S 20 R 1493/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 20 R 1493/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 1037/16
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen das teilweise Ruhe seiner Regelaltersrente aufgrund seiner Entschädigung als Bundestagsabgeordneter nach dem Abgeordnetengesetz (AbgG).

Der am 00.00.1948 geborene Kläger beantragte im Oktober 2012 die Bewilligung einer Regelaltersrente zum 01.04.2013. Er war zu diesem Zeitpunkt seit dem 10.11.1994 Mitglied des Deutschen Bundestags und bezog ausweislich einer Bescheinigung vom 15.10.2012 eine monatliche Entschädigung nach dem Abgeordnetengesetz von 7.938,19 EUR. Mit Bescheid vom 08.02.2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab dem 01.04.2013. Zur Höhe der Rente führte die Beklagte aus, der Kläger habe grundsätzlich einen Anspruch auf Rente in Höhe von 770,37 EUR monatlich. Diese Rente ruhe jedoch nach § 29 Abs. 2 AbgG zu 80 %, so dass ein Rentenanspruch von 154,07 EUR verbleibe (daneben noch Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 11,25 EUR, also Zahlbetrag von 164,32 EUR). Mit Bescheid vom 23.05.2013 berechnete die Beklagte die Regelaltersrente zum 01.07.2013 aufgrund der Rentenanpassung neu. Der Rentenanspruch betrage 154,46 EUR. Den Widerspruch gegen beide Bescheide stützte der Kläger darauf, das teilweise Ruhen der Regelaltersrente aufgrund der Regelung des § 29 Abs. 2 AbgG verletzte ihn in seinen Grundrechten. Es verstoße gegen Art 3 GG, dass er als Bundestagsabgeordneter, der zugleich Altersrentner sei, eine erheblich niedrigere Rente erhalte, als ein Rentner, der nicht Bundestagsabgeordneter sei. Üblicherweise erhalte derjenige, der das Rentenalter erreicht habe, die volle Regelaltersrente, unabhängig von sonstigen Hinzuverdiensten. Die faktische Anrechnung der Entschädigung als Abgeordneter auf die Regelaltersrente stelle demgegenüber eine klare Ungleichbehandlung dar. Zudem verstoße die Minderung des Auszahlungsbetrags der Rente den in Art 14 GG gewährten Eigentumsschutz. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2013 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, sie sei an Recht und Gesetz gebunden und dürfe nicht selber prüfen, ob eine Regelung verfassungswidrig sei. Der Kläger schied am 22.10.2013 aus dem Bundestag aus. Mit Bescheid vom 16.10.2013 berechnete die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers neu ab dem 01.11.2013, nunmehr ohne Ruhen aufgrund der Bezüge aus dem Bundestagsmandat.

