1 Satz 3 SGB XII a.F. Soweit das BSG auf den "unveränderten Wortlaut" des § 23 SGB XII a.F. im Verhältnis zum früheren § 120 BSHG und in diesem Zusammenhang maßgeblich auf eine frühere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1987 – 5 C 32/85 –, BVerwGE 78, 314-321) verweist (BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 44 AS 15 R, Rn.51/52,- juris), ist einzuräumen, dass der Wortlaut des § 120 BSHG zwar unmittelbar vor der Einführung des SGB XII im Wesentlichen dem Wortlaut des § 23 SGB XII entsprach. Die der Entscheidung des BVerwG vom 10.12.1987 zugrundeliegende Fassung des § 120 BSHG war aber in ihren wesentlichen Grundzügen anders gefasst. § 120 Abs.1 BSHG in der Fassung vom 22.12.1983 lautete: "Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sind und die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Krankenhilfe, Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen, Tuberkulosehilfe und Hilfe zur Pflege nach diesem Gesetz zu gewähren; wer sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben hat, um Sozialhilfe zu erlangen, hat keinen Anspruch. Im übrigen kann Sozialhilfe gewährt werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist." Im Gegensatz zu späteren Fassungen des BSHG (ab dem Jahr 1993) ist hier die Möglichkeit der Gewährung von Leistungen im Wege des Ermessens aber nach dem Leistungsausschluss aufgeführt. Diese Systematik konnte in der Tat zu der Annahme berechtigen, dass die Gewährung von Leistungen im Ermessenswege auch im Falle eines Leistungsausschlusses möglich bleiben sollte. Vor diesem Hintergrund bezog sich das BVerwG in dem vom BSG zitierten Urteil auch gerade auf den Wortlaut der Norm des § 120 BSHG. Es führt aus:"Auch aus der Systematik des § 120 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BSHG folgt dieses Verständnis. Der mit "Im übrigen ..." eingeleitete Satz 2 des § 120 Abs. 1 BSHG schließt an den Satz 1 mit seinen b e i d e n Halbsätzen an. Daß sich der Ausschluß vom Rechtsanspruch auf bestimmte Hilfen (zum Beispiel die Eingliederungshilfe), der nach Halbsatz 1 des § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG von vornherein besteht, aus einem Umkehrschluss ergibt, während er im Halbsatz 2 unmittelbar bestimmt ist, ändert nichts an der "Gleichwertigkeit" des Ausschlusses vom Rechtsanspruch als des Tatbestandsmerkmals, an das im anschließenden Satz 2 die Möglichkeit der Hilfegewährung im Einzelfall (in Ausübung von Ermessen) geknüpft ist (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1987 – 5 C 32/85 –, BVerwGE 78, 314-321, Rn. 14).Unter Berücksichtigung des geänderten Aufbaus der Norm sind die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Überzeugung der Kammer für die Beurteilung der Systematik des § 23 SGB XII a.F. nicht mehr heranzuziehen. Weiter geht die Kammer nicht davon aus, dass die Begrifflichkeit des "Anspruchs" in § 23 Abs.3 Satz 1 2. Alt. SGB XII a.F. tatsächlich nur den "gebundenen Anspruch" bzw. "Rechtsanspruch" und nicht auch die Gewährung von Leistungen im Ermessenswege gemäß § 23 Abs.1 Satz 3 SGB XII a.F. erfassen soll. Dies ergibt sich aus § 17 SGB XII, der die gesetzliche Überschrift "Anspruch" trägt und diese Begrifflichkeit damit definiert. Er lautet wie folgt: "(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden.(2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen wird. Werden Leistungen auf Grund von Ermessensentscheidungen erbracht, sind die Entscheidungen im Hinblick auf die sie tragenden Gründe und Ziele zu überprüfen und im Einzelfall gegebenenfalls abzuändern." Mit dem Begriff "Anspruch" meint das Gesetz nach seinem Sinn und Zweck nicht nur die Forderung gegen den Sozialhilfeträger auf eine Mussleistung, sondern auch Forderungen aus einer eine Ermessensleistung bewilligenden Entscheidung (so ausdrücklich Coseriu in juris-PK zu § 17 SGB XII, Rn.19). Dies ergibt sich für die Kammer insbesondere auch daraus, dass der zweite Absatz des ausweislich seiner Überschrift die Begrifflichkeit des Anspruchs definierenden § 17 SGB XII explizit regelt, in welchem Zusammenhang Leistungsträger bei der Realisierung des Anspruchs Ermessen auszuüben hat und wie dieses Ermessen auszuüben ist. Die Einbeziehung dieser Regelung in die Norm des § 17 SGB XII erschiene aber nicht sinnvoll, wenn der Gesetzgeber den Anspruch auf Ermessensentscheidungen nicht in die Definition des Anspruchs einbeziehen wollte. Warum der Begriff des "Anspruchs" in § 23 Abs.3 Satz 2 2.Alt. SGB XII a.F. aber von dem des § 17 SGB XII abweichen sollte, ist nicht ersichtlich. Von einem "Rechtsanspruch" ist in § 23 Abs.3 Satz 2 SGB XII a.F. indes nicht die Rede (SG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2016 – S 35 AS 5396/15 ER –, Rn. 51, juris) Die Kammer verweist ergänzend auf die im Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 18.04.2016, S 32 AS 380/16 ER - juris (Rn.151), überzeugend dargelegten untragbaren leistungsrechtlichen Konsequenzen, die sich aus der vom Bundessozialgericht gewählten Betrachtungsweise der Regelung des § 23 SGB XII a.F. , insbesondere der angenommenen Ermessensreduzierung auf Null nach einem Aufenthalt von sechs Monaten, ergeben. § 23 Abs.3 SGB XII a.F. enthielt nämlich keinen der Regelung des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.1 SGB II entsprechenden Leistungsausschluss für die ersten drei Monate des Aufenthalts. Die 32.Kammer des Sozialgerichts Dortmund führt zu der hieraus entstehenden Problematik aus: "Infolge der BSG-Rechtsprechung wäre daher mit einiger Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass in den ersten drei Monaten mangels gesetzlichen Leistungsausschlusses ein "gebundener" Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlichem Umfang nach §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 27 ff. SGB XII besteht, in den Monaten 4-6 nur ein Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung nach § 23 Abs.1 Satz 3 SGB XII und nach Ablauf von insgesamt 6 Monaten, also ab dem 7. Monat, dann wieder eine Quasi-Bindung in Richtung einer Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlichem Umfang nach §§ 27 ff. SGB XII aufgrund Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen von § 23 Abs.1 Satz 3 SGB XII. Eine solche "Achterbahnfahrt" wäre kaum nachvollziehbar. Es ist insbesondere nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet während des voraussetzungslos zulässigen Aufenthalts in den ersten drei Monaten, in denen von einer "Aufenthaltsverfestigung" keine Rede sein kann, ein Anspruch nach dem SGB XII bestehen sollte, und es erscheint fraglich, mit welchen Ermessenserwägungen sich bei dieser Ausgangslage in den Monaten 4-6 plötzlich eine Leistungsablehnung oder auch nur eine der Form oder Höhe nach eingeschränkte Leistungsgewährung rechtfertigen lassen könnten." In § 23 Abs.3 Satz 1 Nr.1 SGB XII n.F. hat der Gesetzgeber einen entsprechenden Ausschluss nunmehr auch für den Bereich des SGB XII aufgenommen.

