L 8 SO 128/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 48 SO 123/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 128/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
3. In der außerklinischen Intensivpflege wird im Regelfall kein Eingliederungshilfe in Form betreuten Wohnens nach Art. 82 Abs. 2 BayAGSG, sondern vorwiegend Hilfe zur Pflege erbracht. Insbesondere ist nach der Zielrichtung der Leistung zu entscheiden.
4. Zur ambulanten Erbringung von Leistungen außerklinischer Intensivpflege in Wohnungen.
5. Die Intensität der geleisteten Überwachungs- und Betreuungspflichten ist kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung ambulanter Leistungenserbringung von stationärer Hilfe. Maßgeblich sind die rechtlichen Gestaltungen, sofern sie nicht im Ausnahmefall unwirksam sind (§§ 32 SGB I, 134 BGB).
6. Zum Wechsel von Einrichtungen und der verbleibenden örtlichen Zuständigkeit des für Leistungen in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten nach § 98 Abs. 5 SGB XII zuständigen Trägers.
7. Die Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG hemmt die Verjährung wie eine Streitverkündung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB
I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. März 2014 wird aufgehoben.

II. Die Beigeladene zu 1) wird verurteilt, dem Kläger 143.379,09 Euro zu erstatten.

III. Die Beigeladene zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Leistungen der Beigeladenen zu 2) für die im Jahr 1936 geborene und am 20.03.2010 verstorbene Leistungsempfängerin.

Die Leistungsempfängerin S.-L. S. (im Folgenden Leistungsempfängerin) bewohnte bis zum 01.10.2007 eine Mietwohnung in A-Stadt und erhielt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beigeladenen zu 1). Ab dem 02.10.2007 befand sie sich in einer stationäre Pflegeeinrichtung in B-Stadt. Die Beigeladene zu 1) gewährte weiterhin die erforderlichen Leistungen nach dem SGB XII. Nach einem Aufenthalt im Klinikum M-Stadt zog die Leistungsempfängerin am 23.09.2008 in ein Zimmer einer Wohnung im T-Weg 16 in Bad R. (Gebiet des Beigeladenen zu 3)), da sie aufgrund der notwendigen invasiven Beatmung nicht mehr in der zuvor bewohnten Pflegeeinrichtung versorgt werden konnte. Pflegerisch versorgt wurde sie ab diesem Zeitpunkt von der Beigeladenen zu 2). In der Wohnung wurden noch zwei weitere Personen von der Beigeladenen zu 2) versorgt. Die Betreuerin der Leistungsempfängerin teilte am 25.09.2008 dem beklagten überörtlichen Sozialhilfeträger mit, dass die Leistungsempfängerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes vom Klinikum in den T-Weg "verlegt" wurde und dass die Versorgung dort über die Beigeladene zu 2) erfolge. Beigefügt war ein Antrag auf Pflegeleistungen gemäß SGB XI. Der Beklagte stellte mit Schreiben vom 26.09.2008 fest, dass eine eigene Zuständigkeit für die Unterbringungskosten in der Intensivpflegeeinrichtung H. nicht gegeben sei, da ein stationäres Angebot der außerklinischen Intensivpflege H. nicht bekannt sei. Es handele sich wohl um ein Angebot der ambulanten Hilfe zur Pflege. Daher sei der örtliche Sozialhilfeträger, wohl die Beigeladene zu 1), zuständig. Die Leistungsempfängerin wurde gebeten, den Antrag auf Sozialhilfe dorthin zu richten.

Ebenfalls am 26.09.2008 teilte der Beigeladene zu 3) der Leistungsempfängerin auf ihren Antrag vom 20.09.2008 hin mit, dass der Kläger örtlich und sachlich zuständig sei. Es wurde gebeten, den Antrag beim Kläger zu stellen. Ob auch eine Weiterleitung des Antrags erfolgte, ist heute nicht mehr ermittelbar. Der Beigeladene zu 3) hat evtl. angelegte Aktenteile vernichtet.

Am 01.10.2008 beantragte die Leistungsempfängerin beim Kläger Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit und Grundsicherung im Alter. Vorgelegt wurde ein Mietvertrag zwischen G. H. und der Leistungsempfängerin, nach dem die Leistungsempfängerin ein Zimmer in der Wohnung in der T-Straße in Höhe von 300.-Euro pro Monat anmietete. In dem Mietvertrag war vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Pflegedienstwahl sowie freie Wahl des Hausarztes und sonstiger Therapeuten habe.

Der Kläger lehnte mit Bescheid vom 20.10.2008 den Leistungsantrag gegenüber der Leistungsempfängerin ab. Da es sich um eine stationäre Einrichtung handele, sei nicht der Kläger, sondern der Beklagte zuständig für die Leistungserbringung. Sollte es sich um eine ambulant betreute Wohnform handeln, sei die Beigeladene zu 1) nach § 98 Abs. 5 SGB XII zuständig. Der Antrag der Leistungsempfängerin werde zuständigkeitshalber an den Beklagten weitergeleitet.

