L 7 AS 902/16 NZB

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 47 AS 4710/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 902/16 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 15.03.2016 wird als unzulässig verworfen. Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da nicht festgestellt werden kann, dass deren Zulässigkeitsvoraussetzungen nach §§ 144, 145 SGG erfüllt sind.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften des Ersten Unterabschnitts des Zweiten Abschnitts des Zweiten Teils des SGG nichts anderes ergibt (§ 143 SGG). § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG bestimmt insoweit, dass die Berufung der Zulassung bedarf, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Da im vorliegenden Verfahren SGB II-Leistungen für einen neunmonatigen Bewilligungszeitraum (März bis November 2013) streitbefangen sind, findet die Wertgrenze nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG Anwendung (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin insbesondere ihrem zweitinstanzlichen Vortrag zufolge die isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2013 begehrt, denn für die Anwendbarkeit von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kommt es nicht auf die Klageart, sondern auf das sachliche Ziel des Klagebegehrens an (vgl. BSG Beschluss vom 04.02.1976 - 9 BV 342/75). Da das Rechtsschutzbegehren letztlich nur auf höhere SGB II-Leistungen gerichtet sein kann, findet die Wertgrenze nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG Anwendung (hierzu auch: Urteil des Senats vom 29.01.2015 - L 7 AS 1306/14; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 10.07.2012 - L 7 AS 476/10).

Die Berufung gegen das angefochtene Urteil bedarf somit nur dann der Zulassung (ggf. im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 Euro nicht übersteigt.

Die Klägerin hat weder im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren noch im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren einen konkret oder auch nur ungefähr bezifferten Antrag gestellt, sie hat auch trotz mehrfacher Aufforderung, wie sich Nr. 2 des Beschlusses über die Vertagung der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2015 entnehmen lässt, seit über 3,5 Jahren zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, in welchen Punkten sie sich durch die Bescheide der Beklagten vom 10.04.2013 beschwert sieht und ob überhaupt eine Beschwer vorliegt. Auch im Beschwerdeverfahren hat die Klägerin mit Schreiben vom 09.05.2016 nur mitgeteilt, ihr Ziel sei eindeutig, sie wolle, dass die Beklagte über ihre Widersprüche entscheidet und sie nicht lediglich wegen angeblich mangelnder Vollmacht zurückweist, womit sie ausschließlich die Fehlerhaftigkeit des Widerspruchsverfahrens rügt. Hieraus lässt sich weder ableiten, ob sie sich durch die Ausgangsentscheidungen überhaupt beschwert sieht, noch, auf welchen (ungefähren) Euro-Betrag ggf. ihr Rechtsschutzinteresse gerichtet ist. Auch ansonsten enthalten die dem Senat vorliegenden Akten und Schriftsätze der Klägerin keine Anhaltspunkte, aus denen darauf geschlossen werden könnte, wie hoch die begehrten Leistungen sind. Jedenfalls bei Personen, bei denen - wie hier durch den Erhalt von Erwerbsminderungsrente und Kindergeld - durch zufließendes Einkommen ein Teil des Bedarfs gedeckt ist, ist eine Bezifferung des Rechtsschutzbegehrens erforderlich (Senatsbeschluss vom 03.01.2017 - L 7 AS 2288/16 B ER, L 7 AS 2289/16 B; zur Notwendigkeit der Bezifferung von konkreten Geldleistungsansprüchen BSG Urteil vom 06.08.2014 - B 4 AS 37/13 R mwN). Dies gilt auch für die Nichtzulassungsbeschwerde. Denn nur wenn nach dem Vorbringen im Klageverfahren ein Vergleich mit dem im angestrebten Berufungsverfahren verfolgten Begehren möglich ist, kann der Beschwerdewert bestimmt werden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 10.07.2012 - L 7 AS 476/10).

Der Umstand, dass das Sozialgericht in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils eine Nichtzulassungsbeschwerde als statthaft bezeichnet hat, ändert nichts an der Unzulässigkeit der Beschwerde. Die Statthaftigkeit der Beschwerde ist vom Rechtsmittelgericht zu prüfen, ohne dass eine Bindung an die Rechtsauffassung des Sozialgerichts besteht. Allein eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung eröffnet keinen nach dem Gesetz nicht gegebenen Rechtsbehelf (BSG Beschluss vom 18.01.1978 - 1 RA 11/77; BSG Urteil vom 20.05.2003 - B 1 KR 25/01 R; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. vor § 143 Rn. 14b).

Ungeachtet dessen ist die Nichtzulassungsbeschwerde auch unbegründet. Ein Grund für die Zulassung der Berufung (§ 144 Abs. 2 SGG) liegt nicht vor. Insbesondere liegt kein von der Klägerin geltend gemachter Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG vor. Das Sozialgericht war nicht gem. § 106 Abs. 1 SGG verpflichtet, die anwaltlich vertretene Klägerin auf eine abweichende Antragstellung hinzuweisen. Aus ihrer Sicht hat die Klägerin mit dem Antrag (auch) auf Aufhebung des Widerspruchsbescheides einen (teilweise) richtigen Anfechtungsantrag gestellt, dem das Sozialgericht in ihrem Sinne durch isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides und Klageabweisung im Übrigen hätte stattgeben können, wenn es das Begehren für begründet gehalten hätte. Die Prüfung der Frage, ob das Sozialgericht den Rechtsstreit richtig entschieden hat, ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde.

Die Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung scheidet aus (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 14.09.2016 - L 19 AS 1016/16 NZB; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 24.02.2012 - L 6 AS 1356/11 NZB; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 30.01.2014 - L 7 AL 92/12 NZB; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 13.04.2011 - L 10 AS 1087/09 NZB mwN).

Abgesehen davon würde eine Fortführung der Nichtzulassungsbeschwerde als Berufungsverfahren schon daran scheitern, dass auch die Statthaftigkeit der Berufung aus o.g. Gründen nicht geprüft und im Ergebnis bejaht werden könnte. Da die - zulassungsfreie - Berufung unter dem Vorbehalt des Überschreitens einer Wertgrenze steht, findet sie nur in den Fällen statt, in denen das Überschreiten festgestellt werden kann. Lässt sich eine solche Überschreitung nicht ermitteln, findet eine Berufung nicht statt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 08.01.2013 - L 11 AS 526/12).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren steht der Klägerin nicht zu (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 f. ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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