L 7 AS 779/14

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 8 AS 159/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 779/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 384/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 14. Oktober 2014, berichtigt durch Beschluss vom 29. Oktober 2014, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen. 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der an die Klägerin für den Zeitraum vom 1. März 2014 bis 31. Juli 2014 zu gewährenden Kosten der Unterkunft (Kaltmiete).

Die 1982 geborene Klägerin war bis zum 17. Februar 2014 unter der Anschrift "B-Straße, B-Stadt" gemeldet und stand auch dort beim Jobcenter Landkreis Esslingen im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Am 18. Februar 2014 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II (Bl. 1160 der Verwaltungsakte des Beklagten, künftig: VA). Im Hauptantrag war als aktuelle Anschrift "C-Straße" in C-Stadt (A-Stadt) vermerkt. Zudem wurde ein Wohnungs-Einheitsvertrag vom 15. Februar 2014 über eine 2-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 36 Quadratmetern im Haus "C-Straße C-Stadt Dachgeschoss links Nr. xx" vorgelegt. Als Mietbeginn war der 1. März 2014 vermerkt. Die Netto-Kaltmiete beläuft sich für diese Wohnung auf 270,- EUR zzgl. eines Betriebskostenvorschusses von 100,- EUR (davon 50,- EUR für Heizkosten), insgesamt mithin auf 370,- EUR. Im Leistungsantrag war ferner angegeben, dass die Klägerin Arbeitslosengeld II in Höhe von 391,- EUR beziehe. Schließlich wies sie darauf hin, dass sie obdachlos geworden wäre, wenn sie die Wohnung nicht angemietet hätte (Bl. 1175 VA).

Mit Schreiben vom 20. Februar 2014 forderte der Beklagte die Klägerin zur Vorlage von verschiedenen Unterlagen auf. Zudem wurde durch eine Mitteilung des bis zum Umzug der Klägerin zuständigen Jobcenters Landkreis Esslingen bekannt, dass die Klägerin dort ihren Umzug nicht angezeigt und sich dementsprechend auch keine Zusicherung vor Abschluss des Mietvertrages im Sinne von § 22 Abs. 4 SGB II eingeholt hatte. Das Jobcenter des Landkreises Esslingen teilte weiterhin mit, dass wegen Meldeversäumnissen vom 27. November 2013, 16. Dezember 2013 und 30. Dezember 2013 Sanktionsentscheidungen gegen die Klägerin ergangen seien, die bei der Leistungsbewilligung durch den neuen Träger zu beachten seien (Bl. 1183 VA). Aufgrund des erfolgten Umzugs hob das Jobcenter Landkreis Esslingen mit Bescheid vom 14. März 2014 (Bl. 1210 VA) die Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 19. Februar 2014 bis 31. März 2014 hinsichtlich der zu Unrecht gewährten Unterkunftskosten auf und teilte der Klägerin gleichzeitig mit, dass der bereits ausgezahlte Regelbedarf mit dem Jobcenter Waldeck-Frankenberg verrechnet werde.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 3. April 2014 (Bl. 1238 VA) bewilligte der Beklagte daraufhin aufgrund des Antrages der Klägerin vom 18. Februar 2014 und unter Berücksichtigung der Minderungen aufgrund von Sanktionen Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. März 2014 bis 31. März 2014 in Höhe von 306,70 EUR, für die Zeit vom 1. April 2014 bis 31. Mai 2014 in Höhe von monatlich 580,40 EUR und für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis 31. Juli 2014 in Höhe von monatlich 697,70 EUR. Dabei wurden bei der Berechnung des Leistungsanspruchs Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 306,70 EUR (206,70 EUR Grundmiete, 50,- EUR für Bedarf an Heizung und 50,- EUR für Nebenkosten) berücksichtigt.

Ein daraufhin vor dem Sozialgericht Marburg mit dem Ziel der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten eingeleitetes einstweiliges Rechtsschutzverfahren (S 8 AS 78/14 ER) blieb ohne Erfolg (Beschluss des SG Marburg vom 12. Mai 2014, Bl. 1337 VA), ebenso die dagegen vor dem Hessischen Landessozialgericht erhobene Beschwerde (Beschluss des Senats vom 10. Juni 2014, L 7 AS 369/14 B ER, Bl. 1376 VA). Auch ein weiteres für den Folgezeitraum vom 1. August 2014 bis 31. Januar 2015 mit dem Ziel der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten durchgeführtes Eilverfahren blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg (Beschluss des SG Marburg vom 21. Juli 2014, S 8 AS 161/14 ER sowie Beschluss des Senats vom 19. August 2014, L 7 AS 580/14 B ER).