Die Klage stützt der Kläger auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Rentenanwartschaften unterliegen dem Schutz des Art 14 GG. Eingriffe hierin müssten einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein. Diese Grenzen seien durch § 29 Abs. AbgG nicht beachtet. Hintergrund von § 29 Abs. 2 AbgG sei es, eine Doppelalimentation zu vermeiden. Tatsächlich folge nur die Abgeordnetenentschädigung dem Alimentationsprinzip, welches zu den hergebrachten Strukturprinzipien gehöre und das Bild des Berufsbeamtentums maßgeblich präge. Die Rente folge dagegen dem Äquivalenzprinzip und orientiere sich grundsätzlich an der Höhe der in der Erwerbsphase gezahlten Beiträge. Eine Kürzung der Rentenleistungen, weil der Betreffende anderweitige Einkünfte habe, vertrage sich damit nicht. Die "Verhinderung von Überversorgung" der Rentner sei kein Gemeinwohlziel und könne diesen Eingriff nicht rechtfertigen. § 29 Abs. 2 AbgG verstoße zudem gegen Art 3 GG. Die Vergleichsgruppe könne nicht die der Altersrentner sein, die gleichzeitig eine Pension beziehe. Richtige Vergleichsgruppe sei vielmehr die Gruppe derjenigen, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze Einkünfte aus einer beamtenrechtlich alimentierten Tätigkeit beziehen. Der Kläger sei als aktiver Abgeordneter nicht dem Pensionär vergleichbar, sondern dem aktiven Beamten. Der Beamte, der nach Erreichen des Pensionsalters freiwillig auf Antrag weiterarbeite, könne neben seiner ungekürzten Besoldung eventuelle Altersrenten ungekürzt beziehen. Der Kläger werde insofern z.B. gegenüber einem obersten Bundesrichter, der neben seinem Besoldungsanspruch ungekürzte Altersrente beziehen könne, ungleich behandelt. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass § 29 Abs. 2 AbgG nunmehr geändert worden sei und Renten neben Abgeordnetenentschädigungen nunmehr nur noch zu 50 % ruhen würden. Da die streitgegenständlichen Bescheide noch nicht bestandskräftig seien, sei dies auch rückwirkend noch zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.02.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 23.05.2013 beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.08.2013 zu verurteilen, für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 31.10.2013 ungekürzte Rente sowie auf Basis dieser ungekürzten Rente berechnete Zuschüsse zur Krankenversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stützt sich auf die Ausführungen der angegriffenen Entscheidung. Ein Verstoß des § 29 Abs. 2 AbgG gegen Art 3 GG liege nicht vor. Im Vergleich von Abgeordneten des Deutschen Bundestags mit dem weitaus überwiegenden Teil der Rentner in der gesetzlichen Rentenversicherung zeige sich, dass für den überwiegenden Teil der Rentner die Hinzuverdienstmöglichkeit neben dem Bezug der Altersrente regelmäßig eine mehr oder weniger große finanzielle Ergänzung darstelle. Es gehe bei diesen auch nicht um eine Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen. Abgeordnete mit einer Regelaltersrente würden zudem gegenüber Abgeordneten ohne eine solche Regelaltersrente finanziell schlechter dastehen. Der Gesetzgeber habe damit den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Die vom Kläger angesprochene Situation eines Beamten, der nach Erreichen der Regelaltersgrenze freiwillig weiterarbeite, betreffe einen anderen, nicht vergleichbaren Sachverhalt. Ein Verstoß gegen Art 14 GG liege ebenfalls nicht vor. Zwar greife die Regelung in die durch Art 14 GG geschützte Eigentumsposition ein. Der Eingriff liege jedoch im öffentlichen Interesse, weil damit eine Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen verhindert werden solle. Davon solle nicht zuletzt auch eine Signalwirkung für die gesamte Öffentlichkeit ausgehen, dass die Mitglieder des Deutschen Bundestags gewillt sind, auf eine übermäßige und aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger möglicherweise ungerechtfertigte Alimentation aus freien Stücken zu verzichten. Der Eingriff sei auch verhältnismäßig. Die Gesetzesänderung des § 29 Abs. 2 AbgG sei nur für Zeiträume ab dem Inkrafttreten relevant, nicht aber für die Vergangenheit.

Wegen der Darstellung weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt das Gericht auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 08.02.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 23.05.2013 beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.08.2013 ist rechtmäßig. Der Kläger hat für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf eine höhere Rente oder einen höheren Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung. Zwischen den Parteien ist alleine die Anwendung von § 29 Abs. 2 AbgG streitig. Auch die Kammer kann anderweitige Fehler bei der Berechnung der Höhe der Rente oder des Zuschusses zur Krankenversicherung nicht erkennen. Die Beklagte hat § 29 Abs. 2 AbgG richtig angewendet. Insbesondere hat die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.04.2013 bis zum 31.10.2013 zu Recht § 29 Abs. 2 AbgG in der Fassung vom 20.07.2000 angewendet. Die Änderung des § 29 Abs. 2 AbgG durch das Dreißigste Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Dreiundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes vom 11. Juli 2014 (Bundesgesetzblatt Teil I 2014, S. 906-907) ist erst am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten und enthält keine Regelung zur Rückwirkung.