Inwieweit der Antragstellerin aufgrund der neuen, mit der Gesetzesänderung zum 29.12.2016 eingefügten Vorschriften der §§ 23 Abs.3 Satz 3 SGB XII n.F. (Überbrückungsleistungen im Zeitraum bis zur Ausreise) und 23 Abs.3 a Satz 1 SGB XII n.F. (Rückreisekosten) Leistungen zu gewähren wären, war im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Die Antragstellerin begehrt ausweislich ihres Gesamtvorbringens die Gewährung laufender Leistungen nach dem SGB XII. Die vorab genannten Überbrückungsleistungen stellen zur Überzeugung der Kammer aber im Vergleich zu laufenden Leistungen ein "aliud" und kein "minus" dar, das in einen Antrag auf die Gewährung laufender Leistungen "hineinzulesen" wäre. Dies ergibt sich zunächst aus dem Aufbau der Norm des neuen § 23 SGB XII: Die Überbrückungsleistungen sind nicht in die Aufzählung der laufenden Leistungen integriert worden, sondern sind gemäß § 23 Abs.3 Satz 3 SGB XII n.F. geradezu durch den Ausschluss von diesen Leistungen (Hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen) bedingt. Weiter begrenzt § 23 Abs.3 Satz 3 SGB XII n.F. die Leistungen auf den Zeitraum "bis zur Ausreise" mit dem Zweck, "den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken". Die Norm setzt die Absicht einer Ausreise und ihre Terminierung für einen bestimmten Zeitpunkt mithin geradezu voraus, weil andernfalls gar kein Bezugspunkt für den Beginn und das Ende der Leistungsgewährung ersichtlich wäre. Dass das Begehren auf die Gewährung von Überbrückungsleistungen nicht als "minus" in das Begehren auf die Gewährung laufender Leistungen hineininterpretiert werden kann, folgt überdies maßgeblich aus der in § 23 Abs.3 Satz 3 SGB XII n.F. vorgesehenen Begrenzung, dass diese Leistungen höchstens für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren, gewährt werden können, wobei die Zweijahresfrist mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen beginnt. Der leistungsbegehrende Ausländer würde mit einer sofortigen Gewährung von Überbrückungsleistungen mithin auf ein kurzfristiges Zeitfenster für den (zunächst) letztmaligen Bezug von Sozialleistungen festgelegt; der ihm noch verbleibende "Restanspruch" würde ohne die konkrete Absicht oder Planung einer Ausreise und ohne die Festlegung ihres Datums "konsumiert". Dass eine solche Rechtsfolge dem Willen des Leistungsbegehrenden (hilfsweise) entspricht, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden.

