S 18 AS 924/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 924/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 2303/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu 50 %. Im Übrigen haben die Beteiligten einander Kosten nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von zuschussweisen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) anstelle von darlehnsweise gewährten Leistungen im Hinblick auf die Frage der Bewertung eines Wohnhauses als verwertbares Vermögen streitig.

Die 1975 geborene Klägerin ist Eigentümerin eines Wohnhauses mit Einliegerwohnung. Dieses Wohnhaus bewohnte die Klägerin in der Hauptwohnung mit ihrer Tochter. Die Einliegerwohnung war zunächst an ihre Eltern vermietet.

Erstmals ab Dezember 2009 erhielt die Klägerin für sich und ihre Tochter Leistungen nach dem SGB II. Bereits zu diesem Zeitpunkt holte die Beklagte eine Auskunft des Gutachterausschusses für den Kreis Q zum Verkehrswert des Wohnhauses ein. Der Gutachterausschuss ermittelte für das Wohnhaus einen Verkehrswert von 180.000,00 EUR. Die Klägerin erhielt in der Folgezeit für sich und ihre Tochter weiterhin jeweils Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss. Jedenfalls seit Februar 2010 erhält die Klägerin von ihrer Mutter, welche zwischenzeitlich allein die Einliegerwohnung bewohnte, eine monatliche Warmmiete von 200,00 EUR.

Im November 2013 beantragte die Klägerin die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II für sich und ihre Tochter.

Mit Bescheid vom 22.11.2013 erfolgte die vorläufige Bewilligung für die Zeit von Dezember 2013 bis einschließlich Mai 2014. Die Bewilligung erfolgte vorläufig im Hinblick auf schwankendes Einkommen der Klägerin.

Mit Änderungsbescheid vom 23.11.2013 erfolgte eine Änderung der Bewilligung ab Januar 2014 aufgrund der Erhöhung der Regelbedarfe. Der Gesamtbewilligungsbetrag betrug nunmehr 688,13 EUR für die Klägerin und ihre Tochter.

Anschließend erhob die Klägerin gegen die Bewilligungsentscheidung vom 22.11.2013 Widerspruch im Hinblick auf die Höhe der Kosten der Unterkunft.

Zum Ablauf des Jahres 2013 waren grundbuchrechtlich gesicherte Verbindlichkeiten in Höhe von 136.490,24 EUR aus drei Darlehensverträgen valutiert.

Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens erfolgte mit Änderungsbescheid vom 31.01.2014 eine Änderung der Bewilligung von Dezember 2013 bis einschließlich Mai 2014. Mit weiteren Änderungsbescheiden vom 16.04.2014 erfolgte für Dezember 2013 bis Januar 2014 sowie für Februar 2014 bis April 2014 eine höhere Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Für Mai 2014 erfolgte anstelle einer zuschussweisen Gewährung der Leistungen nunmehr eine darlehnsweise Leistungsgewährung in Höhe von 694,50 EUR.

Im weiteren Verlauf erging am 29.04.2014 noch ein Änderungsbescheid für Januar 2014, mit dem ein endgültiger Leistungsanspruch von 674,94 EUR festgestellt wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2014 wies die Beklagte den Widerspruch nach Erteilung der Änderungsbescheide als unbegründet zurück und entschied, dass die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu 50 % durch die Beklagte getragen würden. Die Bewilligungsentscheidung sei nunmehr rechtmäßig. Bei dem Haus handele es sich um verwertbares Vermögen. Bei einem Wert von 180.000,00 EUR und Belastungen von 136.500,00 EUR verbleibe ein Überschuss von 43.500,00 EUR. Dieser übersteige den Freibetrag der Klägerin deutlich, daher seien die Leistungen ab Mai 2014 als Darlehen zu gewähren.

Am 26.05.2014 hat die Klägerin gegen die darlehnsweise Bewilligung ab Mai 2014 Klage erhoben. Gegen die mit Bescheid vom 27.05.2014 erfolgte darlehensweise Bewilligung von SGB II-Leistungen für Juni bis Oktober 2014 hat die Klägerin nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 18 AS 1833/15 geführt wird und zwischenzeitlich ruhend gestellt wurde.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie über kein verwertbares Vermögen verfüge. Eine Verwertung des Hauses sei nicht möglich, da ein Beleihungsgrad von über 70 % bestehe und daher eine weitere Beleihung ausscheide. Da eine weitere Beleihung nicht möglich sei, könne sie auch nicht verpflichtet werden, das Haus zu veräußern. Sie sei insofern gleich zu behandeln mit anderen Personen, denen eine Beleihung nicht möglich sei. Auch sei die von ihr genutzte Wohnung nicht zu groß. Weiterhin würde die Mutter als Mieterin auch bei einem Verkauf nicht ausziehen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 22.11.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 23.11.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 31.01.2014 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 16.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2014 dahingehend abzuändern, dass ihr die Leistungen nach dem SGB II für Mai 2014 als Zuschuss anstelle eines Darlehns gewährt werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und verweist hierzu auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides.

Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten zum Verkehrswert und der Verwertbarkeit des im Eigentum der Klägerin stehenden bebauten Hausgrundstückes eingeholt. Der Gutachter Diplom-Ingenieur und Architekt S I kommt in seinem Gutachten vom 11.09.2015 zu dem Ergebnis, dass das Hausgrundstück der Klägerin einen Verkehrswert von 191.000,00 EUR zum 01.05.2014 hatte sowie einen Verkehrswert von 189.000,00 EUR zum 30.07.2015. Hierbei berücksichtigte er als den Verkehrswert mindernde Umstände Abschläge für Baumängel, Bauschäden und Reparaturstau von zusammen 18.900,00 EUR. Die Vermietung der Einliegerwohnung an die Mutter der Klägerin zu einem unter dem marktüblichen Wert liegenden Mietzins mit einem Abzug von 10.930,00 EUR, da es erst nach 14 Jahren nach einer fünften Mietzinserhöhung möglich sei, einen marktüblichen Mietzins für die Einliegerwohnung zu erzielen. Weiterhin bezog er Abschläge für eine mögliche zweite Veranlagung zu Erschließungsbeiträgen in Höhe von 4.850,00 EUR ein. Weiter kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass das Haus im Erdgeschoss über eine Größe von 120,81 m² und im Obergeschoss von 84,27 m² verfüge. Hiervon entfielen auf die Hauptwohnung 145,48 m² sowie auf die Einliegerwohnung 59,60 m². Insgesamt verfüge das Haus über eine Wohnfläche von 205,08 m² bei einer Grundstücksgröße von 556 m². Eine isolierte Veräußerung eines Teiles des Grundstückes sei nicht möglich. Eine Veräußerung zum Verkehrswert sei binnen 12 Monaten möglich. Bei einer kurzfristigen Veräußerung oder einer Zwangsversteigerung seien Abschläge von bis zu 30 % auf den Verkehrswert zu erwarten. Für die weiteren Ergebnisses des Sachverständigengutachtens wird auf den Inhalt des Gutachtens (Bl. 72 - 127 der Gerichtsakte) ergänzend Bezug genommen.

Die Klägerin ist im Hinblick auf das Ergebnis des Sachverständigengutachtens der Ansicht, dass die 70%ige Belastungsgrenze lt. dem Gutachten überschritten sei. Soweit es ihr nicht möglich sei, das Grundstück weiter zu belasten, sei sie auch nicht verpflichtet, das Wohnhaus zu veräußern.

Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, dass es sich um verwertbares Vermögen handele. Eine Verwertung sei binnen 12 Monaten lt. Gutachten möglich. Auch liege ein höherer Verkehrswert vor als zunächst von ihr angenommen worden sei.

Die Beteiligten haben schriftsätzlich jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (Schreiben vom 24.10.2016).

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Weiterhin wird Bezug genommen auf die weiteren Gerichtsakten S 18 AS 608/15, S 18 AS 1043/15 sowie S 18 AS 1833/15. Diese lagen vor und waren Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer durfte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Streitgegenständlich ist im Hinblick auf die Begrenzung des Streitgegenstandes auf die Anfechtung der darlehensweisen Leistungsgewährung allein die Leistungsbewilligung für Mai 2014 aufgrund des Bescheides vom 22.11.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 23.11.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 31.01.2014 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 16.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2014. Die im Verlauf des Widerspruchsverfahrens ergangenen Änderungsbescheide sind gem. § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Da die Klägerin sich lediglich gegen die als Darlehen erfolgte Bewilligung für Mai 2014 wendet, beschränkt sich der Streitgegenstand auf die Bescheide und Änderungsbescheide, welche die Leistungen für Mai 2014 regeln. Der Klageantrag war entsprechend des Begehrens der Klägerin auszulegen (§ 123 SGG).

Da lediglich durch die Klägerin Klage erhoben wurde, ist allein der SGB II-Anspruch der Klägerin und nicht auch ihrer Tochter streitgegenständlich. Denn bei den Ansprüchen nach dem SGB II handelt es sich um Individualansprüche der einzelnen Leistungsberechtigen (so bereits BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 8/06 R).

Der Bescheid vom 22.11.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 23.11.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 31.01.2014 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 16.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2014, mit welchem der Klägerin für Mai 2014 lediglich Leistungen nach dem SGB II als Darlehen gewährt wurden, ist rechtmäßig und die Klägerin durch diesen nicht beschwert im Sinn von § 54 Abs. 2 SGG.

Die Änderung der zunächst erfolgten zuschussweisen Leistungsgewährung in eine darlehensweise Leistungserbringung ist rechtmäßig. Bei der Änderung von einem Zuschuss in ein Darlehen handelt es sich um eine teilweise Rücknahme gem. § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) der zunächst erfolgten zuschussweisen Bewilligung. Diese ist rechtmäßig.

Gem. § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden. Nach Absatz 2 darf er nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann

Die zunächst erfolgte Bewilligung als Zuschuss stellt sich als von Anfang an rechtswidrig dar, da die Klägerin aufgrund von Vermögen im Sinn von § 12 SGB II nicht hilfebedürftig war. Entsprechend besteht lediglich ein Anspruch auf eine darlehensweise Leistungsgewährung. Denn ein solcher Anspruch besteht, wenn der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder er eine besondere Härte bedeuten würde (§§ 9 Abs. 4 und 24 Abs. 5 SGB II).

Die Klägerin erfüllt zwar die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Jedoch verfügt sie über Vermögen im Sinn von § 12 SGB II, welches ihre Hilfebedürftigkeit grundsätzlich ausschließt.

Als Vermögen sind nach § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände mit ihrem Verkehrswert zu berücksichtigen, soweit das Vermögen die Vermögensfreibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II übersteigt und diese nicht als Schonvermögen im Sinn von § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 bis 6 SGB II zu bewerten sind.

Bei dem im Eigentum der Klägerin stehenden Wohnhaus handelt es sich um verwertbares Vermögen i.S.v. § 12 Abs. 1 SGB II. Vermögen ist verwertbar, wenn es verbraucht, übertragen oder belastet werden kann. Der Begriff der Verwertbarkeit beurteilt sich nach den tatsächlichen und den rechtlichen Verhältnissen. Tatsächlich nicht verwertbar sind Vermögensgegenstände, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird. Rechtlich nicht verwertbar ist ein Vermögensgegenstand, für den Verfügungsbeschränkungen bestehen, deren Aufhebung der Inhaber nicht erreichen kann. Tatsächliche oder rechtliche Hindernisse, die eine Verwertbarkeit des Wohnhauses ausschließen, liegen nicht vor. Das Wohnhaus nebst Grundstück ist grundsätzlich marktgängig. Dies steht für die Kammer aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen I fest. Denn dieser kommt im Gutachten zu dem Ergebnis, dass binnen von 12 Monaten eine Verwertung durch Verkauf zum Verkehrswert möglich wäre. Für einen funktionieren Grundstücksmarkt für bebaute Grundstücke spricht auch, dass ausweislich des Grundstücksmarktberichtes des Gutachtersausschusses für den Kreis Q aus dem Jahr 2015 in den Jahren 2011 bis 2013 in C X jährlich 28 bis 30 bebaute Wohngrundstücke veräußert wurden und in den Jahren 2014 und 2015 jeweils 43 bzw. 38. Auf die Frage, ob eine Verwertung durch weitere Beleihung möglich wäre, kommt es nicht an. Denn die Beleihung stellt neben dem Verkauf oder der Vermietung nur eine von mehreren Verwertungsmöglichkeiten dar. Die Klägerin ist aber grundsätzlich gehalten den Vermögensgegenstand wirtschaftlich zweckmäßig zu verwerten (vgl. Geiger in: Münder, SGB II, 5. A. 2013, § 12 Rn. 13). Grundsätzlich müssen alle möglichen Ertragsquellen genutzt werden. Die Art der Verwertung bestimmt grundsätzlich der Vermögensinhaber. Er darf von den milderen Formen wie Vermietung oder Beleihung Gebrauch machen, soweit dies zur Deckung des Bedarfs ausreicht (Radüge in: jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 12, Rn. 51 f.).

Das Wohnhaus der Klägerin stellt kein Schonvermögen i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II dar. Danach ist ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung als Vermögen unabhängig vom konkreten Wert nicht zu berücksichtigen.

Bei dem Begriff der angemessenen Größe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 2/05 R). Für ein Wohnhaus liegt die typische Grenze bei einem Haushalt von 4 Personen bei 130 m² (BSG, Urteil vom 16.08.2007, B 11b AS 37/06 R). Bei weniger als 4 Personen reduziert sich der Grenzwert, mindestens ist jedoch ein Wert von 90 m² als angemessen anzusehen (BSG, Urteil vom 15.04.2008, B 14/7b AS 34/06 R). Bei der Ermittlung der Größe des Wohnhauses ist auch die an die Mutter der Klägerin vermietete Einliegerwohnung zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 99/11 R). Ausgehend von dem Ergebnis des Gutachtens hat das Wohnhaus mit Einliegerwohnung eine Wohnfläche von insgesamt 205,08 m². Diese Größe übersteigt die als angemessen anzusehende Wohnfläche für 2 Personen (Bedarfsgemeinschaft der Klägerin mit ihrer Tochter) von 90 m² um mehr als das doppelte. Auch bei Berücksichtigung der Mutter der Klägerin als unter einem Dach lebende weitere Person (vgl. hierzu § 90 Abs. 2 Nr. 8 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch- SGB XII) würde sich die Fläche von 205 m² als deutlich unangemessen darstellen.

Die Verwertung des Wohnhauses durch einen Verkauf ist auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich i.S.v. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 1. Alt. SGB II. Von der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit einer Verwertung ist auszugehen, wenn der auf dem Markt erzielbare Wert in einem deutlichen Missverhältnis zum "wirklichen Wert" oder Substanzwert eines Vermögensgegenstandes steht. Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht.

Die Verwertung der Eigentumswohnung durch Verkauf stellt für die Klägerin keine besondere Härte i.S.v. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 2. Alt. SGB II dar. Maßgebend sind dabei nur außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erfasst werden. Erforderlich sind Umstände, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte. Es sind nur besondere, bei anderen Leistungsberechtigten regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu prüfen (BSG, Urteil vom 15.04.2008, B 14/7b AS 52/06 R). Das Vorliegen solcher besonderen Umstände ist weder aus den Akten ersichtlich, noch ergeben sich solche aus dem Vortrag des Klägers.

Der Verkehrswert des Wohnhauses (§ 12 Abs. 4 Satz 1 SGB II) übersteigt zum Stichtag 01.05.2014 die Vermögensfreibeträge der Klägerin nach § 12 Abs. 2 SGB II. Der Verkehrswert beträgt 191.000,00 EUR. Dies ergibt sich aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten. Der Gutachter hat nach dem Sachwertverfahren den Verkehrswert ermittelt. Hierbei hat er insbesondere auch Abschläge für vorhandene Baumängel, den Mietvertrag mit der Mutter der Klägerin unterhalb der ortsüblichen Miete sowie die Belastung des Grundstückes mit noch zu veranlagenden Erschließungsbeiträgen vorgenommen. Insofern ergibt sich der ermittelte Verkehrswert. Hiervon sind die dinglich gesicherten Verbindlichkeiten in Abzug zu bringen, denn in deren Höhe ergibt sich kein verfügbares Vermögen, da bei einem Verkauf diese Verbindlichkeiten abgelöst werden müssten. Die Verbindlichkeiten betrugen Ende 2013 zusammen 136.490,24 EUR. Es verbliebe so ein Überschuss von 54.509,76 EUR. Dieser Betrag übersteigt damit den Freibetrag der Klägerin zum 01.05.2014 deutlich. Dieser betrug nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II 7.200,00 EUR (38 x 150,00 EUR + 2 X 750,00 EUR). Der auf die Tochter der Klägerin entfallende Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a SGB II ist nicht zum Freibetrag der Mutter im Sinn eines Freibetrages der gesamten Bedarfsgemeinschaft hinzuzurechnen (BSG, Urteil vom 14.05.2009, B 4 AS 58/08 R). Jedoch würde sich auch in diesem Fall mit einem Betrag von 10.300,00 EUR weiterhin ein den Überschuss aus dem Verkauf deutlich übersteigendes Vermögen von ca. 44.000,00 EUR ergeben.

Mangels Hilfebedürftigkeit bestand daher kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Da jedoch die Verwertung des Wohnhauses eine gewisse Zeitspanne in Anspruch nimmt, bestand für die Klägerin ein Anspruch auf darlehensweise Leistungen nach § 24 Abs. 5 Satz 1 SGB II.

Der Beklagte war auch befugt mit Wirkung für die Zukunft die zunächst erfolgte zuschussweise Leistungsgewährung teilweise hinsichtlich der Gewährung als Zuschuss zurückzunehmen und auf eine darlehensweise Leistungsgewährung zu reduzieren. Vertrauensschutzgesichtspunkte gem. § 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X stehen dem nicht entgegen. Da es sich um eine Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft handelt, ist ein Verbrauch der Leistungen nicht gegeben. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf die Gewährung von Leistungen als Zuschuss Vermögensdispositionen getroffen hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klage selbst keinen Erfolg hatte, jedoch war die die Klägerin begünstigende Kostenentscheidung hinsichtlich des Widerspruchsverfahrens wiederherzustellen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 30.06.2011, L 19 AS 1005/11 B).

Die Berufung hat die Kammer im Hinblick auf die Frage der Dauer des Verwertungszeitraumes zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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