§ 29 Abs. 2 AbgG in der Fassung vom 20.07.2000 verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Das Bayerisches Landessozialgericht hat mit Urteil vom 27.11.2014 (Az L 14 R 457/14) zur Verfassungsmäßigkeit des § 29 Abs. 2 AbgG wie folgt ausgeführt:

"3. § 29 Abs. 2 S. 2 AbgG in der Fassung vom 21.12.2004 verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen Grundrechte.

a.) Die Verminderung seiner gesetzlichen Rente verletzt den Kläger nicht in Art. 14 GG.

Zwar bejaht der Senat die Eingriffsqualität, da durch Bescheid vom 27.08.2010 die gesetzliche Rente ruhend gestellt wurde. Auch unterliegt die gesetzliche Regelaltersrente dem Schutzbereich des Art.14 Abs. 1 GG (BVerfGE 128, 138, 149 ff.).

Gleichwohl hat das Sozialgericht München in seinem Urteil vom 15.02.2012 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber inhalt- und schrankenbestimmend in eigentumsgrundrechtlich geschützte Rechtspositionen eingreifen darf, wenn der Eingriff im öffentlichen Interesse liegt und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (Art. 14 Abs. 2 GG; BVerfGE 56, 249, 260). Gerade bei der Inhalt-und Schrankenbestimmung sozialversicherungsrechtlicher Positionen besteht ein weiter Gestaltungsspielraum, was umso mehr gilt, wenn – wie hier – der Gesetzgeber sozusagen "in eigener Sache" entscheidet.

Der Eingriff in die gesetzliche Rente durch § 29 Abs. 2 AbgG rechtfertigt sich in der Vermeidung einer Doppelalimentation der Bundestagsabgeordneten aus öffentlichen Kassen.

Der Entschädigung eines Abgeordneten des Deutschen Bundestages kommt Vollalimentationscharakter zu. Denn nach Art. 48 Abs. 3 GG haben die Abgeordneten Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Die Abgeordnetenentschädigung dient allein der Unterhaltssicherung und stellt keine Gegenleistung für eine bestimmte Arbeitsleistung dar (sog. "Diätenurteil": BVerfG vom 05.11.1975; 2 BvR 193/75, BVerfGE 40, 296 ff., 316).

Gleichzeitig ist der Zweck der Alimentation mit dem Gleichheitssatz in formalisierter Ausprägung verknüpft, der es gebietet, sicherzustellen, dass jedem Abgeordneten eine gleichhoch bemessene Entschädigung zusteht. Dies beruht darauf, dass alle Mitglieder des Parlaments einander formal gleichgestellt sind. Das Prinzip dieser formalisierten Gleichbehandlung ist verfassungsrechtlich im egalitären Gleichheitssatz ausgeprägt. Aus ihm folgt, dass jedermann ohne Rücksicht auf soziale Unterschiede, insbesondere auf seine Abstammung, seine Herkunft, seine Ausbildung oder sein Vermögen, die gleiche Chance haben muss, Mitglied des Parlaments zu werden. Aus ihm folgt weiter, dass jedem Abgeordneten eine gleich hoch bemessene Entschädigung zusteht, unabhängig davon, ob die Inanspruchnahme durch die parlamentarische Tätigkeit größer oder geringer ist, ob der individuelle finanzielle Aufwand oder das berufliche Einkommen verschieden hoch ist (BVerfG Urteil vom 05.11.1975 a. a. O., 318).