Hiergegen legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Es handle sich bei dem Angebot der Beigeladenen zu 2) zwar nicht um eine stationäre Einrichtung, jedoch sei gem. § 98 Abs. 5 SGB XII die Beigeladene zu 1) örtlich zuständig, da die Leistungsempfängerin vor Betreuung in einer stationären Einrichtung im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) ihren letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt habe. Ein Anspruch gegen den Kläger ergebe sich auch nicht aufgrund von § 43 SGB I, da der Kläger nicht der erstangegangene Träger gewesen sei. Auch § 14 SGB IX sei nicht anwendbar, da zwischen dem Beigeladenen zu 3) und dem Kläger kein Streit über die Zuständigkeit vorgelegen habe. Hiergegen erhob die Leistungsempfängerin am 30.09.2009 Klage und beantragte Widereinsetzung in den vorigen Stand, da der Widerspruchsbescheid nicht dem Prozessbevollmächtigten zugestellt worden sei. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2012 (S 52 SO 394/09) als unzulässig, da verfristet, abgewiesen.

Gegen den Bescheid vom 26.09.2008 des Beklagten legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 08.10.2010 zurückgewiesen wurde. Die Leistungsbegrenzung zum 23.09.2008 sei rechtmäßig, da sich die Leistungsempfängerin nur bis zu diesem Tag in der stationären Einrichtung in B-Stadt aufgehalten habe. Die Ausführungen zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit für den folgenden Zeitraum seien lediglich Hinweise ohne Regelungscharakter, so dass ein Widerspruch hiergegen nicht statthaft sei. Im Übrigen handle es sich bei der Pflege durch die Beigeladene zu 2) um eine ambulante Maßnahme. Dieser Widerspruchsbescheid wurde bestandskräftig.

Am 24.10.2008 sandte der Beklagte dem Kläger die zugeleiteten Antragsunterlagen zurück mit der Bitte um eigene zuständige Bearbeitung. Die Betreuerin der Leistungsempfängerin beantragte am 11.12.2008 beim Sozialgericht München (SG), den Kläger im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Leistungsempfängerin ab sofort Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu erbringen. Das SG verpflichtete den Kläger mit Beschluss vom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER), der Leistungsempfängerin vom 01.12.2008 bis zum 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Die Beschwerde hiergegen wurde vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 09.02.2009 (L 8 SO 10/09 B ER) zurückgewiesen. Der Kläger sei nach § 14 SGB IX als zweitangegangener Leistungsträger leistungspflichtig. Der Beigeladene zu 3) habe den Antrag der Betreuerin der Antragstellerin an den Kläger weitergeleitet.

Der Kläger zahlte daraufhin die begehrten Leistungen an die Leistungsempfängerin.

Am 06.04.2009 meldete der Kläger beim Beklagten und bei der Beigeladenen zu 1) einen Erstattungsanspruch an. Die Beigeladene zu 1) lehnte eine Kostenerstattung sowie eine Fallübernahme ab. Es handele sich um eine stationäre Betreuung. Auch der Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab. Im Folgenden wiederholte der Kläger seine Erstattungsforderungen gegen den Beklagten und der Beigeladenen zu 1). Am 31.08.2009 wurde die Leistungsempfängerin in den Senioren-Wohnpark L-Stadt verlegt, wo sie am 20.03.2010 verstarb. Ab dem Umzug nach L-Stadt gewährte der Beklagte Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII.

Am 19.03.2010 hat der Kläger Klage zum SG gegen den Beklagten auf Erstattung der angefallenen Aufwendungen für den Zeitraum 01.10.2008 bis 31.08.2009 i. H. v. 152.546,71 EUR sowie von Nebenkosten i. H. v. 714 EUR erhoben.

Der Kläger sei zur Leistungserbringung nicht zuständig gewesen, daher werde Erstattung der gewährten Leistungen nach § 14 Abs. 4 SGB I, hilfsweise nach § 102 SGB X beantragt. Ein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX stehe dem Kläger bereits deshalb zu, da das LSG den Kläger zur Zahlung unter Anwendung von § 14 SGB IX verpflichtet habe. Die Leistungsempfängerin haben Leistungen in einer stationären Einrichtung erhalten. Der Einwand, dass eine Erstattung wegen fehlender Vereinbarungen nach § 75 SGB XII nicht möglich sei, greife nicht. Der Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX verpflichte zur Erstattung nach den Regelungen für den zweitangegangenen Träger. Dem Kläger sei es jedoch nicht möglich, Vereinbarungen mit einem Einrichtungsträger abzuschließen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Es handele sich nicht um eine stationäre Einrichtung. Eine Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung werde nicht übernommen, ein unter einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln die zur zweckgemäßen Versorgung der zu betreuenden Personen geeignet wäre, sei nicht gegeben. Es lägen ein Mietvertrag und ein separater Pflegevertrag vor. Der Kläger sei im einstweiligen Rechtsschutz nicht gem. § 14 SGB IX verpflichtet worden sei, sondern gem. § 43 Abs. 1 SGB I.