Den gegen den Bescheid vom 3. April 2014 von der Klägerin erhobenen Widerspruch, mit dem sie die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 370,- EUR monatlich begehrte, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2014 (Bl. 1382 VA) als unbegründet zurück. Die von der Klägerin zu zahlende Grundmiete in Höhe von 270,- EUR könne nicht als für ihren Wohnort angemessen erachtet werden. Aus der Richtlinie des kommunalen Trägers zur Festlegung von Mietpreisobergrenzen im Gebiet des Landkreises Waldeck-Frankenberg für Empfänger von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII betrage die am Wohnort AC-Stadt angemessene Grundmiete für einen Einpersonenhaushalt (Bodenwertkategorie B) lediglich 194,10 EUR. Mit dem streitgegenständlichen Bewilligungsbescheid seien der Klägerin über den Betrag in Höhe von 194,10 EUR hinausgehend bereits Unterkunftskosten bewilligt worden und zwar in Höhe des für einen Einpersonenhaushalt in A-Stadt (Bodenwertkategorie A) angemessenen Betrag in Höhe von 206,70 EUR monatlich. Damit seien der Klägerin bereits höhere Unterkunftskosten bewilligt worden, als ihr tatsächlich nach schlüssigem Konzept zustehen würden. Da die Klägerin auch zuvor schon bei einem anderen Leistungsträger im Leistungsbezug gestanden habe und ohne dessen Zusicherung im Sinne des § 22 Abs. 4 SGB II umgezogen sei, löse die Anmietung der unangemessenen Wohnung auch kein schutzwürdiges Vertrauen aus, welches die Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II rechtfertigen könnte.

Mit der am 2. Juli 2014 bei dem Sozialgericht Marburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung der tatsächlichen Unterkunftskosten, konkret auf Gewährung des Differenzbetrages in Höhe von monatlich 63,30 EUR für die streitgegenständlichen Monate März bis Juli 2014, weiter verfolgt. Sie habe die Wohnung am 1. März 2014 anmieten müssen, da sie keine Wahl gehabt habe und sie ansonsten obdachlos geworden wäre. Sie habe zuletzt bei ihrer Schwester, Frau D., in B-Stadt gewohnt; ihre Schwester und deren Mann wollten jedoch wieder alleine wohnen. Daher seien die tatsächlichen Unterkunftskosten als Existenzminimum zu übernehmen. Dies sei ihr auch von einer Mitarbeiterin der Beklagten, Frau E., zugesagt worden.

Der Beklagte hat seine Entscheidung verteidigt und darauf hingewiesen, dass der maßgebliche Mietvertrag zum Zeitpunkt der ersten persönlichen Vorsprache der Klägerin beim Jobcenter Waldeck-Frankenberg am 18. Februar 2014 bereits abgeschlossen gewesen sei. Des Weiteren hat er eine schriftliche Stellungnahme der Sachbearbeiterin Frau E. vorgelegt, in der diese ausführt, dass der Klägerin eine mündliche Zusage hinsichtlich der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten nicht erteilt worden sei (Bl. 9 der Gerichtsakte, künftig: GA). Vorgelegt wurde zudem eine Aufstellung, aus der sich ergebe, dass im Bereich A-Stadt zu Beginn des Jahres 2014 nach schlüssigem Konzept angemessener Wohnraum für einen Einpersonenhaushalt auch tatsächlich zur Verfügung gestanden habe (Bl. 19 GA). Schließlich werde zur weiteren Begründung auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. August 2014 im Beschwerdeverfahren L 7 AS 580/14 B ER verwiesen.

Mit Urteil vom 14. Oktober 2014 hat das Sozialgericht Marburg den Bescheid vom 3. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2014 abgeändert und den Beklagten verpflichtet, an die Klägerin weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 63,30 EUR zu zahlen. Des Weiteren hat das Sozialgericht Marburg unter Ziffer 3 des Tenors die Berufung zugelassen. Mit Beschluss vom 29. Oktober 2014 hat es zudem die Ziffer 2 des Urteilstenors (bisher: "Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten") aufgrund offensichtlicher Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten hat.

Die zulässige Klage sei begründet.

Der angefochtene Bescheid vom 3. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2014 sei teilweise - nämlich soweit der streitige offene Differenzbetrag in Höhe von monatlich 63,30 EUR nicht gewährt worden sei - rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Denn die Klägerin habe im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum (1. März 2014 bis 31. Juli 2014) einen Anspruch auf diesen offenen Differenzbetrag. Dies ergebe sich insgesamt aus folgenden Erwägungen:

Anspruchsgrundlage für den offenen Differenzbetrag sei § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift bestehe ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Dazu gehöre im vorliegenden Fall auch der Differenzbetrag in Höhe von monatlich 63,30 EUR für den Zeitraum 1. März 2014 bis 31. Juli 2014.