In der Konsequenz lässt die so verstandene einheitliche Entschädigung aufgrund des Alimentationscharakter zunächst alle weiteren, der Höhe nach differenzierten, individuellen oder pauschalierten finanziellen Leistungen an einzelne Abgeordnete aus öffentlichen Mitteln als grundsätzlich inkompatibel erscheinen, wenn sie nicht einen Ausgleich für sachlich begründeten, besonderen, mit dem Mandat verbundenen finanziellen Aufwand darstellen. Wenngleich daraus nicht sogleich ein Gebot der vollständigen Abschöpfung postuliert werden kann, so ist abzuleiten, dass die Alimentationsverpflichtung der öffentlichen Hand nicht notwendig auf eine doppelte Aufbringung des angemessenen Lebensunterhalts geht (vgl. BVerfG Urteil vom 05.11.1975 a. a. O. unter Hinweis auf BVerfGE 32, 157, 166). Damit rechtfertigt sich grundsätzlich aber eine normative Regelung, wie sie in Gestalt des § 29 Abs. 2 AbgG getroffen ist, die die Doppelalimentation durch Bezug einer Abgeordnetenentschädigung einerseits und einer gesetzlichen Rente andererseits begrenzt.

Die Renten der gesetzliche Rentenversicherung stellen öffentliche Mittel bzw. Mittel aus öffentlichen Kassen dar, die – im Gegensatz zu Zahlungen einer privaten Versicherung – zur Vermeidung einer Privilegierung zu berücksichtigen sind, auch wenn sie zum erheblichen Teil auf eigener Arbeitsleistung in einer Beschäftigung beruhen.

Die Prinzipien des sozialen Ausgleichs, der Solidarität und des Generationenvertrags lassen sich mit den Rechtsgrundsätzen, die private Kassen prägen, und mit den rechtlichen Gestaltungsformen, die für das Bild privater Kassen typisch sind, nicht verwirklichen. Der Gesetzgeber hat deshalb für die gesetzliche Rentenversicherung eigene und besondere Rechtsgrundsätze und Organisationsformen entwickelt, die von denjenigen bei privaten Kassen erheblich abweichen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Finanzierungsverfahren, die Beitragsbemessung, die Leistungsberechnung, das fehlende Gewinnstreben, die eingeschränkten Dispositionsmöglichkeiten bei der Begründung und Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses sowie die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Rentenversicherung im übrigen. Durch die insoweit bestehenden öffentlich-rechtlichen Regelungen gewährleistet der Staat die Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung, für die er einzustehen hat.

Daraus, dass bei der gesetzlichen Rentenversicherung genau wie bei einer privaten Versicherung Beiträge entrichtet werden, die Beiträge der Finanzierung dienen und eine kollektive Vorsorge betrieben wird, lässt sich keineswegs folgern, es handele sich bei der Rentenkasse um eine private Kasse. Eine solche Annahme ließe in nicht zu vertretender Weise Merkmale der Rentenkasse außer Acht, die wesentlich von den typischen Erscheinungsformen bei privaten Kassen abweichen und für eine öffentliche Kasse charakteristisch sind. Zu nennen sind insoweit vor allem die Prinzipien, die das System der gesetzlichen Rentenversicherung prägen (wie insbesondere die Grundsätze der Solidarität, des sozialen Ausgleichs und des Generationenvertrags), sowie die Rechtsgrundsätze und Organisationsformen der gesetzlichen Rentenversicherung (instruktiv dazu: BVerfG vom 30.09.1987, 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256 ff.; Rdnr. 91 ff., zitiert nach Juris). Die Beiträge machen auch nur einen – erheblichen – Teil der Einnahmen aus. Aus diesem Grund ist in jeder Rentenzahlung nur anteilig ein Betrag enthalten, der wirtschaftlich gesehen den Gegenwert für die früher eingezahlten Beiträge darstellt (vgl. BVerfGE 54, 11, (26, 29); BVerfG, vom 30.09.1987, 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256 ff.).