Mit Beschluss vom 03.07.2013 ist die Landeshauptstadt München (als Beigeladene zu 1) zum Verfahren beigeladen worden, mit Beschluss vom 09.07.2013 die Leistungserbringerin (als Beigeladene zu 2). Die Beigeladene zu 1) ist der Meinung, dass ein Kostenerstattungsanspruch jedenfalls verjährt sei. Die Beigeladene zu 1) sei erstmals mit Schreiben vom 03.11.2008 auf die problematische Zuständigkeitsfrage aufmerksam gemacht worden. Der Erstattungsanspruch sei am 06.04.2009 vorsorglich und am 01.09.2009 angemeldet worden. Kostenerstattungsansprüche würden nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Die Beigeladene zu 1) habe keine Entscheidung nach § 31 SGB X getroffen. Sofern Leistungen für das Jahr 2008 ausgereicht worden seien, seien diese mit Ablauf des 31.12.2012 verjährt. Bei im Jahr 2009 ausgereichten Leistungen sei dies mit Ablauf des 31.12.2013 der Fall gewesen. Die Verjährung sei nicht durch den Beiladungsbeschluss des SG vom 03.07.2013 gehemmt worden, da eine Beiladung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht in den abschließend aufgeführten Tatbeständen des § 113 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 204 BGB genannt werde. Eine Beiladung stelle weder eine Klage im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch eine Streitverkündung im Sinne des § 204 Nr. 6 BGB dar. Auch seien keine Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geführt worden. Hilfsweise werde mit der fehlenden Zuständigkeit des Beigeladenen argumentiert. Es handele sich um eine stationäre Einrichtung. Auch sei § 98 Abs. 5 SGB XII nicht anwendbar, da Hauptzielrichtung der Leistungen nicht die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei.

Der Kläger erwidert hierauf, dass die Verjährung hier gehemmt worden sei, da zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) Verhandlungen geführt worden seien. Hierfür sei ein ernsthafter Meinungsaustausch über den Anspruch ausreichend. Im Übrigen würde die Berufung auf die Einrede der Verjährung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen. Der für den 16.12.2013 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung sei auf Antrag der Beigeladenen zu 1) verlegt worden. Die Beigeladene zu 1) habe eine außergerichtliche Einigung in Aussicht gestellt. Diese sei jedoch in keiner Weise auf den Kläger zugekommen. Es sei rechtsmissbräuchlich, eine Einigung in Aussicht zu stellen, dadurch eine Verlegung der Terminierung eines Gerichtsverfahrens zu erreichen und dann eine Verjährungseinrede zu erheben.

Das SG hat mit Urteil vom 25.03.2014 den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten. Die Klage sei zulässig und begründet. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches sei § 102 SGB X. Ein Fall des § 14 SGB IX liege nicht vor, da es sich nicht um Leistungen zur Teilhabe handele. Soweit in der Erstattungsforderung Leistungen der Hilfe bei Krankheit enthalten seien, handele es sich bei diesen nicht um medizinische Rehabilitationsleistungen, welche der Eingliederungshilfe zuzuordnen wären. Beide Hilfearten seien vielmehr klar voneinander abzugrenzen. Der Kläger habe der Leistungsempfängerin aufgrund des Beschlusses des SG vom 02.01.2009 vorläufig Sozialleistungen in Form von Leistungen der Hilfe zur Pflege, der Hilfe bei Krankheit und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erbracht. Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayAGSG die Leistungsempfängerin sei im streitigen Zeitraum in einer stationären Einrichtung untergebracht gewesen. Es handele sich um eine Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB XII. Die Leistungsempfängerin sei von den Beschäftigten der Beigeladenen zu 2) umfassend betreut worden. Die Hilfeleistungen seien durch die Beigeladene zu 2) zentral organisiert worden. Daher sei die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Bewohner übernommen worden. Ungeachtet der formal-rechtlichen Trennung der Bereiche Vermietung und Pflege seien die erbrachten Leistungen faktisch als einheitliche Gesamtleistung anzusehen. Auch dass hier nur drei Personen betreut worden seien, spreche nicht gegen eine stationäre Einrichtung. Eine Untergrenze lasse sich hier nicht ziehen. Dass eine Leistungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII nicht vorliege, dürfte dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, da sich die beteiligten Leistungsträger in Ungewissheit über die rechtliche Einordnung des Leistungserbringers befunden hätten und kein Zweifel an der sozialhilferechtlichen Geeignetheit und Notwendigkeit der erbrachten Leistungen bestanden habe.

Hiergegen hat der Beklagte am 06.06.2014 Berufung zum LSG eingelegt. Es sei nicht erkennbar, dass die Beigeladene zu 2) die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung ihrer Klienten übernehme. Auch sei ein Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln nicht gegeben. Der Mietvertrag und der Pflegevertrag seien nicht aneinander gekoppelt. Die Schlussfolgerung des SG, dass aufgrund der Zubereitung des Essens, der Erledigung der Einkäufe und der Begleitung bei Freizeitaktivitäten durch die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2) eine Gesamtverantwortung für den Tagesablauf bestanden hätte, sei nicht richtig. Vielmehr sei dies aufgrund von freiwilligen Entscheidungen der Bewohner von diesem Dienst in Anspruch genommen worden. Entgegen der Auffassung des SG würde eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten auch daran scheitern, dass die Leistungsempfängerin keinen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege gegenüber dem Beklagten gehabt hätte. Denn eine solche hätte nur bestanden, wenn Verträge gemäß § 75 SGB XII vorgelegen hätten. Der Senat hat mit Beschluss vom 07.12.2016 den Landkreis Berchtesgadener Land (als Beigeladenen zu 3) zum Verfahren beigeladen.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise die Beigelade zu 1) zu verurteilen, Kosten in Höhe von 143.379,09 Euro zu erstatten.