§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sei vorliegend anwendbar. Auf die spezielle Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, der den Fall eines nicht erforderlichen Umzuges regele, komme es nicht an. Denn ein Umzug im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II liege unter Berücksichtigung der individuellen und außergewöhnlichen Umstände im vorliegenden Einzelfall nicht vor.
Die Klägerin habe vor Anmietung der streitgegenständlichen Wohnung die zuvor bestehende und genutzte Möglichkeit, die Wohnung der Schwester in B-Stadt zu benutzen, zur Überzeugung der Kammer unvorhersehbar und kurzfristig verloren. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung für die Kammer nachvollziehbar, sachlich und glaubhaft konkret darlegen können, dass ihr wegen familiären Zerwürfnissen mit der Schwester die weitere (kostenlose) Mitbenutzung der Wohnung der Schwester nicht mehr möglich gewesen sei und sie sich bis zur Anmietung der streitgegenständlichen Wohnung vorübergehend in einer persönlichen Notlage gesehen habe. Die Kammer habe nach dem persönlichen Eindruck von der Klägerin, wie er durch die mündliche Verhandlung ermöglicht worden sei, und den konkreten und lebensnahen Angaben der Klägerin zu den Vorfällen im "Februar 2014" keine Zweifel, dass die Klägerin die Wohnung der Schwester aus persönlichem Druck kurzfristig verlassen habe und sich in Hinblick auf eine nur provisorische Unterbringung bei Freunden der Gefahr einer akuten Obdachlosigkeit ausgesetzt gesehen habe. In dieser Situation habe die Klägerin zur Überzeugung der Kammer eine Wohnung gesucht.

Die Kammer sei nach umfassender Würdigung und Beratung und unter Berücksichtigung des Wortlautes und von Sinn und Zweck des § 22 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB II der Rechtsansicht, dass der Zustand der Klägerin keinen Umzug im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II darstelle. Denn wer in einer Wohnung nur aus familiärer Bindung ohne ein konkretes Wohnrecht aus Gefälligkeit bzw. familiärer "Verpflichtung" geduldet werde, sei schon in Hinblick auf einen fehlenden Mieterschutz nicht mit Personen vergleichbar, die einen mietvertraglichen Anspruch auf eine Wohnung haben. Denn während ein mietvertraglicher Anspruch auf eine Wohnung gesetzlich insbesondere durch die Kündigungsfristen geschützt werde und auch gerichtlich ggf. durchgesetzt werden könne (Räumungsschutzklage), bestehe bei einer Gefälligkeit oder familiären "Verpflichtung" weder ein Anspruch auf die Wohnung, noch eine Rechtspflicht auf Bereitstellung der Wohnung. Insoweit sei es der Kammer auch nicht auf die weitere Aufklärung der familiären Vorfälle im Februar angekommen. Denn eine Verpflichtung, den Wohnraum von Freunden und Verwandten zu nutzen, existiere nicht. Die Klägerin habe - wie es aus § 22 Abs.1 SGB II hervorgehe - vielmehr einen eigenen Anspruch auf eine Unterkunft.

Im Fall der Klägerin sei der beschriebene Unterschied zum Mieter konkret damit zu beschreiben, dass diese jederzeit - und unerwartet - zum sofortigen Verlassen der Wohnung aufgefordert werden konnte. Dies sei im Februar 2014 erfolgt. Die Klägerin sei von einem auf den anderen Tag ohne feste Wohnung gewesen, konnte nach eigenen Angaben - die ebenfalls für die Glaubhaftigkeit der Darstellung der Klägerin spreche - eine Obdachlosigkeit durch vorübergehende Unterbringung bei Freuden auch verhindern.