Auch auf der Leistungsseite findet sich das Versicherungsprinzip durch soziale und damit versicherungsfremde Gesichtspunkte zwar nicht vollständig beseitigt, aber doch – im Vergleich zur Privatversicherung – entscheidend modifiziert. Denn die gesetzliche Rentenversicherung beruht wesentlich auf dem Gedanken der Solidarität ihrer Mitglieder sowie des sozialen Ausgleichs und enthält von jeher auch ein Stück sozialer Fürsorge. Der versicherungsmäßige Risikoausgleich wird also mit sozialen Komponenten verbunden. Die annähernd gleichmäßige Förderung des Wohls aller Mitglieder der Solidargemeinschaft mit besonderer Berücksichtigung der Hilfsbedürftigen steht bei der gesetzlichen Rentenversicherung im Vordergrund. Die Rentenzahlungen gewährleisten eine solidarisch getragene und gesicherte Altersversorgung.

Zum Ausdruck kommen die sozialen Gesichtspunkte u. a. in der rentensteigernden Zurechnung von Zeiten, die nicht durch Beitragsleistungen gedeckt sind, also in der Berücksichtigung von Ersatz-, Ausfall- und Zurechnungszeiten bei den anrechnungsfähigen Versicherungsjahren. Auch der Hinterbliebenenrente ist eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung, weil sie ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird. Ein wesentliches Element des sozialen Ausgleichs stellt ferner der aus Steuermitteln finanzierte Bundeszuschuss zur Rentenversicherung dar (zum Ganzen BVerfGE 17, 1, 9; 48, 346, 357 f.; 53, 257, 290 ff.; 58, 81, 110, 113); 70, 101, 111; BVerfG vom 30.09.1987 a. a. O.).

Dieser Feststellung stehen weder die verfassungsrechtliche Schutzwürdigkeit des Rentenanspruchs, noch die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. BVerfGE 53, 257, 289 ff.) für sie sprechenden Gründe entgegen, wie vor allem die Zuordnung des Rentenanspruchs zu einem privaten Rechtsträger, der personale Bezug des Berechtigten zum Rentenanspruch und der Zusammenhang mit einer eigenen Leistung des Berechtigten. Verfassungsrechtlich geschützte Ansprüche können nicht nur gegenüber einer privaten, sondern ebenso gut gegenüber einer öffentlichen Kasse bestehen. Dies zeigt etwa der beamtenrechtliche Versorgungsanspruch, der den Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG genießt und aus einer öffentlichen Kasse erfüllt wird. Auch er ist einem privaten Rechtsträger zugeordnet und zu dessen Nutzen bestimmt (BVerfG vom 30.09.1987 a.a.O.).

Die in § 29 Abs. 2 AbgG getroffene konkrete Regelung qualifiziert sich vor Systematik und Zweck der gesetzlichen Rente nicht als übermäßig. Denn bei der Ausgestaltung einer solchen Begrenzungsregelung mehrfacher Alimentationen aus öffentlichen Kassen durfte der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums bei der Frage des "ob" sowie der Höhe einer Abschöpfung des Doppelzahlungen den Zweck und die Besonderheiten des weiteren Bezugs aus öffentlichen Kassen berücksichtigen und u. a. auch Teilruhenslösungen nach gestuften Sätzen für unterschiedliche Einkommen aus öffentlichen Kassen schaffen, solange innerhalb dieser öffentlichen Einkommen keine sachwidrigen Differenzierungen getroffen werden.

Der Senat sieht sich bestätigt durch die Äußerung des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Abgeordnetengesetz eine Entschädigung gewähre, die für die Zeit, in der der Abgeordnete das Mandat innehat, eine volle Alimentation des Abgeordneten und seiner Familie darstellt, und eine der Höhe dieser Entschädigung entsprechende, wenngleich nach der Dauer der Zugehörigkeit zum Parlament gestaffelte Altersversorgung vorsieht. Hieran gemessen, so das BVerfG, erscheine es wenig folgerichtig, bei einem Zusammentreffen von Abgeordnetenentschädigung und -versorgung mit Bezügen aus anderen öffentlichen Kassen von deren Anrechnung abzusehen. Es liege daher nahe, dass der Gesetzgeber, sofern er es bei der bisherigen Konzeption von Entschädigung und Versorgung der Abgeordneten belässt, auch eine Anrechnung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vorsieht (BVerfG vom 330.09.1987, 2 BvE 933/82, BVerfGE 76, 343).