Die Beigeladene zu 1) beantragt, die Berufung zurückzuweisen und den Hilfsantrag des Klägers abzuweisen.

Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen, sowie der Verfahren S 46 SO 530/08 ER vor dem SG sowie L 8 SO 10/09 B ER vor dem LSG sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Klägers und des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung ist zulässig. Sie wurde frist- und formgerecht nach § 151 SGG eingelegt; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen oder Behörden maßgeblichen Grenzwert nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 10.000.- EUR.

B. Die Berufung ist auch begründet. Nicht der Beklagte, sondern die Beigeladene zu 1) ist dem Kläger zur Erstattung der gewährten Leistungen für die Leistungsempfängerin im Zeitraum 01.12.2008 bis 30.08.2009 verpflichtet. Die Beigeladene zu 1) kann auch gem. § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG als Leistungspflichtige verurteilt werden. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger bereits im erstinstanzlichen Verfahren am 14.03.2014 gestellt und in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren wiederholt. Ein Antrag auf Verurteilung eines Beigeladenen stellt keine Klageänderung i. S. d. § 99 SGG dar (Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., § 99 Rn. 6 a).

I. Statthafte Klageart ist die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, da ein Verwaltungsakt zwischen den Leistungsträgern nicht zu ergehen hatte. Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes besteht nur bei Vorliegen eines Subordinationsverhältnisses zwischen Leistungsträger und Bürger. Im Verhältnis zwischen Leistungsträgern ist der Erlass eines Verwaltungsaktes nicht zulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., Anhang § 54 RdNr. 4).

Das SG hat hier trotz eines bezifferten Klageantrags, gerichtet auf Erstattung von 152.546,71 Euro, ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGG erlassen und den Beklagten verurteilt "dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 für die Leistungsempfängerin S.-L. S. angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten". Da es sich bei der Klage auf Erstattung um eine reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG handelt, erledigt ein Grundurteil den Rechtstreit nicht abschließend. Es handelt sich vielmehr nur um ein Zwischenurteil nach § 202 SGG i. V. m. § 304 Abs. 1 ZPO, mit dem über den Grund des Anspruchs vorab entschieden wurde, die Höhe des Anspruchs jedoch ausgeklammert wurde. Dabei bleibt der Rechtstreit grundsätzlich bei dem erkennenden Gericht, hier dem SG, bis zur Durchführung des Nachverfahrens über die Höhe der Leistung anhängig, auch wenn das Zwischenurteil wie ein Endurteil rechtsmittelfähig ist (BSG, Urteil vom 25.01.1994, 7 Rar 42/93 RdNr. 37; Keller a. a. O., § 130 RdNr. 4 e).

Da hier jedoch das Zwischenurteil des SG aufgehoben wird, kann im Berufungsverfahren die Beigeladene zu 1) entsprechend dem im Berufungsverfahren höhenmäßig modifizierten Klageantrag bzw. bei Wiederholung des erstinstanzlich gestellten Leistungsantrags durch Endurteil verurteilt werden, dem Kläger eine bezifferte Erstattungsforderung i. H. v. 143.379,09 Euro zu erstatten. Eines Nachverfahrens bedarf es nicht, da im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1) ein Zwischenurteil nicht ergangen ist.

II.
Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 105 SGB X.

1. Dieser Anspruch ist nicht nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 S. 1 und 2 dieser Vorschrift erbracht haben (Leistungserbringung aufgrund Zuständigkeit wegen unterlassener Weiterleitung), § 105 SGB X nicht anwendbar, es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren Abweichendes. Unabhängig von der Frage, ob hier § 14 SGB IX anwendbar ist (was zweifelhaft sein könnte, da keine Leistungen zur Teilhabe beantragt worden waren), war der Kläger jedenfalls nicht erstangegangener Leistungsträger, da die Leistungsempfängerin zunächst am 20.09.2008 einen Leistungsantrag beim Beigeladenen zu 3) gestellt hat. Somit wäre nach § 14 Abs. 2 SGB IX dieser bei fehlender Weiterleitung leistungspflichtig gegenüber der Leistungsberechtigten geworden, nicht jedoch der Kläger. Im Übrigen spräche gegen eine Anwendung von § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX, dass der Kläger durch Senatsbeschluss vom 09.02.2009 (L8 SO 10/09 B ER) aufgrund § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX entsprechend dem Beschluss des SG vom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER) verpflichtet worden war, ab dem 01.12.2008 Leistungen für die Leistungsempfängerin zu erbringen. Daher ist auch nach dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben ein Ausschluss nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX anzunehmen, da der Kläger mit der Leistungserbringung seiner Pflicht aus dem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz nachgekommen ist.

2. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen , soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

III.
Für die vom Kläger erbrachten streitbefangenen Leistungen war die Beigeladene zu 1) sachlich und örtlich zuständig.

1. Die Beigeladene zu 1) war als örtlicher Träger der Sozialhilfe gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 BayAGSG sachlich zuständig für die Leistungen, die durch die Beigeladene zu 2) erbracht wurden, die erbrachten Leistungen der Hilfe zur Gesundheit sowie die erbrachten Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Denn weder handelt es sich um stationäre Pflege (dazu unter a.) noch um besondere Betreuung in einer Wohngemeinschaft nach landesrechtlichen Sachvorschriften (dazu unter b.).

a. Die von der Leistungsempfängerin bezogenen Leistungen stellen keine Leistungen dar, die in einer stationären oder teilstationären Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 1 SGB XII gewährt wurden, dar, so dass eine sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Satz 2 BayAGSG, mithin nach Art. 81 Abs. 1 BayAGSG des Beklagten, nicht gegeben ist. Bei der Wohngemeinschaft, in der der Leistungsempfängerinn Leistungen von der Beigeladenen zu 2) erbracht wurden, handelt es sich nicht um eine Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 1 SGB XII. Unter einer Einrichtung (unabhängig ob voll- oder teilstationär) ist ein unter einer besonderen organisatorischen Einheit zusammengefasster Bestand an Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten unter verantwortlicher Trägerschaft zu verstehen, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt ist und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu dek-kenden Bedarf oder der Erziehung dient (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1994,5 C 17/91, Urteil des BSG vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R m. w. N.). Eine verantwortliche Trägerschaft in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsempfängerinn übernimmt. Die Beigeladene zu 2) ist nach diesen Kriterien nicht als Leistungserbringerin in einer stationären Einrichtung anzusehen. Die von der Leistungsempfängerin bewohnte Wohnung stellt eine solche nicht dar. Es besteht bereits keine organisatorische Einheit von Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten. Vielmehr hat die Leistungsempfängerin das Zimmer in der Wohnung mit einem Mietvertrag angemietet, dessen Vertragspartner nicht die Beigeladene zu 2) war, sondern ein Dritter. Auch wenn der Vermieter als Ehemann der Eigentümerin der Beigeladenen zu 2) familiär mit dieser verbunden war, so handelt es sich dennoch rechtlich gesehen um einen Dritten. Der Mietvertrag sah auch keine rechtliche oder tatsächliche Verknüpfung mit Pflegeleistungen oder einer sonstigen Leistungserbringung durch die Beigeladene zu 2) vor. Vielmehr war unter 5) des Mietvertrages vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Wahl in Bezug auf den Pflegedienst, den Hausarzt, Physiotherapeuten sowie weitere ärztliche Leistungserbringer habe. Dass tatsächlich von den Bewohnern der Wohnung kein anderer Pflegedienst in Anspruch genommen wurde, ändert nichts daran, dass es sich bei der Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten aufgrund des Mietvertrags und den Pflegeleistungen aufgrund des Pflegevertrags um zwei unabhängige vertragliche Regelungen handelt und daher keine organisatorische Einheit diesbezüglich gegeben war. Eine rechtliche oder sonstige Verpflichtung zu einer Beauftragung der Beigeladenen zu 2) bestand nicht. Vielmehr hätte die Möglichkeit bestanden, Pflege- oder sonstige Dienstleistungen von anderen Dienstleistern erbringen zu lassen. Es ist unerheblich, wenn von der Beigeladenen zu 2) in der mündlichen Verhandlung bzw. im Internetauftritt ausgeführt wird, dass "alles" für die Bewohner getan werde. Die Intensität der geleisteten Überwachungs- und Betreuungspflichten ist kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung i. S. v. 13 SGB XII. Maßgeblich sind die rechtlichen Gestaltungen, sofern sie nicht im Ausnahmefall unwirksam sind (§§ 32 SGB I, 134 BGB). Dafür bestehen entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1) keine Anhaltspunkte. Der Pflegevertrag regelt verbindlich, welche Art von Leistungen erbracht wurde. Danach wurden Leistungen durch einen Pflegedienst i. S. v. § 75 Abs. 1 S. 2 SGB XII erbracht, somit ambulante Leistungen. Aus dem vorgelegten Pflegeplan ergibt sich ebenfalls kein Indiz für eine stationäre Leistungserbringung. Auch die Abrechnungen erfolgten unter Annahme ambulanter Leistungen nach Leistungskomponenten. Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für eine stationäre Einrichtung bestanden nicht.