Die vorstehenden Ausführungen gelten um so mehr für eine mögliche (teilweise) Übernahme von Rückreisekosten gemäß § 23 Abs.3a SGB XII n.F. Diese setzen bereits gemäß dem Wortlaut dieser Vorschrift einen gesonderten Antrag voraus. Zudem ist die Übernahme entsprechender Leistungen gar nicht möglich, solange Datum, Ziel und Gestaltung der Rückreise nicht bekannt sind. Weiter können dem leistungsbegehrenden Ausländer keine (zweckgebundenen) Leistungen "aufgedrängt" werden, wenn er den mit der Gewährung dieser Leistungen verbundenen Zweck gegebenenfalls gar nicht verfolgt.

Auch eine Leistungsgewährung aufgrund der Härtefallregelung des § 23 Abs.3 Satz 6 SGB XII n.F. stellt zur Überzeugung der Kammer ein "aliud" zur Gewährung laufender Leistungen dar. Hiernach werden, soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, Leistungsberechtigten nach Satz 3 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. Zwar kann diese Vorschrift durchaus zu einer gleichsam laufenden Leistungsgewährung führen. Sie knüpft aber ausdrücklich an die Voraussetzungen für die Gewährung von Überbrückungsleistungen an und erlaubt im Einzelfall ihre Modifizierung im Hinblick auf Umfang und Dauer. Auch die aufgrund eines Härtefalls "verlängerte" Überbrückungsleistung bleibt aber eine Überbrückungsleistung. Dies folgt auch daraus, dass § 23 Abs.3 Satz.6 SGB XII n.F. an die "Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage" anknüpft. Eine "besondere Härte" ist bei der Antragstellerin überdies nicht erkennbar. Sofern die Antragstellerin eine Beteiligung der Antragsgegnerin an möglichen Rückreisekosten und Überbrückungsleistungen bis zum Zeitpunkt der Rückreise begehrt, muss sie sich mit einem diesbezüglichen Begehren an die Antragsgegnerin wenden.

Die Kammer geht auch nicht davon aus, dass der Ausschluss von Ausländern, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder die über gar kein Aufenthaltsrecht verfügen, von laufenden Leistungen nach dem SGB XII gegen die Art.1 Abs.1, Art.20 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) verstößt (vgl. hierzu umfassend und überzeugend Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom 23.11.2015, S 30 AS 3827/15 ER,- juris; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05. November 2015 – L 3 AS 479/15 B ER –, juris; vgl. weiter auch hierzu SG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2016 – S 35 AS 5396/15 ER –, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER –, juris; SG Dortmund, Beschluss vom 18.03.2016, S 19 AS 91/16 ER, noch nicht veröffentlicht; SG Dortmund, Beschluss vom18.04.2016, S 32 AS 380/16 ER - juris).

Vielmehr hat der Gesetzgeber mit dem Leistungsausschluss für EU-Ausländer, die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, den Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05. November 2015 – L 3 AS 479/15 B ER –Rn.26 , juris).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1BvL 2/11, juris). Gegenstand dieser Entscheidung ist die Frage, inwiefern der Gesetzgeber bei der Ermittlung der Höhe von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums (dort: Höhe der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im Vergleich zu den Leistungen nach dem SGB II und SGB XII) unterschiedliche Bedarfe festsetzen und sich bei dieser Differenzierung am Aufenthaltsstatus der Hilfebedürftigen orientieren darf. Das BVerfG führt in diesem Zusammenhang in Rn.74 (juris) aus: "Falls der Gesetzgeber bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen will, darf er bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren. Eine Differenzierung ist nur möglich, sofern deren Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden kann". In Rn.75 (juris) heißt es: "Ob und in welchem Umfang der Bedarf existenznotwendigen Leistungen für Menschen mit nur vorübergehendem Aufenthaltsrecht in Deutschland ( ) bestimmt werden kann, hängt allein davon ab, ob wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfsempfängern mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festgestellt und bemessen werden können". Das Urteil enthält dagegen keine Aussage darüber, inwiefern es dem Gesetzgeber möglich ist, Personen ohne Aufenthaltsrecht Sozialleistungen zu verwehren (in Rn.74 knüpft es vielmehr an ein bestehendes Aufenthaltsrecht an) oder Personen mit einem bestimmten, näher definierten Aufenthaltsrecht (hier: dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche) vom Bezug von Sozialleistungen auszuschließen.