Zusammenfassend liege in dieser außergewöhnlichen Situation zur Überzeugung der Kammer dann aber kein "geordneter Umzug" vor, wie er in § 22 Abs. 1 SGB II mit der Forderung an eine obligatorische Zusicherung beschrieben werde. Der Klägerin sei zur Überzeugung der Kammer weder die Möglichkeit verblieben, den Wohnungsmarkt zu beobachten, noch längere Zeit für die Wohnungssuche aufzuwenden. Denn es sei nicht von einer Wohnung in eine andere planbar umgezogen worden, sondern aus der besonderen Situation der Wohnungslosigkeit, die in Hinblick auf die Regelungssystematik des § 22 SGB II der atypische Fall sei, eine eigene Wohnung "erstmalig" wieder gesucht worden.
Die Kammer könne auch keine Gründe erkennen, warum Leistungsberechtigte, die wegen der kostenlosen Unterbringung bei Familien und Verwandten keinerlei Mieterschutz erfahren würden, so behandelt werden müssten, als wenn ihnen in Hinblick auf eine gesetzliche Kündigungsfrist ein "geordneter Umzug" grundsätzlich möglich wäre. Vielmehr spreche der Sinn und Zweck des SGB II dafür, den Leistungsberechtigten, der eine kostenlose Unterbringung bei Verwandten zunächst gefunden habe, dann aber ohne einen rechtlichen Anspruch auf Fortsetzung kurzfristig wieder verliere, in rechtlicher Hinsicht so zu behandeln, als würde ein Erstbezug vorliegen. Denn in beiden Fällen bestehe ein sofortiger Bedarf an einer Unterkunft. Dies gelte zumindest dann, wenn - wie vorliegend - der Leistungsberechtigte bzw. die Leistungsberechtigte von einem auf den anderen Tag die Wohnmöglichkeit verliere.

Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Bewertung der Situation als Erstbezug komme es insoweit auch nicht auf eine - ohnehin nur obligatorische - Zusicherung an. Das Gericht habe sich nach Beratung insoweit auch nicht mehr zur weiteren Sachverhaltsaufklärung durch Vernehmung der Sachbearbeiterin gedrängt gesehen. Denn die Klägerin habe ihren Bedarf an einer Unterkunft durch Abschluss des Mietvertrages über die streitgegenständliche Wohnung vor Kontaktaufnahme mit der Sachbearbeiterin bereits selbst gesichert gehabt. Bei der Frage, ob die Kosten der Unterkunft im vorliegenden Einzelfall zu übernehmen seien, handele es sich insoweit nur noch um eine Rechtsfrage.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II seien die tatsächlichen Kosten der Unterkunft von der Beklagten zu übernehmen. Der Einwand der Beklagten, dass die Kosten der Unterkunft in Hinblick auf die Kaltmiete von 270,- EUR nur in Höhe von 206,70 EUR bzw. sogar nur in Höhe von 194,10 EUR angemessen seien, dringe nicht durch. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II begrenze den Anspruch auf die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft zwar auf die angemessenen Kosten. Vorliegend seien die Kosten aber vor dem Hintergrund der individuellen Umstände für den streitgegenständlichen Zeitraum angemessen. Das Gericht weise aber zunächst darauf hin, dass die Argumentation, 206,70 EUR zu bewilligen, wenn nach dem Konzept tatsächlich nur 194,10 EUR angemessen seien, schon widersprüchlich sei. Die Kammer habe nach Durchsicht der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Zeitungsanzeigen sowie in Hinblick auf die eigene Kenntnis weiter erhebliche Zweifel, ob der nach dem Konzept der Beklagten als angemessen gehaltene Betrag von 194,10 EUR überhaupt den Anforderungen des Bundessozialgerichts an eine abstrakte Angemessenheit (noch) genüge. Darauf komme es aber zur vollen Überzeugung der Kammer vorliegend nicht an.

Das Gericht weise insoweit und in aller Deutlichkeit darauf hin, dass allein die argumentative Berufung der Beklagten auf eine "abstrakte Schlüssigkeit" des eigenen Konzeptes im vorliegenden atypischen Ausnahmefall weder den Aufgaben und Zielen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (§ 1 SGB II) gerecht werde, noch der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung genüge. Eine allein auf eine "abstrakte Angemessenheit" gerichtete Argumentation ziele an der eigentlichen Frage der konkreten Angemessenheit und einer stets am Einzelfall orientierten Prüfung gerade bei atypischen Fallgestaltungen vorbei.

Nach der Konzeption des SGB II und nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung seien drei Prüfungsstufen oder Prüfungsschritte zu beachten. Denn selbst wenn ein Konzept abstrakt schlüssig sei (1. Schritt), müsse in Hinblick auf die konkrete Angemessenheit weiter geprüft werden, ob nach der Struktur des Wohnungsmarktes am Wohnort der Hilfebedürftigen tatsächlich auch die Möglichkeit bestehe, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können (z.B. BSG, Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 106/10 R; allgemein siehe aber auch Piepenstock in jurisPK-SGB II, 3. Auflage 2012, § 22, Rn. 85 ff. mit Verweis auf die Rechtsprechung). Schließlich seien die Bemühungen des Hilfebedürftigen in einem dritten Schritt zu würdigen. Dabei könne grundsätzlich von einer Einzelperson erwartet und verlangt werden, sich bei der Wohnungssuche nicht nur auf einen speziellen Wohnort zu begrenzen. Insgesamt liege die Darlegungslast für das Bestehen einer konkreten Unterkunftsalternative grundsätzlich beim Grundleistungsträger (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 28. März 2006, L 7 AS 122/05 ER; L 7 AS 121/05 ER, Rn. 32 im Jurisabdruck) und dafür, dass der Hilfebedürftige sich überhaupt bzw. hinreichend um eine solche bemüht habe, bei diesem. Der Leistungsträger müsse keine konkrete Unterkunftsalternative aufzeigen, wenn der Hilfebedürftige ersichtlich nichts unternehme, um eine kostengünstigere bedarfsgerechte Wohnung zu finden (BSG, Urteil vom 19. März 2008, B 11b AS 41/06 R).
Vorliegend sei jedoch in Hinblick auf die außergewöhnliche Situation der Klägerin und den besonderen atypischen Umständen des Einzelfalles aber neben diesen Prinzipien weiter zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach kurzfristigem Verlust der Unterkunft zwingend und innerhalb eines besonders kurzfristigen Zeitfensters auf eine eigene Wohnung angewiesen gewesen sei. In Hinblick auf die für die Kammer nachvollziehbaren Sorgen der Klägerin vor einer Obdachlosigkeit und den damit verbundenen Ängsten seien insoweit keine zu hohen Anforderungen für die Wohnungssuche an die Leistungsempfängerin zu stellen. Denn insoweit dürfe weiter nicht unberücksichtigt bleiben, dass insbesondere Wohnungsanzeigen und allgemeine Wohnungsangebote noch keine Gewähr dafür böten, dass diese Wohnungen tatsächlich noch verfügbar seien, an Leistungsberechtigte überhaupt vermietet werden, konkret auch die Leistungsempfängerin und nicht ein Mitbewerber bzw. eine Mitbewerberin den "Zuschlag" für die Wohnung dann erhalte, die Wohnung auch zu einer nach dem Konzept der Beklagten angemessenen Kaltmiete vermietet werde (z.B. auch ohne Garage, Stellplatz, etc.), die Zusicherung rechtzeitig erfolge und schließlich auch kurzfristig bezogen werden könne. Denn regelmäßig würden Wohnungen schon vor Ablauf der Kündigungsfrist des Vormieters bereits angeboten. Die Kammer habe unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Interessen und Belange der Leistungsempfängerin keine sachlichen Gründe erkennen können, warum eine Leistungsberechtigte, die sich nachvollziehbar der Gefahr der Obdachlosigkeit ausgesetzt sehe, den Wohnungsmarkt beobachten und sich auf mehrere Wohnungsangebote bewerben müsse, wenn eine konkrete Wohnung für sie tatsächlich und sofort verfügbar sei. Denn die Gewähr, dass eine solche Wohnung selbst nach mehreren Tagen des Abwartens noch weiterhin verfügbar sei, bestehe nicht. Auch insoweit zeige sich zur vollen Überzeugung der Kammer erneut der Unterschied zu einem Leistungsbezieher bzw. einer Leistungsbezieherin, der bzw. die von einer vorhandenen Wohnung in eine andere Wohnung umziehe und dem bzw. der mit der gesetzlichen Kündigungsfrist dafür ein vorhersehbarer und planbarer Zeitraum für die Wohnungsmarktsuche zur Verfügung stehe.

Die Kammer sehe bei der vorliegenden Fallgestaltung dann eine sachliche Grenze, wenn der Leistungsempfänger bzw. die Leistungsempfängerin sichtbar seine bzw. ihre außergewöhnliche Situation und seinen bzw. ihren akuten Bedarf an einer sofortigen Wohnlösung ausnutze, um überzogene oder jedenfalls eine für jeden erkennbare unangemessene Wohnung anmiete. An einer derartigen Überzogenheit oder eindeutigen Unangemessenheit der streitgegenständlichen Wohnung habe die Kammer aber keinerlei Anhaltspunkte. Denn die Kaltmiete für die streitgegenständliche Wohnung mit Bad und Küche liege mit 270,- EUR weder eindeutig über den durchschnittlichen Miettaxen, noch könne von einer erkennbaren Ausnutzung der Situation gesprochen werden. Die Kammer sei vielmehr davon überzeugt, dass die Klägerin in Hinblick auf die besondere Situation und dem konkret und unaufschiebbaren Bedarf an einer eigenen Wohnung gerade nicht davon ausgehen konnte, dass eine noch günstigere Wohnung tatsächlich für Sie kurzfristig verfügbar sei. 