Auch wenn man bei einer 24- stündigen Pflege wie im vorliegenden Fall durchaus einen erheblichen Anteil an der Verantwortung für den Pflegebedürftigen innehat, so führt allein dies nicht zur Annahme einer stationären Einrichtung. Andernfalls müsste man auch bei Personen, die in der eigenen Wohnung von einem Pflegedienst rund um die Uhr gepflegt werden, einen solchen Schluss ziehen, was erkennbar unsinnig ist. Die Verantwortung des Pflegedienstes umfasste nur die pflegerischen Belange. Diese sind bei schwerstpflegebedürftigen Personen regelmäßig alle wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens (§ 14 SGB XI). Dies führt je nach Umfang der Pflegebedürftigkeit zu einer Verantwortung für die tägliche Lebensführung, jedoch nicht zu einer Gesamtverantwortung im Sinne des § 13 SGB XII. Z. B. fehlt es an einer Verantwortung für die sächliche Ausstattung mit Möbeln oder weiteren allgemein nutzbaren Pflegeutensilien. Auch bezieht sich die Verantwortung des Pflegedienstes nicht auf die anderweitig angemieteten Räumlichkeiten. Maßgeblich ist neben der Gesamtverantwortung das Vorliegen einer organisatorischen Einheit wie oben dargestellt. Geht gerade daran fehlt es aber aufgrund der unterschiedlichen Verträge. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass der Internetauftritt der Beigeladenen zu 2) durchaus den Eindruck erweckt hat, dass es sich bei der Wohngemeinschaft und den Leistungen der Beigeladenen zu 2) um eine einheitliche Versorgung handelt ("extra konzipierte Wohngemeinschaften"). Andererseits wird auf der Internetseite der Beigeladenen zu 2) auch darauf hingewiesen, dass die individuelle Lebensführung der einzelnen Patienten im Vordergrund steht, und die Angehörigen auf Wunsch an die Pflege herangeführt werden. Diese Ausführungen sprechen eher gegen die Übernahme einer Gesamtverantwortung für die Pflegebedürftigen. Jedenfalls sind maßgeblich für die Einstufung eines Pflegeangebotes als ambulant oder stationär die vertraglichen Regelungen und nicht etwaige Aussagen auf einer Internetseite. Auch eine teilstationäre Leistung lag nicht vor. Eine solche ist dann gegeben, wenn Leistungen an einem Teil des Tages in einer Einrichtung erbracht werden. Hier hat die Leistungsempfängerin jedoch ihre Wohngemeinschaft nicht regelmäßig für einen Teil des Tages verlassen. Das BSG hat Zweifel, ob es eine teilstationäre Form des betreuten Wohnens überhaupt geben kann (BSG, Urteil vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R, RdNr. 18 f.). Denn ein solches wäre nur denkbar, wenn sich die Hilfe in einer Einrichtung auf zeitlich klar abgrenzbare Abschnitte beschränken würde, was angesichts des Umstandes, dass eine Person an einem Ort auch dann wohnt, wenn sie sich zeitabschnittsweise an einem anderen Ort befindet, schwer vorstellbar erscheint. Eine sachliche Zuständigkeit des Beklagten nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Nummer 2 BayAGSG ist daher nicht gegeben.

b. Auch eine sachliche Zuständigkeit des beklagten überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ist nicht gegeben. Nach Art. 82 Abs. 2 BayAGSG gilt § 97 Abs. 4 SGB XII entsprechend, wenn Eingliederungshilfe an behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht wird. Gemäß § 97 Abs. 4 SGB XII umfasst die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74 SGB XII. Der Gesetzgeber hat damit, wenn bestimmte Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht werden, eine umfassende Zuständigkeit für Leistungen nach dem SGB XII für den überörtlichen Träger der Sozialhilfe festgelegt. Zwar war die Leistungsempfängerin unzweifelhaft behindert im Sinne von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG. Auch lebte sie in einer Wohngemeinschaft im Sinne dieser Vorschrift. An die Leistungsempfängerin wurde jedoch keine Eingliederungshilfe im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung i. S. v. Art. 82 Abs. 2 Bay AGSG erbracht. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 des SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 53 Abs. 3 SGB XII ist besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege verfolgen im Ausgangspunkt unterschiedliche Zielrichtungen. Mit der Hilfe zur Pflege wird nicht vornehmlich auf die Besserung des gesundheitlichen Zustands, sondern vielmehr auf die Unterstützung bzw. Übernahme der erforderlichen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des Alltags abgestellt. Der behinderte Mensch soll nicht an den Grunderfordernissen des täglichen Lebens scheitern. Demgegenüber hat die Eingliederungshilfe zum Ziel, auf eine Integration des behinderten Menschen in die Gesellschaft und auf eine entsprechende berufliche Rehabilitation hinzuwirken. (Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 61 SGB XII Rn. 16; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.07.2015, L 2 SO 1431/13).

