L 9 AY 226/16 B ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 15 AY 80/16 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AY 226/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Keine Zuständigkeit der Sozialgerichte, sondern der Verwaltungsgerichte, wenn ein sog. Analogberechtigter nach § 2 Abs. 2 AsylbLG einen Anspruch auf Einweisung in eine andere Wohnung außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften auf gefahrenabwehrrechtliche Vorschriften stützt
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 21. November 2016 werden zurückgewiesen. Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Unterbringung in einer geeigneten Einrichtung.

Der 41-jährige Antragsteller ist serbischer Staatsangehöriger und als abgelehnter Asylbewerber im Besitz einer Duldung. Er lebt zusammen mit seinem Sohn und seiner Mutter in einer Einzimmerwohnung ohne separaten Sanitärbereich und ohne Küche in der H M , einer Geminschaftsunterkunft des Amtes Bad Oldesloe-Land. In diese Wohnung hatte ihn das Amt mit Bescheid vom 9. Juni 2016 mit Wirkung vom 14. Juni 2016 im Rahmen einer Umsetzung eingewiesen, diese Einweisungsverfügung auf §§ 162,176 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) gestützt und den Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Einweisung nur vorübergehend erfolge und ihn nicht von seiner Pflicht entbinde, sich um eine andere Wohnung zu bemühen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 26 f. der Gerichtsakte Bezug genommen. Mit Bescheid vom 15. Juni 2015 hat das Amt Bad Oldesloe-Land den Antragsteller für sich und seinen Sohn zu einer Nutzungsgebühr für die Wohnung gemäß der für diese Gemeinschaftsunterkunft geltenden Benutzungs- und Gebührensatzung in Höhe von insgesamt 1.890,91 Euro herangezogen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 31 f. der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Am 3. November 2016 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Schleswig den Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt und insbesondere beantragt,

den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihn mit seinem Sohn und seiner Mutter in einer geeigneten Einrichtung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts unterzubringen.

Zur Begründung seines Antrags hat er geltend gemacht, dass er an einer psychischen Krankheit und seelischen Behinderung leide und aufgrund dieser Erkrankung auf ein ruhiges Wohnumfeld mit mindestens 2 Räumen für die Familie sowie mit separatem Sanitär- und Küchenbereich angewiesen sei.

Nach Anhörung der Beteiligten hat sich das Sozialgericht mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 21. November 2016 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich die Zuweisung in eine andere Einrichtung nach ausländerrechtlichen bzw. asylrechtlichen sowie ggf. nach gefahrenabwehrrechtlichen Bestimmungen bemesse. Es handele sich deshalb nicht um eine Streitigkeit nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, für die eine Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gegeben wäre. Nach der Generalklausel des § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sei vielmehr die Rechtswegzuständigkeit zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.

Gegen diesen Beschluss haben am 30. November 2016 bzw. am 1. Dezember 2016 sowohl der Antragsgegner als auch der Antragsteller Beschwerde erhoben und unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Verweisung des Verfahrens an das Sozialgericht Lübeck beantragt.

Der Antragsgegner macht geltend, dass die Verweisung des Verfahrens an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht rechtsfehlerhaft sei; sachlich und örtlich zuständig sei vielmehr das Sozialgericht Lübeck, an das das Verfahren verwiesen werden müsse. Es handele sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten des Asylbewerberleistungsgesetzes. Die Rechtmäßigkeit der Zuweisung einer neuen Folgeunterkunft richtet sich allein nach den Vorschriften dieses Gesetzes. Die vom Antragsteller begehrte Unterbringung in einer nach seinem Dafürhalten geeigneten Einrichtung bemesse sich nicht nach ausländer- bzw. asylrechtlichen Bestimmungen und auch nicht nach gefahrenabwehrrechtlichen Vorschriften, sondern nach § 3 Abs. 2 Satz 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Nach dieser Vorschrift werde der notwendige Bedarf an Unterkunft bei Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen gesondert durch Geld- oder Sachleistungen gedeckt. Aus dieser Norm folge ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Zuweisung einer menschenwürdigen Anforderungen genügenden Unterkunft. Diesen Anspruch mache der Antragsteller geltend.

Auch der Antragsteller macht geltend, dass sich die Umsetzung von Beziehern von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von einer Wohnunterkunft in eine andere nicht nach den Bestimmungen des Asylgesetzes, sondern nach den Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes bemesse. Deshalb sei der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz [GVG]) und form- und fristgerecht erhoben worden (§ 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht den beschrittenen Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und das Verfahren an das zuständige Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit verwiesen. Der Senat vermag die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen (vgl. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG), weist aber auch im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ergänzend auf Folgendes hin:

Den Beteiligten, die beide mit im Wesentlichen gleichartiger Begründung Beschwerde erhoben haben, ist zuzugeben, dass nach herrschender obergerichtlicher Rechtsprechung sowohl in der Verwaltungs- als auch in der Sozialgerichtsbarkeit für Streitigkeiten über die Zuweisung von Grundleistungsempfängern nach § 3 AsylbLG in eine neue Folgeunterkunft der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sei, weil im Kern streitentscheidend die Frage sei, in welcher Weise die zuständige Behörde die Sachleistung nach § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG zu gewähren habe (OVG Hamburg, Beschluss vom 6. September 2016 – 4 So 75/16; OVG Münster, Beschluss vom 27. Februar 2015 – 12 E 159/15; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. August 2015 – L 20 AY 50/15 B – jeweils zit. n. juris). Ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist, kann der Senat dahinstehen lassen.

Denn streitentscheidende Vorschrift kann hier nach Lage der Dinge nicht § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG sein, da der Antragsteller nach Lage der vorliegenden Verwaltungsvorgänge des Amtes Bad Oldesloe-Land sog. Analogberechtigter nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist. Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Antragstellers kann daher im Bereich des Asylbewerberleistungsrechts nur § 2 Abs. 2 AsylbLG greifen. Danach bestimmt die zuständige Behörde bei der Unterbringung von Analogberechtigten in einer Gemeinschaftsunterkunft die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände. Aus dieser Vorschrift mag ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des unterzubringenden Leistungsberechtigten gegen die Behörde über die zweckentsprechende Leistungsform (Geld- oder Sachleistung) und – bei Entscheidung für die Sachleistung – auch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die insoweit konkret bereitzustellende Unterkunft folgen. Dieser Anspruch kommt hier aber nicht zum Tragen, da das Begehren des Antragstellers – Bereitstellung einer abgeschlossenen Wohnung mit mindestens zwei Wohnräumen sowie Küche und Sanitärbereich – nicht auf Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft, sondern auf Unterbringung in einer eine eigenständige Haushaltsführung ermöglichenden abgeschlossenen Wohnung gerichtet ist. Leistungen für Unterkunft und Heizung an Analogberechtigte außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften sind aber regelhaft als Geldleistungen zu erbringen (vgl. Oppermann, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 2 AsylbLG 1. Überarbeitung Rn. 154 f., 159).

Sowohl der Hinweis auf die Verpflichtung zur Fortsetzung der Wohnungssuche in der Umsetzungsverfügung vom 9. Juni 2016 als auch der an den Antragsteller wegen der Nutzungsgebühr ergangene Leistungsbescheid vom 15. Juni 2016 sprechen im Übrigen dafür, dass der Antragsgegner die Leistungen für Unterkunft und Heizung schon jetzt als Geldleistung – ggf. in Form der Direktüberweisung – erbringt. Macht die leistungsberechtigte Person in dieser Situation geltend, die auf gefahrenabwehrrechtliche Vorschriften gestützte Einweisung trage ihren Bedürfnissen an eine menschenwürdige Unterbringung nicht hinreichend Rechnung, kann sich der Anspruch auf Einweisung in eine andere Wohnung nach Ansicht des Senats allein nach gefahrenabwehrrechtlichen Vorschriften (Anspruch auf polizeiliches Einschreiten) richten. Solche Streitigkeiten sind nach § 40 Abs. 1 VwGO den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugewiesen.

Sachlich und entsprechend § 52 Nr. 4 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 1 Aufführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO SH) örtlich zuständig ist das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht, an das das Sozialgericht die Sache insgesamt zu Recht verwiesen hat.

In Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde ist eine Kostenentscheidung zu treffen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 51 Rn. 74a m.w.N.). Diese ergeht entsprechend §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG und orientiert sich am Ausgang des Beschwerdeverfahrens.

Gründe für die Zulassung der weiteren Beschwerde bestehen nicht. Die Sache weist die dafür erforderliche grundsätzliche Bedeutung nicht auf und der Senat weicht nicht von einer höchstrichterlichen Entscheidung ab (vgl. § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG).

Die Entscheidung ist damit unanfechtbar (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG und § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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