Die Kammer verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Situation eines Asylbewerbers nicht mit der eines EU-Bürgers vergleichbar ist, der von seinem Freizügigkeitsrecht zum Zweck der Arbeitsuche Gebrauch gemacht hat und in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Während ein Asylbewerber, der sich auf eine politische Verfolgung in seinem Heimatland beruft, regelmäßig nicht in sein Herkunftsland zurückkehren kann, ist dies der hier betroffenen Personengruppe grundsätzlich ohne Weiteres möglich. Diese Rückkehr in das Heimatland stellt auch ein zumutbares Mittel zur Selbsthilfe dar, dessen Einforderung das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht verletzt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer gegen den Leistungsausschluss des § 7 Abs.5 Satz 1 SGB II (Leistungsausschluss für Auszubildende) gerichteten Verfassungsbeschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt (Beschluss vom 08.10.2014, 1 BvR 886/11 (juris)). Es hat in diesem Zusammenhang in Rn.13 ausgeführt: "Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art.1 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.20 Abs.1 GG ( ) ist nicht verletzt. Nach § 2 Abs.2 Satz 2 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einsetzen; dies tut der Beschwerdeführer nicht, wenn er studiert. Daher schließt § 7 Abs.5 Satz 1 SGB a.F. im Fall des Beschwerdeführers die Gewährung dieser Grundsicherungsleistungen aus." In Rn.14 heißt es weiter: "Der faktische Zwang, ein Studium abbrechen zu müssen, weil keine Sozialleistungen zur Verfügung stehen, berührt zwar die teilhaberechtliche Dimension des Art.12 Abs.1 in Verbindung mit Art.3 Abs.1 GG und dem Sozialstaatsgebot des Art.20 Abs.1 GG ( ) Der Gesetzgeber hat mit den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes jedoch ein besonderes Sozialleistungssystem zur individuellen Förderung der Hochschulausbildung durch den Staat geschaffen, das diese Teilhabe sichern soll." Die erkennende Kammer entnimmt diesen Ausführungen, dass das Bundesverfassungsgericht keinen von dem Hilfebedürftigen möglichen Mitwirkungshandlungen losgelösten, allein aus der Hilfebedürftigkeit und dem tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet resultierenden Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums annimmt. Der faktische Zwang, die bisherige Lebensführung zur Sicherung des Existenzminimums ändern zu müssen, führt danach nicht zur Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, sondern berührt vielmehr das Grundrecht, das diese vom Hilfebedürftigen anvisierte Lebensgestaltung schützt (im Fall 1 BvR 886/11 die dort genannten Grundrechte, hier ggf. Art.2 Abs.1 GG). Nach diesen Maßgaben sieht die Kammer keine Verpflichtung des Gesetzgebers, einen Aufenthalt des Hilfebedürftigen im Bundesgebiet trotz einer ihm möglichen Rückkehr in sein Heimatland durch die Gewährung von Sozialleistungen zu ermöglichen, wenn der Hilfebedürftige über gar kein Aufenthaltsrecht oder nur über ein solches verfügt, dessen Gewährung der nationale Gesetzgeber originär - europarechtlich zulässig - mit der Versagung von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums verknüpft hat. Die Auffassung, dass der Staat das Existenzminimum eines Ausländers sichern müsse, bis dieser durch staatliche Maßnahmen in sein Heimatland zurückgeführt werde, verkennt, dass das bloße "Gewährenlassen" eines rechtlich nicht geschützten Verhaltens den Staat nicht dazu verpflichtet, die Möglichkeit der Fortsetzung dieses Verhaltens bis zu seiner zwangsweisen Beendigung sicherzustellen. So wie der vom Anspruch auf Sozialleistungen ausgeschlossene Student eine eigenverantwortliche Entscheidung über Fortsetzung oder Abbruch seines Studiums zu treffen hat und nicht auf eine staatliche Zwangsexmatrikulation oder eine zwangsweise Entfernung vom Universitätsgelände vertrauen darf, muss auch der Ausländer, der über kein oder nur über ein europarechtlich zulässig mit dem Verzicht auf Sozialleistungen verknüpftes Aufenthaltsrecht verfügt, für sich entscheiden, ob er bis zu einer möglichen zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland auch ohne die Inanspruchnahme von Sozialleistungen in der Bundesrepublik Deutschland bleiben kann und will.