Danach wurden der Leistungsempfängerin von der Beigeladenen zu 2) keine Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht. Zum einen wurden solche Leistungen weder beantragt, noch bewilligt oder erbracht. Beantragt waren nur Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Selbst unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes spricht nichts für eine Auslegung des Antrags auf Leistungen der Teilhabe. Ein spezifischer Teilhabebedarf der Leistungsempfängerin war nicht erkennbar. Die Bewilligung umfasste ebenfalls nur die beantragten Leistungen. Auch aus dem Pflegevertrag und dem vorgelegten Pflegeplan ist erkennbar, dass keine Eingliederungshilfe erbracht wurde. So ist im Pflegeplan unter dem alleine an Eingliederungshilfe zu denkenden Punkt Nr. 9 "Sich beschäftigen" als Leistung festgelegt, dass die Leistungsempfängerin über den Tagesablauf informiert und mit einbezogen wird und die Leistungsempfängerin animiert werden solle, mitzumachen. Unter "Fähigkeiten" ist die Leistungsempfängerin beschrieben als Person, die gerne fernsiehst, Zeitungen liest, sich gerne mit dem Pflegepersonal unterhält sowie strickt. Leistungen mit der Zielsetzung einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind damit nicht verbunden. Selbst wenn das Pflegepersonal ab und an mit der Leistungsempfängerin einen Ausflug unternommen haben sollte, führt dies nicht dazu, dass die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe angenommen werden könnte. Denn dies gehört zum normalen Leistungsspektrum im Rahmen der aktivierenden Pflege. Zielrichtung der gewährten Hilfe war die Unterstützung und Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens. Diese Pflege soll nach § 29 Abs. 4 SGB XI den Pflegebedürftigen aktivieren, um vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und soweit möglich, verlorene Fähigkeiten zurückzugewinnen. Weiterhin sollen, um der Gefahr der Vereinsamung des Pflegebedürftigen entgegenzuwirken, bei der Leistungserbringung auch die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen nach Kommunikation berücksichtigt werden. Genau diese Pflegeziele wurden im Pflegeplan berücksichtig. Weitergehende Teilhabeleistungen der Eingliederungshilfe wurden nicht erbracht. Es ist deshalb nicht relevant, ob für die Annahme von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ein bestimmter Umfang von Leistungen der Eingliederungshilfe vorherrschen muss (vgl. hierzu Urteil des LSG vom 21.02.2013, L 18 SO 85/10). Weiterhin ist hier nicht relevant, ob Art. 82 Abs. 2 BayAGSG neben der Gewährung von Eingliederungshilfe auch voraussetzt, dass die tatsächlich erbrachte Hilfe ihrer Art nach als Eingliederungshilfe zu qualifizieren wäre oder dass es sich um qualifizierte Eingliederungshilfe zum selbstbestimmten Wohnen handeln muss. Es verbleibt daher bei der sachlichen Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers.

2. Die Beigeladene zu 1) ist auch örtlich für die der Erstattungsforderung zu Grunde liegende Leistungsgewährung zuständig gewesen gemäß § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist grundsätzlich für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsempfängerin tatsächlich aufhalten. Der Gesetzgeber hat hiervon jedoch Ausnahmen gemacht, um Orte zu schützen, die besondere Leistungsangebote vorhalten, weshalb mit einer vermehrten Leistungszuständigkeit und daher eine höheren finanziellen Belastung zu rechnen ist. Dies ist gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII ein Ort, an dem eine stationäre Einrichtung besteht. Die gleiche Zielrichtung hat die Regelung in § 98 Abs. 5 SGB XII, wonach für Leistungen nach dem SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Die Leistungsempfängerin lebte ab dem 23.09.2009 in einer ambulanten betreuten Wohnmöglichkeit im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten, der gesetzlich nicht näher definiert wird, orientiert sich nach der Gesetzesbegründung (BT-TRS. 15/1514) zur ursprünglichen Normfassung an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX. Daraus hatte das BSG geschlossen, dass es sich bezüglich der Art der erforderlichen Betreuung nicht um eine solche pflegerische Art handeln dürfe, sondern Hauptzielrichtung der Leistungen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein müsse (als Form einer Eingliederungsleistung, vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011, B 8 SO 7/10 R, Rn. 15). Diese Meinung hat das BSG mit Urteil vom 30.06.2016, B 8 SO 6/15 R) modifiziert. Nun sieht es sämtliche Leistungen der ambulanten Betreuung nach dem 6. bis 8. Kapitel mit der Zielrichtung der Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich als gleichgestellt an. Auch die Gewährung von ambulanten Leistungen der Hilfe zur Pflege können demnach einen Leistungsfall des betreuten Wohnens im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII darstellen, da auch damit die Sicherung der Selbstbestimmung im eigenen Wohn- und Lebensbereich einhergeht. Das BSG sieht es als systematisch ausgeschlossen an, die Norm nur für Eingliederungshilfeleistungen des betreuten Wohnens anzuwenden. Dieser Auffassung, die durch den Wortlaut der Vorschrift eindeutig gestützt wird, schließt sich der erkennende Senat an (vgl. auch Urteil des Senats vom 22.11.2016, L 8 SO 221/14). Damit handelt es sich vorliegend bei den Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII, die die Leistungsempfängerin ambulant als Betreuungsleistungen in einer Wohnmöglichkeit erhielt, um solche, die die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 SGB XII zur Anwendung kommen lässt. Die Leistungsempfängerin war vor Betreuung in der Wohngemeinschaft im T-Weg in einer stationären Einrichtung, zunächst in einer Pflegeeinrichtung im Landkreis M-Stadt (Kläger), im Anschluss daran in einem Krankenhaus untergebracht. Die Beigeladene zu 1) blieb für diese Aufenthalte in stationären Einrichtungen gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII örtlich zuständig. Ein gewöhnlicher Aufenthalt wurde durch die Aufenthalte in den Einrichtungen nach § 109 SGB XII nicht begründet. Daher war die Beigeladene zu 1) vor Eintritt in die ambulant betreute Wohnmöglichkeit zuletzt örtlich zuständiger Leistungsträger.