Da die gesetzliche Versichertenrente – wie ausgeführt – dem Grunde und der Höhe nach nur zu einem nicht unerheblichen Teil auf eigenen Beitragsleistungen bzw. solchen des früheren Arbeitgebers beruht, jedoch im Übrigen von sozialen Faktoren bestimmt wird, erscheint es normativ gerechtfertigt, zumindest einen Teil der gesetzlichen Rente zum Ruhen zu bringen.

Wenn der Gesetzgeber im Hinblick darauf die Ruhensquote mit 80 v. H. festsetzte, ist dies ebenso wenig zu beanstanden, wie die nunmehr erfolgte Ermäßigung des Ruhens auf 50 %. Insbesondere war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, den auf Beitragsleistung beruhenden Teil zu beziffern und entsprechend die Ruhensquote zu bemessen. Dies schon deshalb, weil eine differenzierende Bewertung nur schwer möglich ist. Durch die 80%ige Kürzung wurde überdies ein Gleichklang mit den beamtenrechtlichen Vorschriften hergestellt, zumal sachgerechte Gründe, die zu einer geringeren Kürzung zwingen würden, nicht erkennbar sind.

Auch verstößt die Umsetzung der Doppelalimentationsbegrenzung durch Verminderung der gesetzlichen Renten anstatt einer Minderung der Abgeordnetenentschädigung ebenfalls nicht gegen Art. 14 GG.

Denn der Senat entnimmt Art. 48 Abs. 3 GG und der staatsrechtlichen Stellung des Abgeordneten des Deutschen Bundestags, dass der Zufluss der – gleichen – unterhaltssichernden Abgeordnetenbezüge durch das Parlament zu gewährleisten ist, indem jeder Abgeordneter seine Entschädigung zunächst frei von Anrechnung durch seitens der Exekutive als anrechenbar bezeichnete Mittel erhält. Dies erfordert und rechtfertigt es vor Art. 14 GG, die Umsetzung der Anrechnung weiterer Bezüge auf die weiteren öffentlichen Kassen zu verlagern, solange der Abgeordnete sein Mandat innehat.

Anzufügen bleibt, dass es bei gebotener Gesamtbetrachtung der Alimentationen wirtschaftlich unerheblich bleibt, welche der beiden Alimentationsquellen beschnitten wird. Der Eingriff reduziert sich auf eine verwaltungsmäßige Umsetzung, was die Anforderungen an die Rechtfertigungsgründe sinken lässt.

b.) Aus den eben genannten Gründen kann der Senat auch eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht erkennen.

Eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zwischen Abgeordneten, die Versorgungsbezüge aus privaten Kassen beziehen, und solchen, die Versorgungsbezüge aus öffentlichen Kassen beziehen, liegt nicht vor. Vielmehr erscheint aus den eben genannten Gründen eine Differenzierung zwischen Bezügen aus öffentlichen und solchen aus privaten Kassen notwendig und sachgerecht. Ebenso wenig kann der Senat eine sachwidrige Ungleichbehandlung von Rentnern, die neben der Regelaltersrente Arbeitseinkommen erzielen, und solchen, die Abgeordnetenbezüge erhalten, erkennen, zumal hier noch nicht einmal vergleichbare Sachverhalte vorliegen. Wie dargelegt, stellt die Entschädigung eines Abgeordneten des Deutschen Bundestages keine Gegenleistung für eine Arbeitsleistung dar und ist schon deshalb mit Arbeitseinkünften, die ein Rentner neben seiner Regelaltersrente erwirtschaftet, nicht vergleichbar."

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.

Im Hinblick auf die vom Kläger vom Kläger angegeben Ungleichbehandlung gegenüber Beamten, die nach Erreichen der Regelaltersrente weiterarbeiten und bei denen die Regelaltersrente nicht aufgrund der weiterhin gewährten Bezüge gekürzt wird, sieht die Kammer eine Vergleichbarkeit ebenfalls nicht gegeben. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluss vom 30. September 1987 (Az 2 BvR 933/82 –, BVerfGE 76, 256-362) zur fehlenden Vergleichbarkeit von Abgeordneten und Beamten wie folgt ausgeführt:

"Zwischen Abgeordneten und Beamten bestehen grundlegende statusrechtliche Unterschiede. Der Abgeordnete ist - vom Vertrauen der Wähler berufen - Inhaber eines öffentlichen Amtes, Träger des "freien Mandats" und "Vertreter des ganzen Volkes". Er hat einen repräsentativen Status und übt sein Mandat in Unabhängigkeit aus (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG). An diesem nicht nur die Rechts-, sondern auch die Pflichtenstellung des Abgeordneten bestimmenden normativen Sachverhalt hat die Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes (Art. 21 GG) nichts geändert. Während das Beamtenverhältnis für den Beamten die Pflicht begründet, seine volle Arbeitskraft, grundsätzlich auf Lebenszeit, dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen, "schuldet" der Abgeordnete rechtlich keine Dienste. Der Beamte kann - aufgrund verfassungsrechtlicher Gewährleistung - regelmäßig vom Zeitpunkt seines Eintritts in das Beamtenverhältnis an mit einer dauernden Vollalimentation - auch für den Versorgungsfall - rechnen. Für den Abgeordneten kennt das Verfassungsrecht keine Garantien dieser Art. Das "Berufsbild" des Abgeordneten unterscheidet sich von dem des Beamten in grundlegender Weise. Der Abgeordnete wird für die Dauer einer Wahlperiode gewählt. Mandatszeit und Mandatsausübung stellen für ihn in der Regel einen atypischen Abschnitt außerhalb seiner bisherigen und künftigen beruflichen Laufbahn dar. Meistens bildet die Mandatszeit eine vorübergehende, mindestens teilweise Unterbrechung seines Berufslebens. Die mittlere Zugehörigkeit der Abgeordneten zum Deutschen Bundestag betrug am Ende der 8. Wahlperiode knapp zehn Jahre (vgl. Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, Fortschreibungs- und Ergänzungsband 1980 bis 1984, 1986, S. 199). Nicht selten geht der Abgeordnete seinem Beruf auch neben dem Mandat - wenngleich unvermeidlich in nurmehr eingeschränktem Umfang - nach, soweit dem nicht Inkompatibilitäten im Wege stehen. Die Tatsache, daß im Zuge der Entwicklung, die die moderne parlamentarische Demokratie genommen hat, der Umfang der zeitlichen Inanspruchnahme vieler Abgeordneter durch die Pflichten des Mandats das in früheren Jahrzehnten übliche Maß weit überschritten hat und heute meist die Regelarbeitszeit im öffentlichen Dienst erheblich übersteigt, unterstreicht nur die Verschiedenheiten der rechtlichen Status von Abgeordneten und Beamten. Der letztgenannte Umstand mag für den Gesetzgeber Anlaß sein, die zur Sicherung ihrer Unabhängigkeit bestimmte Entschädigung der Abgeordneten (vgl. Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG) - einschließlich einer etwaigen Altersversorgung - nach anderen als den in Deutschland vor 1933 üblichen Grundsätzen zu bemessen. Für die verfassungsrechtliche Betrachtung ist ausschlaggebend, daß die Entschädigung ihre Grundlage in einem anderen Sach- und Regelungszusammenhang - nämlich im Abschnitt III des Grundgesetzes - hat als das für die Festsetzung der Beamtenbezüge nach Art. 33 Abs. 5 GG maßgebliche - im Abschnitt II angesiedelte - Alimentationsprinzip. Vergleichbarkeiten sind damit grundsätzlich ausgeschlossen. Im einen wie im anderen Bereich ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers weit bemessen, in beiden stößt er an Grenzen, die aus ihren jeweiligen Besonderheiten zu entwickeln und untereinander wesentlich verschieden sind."

Auch diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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