Gegen diese Überlegungen kann zur Überzeugung der Kammer weiter nicht vorgebracht werden, dass der Abbruch eines Studiums zur Herbeiführung der Voraussetzungen für einen Sozialleistungsbezug ohne Weiteres, die Rückkehr in das Heimatland aber nur mit einer längerfristigen Planung und unter Inanspruchnahme gegebenenfalls nicht vorhandener finanzieller Mittel möglich sei. § 23 Abs.3a SGB XII n.F. regelt nunmehr ausdrücklich einen Anspruch des Ausländers auf die Übernahme angemessener Rückreisekosten. Die Gewährung von Überbrückungsleistungen bis zum Zeitpunkt der Ausreise ist durch die Vorschrift des § 23 Abs.3 Satz 3 SGB XII normiert. Soweit der nach Auffassung der Kammer grundsätzlich ausreichende Zeitraum von einem Monat für die Planung und Organisation der Ausreise nicht eingehalten werden kann oder eine besondere Härte einer schnellen Ausreise entgegensteht, besteht die Möglichkeit des Leistungsträgers, aufgrund der Härtefallvorschrift des § 23 Abs.3 Satz 6 SGB XII auch längerfristig Leistungen zu gewähren. Eine entsprechende Härtefallregelung für die parallel zu betrachtende Konstellation vom Leistungssystem des SGB II ausgeschlossener Studenten existiert in Gestalt der Vorschrift des § 27 Abs.3 Satz 1 SGB II.

Eine Prüfung, inwiefern ein Hilfebedürftiger in seinem Herkunftsland das Existenzminimum nach deutschen Maßstäben sichern kann, ist in diesem Zusammenhang nicht anzustellen. Im Ausländerrecht ist die nachteilige wirtschaftliche Situation im Herkunftsland nämlich kein Maßstab, der zur Gewährung eines Aufenthaltsrechts oder dem Schutz vor einer Abschiebung führen kann. Sofern wirtschaftliche Gesichtspunkte bei der Beurteilung einer Abschiebung ins Herkunftsland nicht die Annahme der Unzumutbarkeit einer Rückkehr rechtfertigen können (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 06.09.2007, 11 A 633/05 A, Rn.28-32 (juris) zur Zumutbarkeit einer Abschiebung nach Sierra Leone trotz völlig fehlender sozialer Sicherungssysteme und einer Arbeitslosenquote von 70 %), erscheint es zur Überzeugung der Kammer unter Berücksichtigung des Gedankens der Einheit der Rechtsordnung auch nicht gangbar, solche nachteiligen Lebensumstände im Herkunftsland bei der Prüfung der sozialrechtlichen Zumutbarkeit einer Rückkehr ins Feld zu führen.

Die Kammer verweist abschließend auf Folgendes: Sofern man - entgegen den bisherigen Ausführungen - tatsächlich einen voraussetzungslosen, nur vom faktischen Aufenthalt im Bundesgebiet abhängigen Anspruch auf die Gewährung des Existenzminimums annimmt, erscheint die bisherige Praxis des Bundessozialgerichts wenig konsequent. Diese knüpft nämlich an die Dauer des Aufenthalts und eine damit einhergehende "Verfestigung" an. Wenn man die freiwillige Rückkehr des Ausländers in sein Heimatland aber als Mittel zur Selbsthilfe ablehnt, dürfte die Sicherstellung der Menschenwürde durch die Gewährung des Existenzminimums indes auch nach einem nur kurzen Aufenthalt nicht disponibel und bis zu einer zwangsweisen Rückführung sicherzustellen sein. Unterschiede bei der Bedarfsbemessung dürften hiernach nur anzustellen sein, wenn sich aus einem perspektivisch nur noch kurzen Aufenthalt geringere Bedarfe ergeben. Die Länge des bereits zurückgelegten Aufenthalts erscheint nach diesen Maßgaben nicht als zulässiger Anknüpfungspunkt.

Der Antragstellerin waren im vorliegenden Verfahren auch für den Zeitraum vor der gesetzlichen Neuregelung (bis zum 28.12.2016) keine laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII auf der Grundlage einer Folgenabwägung zuzusprechen. Die Kammer verweist insofern auf die Ausführungen im Beschluss des SG Dortmund vom 20. Juli 2016 – S 32 AS 3037/16 ER –, Rn. 68, juris mit einer vergleichbaren zugrundeliegenden Fallkonstellation, denen sie sich ausdrücklich anschließt:

"Die Kammer hält die in jüngerer Zeit verschiedentlich sinngemäß (so oder ähnlich) vertretene Auffassung, in einstweiligen Rechtsschutzverfahren wie dem vorliegenden müssten die Instanzgerichte – etwa auf der Grundlage einer Folgenabwägung bzw., weil in der Hauptsache spätestens in der Revisionsinstanz das Rechtsschutzbegehren sicher Erfolg haben werde – im Ergebnis, trotz aller Zweifel, möglicherweise sogar entgegen der eigenen richterlichen Überzeugung davon, was geltendem Recht entspricht, entscheiden und auf der Grundlage der o. g. Rechtsprechung des BSG Leistungen nach dem SGB XII zusprechen (vgl. insbesondere LSG NRW, Beschluss vom 18.04.2016 – L 6 AS 2249/15 B ER, L 6 AS 21/16 B – juris (Rn. 22 ff.) und Beschluss vom 21.04.2016 – L 6 AS 389/16 B ER – juris (Rn. 24 ff.)) zwar im Ansatzpunkt für nachvollziehbar, im Ergebnis aber nicht für überzeugend. Der 6. Senat des LSG NRW hat in dem Beschluss vom 21. April 2016 – L 6 AS 389/16 B ER – u. a. folgendes ausgeführt (Rn. 26): "Die Versagung vorläufiger Leistungen schon wegen Verneinung eines materiellen Leistungsanspruchs widerspräche dem Anspruch aus Art 19 Abs. 4 GG. Hier würde ein rechtswidriger Zustand geschaffen und aufrechterhalten, indem dem Antragsteller Leistungen vorenthalten werden, die ihm nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG offensichtlich zustehen und sicher durchsetzbar sind. Dabei handelt es sich um Leistungen, die wegen ihres an Art 1 GG zu messenden existenzsichernden Charakters der unmittelbaren Befriedigung eines aktuellen Bedarfs zu dienen bestimmt sind. Damit würde für die Dauer des Hauptsacheverfahrens ein Zustand geschaffen, der mit Art 1 GG nicht in Einklang steht." Dies überzeugt die Kammer nicht. Ein "rechtswidriger Zustand", der mit Art. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG nicht im Einklang steht, kann nicht allein daraus folgen, dass ein unabhängiges Gericht einer (hier sogar von Beginn an hoch umstrittenen) Rechtsprechung des BSG zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Erbringung von existenzsichernden Leistungen dem Grunde nach nicht folgt; erforderlich wäre zusätzlich, dass diese Rechtsprechung ihrerseits sowohl verfassungsrechtlich geboten als auch verfassungsrechtlich zulässig ist. Die Rechtsauffassung des BSG, nach der offenbar – allerdings streng genommen ohne vollständige Prüfung eines Verfassungsverstoßes durch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (bei isolierter Betrachtung) – eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 21, 23 SGB XII erfolgen muss, darf nicht mit geltendem Recht gleich gesetzt werden. Für eine Folgenabwägung ist kein Raum, wenn nach der Auffassung des mit dem Eilverfahren und auch – entweder gleichzeitig oder zukünftig (voraussichtlich) als erstes mit der Hauptsache befassten Gerichts keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen, keine offene, im Eilverfahren nicht abschließend zu klärende Sach- und Rechtslage vorliegt und noch dazu die vermeintlich aufgrund von Art. 1, 20 GG verfassungsrechtlich gebotene Gesetzesauslegung ihrerseits wegen Verletzung der Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung und der Vorlagepflicht gem. Art. 100 GG und damit der Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungswidrig ist, wovon die Kammer ausgeht (vgl. hierzu insbesondere Bernsdorff in: "Sozialhilfe für nichterwerbstätige Unionsbürger - Kassel locuta, causa finita?", NVwZ 2016, 633 (insbes. S. 636 f.); vgl. ferner LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2016 – L 20 SO 139/16 B ER – juris (insbes. Rn. 44 ff.) m. N. auf BVerfG, Beschluss vom 16.12.2014 – 1 BvR 2142/11BVerfGE 138, 64-102 = juris; kritisch auch Thym, NZS 2016, 441 (insbes. S. 443 f.)). Es kann in einer solchen Situation nicht in erster Linie und schon gar nicht zwingend auf die Erfolgsaussichten der Hauptsache nach der Rechtsauffassung eines anderen Gerichts, und sei es auch die des höchsten Fachgerichts, abzustellen sein. Abgesehen davon ist die Annahme, "der vom Gericht im Eilverfahren verneinte materiell-rechtliche Leistungsanspruch" sei "im Hauptsacheverfahren bei Ausschöpfung des Rechtsweges sicher durchzusetzen" (so LSG NRW, Beschluss vom 21.04.2016 – L 6 AS 389/16 B ER – juris (Rn. 25)) keinesfalls zwingend, weil durchaus in Betracht kommt, dass das BSG seine Auffassung angesichts der massiven Kritik in Rechtsprechung und Literatur nochmals überdenken und ggf. korrigieren wird."

Hinzuzufügen ist: Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung maßgebliche § 86 b Abs.2 SGG verweist in Satz 3 darauf, dass die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend gelten. § 920 Abs.2 ZPO führt aus, dass der Anspruch und der Arrestgrund glaubhaft zu machen sind. Diese gesetzlichen Vorgaben führen bei der Prüfung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dazu, dass der Anordnungsanspruch (der verfolgte materiell-rechtliche Anspruch) und der Anordnungsgrund (die Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung) zu prüfen sind (Lutz Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, § 86b, Rn. 57). Regelmäßig findet nur eine summarische Prüfung des Anordnungsanspruchs statt. Die Begrifflichkeit der "summarischen Prüfung" bedeutet, dass keine vollständige und erschöpfende Aufklärung der Sach- und Rechtslage vorzunehmen ist, wie dies in einem Hauptsacheverfahren der Fall wäre (Lutz Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, § 86b, Rn. 65). Diese "herabgesetzte" Anforderung an die Aufklärung der Sach- und Rechtslage folgt daraus, dass dem erkennenden Gericht im Eilverfahren im Vergleich zum Hauptsacheverfahren nur eine deutlich kürzere Zeitspanne zur Verfügung steht. Ist für die abschließende Klärung der Sach- und Rechtslage ein Zeitaufwand erforderlich, durch dessen Inanspruchnahme das dem Wesen des Eilrechtsschutzes immanente Bedürfnis nach einer schnellen Entscheidung vereitelt würde, kann und muss das Gericht zunächst auch ohne eine vollständige Entscheidungsgrundlage eine vorläufige Entscheidung treffen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang in verschiedenen Beschlüssen herausgearbeitet, unter welchen Umständen die gerichtliche Entscheidung in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Hinblick auf Art.19 Abs. 4 GG abweichend von den vorstehenden Maßstäben nicht auf der Grundlage einer abschließenden oder summarischen Prüfung von Anordnungsanspruch und - grund, sondern auf der Grundlage einer sogenannten Folgenabwägung, nämlich der Gegenüberstellung der durch den im Eilverfahren betroffenen grundrechtlichen Belange der Prozessbeteiligten, erfolgen darf.

Hierzu heißt es exemplarisch im stattgebenden Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 –, Rn. 26, juris): "Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden."

Im Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 06. Februar 2013 – 1 BvR 2366/12 –, Rn. 3, juris, wird ausgeführt: "Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfGE 79, 69 (75)). Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich - etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte -, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgt."

Weiter führt das BVerfG im Nichtannahmebeschluss vom 06. August 2014 – 1 BvR 1453/12 –, Rn. 12, juris, aus: "Das Landessozialgericht hat die Erfolgsaussichten der Hauptsache summarisch geprüft und verneint, so dass für eine Folgenabwägung kein Raum verblieb. Insoweit es davon ausging, dass der Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sei, hat es die Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG an den Eilrechtsschutz nicht verkannt."

Sämtliche dieser - nur exemplarisch dargestellten - Ausführungen haben miteinander gemeinsam, dass für eine von der Grundkonzeption des § 86 b Abs.2 SGG abweichende Folgenabwägung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur Raum verbleibt, wenn dem Gericht eine Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist. Dies betrifft zur Überzeugung der Kammer maßgeblich Fallgestaltungen, in denen eine aufwändige Sachverhaltsaufklärung (Zeugenvernehmung, Beziehung von Unterlagen) erforderlich ist, diese Aufklärung aber mit dem Erfordernis schnellen Rechtsschutzes nicht in Einklang zu bringen wäre. Bei geklärtem Sachverhalt ist eine Folgenabwägung nur in Ausnahmefällen zulässig, z.B. wenn sich für den entscheidenden Spruchkörper eine neuartige, durch kurzfristige Recherche nicht zu lösende Rechtsfrage stellt, und der für die Einarbeitung erforderliche Zeitaufwand auch hier nicht mit dem Erfordernis schnellen Rechtsschutzes vereinbar ist. Stellt sich dieselbe Rechtsfrage dem Spruchkörper in verschiedenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren aber immer wieder, ist ihm eine Meinungsbildung in der Rechtsfrage auch dann möglich, wenn er immer wieder kurzfristig über diese zu befinden hat. Es ist dagegen nach den vorab dargestellten Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Überzeugung der Kammer nicht zulässig, gegebenenfalls über Jahre hinweg die Möglichkeit der Klärung derselben Rechtsfrage unter Bezugnahme auf die Erforderlichkeit der Gewährung zügigen Rechtsschutzes zu verneinen und im Wege eines "Automatismus" unter Bezugnahme auf eine Folgenabwägung Leistungen zuzusprechen.

Im vorliegenden Verfahren verbleibt nach dem Vorstehenden für eine Folgenabwägung kein Raum: Zur Überzeugung der Kammer besteht - bei insoweit geklärter Sach- und Rechtslage - im vorliegenden Fall weder ein Anspruch der Antragstellerin auf die Gewährung laufender Leistungen nach dem SGB XII.

Die Kammer hält es im Lichte von Art.97 Abs.1 GG auch weder für geboten noch für vertretbar, einen Anordnungsanspruch entgegen dem Ergebnis ihrer eigenen rechtlichen Prüfung deshalb anzunehmen, weil die Antragstellerin nach dem jetzigen Sachstand mit ihrem Begehren jedenfalls in einem möglichen Revisionsverfahren in der Hauptsache durchdringen dürfte.

Sie weist in diesem Zusammenhang vorab daraufhin, dass die verschiedentlich geäußerte Auffassung, dass im Hinblick auf die vorab genannte Rechtsfrage eine "gefestigte Rechtsprechung" des Bundessozialgerichts vorliege (so LSG NRW, Beschluss vom 30.11.2016, L 12 AS 1027/16 B ER), bereits deshalb zweifelhaft scheint, weil jedenfalls im Hinblick auf den für das Recht der Sozialhilfe zuständigen 8. Senat noch überhaupt keine diesbezügliche Rechtsprechung ersichtlich ist. Die Herabstufung der Voraussetzungen für die Annahme einer "gefestigten Rechtsprechung" auf eine bloße informelle senatsübergreifende Vorabstimmung - gegebenenfalls sogar ohne Einbeziehung der an einer Entscheidung zwingend zu beteiligenden ehrenamtlichen Richter - ist zur Überzeugung der Kammer bereits deshalb kaum möglich, weil sie bereits die Dehnbarkeit des Begriffs der "Rechtsprechung " auch in Anbetracht einer zunehmend zu beobachtenden Auslegungsfreude übersteigt.

Im Übrigen gilt: Der mit einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren befasste Spruchkörper führt die Prüfung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund in eigener Zuständigkeit durch. Gemäß Art. 97 Abs.1 GG ist er hierbei unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen. Auch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung entfaltet eine solche Gesetzeskraft nicht. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 –, BVerfGE 84, 212-232, Rn. 42, ausdrücklich ausgeführt: "Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Von ihnen abzuweichen, verstößt grundsätzlich nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Ihr Geltungsanspruch über den Einzelfall hinaus beruht allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts."

Weiter hat es darauf verwiesen, dass "die Rechtspflege ist durch die Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 GG) konstitutionell uneinheitlich" sei (BVerfG, Beschluss vom 26. April 1988 – 1 BvR 669/87, 1 BvR 686/87, 1 BvR 687/87 –, BVerfGE 78, 123-127, Rn. 10, juris).

Dem ist nichts hinzuzufügen. Etwas anderes kann für das einstweilige Rechtsschutzverfahren auch nicht daraus abgeleitet werden, dass hier - anders als im Hauptsacheverfahren - die Möglichkeit eines "Gangs zum Bundessozialgericht" mit der Aussicht einer nachträglichen Korrektur nicht besteht. Die in der vorliegenden Fallgestaltung unterschiedliche "Chancenverteilung" für die Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz- und im Hauptsacheverfahren beruht allein auf der gesetzgeberisch gewollten unterschiedlichen Ausgestaltung von einstweiligem Rechtsschutzverfahren (als zweistufigem Verfahren) und Hauptsacheverfahren (mit maximal drei Instanzen) und dem der Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung geschuldeten "Zufallsergebnis", dass die dritte Instanz in der hier zu beurteilenden Rechtsfrage momentan einheitlich, die zweite Instanz als "letzte Instanz" des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens aber nach jeweils eigenständiger und unabhängiger Prüfung uneinheitlich entscheidet. Zu ähnlichen Divergenzen zwischen einstweiligem Rechtsschutzverfahren und Hauptsacheverfahren kann es auch in Fallkonstellationen kommen, in denen bei einem Berufungs-/ Beschwerdestreitwert bis zu EUR 750,- wegen einer Abweichung von der höherrangigen Rechtsprechung im Hauptsacheverfahren die Berufung nach § 144 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG zuzulassen wäre, für eine "Zulassung der Beschwerde" im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aber mangels gesetzlicher Grundlage kein Raum besteht. Dass in der letztgenannten Konstellation eine "Quasi-Bindung" der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abschließend entscheidenden ersten Instanz an die Rechtsprechung des Landessozialgerichts eingefordert wird, ist der Kammer nicht bekannt. Vor diesem Hintergrund ist der Rechtsprechung der am einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach dem Willen des Gesetzgebers gar nicht beteiligten Revisionsinstanz keine weitergehende Bindungswirkung einzuräumen, als ihr im Übrigen zukommt.

Die Kammer sah sich abschließend nicht dazu veranlasst, das Kommunale Jobcenter I1 AöR als Träger von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 75 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beizuladen. Das Kommunale Jobcenter I1 hat den letzten Antrag der Antragstellerin auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 01.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2016 abgelehnt. Gegen diese Entscheidung ist keine Klage erhoben worden, so dass sie bestandskräftig ist und angesichts der endgültigen und bindenden Regelung für eine vorläufige gerichtliche Regelung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein Raum besteht. Die anwaltlich vertretene Antragstellerin hat überdies mit Schriftsatz vom 13.12.2016 auf die Anfrage des Gerichts, welche Leistungen begehrt werden, mit Schriftsatz vom 13.12.2016 sinngemäß bekräftigt, dass ihr Antrag auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII gerichtet sei. Ein Leistungsanspruch nach dem SGB II scheidet in materieller Hinsicht überdies aufgrund der Leistungsausschlüsse der §§ 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II (jeweils in der alten und neuen Fassung) aus, für die vorab gemachten Ausführungen zum Bestand eines (weitergehenden) Aufenthaltsrechts, zur Europarechtskonformität, zur Verfassungsmäßigkeit und zur Gebotenheit einer Folgenabwägung in gleicher Weise gelten.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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