Die Kammer halte das gefundene Ergebnis auch nicht für systemfremd oder systemwidrig. Vielmehr gehe aus dem Rechtsgedanken des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ausdrücklich hervor, dass der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der individuellen Umstände die vorübergehende Übernahme selbst von unangemessenen Kosten auch für erforderlich halte, wenn die Gesamtsituation einen anderen Zustand vorübergehend nicht zugelassen habe. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II betreffe zwar konkret den erstmaligen Leistungsfall, in dem der Gesetzgeber den Leistungsberechtigten eine "Schonfrist" zur Veränderung der bestehenden Wohnsituation eingeräumt habe (vor dem Leistungsfall angemietete unangemessene Wohnung kann bei Eintritt des Leistungsfalles wegen der Kündigungsfristen nicht sofort aufgegeben werden). Mit einer entsprechenden Kostensenkungsaufforderung könne die Beklagte aber auch auf atypische Fallkonstellationen reagieren, in denen - wie vorliegend - die Anmietung einer jedenfalls nicht evident unangemessenen Wohnung jedenfalls vorrübergehend notwendig gewesen sei. Mit einer Kostensenkungsaufforderung könne dem Leistungsberechtigten bzw. der Leistungsberechtigten dann die Möglichkeit eines geordneten Umzuges ermöglicht werden. Eine Kostensenkungsaufforderung habe die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erhalten.

Die im Tenor irrtümlich ausgesprochene Kostenentscheidung sei durch Beschluss vom 29. Oktober 2014 nach § 138 SGG zu berichtigen gewesen. Denn es habe sich um eine offenbare Unrichtigkeit gehandelt. Da die Klägerin mit der Klage Erfolg gehabt habe, habe der Beklagte nach § 193 SGG die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Von der Kammer sei der Ausspruch, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten gewesen sind, auch nicht gewollt gewesen. Die Frage, ob Auslagen des Beistandes zu übernehmen seien, berühre nämlich nicht die Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten, sondern sei eine Frage der Kostenerstattungsfähigkeit. Die Rechtsmittelbelehrung folge aus §§ 172 i.V.m. 144 ff SGG. Es liege eine atypische Fallgestaltung vor, die insoweit noch nicht höchstrichterlich geklärt sei. Die Berufung sei daher zuzulassen gewesen. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.

Urteil und Berichtigungsbeschluss sind dem Beklagten am 3. November 2014 zugestellt worden. Am 13. November 2014 hat der Beklagte hiergegen Berufung eingelegt. Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts könne vorliegend durchaus von einem "geordneten" Umzug ausgegangen werden, der gemäß § 22 Abs. 1 SGB II die Forderung an eine obligatorische Zusicherung auslöse. Denn die Nutzung der Wohnung der Schwester der Klägerin in B-Stadt sei der Klägerin nicht aus reiner Gefälligkeit bzw. familiärer Verpflichtung gestattet worden sondern es habe ein Untermietvertrag vorgelegen, wonach der zu entrichtende Mietzins 220,- EUR monatlich betragen habe. Entsprechend dem bereits in erster Instanz vorgelegten Bescheid des Jobcenters Landkreis Esslingen seien der Klägerin daher auch zuletzt für die Zeit vom 1. September 2013 bis 28. Februar 2014 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 220,- EUR monatlich bewilligt worden. Folglich liege ein atypischer Fall – wie vom Sozialgericht angenommen – vorliegend nicht vor. Vielmehr bedurfte es einer Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft. Ein Umzug ohne Zusicherung stelle eine Obliegenheitsverletzung dar, die zur Folge habe, dass die Anmietung einer unangemessenen Wohnung kein schutzwürdiges Interesse auslöse, das die Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II rechtfertigen könnte.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 14. Oktober 2014, berichtigt durch Beschluss vom 29. Oktober 2014, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und kann die neuerlichen Ausführungen des Beklagten nicht nachvollziehen, zumal in der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2014 die Sachlage ausführlich besprochen worden sei.

Im Rahmen seiner Ermittlungen von Amts wegen hat der Senat die Leistungsakten des Jobcenters Landkreis Esslingen (2 Bde.) beigezogen. Darin befindet sich ein zwischen der Klägerin und Herrn F. unter dem 11. Oktober 2012 abgeschlossener Mietvertrag für Wohnungen mit Beginn des Mietverhältnisses am 1. November 2012 für ein Zimmer, Küche und Bad zur Mitbenutzung und einem monatlichen Mietzins in Höhe von 220,- EUR (Bl. 60 – 65 VA Bd. 1).