IV.
Die der Erstattungsforderung zugrunde liegende Leistungserbringung erfolgte rechtmäßig. Die Leistungsempfängerin hatte einen Anspruch auf die erbrachten Leistungen nach dem SGB XII. Auch war der Kläger aufgrund des Beschlusses des LSG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren L 8 SO 10/09 B ER zur Leistungserbringung verpflichtet. Diese Verpflichtung war vom SG ausgesprochen " bis 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens". Diese beiden Endpunkte der Leistungsverpflichtung sind im Beschluss alternativ benannt. Der Beschluss kann daher nicht so ausgelegt werden, dass die Leistungserbringung längstens bis 28.02.2009 erfolgen sollte. Das Verwaltungsverfahren endete durch Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009. Der Kläger hat bis zu diesem Zeitpunkt Leistungen erbracht bzw. Leistungen nach § 264 SGB V bis zum 31.08.2009. Da der Prozessbevollmächtigte gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.07.2009 am 30.09.2009 Klage erhoben hatte und Widereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wurde (S 52 SO 394/09), ist bis zum 31.08.2009 keine Bestandskraft eingetreten, so dass die Leistungsgewährung vollständig aufgrund des Beschlusses des LSG im Verfahren L 8 SO 10/09 B ER beruhte. Rechtskraft wurde vielmehr erlangt durch Gerichtsbescheid vom 31.01.2012. Im Übrigen hat sich die vorläufige Regelung auf die Verpflichtung zur Zuständigkeit an sich bezogen. Die Leistungserbringung selbst stand nicht unter dem Rechtsgrund der Vorläufigkeit sondern die Erstattung als unzuständiger Leistungsträger i. S. v. § 105 SGB X.

V.
Der Beigeladene zu 1) hat nicht selbst geleistet. Die Voraussetzungen des § 102 SGB X liegen nicht vor. Der Kläger hat nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften, etwa § 43 SGB I die Leistungen vorläufig erbracht, sondern aufgrund der Verpflichtung durch gerichtlichen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Damit sind die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 105 Abs. 1 SGB X erfüllt.

VI.
Der Anspruch auf Erstattung ist nicht gemäß § 113 SGB X verjährt. Nach § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X verjähren Erstattungsansprüche in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträger über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Diese Regelung ist problematisch bei Kostenerstattungsverfahren zwischen Trägern der Sozialhilfe, da ein erstattungspflichtiger Träger der Sozialhilfe regelmäßig in keiner Rechtsbeziehung zur Leistungsempfängerin Person steht, so dass es auch keine "Entscheidung über die Leistungspflicht" geben kann (vgl. Gesetzentwurf zum Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 05.09.2003, BT-Drs. 15/1514). Der Senat sieht es als gerechtfertigt, in so einem Fall nicht davon auszugehen, dass eine Verjährungsfrist überhaupt nicht beginnen kann, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Erstattung abzustellen, wie auch von der Beigeladenen zu 1) vertreten. Danach beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch auf Erstattung entsteht im Zeitpunkt der Leistungserbringung, somit im Jahr 2009 im Anschluss an den Beschluss des SG vom 02.01.2009. Die Verjährungsfrist begann somit am 01.01.2010 und endete mit Ablauf des Jahres 2013 am 31. Dezember. Die Verjährung wurde jedoch gehemmt durch die Beiladung der Beigeladenen zu 1) mit Beschluss des SG vom 03.06.2013. Die Beiladung hemmt die Verjährung wie eine Streitverkündung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB. Denn die Stellung nach einer Streitverkündung und einer Beiladung ist vergleichbar, beide führen dazu, dass man damit rechnen muss, nach Beendigung des Prozesses in Anspruch genommen zu werden. Um die Durchsetzung eines solchen Anspruches nicht an einer inzwischen eingetretenen Verjährung scheitern zu lassen, sieht § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB die Hemmung der Verjährung vor. Dass bei einer Beiladung anders als im Zivilprozess der Dritte durch das Gericht am Rechtsstreit beteiligt wird, ergibt sich aus dem Amtsprinzip des Sozialgerichtsverfahrens (BSG, Urteil vom 21. Februar 1990,12 RK 55/88; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Juli 2009,1124 KR 157/09BER, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl., § 75 Rn. 17 a sowie § 94 Rn. 5). Die Hemmung der Verjährung bewirkt nach § 209 BGB, dass die Zeiten der Hemmung der Verjährung nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet werden. Somit war im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aufgrund der Hemmung der Verjährung durch die rechtzeitige Beiladung der Beigeladenen zu 1) durch das SG der Anspruch auf Erstattung gegen diesen nicht verjährt.

VII.
Die Höhe des ursprünglich geltend gemachten Erstattungsanspruchs war bzgl. der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem vierten Kapitel des SGB XII um die Erstattungsleistungen des Bundes nach § 46 a SGB XII zu kürzen. Der Kläger hat auf entsprechenden Hinweis des Senats die Erstattungsforderung um die mit Bescheiden des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 25.07.2008 und 05.08.2009 gewährte Bundeserstattung gekürzt.

VIIII.
Insgesamt ist daher festzustellen, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Beigeladene zu 1) auf Erstattung der im Zeitraum 01.12.2008 bis 31.08.2009 getätigten Leistungen in Form von Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat. Ein Anspruch gegen den Beklagten besteht entgegen der Entscheidung des SG nicht. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Beigeladene zu 1) zu einer Kostenerstattung von 143.379,09 Euro zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved