S 18 AS 237/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 237/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren vom Beklagten höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit von Januar bis einschließlich Mai 2016 unter Berücksichtigung höherer als der gesetzlich festgelegten Regelbedarfe.

Der 1958 geborene Kläger steht bereits seit Längerem im Bezug von Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten. Der Kläger zu 2) ist der am 00.00.1998 geborene Sohn des Klägers. Der Kläger zu 2) lebt im Haushalt der Kindsmutter. Im Rahmen des regelmäßigen elterlichen Umgangsrechts des Klägers zu 1) hält sich der Kläger zu 2) an zwei Samstagen im Monat für mehr als 12 Stunden beim Kläger zu 1) auf.

Im November 2015 beantragte der Kläger zu 1) für sich und den Kläger zu 2) die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab Dezember 2015.

Der Kläger bewohnt eine Wohnung, für die monatliche Unterkunftskosten von insgesamt 197,00 EUR anfallen (Miete 127,00 EUR, Nebenkosten 50,00 EUR, Heizkosten 20,00 EUR). Weiterhin verfügt der Kläger über Einkommen in Gestalt einer Erwerbsminderungsrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von 236,35 EUR. Weiterhin erhält er als Ratsmitglied von der Stadt C T eine Aufwandentschädigung von 459,60 EUR.

Mit Bescheid vom 18.11.2015 erfolgte eine vorläufige Bewilligung von SGB II-Leistungen für die Kläger für die Zeit von Dezember 2015 bis einschließlich Mai 2016. Für den Kläger zu 1) bewilligte der Beklagte einen Betrag von 284,31 EUR monatlich und für den Kläger zu 2) von 67,79 EUR monatlich. Hierbei berücksichtigte der Beklagte den Regelbedarf von 399,00 EUR für den Kläger zu 1). Für den Kläger zu 2) berücksichtigte er einen anteiligen Regelbedarf von 20,13 EUR monatlich. Weiterhin berücksichtigte der Beklagte die Unterkunftskosten von 197,00 EUR in tatsächlicher Höhe. Als bedarfsminderndes Einkommen rechnete der Beklagte die Erwerbsminderungsrente von 236,35 EUR an sowie ein Einkommen von 259,60 EUR aus der Aufwandsentschädigung für die Tätigkeit als Ratsmitglied nach Abzug eines Grundfreibetrages von 200,00 und eines weiteren Freibetrages von 31,92 EUR einen verbleibenden Restbetrag von 27,68 EUR.

Mit Änderungsbescheid vom 25.11.2015 änderte der Beklagte die erfolgte Bewilligung für die Zeit ab Januar 2016 bis einschließlich Mai 2016 ab und gewährte dem Kläger zu 1) nunmehr 288,99 EUR monatlich und dem Kläger zu 2) 68,38 EUR monatlich. Hierbei berücksichtigte der Beklagte einen monatlichen Regelbedarf für den Kläger zu 1) von 404,00 EUR und für den Kläger zu 2) ausgehend von 306,00 EUR für 2 Tage im Monat einen Betrag von 20,40 EUR.

Im Übrigen verblieb es bei der Berücksichtigung von Unterkunftskosten und der bedarfsmindernden Anrechnung von Einkommen wie im vorhergehenden Bescheid vom 18.11.2015.

Gegen den Änderungsbescheid vom 25.11.2015 erhoben die Kläger in der Folgezeit Widerspruch. Diesen begründeten sie mit einer zu geringen Erhöhung der Regelbedarfe ab Januar 2016. Die Berechnung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2013 hätte mit einfließen müssen. Dies habe der Gesetzgeber unterlassen. Daher hätte die Höhe der Regelbedarfe nicht nur fortgeschrieben sondern neu ermittelt werden müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2016 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dies begründet er damit, dass die Leistungsbewilligung ab Januar 2016 den gesetzlichen Vorgaben entspreche.

Hiergegen erhoben die Kläger am 15.02.2016 Klage.

Die Kläger sind der Ansicht, dass die Regelbedarfe nicht verfassungsgemäß errechnet seien. Der Gesetzgeber sei nicht berechtigt gewesen, unter Nichtbeachtung von § 28 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) eine bloße Fortschreibung um 1,5 % vorzunehmen. Er sei vielmehr verpflichtet gewesen, die Höhe der Regelbedarfe durch neues Bundesgesetz unter Berücksichtigung der EVS 2013 neu zu regeln. Auch habe das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2014 den Gesetzgeber verpflichtet, die Entwicklung der Strompreise zeitnah abzubilden und den Stromkostenanteil in den Regelbedarfen ggf. zu erhöhen. Auch sei zu berücksichtigen, dass seit Anfang 2015 ein Mindestlohn von 8,50 EUR gelte. Dies führe dazu, dass der Gesetzgeber von zu niedrigem Erwerbseinkommen bei der Fortschreibung ausgegangen sei. Verschiedene Wohlfahrtsverbände würden davon ausgehen, dass für Erwachsene ein Regelbedarf von 491,00 EUR im Monat erforderlich sei.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid vom 25.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2016 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen ab Januar 2016 bis Mai 2016 höhere SGB II-Leistungen ausgehend von einem höheren monatlichen Regelbedarf zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die angefochtene Entscheidung rechtmäßig sei. Es seien die gesetzlichen Regelbedarfe bewilligt worden.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den übersandten Verwaltungsvorgang des Beklagten. Dieser lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Änderungsbescheid vom 25.11.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2016 ist rechtmäßig und die Kläger sind durch diesen nicht beschwert im Sinn von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Beklagte hat zu Recht durch den angefochtenen Bescheid nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für die Zeit ab Januar 2016 bis Mai 2016 den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 18.11.2015 im Hinblick auf die geänderten Regelbedarfe ab Januar 2016 teilweise abgeändert und den Klägern höhere Leistungen gewährt.

Hierbei ist der Beklagte auch zu Recht von einem monatlichen Regelbedarf des Klägers zu 1) von 404,00 EUR und des Klägers zu 2) von 306,00 EUR ausgegangen. Diese Beträge entsprechen den Werten nach § 20 Abs. 5 Satz 1 SGB II i.V.m. § 28 a Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) i.V.m. § 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2016 (RBSFV 2016).

Die Kammer hat weder an der Höhe dieser Beträge noch an dem Umstand, dass die Erhöhung lediglich auf einer Fortschreibung anstelle einer Neuermittlung nach § 20 Abs. 5 Satz 2 SGB II i.V.m. § 28 SGB XII erfolgte, verfassungsrechtliche Bedenken.

Die Fortschreibung war zulässig, da eine Neuermittlung des Regelbedarfs durch den Gesetzgeber nach § 28 SGB XII für das Jahr 2016 nicht erfolgt ist. Hierzu war der Gesetzgeber auch nicht verpflichtet. § 28 SGB XII sieht keinen festen Zeitpunkt für die Neufestsetzung der Regelbedarfsstufen vor (Bayerisches LSG, Beschluss vom 21.07.2016, L 18 AS 405/16 B PKH). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber nach dem Vorliegen einer bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) zunächst ein Gesetzgebungsverfahren durchführen muss (vgl. Gutzler in: jurisPK-SGB XII, § 28 Rn. 26). Das Ergebnis der EVS 2013 lag im September 2015 vor. Anschließend war gemäß § 28 Abs. 3 SGB XII auf Grundlage der EVS 2013 auch noch die Sonderauswertung durchzuführen. Das gesetzliche Verfahren zur Ermittlung des Regelbedarfs ist mit dem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/ 12, 1 BvR 1691/13).

Auch sind die durch die erfolgte Fortschreibung festgesetzten Regelbedarfe für das Jahr 2016 aufgrund ihrer Höhe nicht verfassungswidrig niedrig bemessen. Die ab dem Jahr 2011 ermittelten und im weiteren Verlauf jeweils fortgeschriebenen Regelbedarfe sind bis in das Jahr 2014 hinein vom BVerfG ausdrücklich als verfassungsgemäß gebilligt worden (BVerfG, a.a.O.). Ausweislich der statistischen Daten des Statistischen Bundesamtes ist der Verbraucherpreisindex von Januar 2014 von 105,9 auf den Wert von 107,0 in Dezember 2015 gestiegen. Der Index der Verbraucherpreise für Strom stieg von 123,4 im Jahresdurchschnitt 2013 auf 124,8 im Jahresdurchschnitt 2015. Im Zeitraum von 2014 zu 2016 stiegen die Regelbedarfe für den Kläger zu 1) von 391,00 EUR auf 404,00 EUR und für den Kläger zu 2) von 296,00 EUR auf 306,00 EUR, was jeweils einer Steigerung von ca. 3,35 % entspricht. Die Preissteigerungen der Verbraucherpreise lagen im selben Zeitraum darunter. Insofern ist eine unzureichende Fortschreibung der Regelbedarfe für die Kammer nicht erkennbar. Ein von der Verfassung gebotener Regelbedarf von 491,00 EUR für den Kläger zu 1) anstelle von 404,00 EUR ist für die Kammer nach den zuvor gemachten Ausführungen nicht erkennbar.

Die konkrete Leistungsberechnung des Beklagten ist im Hinblick auf die Einkommensanrechnung und die Berücksichtigung des Regelbedarfs für den Kläger zu 2) für 2 Anwesenheitstage im Monat in der Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu 1) von der Klägerseite nicht gerügt und für das Gericht auch ohne erkennbaren Rechtsfehler erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Die zulassungsbedürftige Berufung (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) hat die Kammer gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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