Einen zuletzt unterbreiteten Vergleichsvorschlag des Berichterstatters (siehe Bl. 123 + 141 GA) hat die Klägerin abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Jobcenters Landkreis Esslingen (Bd. 1 und 2), die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Sie ist auch statthaft gemäß §§ 143 und 144 SGG. Sie wurde vom Sozialgericht zugelassen. Daran ist das Landessozialgericht gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

Die Berufung ist auch begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der den Zeitraum vom 1. März 2014 bis 31. Juli 2014 betreffende Arbeitslosengeld II – Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 3. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2014, wogegen sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG) gewandt hat. In der Sache ist der Streitgegenstand durch den ausschließlich darauf bezogenen Klageantrag wirksam auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - und zwar, da nur der Beklagte die Entscheidung des Sozialgerichts mit der Berufung angefochten hat, begrenzt auf die Höhe der der Klägerin vom SG insoweit zugesprochenen 63,30 EUR monatlich - beschränkt; an der prozessual zulässigen Abtrennbarkeit dieser Leistungen (vgl. nur BSG vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1, RdNr. 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs. 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24. März 2011 (BGBl I 453; insofern in Kraft getreten zum 1. Januar 2011) auch für Verfahren über Bewilligungsabschnitte nach dem 1. Januar 2011 nichts geändert (vgl. hierzu ausführlich BSG vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R, in juris Rn. 11 ff.) 

Der Bescheid des Beklagten vom 3. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2014, mit dem der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 1. März 2014 bis 31. Juli 2014 Unterkunftskosten unter Berücksichtigung einer monatlichen Grundmiete (kalt) von max. 206,70 EUR bewilligt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt. Der geltend gemachte Differenzbetrag in Höhe von monatlich 63,30 EUR für den Zeitraum vom 1. März 2014 bis 31. Juli 2014 steht der Klägerin somit nicht zu.

Ein Anspruch auf den geltend gemachten Differenzbetrag ergibt sich nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Während die geltend gemachten Neben- und Heizkosten in Höhe von jeweils 50,- EUR monatlich von dem Beklagten in voller Höhe übernommen wurden, verbleibt im Hinblick auf die Grundmiete in Höhe von 270,- EUR monatlich ein von dem Beklagten nicht übernommener Differenzbetrag in Höhe von monatlich 63,30 EUR, da lediglich ein Betrag in Höhe von 206,70 EUR als angemessen angesehen wird. Die hiergegen vorgebrachten Bedenken teilt der Senat nicht. Der Senat hat bereits die Richtlinien des Antragsgegners zur Festlegung von Mietpreisobergrenzen für Empfänger von Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II unter SGB XII) aus den Jahren 2010 und 2011 mit rechtskräftigem Urteil vom 15. Februar 2012 (L 7 AS 78/12 - in Juris) dem Grunde nach als rechtmäßig erkannt. Die vom Beklagten für den hier streitigen Zeitraum angewandten (fortgeschriebenen) Richtlinien (Fortschreibung 2012) entsprechen dem grundsätzlich, weshalb – ausgehend von dem Wohnort der Klägerin in AC-Stadt - von einer angemessenen monatlichen Grundmiete in Höhe von 194,10 EUR für den Einpersonenhaushalt der Klägerin (Bodenwertkategorie B) auszugehen ist, welche die tatsächliche Grundmiete (monatlich 270 EUR) der Klägerin um 75,90 EUR übersteigt. Soweit der Beklagte unter Berücksichtigung der Bodenwertkategorie A (für A-Stadt Stadt) einen Betrag in Höhe von monatlich 206,70 EUR zugrundegelegt und bewilligt hat, wonach sich lediglich ein monatlicher Differenzbetrag in Höhe von 63,30 EUR errechnet, wird die Klägerin dadurch begünstigt und nicht beschwert.

Wie der Beklagte zudem bereits in seinem Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2014 zutreffend ausgeführt hat, kann der Klägerin auch nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II kein Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Mietkosten zustehen, weil sie - bereits im Leistungsbezug stehend - ohne eine Zusicherung des seinerzeit noch zuständigen Jobcenters Esslingen nach § 22 Abs. 4 SGB II eingeholt zu haben, die zu teure Wohnung im Zuständigkeitsbereich des Beklagten bezogen hat. Das Zusicherungsverfahren zielt darauf, vor dem Vertragsschluss und einem Umzug dem Leistungsberechtigten Klarheit über die Angemessenheit der Aufwendungen für eine neue Unterkunft zu verschaffen, ihn so vor einem unbedachten, verschuldungsträchtigen Wohnungswechsel zu warnen und so Streitigkeiten über die Angemessenheit vorzubeugen. Erfolgt der Umzug ohne Beachtung des Zusicherungsverfahrens nach § 22 Abs. 4 SGB II, entfällt der befristete Bestandsschutz nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II. Ein Anspruch auf volle Übernahme der neuen Kosten der Unterkunft kommt dann nur noch in Betracht, wenn der Umzug erforderlich war und die Aufwendungen für die neue Wohnung angemessen sind, was vorliegend jedoch nicht der Fall ist. Der Anspruch auf Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten wird durch einen Verstoß gegen das Zusicherungsverfahren nach § 22 Abs. 4 SGB II zwar nicht berührt, ein Anspruch auf Übernahme der darüber hinausgehende Kosten der neuen Unterkunft besteht aber nicht (so zutr.: Berlit in LPK-SGB II,5. Aufl. 2013, § 22 Rn. 125 - 127 m.w.N.). Die angemessenen Kosten der Unterkunft hat der Beklagte jedoch bereits an die Klägerin geleistet. Unter den gegebenen Voraussetzungen kommt es auch nicht mehr darauf an, ob sich die Klägerin ausreichend um angemessenen Wohnraum bemüht hat. Ebenso ist es unerheblich, dass der Beklagte keine Kostensenkungsaufforderung an die Klägerin übersandt hat, weil ein Anspruch auf volle Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II bereits aus den zuvor genannten Gründen ausscheidet. Dass auch zu Beginn des Jahres 2014 im Bereich A-Stadt nach schlüssigem Konzept angemessener Wohnraum für einen Einpersonenhaushalt tatsächlich zur Verfügung stand, hat der Beklagte durch Vorlage einer entsprechenden Wohnungsliste bereits mit Schriftsatz vom 8. August 2014 (vgl. hierzu Bl. 19 GA) ausreichend dargetan. Demnach oblag es der Klägerin nachzuweisen, dass sie solchen nicht bekommen konnte. Einen solchen Nachweis hat die Klägerin jedoch nicht erbracht. Soweit insoweit auf die von ihr vorgelegten Zeitungsausschnitte verwiesen wird, betreffen diese nicht den hier maßgeblichen Zeitraum ab 1. März 2014.

Soweit das Sozialgericht vorliegend unter Annahme einer "besonderen Situation der Wohnungslosigkeit" bzw. eines "atypischen Falles" zu einer anderen Bewertung gelangt, kann dem – schon unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten – nicht gefolgt werden. So geht das Sozialgericht als Ausgangspunkt seiner rechtlichen Bewertungen davon aus, dass die Klägerin die Wohnung ihrer Schwester lediglich kostenlos mitbenutzt hat, dass sie nur aus familiärer Bindung ohne ein konkretes Wohnrecht und fehlenden Mieterschutz aus Gefälligkeit bzw. familiärer Verpflichtung geduldet worden sei. Hiervon ausgehend fehle es bereits an einem "geordneten Umzug".

Wie sich den im Berufungsverfahren von Amts wegen beigezogenen Verwaltungsakten des Jobcenters Landkreis Esslingen jedoch unmissverständlich entnehmen lässt, trifft schon diese Grundannahme des Sozialgerichts nicht zu. Ausweislich des in den beigezogenen Verwaltungsakten (Bl. 60 – 65) aktenkundigen "Mietvertrages über Wohnraum" vom 11. Oktober 2012, von der Klägerin selbst eingereicht mit Schreiben vom 12. Oktober 2012 (Bl. 59 VA), wohnte die Klägerin bei ihrer Schwester nicht aus reiner Gefälligkeit, sondern es bestand ein Mietvertrag zwischen der Klägerin und dem (damaligen) Ehemann ihrer Schwester. Folglich standen ihr auch sämtliche Rechte und Pflichten einer Mieterin zur Seite, weshalb allein deshalb schon von einem "atypischen Fall", wie vom Sozialgericht angenommen, nicht die Rede sein kann. Dieser Mietvertrag war auch die Grundlage für das Jobcenter Landkreis Esslingen, dass von diesem die Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 220,- EUR übernommen wurden (vgl. Bescheid vom 22. Juli 2013, Bl. 20 GA). Hierauf hatte der Beklagte auch schon im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 8. August 2014 ausdrücklich hingewiesen. Dass es überhaupt zu einer formell wirksamen Kündigung dieses Mietvertrages gekommen ist, wurde nicht einmal vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Revisionszulassung gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved