L 9 KR 144/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 1259/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 144/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Allenfalls schwerwiegende oder in hohem Maße wahrscheinliche gesundheitliche Nachteile im Rahmen diagnostischer Maßnahmen können einen operativen Eingriff mit deutlich größerem Risiko rechtfertigen.
2. Vergütungsrelevante intraoperative Umstände sind vom Krankenhaus in der Regel so festzustellen und ggf. zu dokumentieren, dass sie einer Überprüfung durch die Krankenkasse als Kostenträgerin zugänglich sind.
3. Medizinische Feststellungen im Zusammenhang mit stationären Krankenhausbehandlungen können auch auf Zeugenaussagen der behandelnden Krankenhausmitarbeiter gestützt werden. Sind diese jedoch nicht mit anderweitigen Erkenntnissen in Einklang zu bringen oder hat das Krankenhaus aus implausiblen Gründen auf ergänzende Maßnahmen verzichtet, reichen schon wegen der Erfordernisse wirksamen Rechtsschutzes gegen Unwirtschaftlichkeit zeugenschaftliche Angaben allein typischerweise nicht aus.
4. Über ernsthaft in Betracht kommende intraoperative Änderungen der geplanten Behandlung muss vor der Operation aufgeklärt werden.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Vergütung einer in der Zeit vom 17. bis 19. Juni 2008 durchgeführten Krankenhausbehandlung.

Die klagende GmbH ist Trägerin eines in den Krankenhausplan des Landes Berlin aufgenommenen Krankenhauses, in dem der bei der Beklagten krankenversicherte, 1965 geborene Patient T H (im Folgenden: der Versicherte) während des o.g. Zeitraums stationär behandelt wurde. Ausgangspunkt war die für den Versicherten am 15. April 2008 ausgestellte Verordnung von Krankenhausbehandlung des Facharztes für Chirurgie Dr. B, in der als Diagnose "Hämorrhoidalleiden II – III° zur Op." und als Untersuchungsergebnisse "I 84.9" (= Hämorrhoiden ohne Komplikation, nicht näher bezeichnet) genannt wurden. Ausweislich des Operationsberichts vom 17. Juni 2008 wurde aufgrund der Diagnose "Rektoanaler Prolaps mit zirkulären Hämorrhoiden III°" als Therapie eine "transanale Prolapsresektion und Anopexie nach Longo" durchgeführt. In dem Bericht heißt es u.a., die Inspektion zeige einen deutlichen Analprolaps, gut reponibel; nach Fixierung des Analspekulum werde ein großer Mukosaprolaps sowie eine ausgeprägte Intussuszeption etwas oberhalb der Basis des Hämorrhoidalansatzes sichtbar. Weiter heißt es darin, mittels eines sog. Staplers sei eine vollständige Resektion des Mukosaprolapses inklusive Aufhebung der Intussuszeption erfolgt. In ihrer Rechnung vom 27. Juni 2008 legte die Klägerin die DRG G21B ("Adhäsiolyse am Peritoneum, Alter ) 3 Jahre und ohne äußerst schwere oder schwere CC oder andere Eingriffe an Darm oder Enterostoma ohne äußerst schwere CC, Alter ) 15 Jahre") zugrunde und machte einen Betrag von 2.184,06 Euro geltend. Nach den von der Klägerin an die Beklagte elektronisch übermittelten Daten wurde als Hauptdiagnose ein Analprolaps (K62.2 der Internationalen Klassifikation der Krankheiten [ICD 10]) und als Nebendiagnose "innere Hämorrhoiden mit sonstigen Komplikationen (I84.1 ICD-10) bzw. "nicht näher bezeichnete Hämorrhoiden mit sonstigen Komplikationen" (I84.8 ICD-10) bezeichnet sowie als durchgeführte Prozedur der Schlüssel 5-482.10 ("Peranale lokale Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Rektums: submuköse Exzision, transanal") des Operationen- und Prozedurenschlüssels [OPS] nach § 301 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch/ Fünftes Buch [SGB V]).

Die Beklagte beglich diese Rechnung zunächst, veranlasste jedoch zugleich eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dessen Mitarbeiter Dr. M gelangte in seinen Stellungnahmen vom 1. April und 29. Juni 2009 u.a. zu folgenden Feststellungen: Die der DRG G21B zugeordnete OPS 5-482.10 entspreche nicht der im Operationsbericht beschriebenen transanalen Hämorrhoiden- und Prolapsresektion mittels Stapler. Hierfür gebe es eine eigenständige Prozedur 5-493.5 (Operative Behandlung von Hämorrhoiden, mit Stapler), die bei Kodierung zur DRG G26Z führe. Im Operationsbericht werde eine vollständige Resektion des Mukosaprolapses inklusive Aufhebung der Intussuszeption beschrieben. Hier bestünden Widersprüchlichkeiten. Die Entfernung eines Mukosaprolapses (Darmschleimhaut) finde bei der LONGO-Methode statt. Die histologische Untersuchung beschreibe eine Rektumwandresektion, dies entspreche einer STARR-Operation. Die Aufhebung der Intussuszeption gelinge nur durch eine Darmwandresektion. Definitionsgemäß wird unter einer Intussuszeption ein innerer Darmwandvorfall verstanden, der nur durch eine Entfernung der vorgefallenen Darmwand behandelt werden könne. Welcher Stapler verwendet worden sei, könne nicht festgestellt werden. Auch könne aus der Gewebsgröße von 45 x 12 mm Vollwandresektat (Histologie mit 20% Schrumpfung durch die Fixierung) – das entspreche einer Entnahmegröße vor Fixation von 54 x 14,4 mm – nicht auf einen zirkulär abgetragenen inneren Rek¬tumwandvorfall geschlussfolgert werden. Würden die 54 mm als Umfang betrachtet werden, wäre das Rektum an dieser Stelle nur 17mm im Durchmesser. Solch ein dünnes Rektum sei dem Gutachter nicht bekannt. Das gleichzeitige Vorliegen eines Mukosaprolapses in Kombination mit einer Intussuszeption, die mit einer Resektion von so geringem Ausmaß habe ausreichend behandelt werden können, sei unverständlich. Eine vorausgehende Diagnostik mit Defäkographie zum Nachweis des Rektumprolapses und zur lndikationsbegründung für dieses operative Vorgehen sei nicht erfolgt. Die beschriebene geringe Größe des Resektates lasse Zweifel über die Notwendigkeit der Resektion der beschriebenen lntussuszeption aufkommen. Aus der Dokumentation der Beschwerdeanamnese des Versicherten und der Einweisungsdiagnose sei kein Rektumprolaps abzuleiten. Aus dem Operationsbericht sei ein Hämorrhoidalleiden III&730; (es handelt sich um vor den Anus vorgefallene Hämorrhoiden, die reponiert werden können) mit Analprolaps (vor dem After liegende Hämorrhoiden) zu entnehmen. Die operative Behandlung sei mit einer transanalen Prolapsresektion und Anopexie (chirurgische Fixierung eines Organs an andere Strukturen) unter Therapie ausgewiesen worden. Im Operationsbericht werde von einem großen Mukosaprolaps (Schleimhautvorfall) mit Intussuszeption berichtet, der mit einer Tabaksbeutelnaht submukös (unterhalb der Schleimbaut) gefasst und durch Zusammenziehen und Verknüpfung der Naht an den Schaft des Staplerkopfes fixiert worden sei. Dieses Vorgehen entspreche dem Vorgehen der LONGO-Methode. Gleichzeitig sei eine teilweise Vollwandresektion der Rektumwand erfolgt, was der STARR-Operation entspreche. Definitionsgemäß handele es sich bei einem Hämorrhoidalleiden dritten Grades um einen Analprolaps (die vorgefallenen Hämorrhoiden sind von Rektumschleimhaut bedeckt). Bei einem Rektumprolaps falle die gesamte Rektumwand nach unten und trete aus dem Anus hervor. Bei dem hier gegebenen Hämorrhoidalleiden würden entsprechend dem allgemein anerkannten medizinischen Wissen für diese Erkrankung mehrere operative Verfahren (Operation nach Milligan Morgen, Operation nach Parks und die transanale apparative Methode mit dem Staplernahtapparat in Form der Operation nach LONGO) angewendet. Diese Verfahren hätten als Ziel, den arteriovenösen Schwellkörper, der in Form von Hämorrhoiden krankhaft vergrößert ist, zu entfernen bzw. zu reduzieren. Erreicht werde dieses Ziel in den offenen Verfahren nach Milligan Morgan und Parks durch gezieltes Aufsuchen der den Knoten versorgenden Arterie mit anschließendem Verschluss mittels einer Durchstichligatur (eine geknüpfte Fadenschlinge verschließt das Gefäß) und anschließendem Herausschneiden des Knotens. Bei der LONGO-Methode werde durch das Ausschneiden und gleichzeitige Zusammennähen der Schleimhaut eine Straffung der Schleimhaut der Analregion erreicht. Dadurch würden die Blutgefäßpolster, die die Hämorrhoiden bilden, wieder an die ursprüngliche Stelle gebracht. Aus den lll°igen Hämorrhoiden würden l°ige. Im vorliegenden Fall sei eine STARR-Operation für die Behandlung eines Hämorrhoidalleidens dritten Grades mit Analprolaps angewandt worden. Diese Operation führe in gleicher Weise wie die LONGO-Methode zu einer Verkleinerung der Schwellkörper mit Unterbindung der zuführenden Arterien und Reposition der vorgefallenen Knoten in den AnalkanaI. Bei der LONGO-Methode werde dieses Ziel durch Resektion der Schwellkörper plus Schleimhaut erreicht, die Darmwand als solche bleibt unberührt. Bei der STARR-Methode werde die gesamte Darmwand in allen Schichten entfernt. Bei Komplikationen, wie z.B. Aufgehen der Klammernaht, gelange Stuhl in die benachbarten Strukturen des Darmes und könne schwerwiegende ausgedehnte Abszesse (Eiteransammlungen) mit septischen Krankheitsfolgen (infektionsbedingtes Multiorgan- und Kreislaufversagen) verursachen. Diese schwerwiegenden Folgen einer Nahtinsuffizienz können bei der LONGO-Methode nicht auftreten, da die Darmwand in die Resektion nicht einbezogen wird. Daher sei es allgemein anerkannter medizinischer Standard, Hämorrhoiden lII° mit Analprolaps nach der LONGO-Methode und nicht nach der STARR-Methode operativ zu versorgen. Als Intussuszeption (Synonym: Invagination) des Darmes werde die in Längsachse erfolgende Einstülpung eines Darmabschnittes in einen anderen bezeichnet. Der im Operationsbericht als ausgeprägte lntussuszeption etwas oberhalb der Basis des Hämorrhoidalansatzes beschriebene innere Darmwandvorfall werde in seiner Ausdehnung weder qualitativ noch quantitativ beschrieben. Auch seien keine Angaben des Versicherten bezüglich Stuhlentleerungsstörungen dokumentiert, die das Vorliegen einer inneren lnvagination mit entsprechendem Beschwerdebild vermuten bzw. bestätigen würden. Die geringe o.g. Größe des Darmwandresektates ließen keine krankheitsrelevante Stuhlentleerungsstörung vermuten. Ohne präoperative adäquate Diagnostik und Anamnese einer Stuhlentleerungsstörung durch einen inneren Darmwandvorfall bedeute die grundlose Resektion einer kleinen funktionellen Intussuszeption eine Übertherapie und werde durch keine dem Gutachter bekannte Leitlinie bzw. dem aktuell geltendem medizinisch anerkannten Standard der Behandlung von Rektumvorfällen gestützt.

In der Folgezeit tauschten sich die Beteiligten über ihre unterschiedlichen medizinischen Einschätzungen aus. Schließlich zog die Beklagte am 1. September 2009 den aus ihrer Sicht überzahlten Rechnungsbetrag i.H.v. 1.429,08 Euro bei einer Sammelüberweisung, die u.a. die Rechnung der Klägerin für die Behandlung des Versicherten M R in der Zeit vom 10. bis 12. August 2009 i.H.v 2.455,93 Euro enthielt, ab.

Mit ihrer am 2. Juli 2010 erhobenen Klage hat die Klägerin den streitigen Differenzbetrag geltend gemacht.

Das Sozialgericht hat das medizinische Sachverständigengutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. G vom 5. Oktober 2012 veranlasst. Aufgrund des Ergebnisses des Gutachtens zeigte sich die Beklagte bereit, zwei weitere Belegungstage zu akzeptieren und überwies im Jahre 2013 wegen der streitigen Behandlung 543,47 Euro an die Klägerin. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2015 hat das Sozialgericht den die fragliche Operation durchführenden Arzt Dr. K als Zeugen vernommen und mit Urteil vom selben Tag die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 885,61 Euro zuzüglich Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. September 2009 auf einen Betrag von 1.429,08 Euro bis zum 30. April 2013 und auf den Betrag von 885,61 Euro ab dem 1. Mai 2013 zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Klägerin die Behandlung des Versicherten zu Recht mit dem OPS 5-482.10 codiert habe, was zur Abrechenbarkeit der DRG G21B geführt habe. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen G stehe fest, dass für die Operation dieser OPS zu codieren gewesen sei. Die Kammer sei auch davon überzeugt, dass sich während der durchgeführten OP die medizinische Notwendigkeit ergeben habe, neben der ursprünglich geplanten reinen Behandlung des Analprolapses und der damit verbundenen Resektion von Analschleimhaut auch die intraoperativ festgestellte Intussuszeption mit zu behandeln. Der Zeuge habe überzeugend und nachvollziehbar dargelegt, dass er bei Operationsbeginn beim Einsatz des Spekulums umgehend die Intussuszeption diagnostiziert habe. Bei dessen Einsatz habe sich gezeigt, dass es beim Einführen in den oberen Teil des Afters durch den Rektumprolaps vollständig verschlossen werde. Dass sich in diesem Fall eine Behandlungsbedürftigkeit zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Analkanals ergebe, erschließe sich der Kammer. Dass der Rektumprolaps beim Versicherten nicht bereits präoperativ bei der Rektusskopie festgestellt worden sei, möge verwundern, lasse sich aber auch mit der besonderen schambehafteten Empfindlichkeit in diesem Bereich erklären. Dass proktologische Untersuchungen im (lokal) sedierten Zustand – während der operativen Maßnahme – eindeutigere Aussagen zuließen, sehe die Kammer als Ergebnis der Zeugenaussage als nachvollziehbar an. Statistische Aussagen über die Häufung intraoperativer Feststellungen von Intussuszeptionen bei der Klägerin könnten dem vorliegenden Einzelfall nicht entgegen gehalten werden.

Gegen dieses ihr am 9. März 2015 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 9. April 2015, zu deren Begründung sie auch auf die o.g. Stellungnahmen des MDK verweist und ergänzend vorträgt: Das Sachverständigengutachten belege lediglich, dass eine STARR-OP durchgeführt worden sei. Diese Methode werde bei einem Rektumprolaps mit höherem Schweregrad (Intussuszeption) angewandt. Es sei nach dem Gutachten aber nicht erwiesen, dass ein schwererer Darmvorfall, also eine Indikation für diese Art von OP, vorgelegen habe. Die Notwendigkeit der durchgeführten OP-Methode habe sich daher für den Sachverständigen nicht abschließend beurteilen lassen. Die beschriebene (geringe) Größe, die Dokumentation der Beschwerdeanamnese und die Einweisungsdiagnose ließen eher nicht darauf schließen, dass eine Intussuszeption vorgelegen habe. Das Gutachten bestätige, dass eine Hämorrhoidektomie ausgereicht hätte, welche nicht nur für sie – die Beklagte – kostengünstiger, sondern für den Patienten auch weniger belastend und gefährlich sei. Bei einem Analprolaps bzw. Hämorrhoiden sei eine Hämorrhoidektomie (z.B. mit der LONGO-Methode) das übliche Verfahren. Damit werde eine Resektion der Schwellkörper sowie der Schleimhaut erreicht, die Darmwand bleibe hingegen unberührt. Im Gegensatz hierzu könne zur Behandlung eines Rektumprolapses (K62.3) die STARR-Methode (OPS 5-482.10) eine sinnvolle Behandlungsmethode sein, weil hier anders als bei der LONGO-Methode die gesamte Darmwand in allen Schichten entfernt werde. Dieses Verfahren berge aber ein deutlich höheres Komplikationsrisiko. Durch die Beschädigung der Darmwand erhöhe sich das Risiko einer Stuhlinkontinenz stark. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso angesichts der Häufigkeit der auftretenden intraoperativen Feststellungen von Intussuszeptionen bei der Klägerin nicht vorab beim Versicherten eine Defäkographie durchgeführt worden sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wieso im Laufe der Operation hier eine Resektion des Mastdarms mit durchgeführt worden sei, wenn zuvor die Aufklärung über eine Hämorrhoidenoperation erfolgt sei. Entsprechendes sei in der Dokumentation nicht nachvollziehbar. Ein Rektumprolaps, wie er vom Zeugen K intraoperativ festgestellt worden sei, sei in den Abrechnungsunterlagen nicht codiert worden. Das Sachverständigengutachten habe bestätigt, dass im OP-Bericht keine Angabe über das genaue Maß und die Ausdehnung der Intussuszeption enthalten gewesen seien. Es sei auch nicht beschrieben worden, welcher Stapler und welche Staplergröße eingesetzt worden sei. Ferner sei nicht ersichtlich, warum trotz der angeblich ausgeprägten Intussuszeption der Prolaps mit nur einem Klammernahtgerät/-magazin erfolgreich habe aufgehoben werden können. Eine ausgeprägte (operativ behandlungsbedürftige) Intussuszeption könne nicht sicher während der Operation von Hämorrhoiden (unter Vollnarkose) diagnostiziert werden. Insbesondere dürfe zu diesem Zeitpunkt nicht ohne weiteres die Entscheidung zu der hier durchgeführten großen OP, bei der Teile vom Mastdarm entfernt würden, betroffen werden.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 25. Februar 2016 erörtert und hierbei den Sachverständigen ergänzend vernommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die dem Senat vorgelegen hat, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hätte der Klage nicht stattgeben dürfen. Denn der Klägerin steht für die streitige Behandlung des Versicherten keine höhere Vergütung als (754,98 Euro + 543,47 Euro =) 1.298,45 Euro zu.

I. Der Klägerin stand gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des streitgegenständlichen Betrags i.H.v. 885,61 Euro zu, allerdings nicht aufgrund der Behandlung des Versicherten im streitigen Zeitraum. Diese Forderung wurde von der Beklagten vorbehaltlos erfüllt, sie ist damit erloschen (§ 362 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - analog). Allein die der Krankenkasse eingeräumte Möglichkeit, auch nach sofortiger Begleichung einer Krankenhausrechnung Beanstandungen sachlicher und rechnerischer Art geltend zu machen und Differenzbeträge ggf. zu verrechnen (§ 12 Abs. 4 Satz 4 des für das Land Berlin geltenden Vertrags über "Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung [§ 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V]" vom 1. November 1994 incl. Einarbeitung der Ergänzungsvereinbarung vom 22. Dezember 1997), führt nicht dazu, dass jede Zahlung einer Krankenkasse auf eine Vergütungsforderung eines Krankenhauses auch ohne ausdrückliche Erklärung mit einem Vorbehalt versehen ist (BSG, Urteil vom 01. Juli 2014 – B 1 KR 2/13 R –, juris, m.w.N.).

Ein Zahlungsanspruch in der beantragten Höhe stand der Klägerin jedoch unstreitig aufgrund der Vergütungsforderung i.H.v 2.455,93 Euro für die Behandlung des Versicherten M R in der Zeit vom 10. bis 12. August 2009 zu.

II. Die Hauptforderung der Klägerin ist jedoch durch Aufrechnung erloschen. Denn der Beklagten stand als Gegenforderung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch i.H.v. 885,61 Euro (hierzu unter 1.) zu, mit dem sie wirksam aufgerechnet hat (hierzu unter 2.).

1. Das von der Beklagten durch die Aufrechnung geltend gemachte Rückforderungsbegehren basiert auf dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Ein öffentliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, da auch schon für die Zeit vor der Neufassung des § 69 SGB V zum 1. Januar 2000 die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus öffentlich-rechtlich geprägt waren. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812ff BGB), dem der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen dienen. Allerdings ist auch im Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt ist. Es lässt sich deshalb keine einheitliche Formel für das Vorliegen oder Fehlen eines die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Grundes aufstellen. Allgemein anerkannt ist jedoch, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich zurückgefordert werden können (BSGE 93, 137 m.w.N.).

Der Klägerin stand – dies ist unstreitig – ein Vergütungsanspruch für die Behandlung des Versicherten i.H.v. 1.298,45 Euro auf der Grundlage der DRG G26Z zu. Eine darüber hinaus gehende Forderung i.H.v. 885,61 Euro auf der Grundlage der DRG G21B bestand demgegenüber nicht. In Höhe dieser Überzahlung besteht der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Beklagten.

a) Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und i.S.v. § 39 Abs. 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist.

aa) Die Höhe der Vergütung für die Behandlung Versicherter im Jahr 2008 bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie dem der Klägerin nach § 109 Abs. 4 S 3 SGB V i.V.m. § 7 S. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), jeweils in der 2008 geltenden Fassung. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen (FPV)) konkretisiert. Die Spitzenverbände der Krankenkassen (ab 1. Juli 2008: Spitzenverband Bund der Krankenkassen) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KHEntgG.

bb) Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung. Nach § 1 Abs. 6 S. 1 FPV 2008 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH (InEK = Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus), einer gemeinsamen Einrichtung der o.g. Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.

Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z.B. die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier in der Version 2008) sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS (hier in der Version 2008). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind.

Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien und der FPV-Abrech¬nungs¬be¬stim¬mun¬gen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Da das DRG-ba¬sier¬te Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs. 2 S. 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 25/13 R –, juris, m.w.N.).

b. Auf dieser Grundlage war für die Klägerin nur die DRG G26Z abrechenbar. Die operative Behandlung eines Rektumprolapses am 17. Juni 2008 war nicht erforderlich (hierzu aa). Das Krankenhaus durfte nur die Prozedur mit dem Schlüssel 5-493.5 kodieren (hierzu bb).

aa. Nach den Feststellungen des Senats litt der Versicherte nicht an einem Rektumprolaps, der am 17. Juni 2008 hätte operativ entfernt werden müssen.

(1) Als Rektumprolaps wird – was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist – ein Vorfall aller Schichten des Mastdarms (Rektums) bezeichnet (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. (2004) und 266. (2014) Auflage, Stichtwort "Rektumprolaps"). Unter einer Intussuszeption (Synonym: Invagination) wird – auch insoweit besteht zwischen den Beteiligten keine erkennbare Divergenz – ein Darmwandvorfall in Form einer Einstülpung in einen anderen Darmabschnitt verstanden (a.a.O., Stichtworte "Intussuszeption" und "Invagination"). Für den Bereich des Rektums sind daher die Begriffe "Rektumprolaps" und "Intussuszeption"– wie vom Sachverständigen dargelegt – gleichbedeutend.

(2) Ein behandlungsbedürftiger Rektumprolaps lag aus mehreren Gründen nicht vor.

(a) Weil viele Menschen beschwerdefrei einen Rektumprolaps haben, dieser also nicht stets behandlungsbedürftig ist, sind für die Diagnose eines behandlungsbedürftigen Rektumprolapses nicht nur konkrete Angaben zu Ausmaß und Ausdehnung erforderlich, sondern auch ein entsprechendes Beschwerdebild des Patienten. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Der Versicherte hatte jedoch nach eigenen Angaben vom 17. Juni 2008 im Anamnesebogen des Krankenhauses nur selten das Gefühl unvollständiger Darmentleerung. Angaben zu Ausmaß und Ausdehnung des angeblichen Rektumprolapses hat das Krankenhaus nicht erhoben; sie waren auch nicht aufgrund der Feststellung, die Intussuszeption habe das Spekulum – hierbei handelt es sich um ein medizinisches Untersuchungsinstrument, das zum Öffnen und Weiten/Entfalten in Körperöffnungen wie Nase, Vagina oder After eingeführt wird – komplett verschlossen, entbehrlich. Der Einwand der Klägerseite, auch der Sachverständige sei in seinem Gutachten (S. 8 und 13) von einer Intussuszeption ausgegangen, trifft nicht zu. Aus dem Gesamtzusammenhang des Gutachtens wird hinreichend deutlich, dass der Sachverständige immer nur von einer aus Sicht des Krankenhauses bestehenden Intussuszeption berichtet.

(b) Da bei einem Rektumvorfall die gesamte Rektumwand reseziert wird, bedarf es – dies beschreibt der Sachverständige nachvollziehbar – wegen der größeren Gewebemenge in der Regel eines mehrschrittigen Vorgehens, sei es durch den Einsatz mehrerer Klammernahtmagazine oder mehrerer Stapler. Ein Stapler (von engl. to staple - klammern) ist ein Klammernahtgerät zur Ausführung zeitsparender maschineller Nahtmethoden, das nach der Durchtrennung des zu entfernenden Gewebes zur Naht Stahlklammern durch das Gewebe drückt (vgl. Pschyrembel, a.a.O. Stichworte "Nähapparate" bzw. "Klammernahtgeräte"). Nach dem OP-Bericht wurde aber nur einmal ein Stapler ausgelöst. Soweit die Klägerseite demgegenüber behauptet, eine Vollwandresektion sei auch mit nur einem Klammergerät durchführbar, entkräftet dies die Darstellung des Sachverständigen nicht substantiell. Denn er hat auch bei Verwendung nur eines Staplers zumindest den Einsatz mehrerer Klammernahtmagazine für erforderlich gehalten. Im Übrigen ist der Erwiderung der Klägerseite nicht zu entnehmen, wie die unstreitig größere Gewebemenge mit nur einem Klammernahtgerät bewältigt werden soll.

(c) Die Befundung eines Rektumprolapses ohne bildhafte Darstellung ist unzureichend. Wegen des unstreitig höheren Risikoprofils einer Rektumvollwandresektion – bei einem Aufgehen der Klammernaht kann eine Stuhlinkontinenz eintreten – wäre vor deren Durchführung eine Defäkographie (radiologische Untersuchung der Stuhlentleerung) nötig gewesen, selbst wenn diese für den Versicherten mit einer Strahlenbelastung verbunden gewesen wäre. Allenfalls schwerwiegende oder in hohem Maße wahrscheinliche gesundheitliche Nachteile im Rahmen diagnostischer Maßnahmen können einen operativen Eingriff mit deutlich größerem Risiko rechtfertigen. Für solche Nachteile ist hier nichts ersichtlich. Ungeachtet dessen hätte mit der peranalen Darmsonographie – wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat – auch eine weitere diagnostische Abklärung ohne Strahlenbelastung für den Versicherten erfolgen können.

(d) Nachvollziehbar weisen der Sachverständige und der MDK-Gutachter übereinstimmend darauf hin, dass die o.g. geringe Größe des zur pathologischen Befundung gereichten Exzisats angesichts einer vermeintlich "ausgeprägten Intussuszeption" nicht verständlich ist. Dem hat die Klägerseite nicht einmal den Versuch einer Erklärung entgegen gesetzt.

(e) Obwohl aus Sicht der Klägerin die Intussuszeption des Versicherten intraoperative Konsequenzen hatte, wird der entsprechende Diagnose-Schlüssel K62.3 nicht als Nebendiagnose im Zusammenhang mit der Abrechnung erwähnt.

(f) Der vorliegende Fall gibt dem Senat daher Anlass für den Hinweis, dass vergütungsrelevante intraoperative Umstände vom Krankenhaus in der Regel so festzustellen und ggf. zu dokumentieren sind, dass sie einer Überprüfung durch die Krankenkasse als Kostenträgerin zugänglich sind. Diesem Erfordernis ist das Krankenhaus hier nicht gerecht geworden. Weil weder Angaben zu Ausmaß und Ausdehnung der Intussuszeption noch eine bildliche Darstellung des Rektumprolapses vorliegen und auch das Exzisat keine plausible Größe aufweist, könnte die Feststellung einer sofort behandlungsbedürftigen Intussuszeption nur auf die Angaben des Operateurs gestützt werden. Zwar können medizinische Feststellungen im Zusammenhang mit stationären Krankenhausbehandlungen auch auf Zeugenaussagen der behandelnden Krankenhausmitarbeiter gestützt werden (vgl. BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008 – B 1 KN 3/08 KR R – und vom 10. April 2008 – B 3 KR 14/07 R, B 3 KR 20/07 R, B 3 KR 19/05 R –; alle juris). Sind diese jedoch nicht mit anderweitigen Erkenntnissen in Einklang zu bringen oder hat das Krankenhaus – wie hier – aus implausiblen Gründen auf ergänzende diagnostische Maßnahmen verzichtet, reichen schon wegen der "Erfordernisse wirksamen Rechtsschutzes gegen Unwirtschaftlichkeit" (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 27/13 R –, juris) zeugenschaftliche Angaben allein typischerweise nicht aus.

bb) Lag ein behandlungsbedürftiger Rektumprolaps nicht vor, war die Kodierung der Prozedur 5-482.10 ausgeschlossen. Mit der einschlägigen Prozedur 5-493.5 wurde die klägerseitig abgerechnete DRG G21B nicht angesteuert.

(1) Mit der DRG G21B (in der Fassung des als Anlage 1 zur FPV 2008 vereinbarten Fallpauschalenkatalogs 2008) wurde die "Adhäsiolyse am Peritoneum, Alter ) 3 Jahre und ohne äußerst schwere oder schwere CC oder andere Eingriffe an Darm oder Enterostoma ohne äußerst schwere CC, Alter ) 15 Jahre" (CC = Komplikationen und Komorbiditäten, vgl. Einleitung zum Fallpauschalenkatalog 2008) bezeichnet. Nach der DRG-Entscheidungslogik der zertifizierten – gemäß § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV 2008 allein maßgeblichen – Programme (Grouper), die unstreitig und für das Gericht anhand im Internet zugänglicher Beispielseingaben überprüfbar (z.B. mit dem Webgrouper der DRG-Research-Group, abrufbar unter http://drg.uni-muenster.de) den Darstellungen in den Definitionshandbüchern entspricht (BSG, Urteil vom 08. November 2011 – B 1 KR 8/11 R –, juris), setzt diese DRG im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten strittige Anwendung unterschiedlicher OPS-Ziffern die Angabe des OPS-Code 5-482.10 (Version 2008) voraus, während durch den OPS-Code 5-493.5 (Version 2008) die DRG G26Z angesteuert wird (vgl. G-DRG German Diagnosis Related Groups, Version 2008, Definitionshandbuch, Band 2, S. 63, 67).

(2) Die Voraussetzungen der Prozedur 5-482.10 ("Peranale lokale Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Rektums: submuköse Exzision, transanal") waren nicht gegeben. Ohne die (zumindest am 17. Juni 2008) nicht erforderliche Behandlung des Rektumprolapses fand ausweislich des Operationsberichts eine peranale submuköse Exzision von erkranktem Rektumgewebe nicht statt.

(3) Außerdem spricht viel dafür, dass auch wegen der Verwendung eines Staplers die Kodierung 5-482.10 ausgeschlossen war. Denn bei Prozeduren, die den Einsatz eines Staplers umfassen, kommt dies in der Beschreibung typischerweise zum Ausdruck, wie die folgende Aufstellung belegt: 5-445.4 Gastroenterostomie ohne Magenresektion [Bypassverfahren], mit Staplernaht oder Transsektion (bei Adipositas), mit Gastrojejunostomie durch Roux-Y-Anastomose 5-445.5 Gastroenterostomie ohne Magenresektion [Bypassverfahren], mit Staplernaht oder Transsektion (bei Adipositas), mit Gastrojejunostomie analog Billroth II 5-482.b Vollwandexzision, mit Stapler, transanal 5-493.5 operative Behandlung von Hämorrhoiden, mit Stapler

(in der aktuellen Fassung auch:) 5-470.11 Appendektomie, Absetzung durch Klammern (Stapler) 5-471.11 simultane Appendektomie, Absetzung durch Klammern (Stapler) 5-484.2 tubuläre Resektion unter Belassen des Paraproktiums Inkl.: Anwendung eines Staplers

Weitere – in begrenztem Umfang zulässige (s.o.) – systematische Erwägungen belegen dieses Ergebnis. Schon die Tatsache, dass innerhalb der Untergruppe 5-482 ("Peranale lokale Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Rektums") nur bei der Prozedur 5-482.b der Einsatz eines Stapler Erwähnung findet, nicht aber bei 5-482.10, belegt, dass Klammernahtgeräte im Zusammenhang mit dieser Prozedur keine Rolle spielen; die peranale Ausschneidung erfolgt dann – wie der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt hat – mit einem chirurgischen Instrument (z.B. Messer). Im Übrigen wird seit der OPS-Fassung 2009 die Beschreibung der Prozedur 5-493.5 um den Hinweis ergänzt: "Die operative Behandlung eines Prolaps von Rektummukosa und/oder Anoderm im Rahmen einer Hämorrhoidenoperation nach Longo ist im Kode enthalten." Hierbei handelt es sich um eine konkretisierende Klarstellung (zu einer solchen vgl. auch BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 8/15 R –, juris), nicht aber um eine inhaltliche Änderung.

(4) Unerheblich ist, dass nach der Auffassung des Sachverständigen die tatsächlich durchgeführte, auch die Entfernung des Rektumprolapses umfassende Prozedur mehr war als ein Verfahren nach Longo, aber weniger als eine STARR-OP – die den Einsatz mehrerer Stapler oder zumindest mehrerer Magazine voraussetzt (beides ist dem OP-Bericht nicht zu entnehmen) – und daher innerhalb der Untergruppe 5-482 ("Peranale lokale Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Rektums") am ehesten dem OPS-Code 5-482.b0 ("Vollwandexzision, mit Stapler, transanal, zirkulär") entsprochen hätte. Denn auch dies würde voraussetzen, dass die operative Behandlung des Rektumprolaps erforderlich war.

cc. Es kann dahinstehen, ob ein Vergütungsanspruch der Klägerin nicht auch an einer fehlenden Einwilligung des Versicherten zur operativen Behandlung des Rektumprolapses scheitert.

(1) Zu den Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses zählt auch, dass für die betroffene Behandlung eine wirksame Einwilligung des Versicherten vorlag (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 70/12 R – juris). Versicherte und/oder deren gesetzliche Vertreter müssen der konkreten Heilbehandlung nach hinreichender, gebotener Aufklärung entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zugestimmt haben (so auch BSG, Urteil vom 04. April 2006 – B 1 KR 7/05 R –, juris; Hauck, Die Bedeutung der Patientenautonomie für Leistungen der GKV, SGb 2014, 8). Erforderlich ist eine so umfassende Information über Eigenart, Nutzen und Risiken der geplanten Behandlung, dass sie dem Selbstbestimmungsrecht des Versicherten in vollem Umfang Rechnung trägt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013, a.a.O.).

(2) Der wohl unstreitige Umstand, dass im Krankenhaus der Klägerin überdurchschnittlich häufig intraoperativ eine Intussuszeption festgestellt wird, hätte möglicherweise für dieses Anlass sein müssen, im Rahmen der Aufklärung darauf hinzuweisen, dass mit der dann aus seiner Sicht erforderlichen operativen Behandlung der Intussuszeption ein erhöhtes Risiko verbunden ist. Denn über ernsthaft in Betracht kommende intraoperative Änderungen der geplanten Behandlung muss vor der Operation aufgeklärt werden (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1991 – VI ZR 40/91 –, juris).

2. Mit ihrem Rückforderungsanspruch hat die Beklagte wirksam aufgerechnet.

a) Das SGB enthält zwar keine allgemeine Regelung der Aufrechnung. Für die Rechtsverhältnisse zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen ordnet § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der seit dem 18. Dezember 2008 geltenden Fassung (zuvor § 69 Satz 4 SGB V) jedoch die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB, somit auch der die Aufrechnung betreffenden §§ 387ff, an, soweit sie nicht – was hier nicht der Fall ist – mit dem Regelungssystem des SGB V unvereinbar sind. Voraussetzung dieses einseitigen Rechtsgeschäfts, mit dem ohne weitere sozialrechtliche Ermächtigungsnorm (BSGE 75, 283) gemäß § 389 BGB die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen zum Zeitpunkt des Eintritts der Aufrechnungslage bewirkt wird, ist gemäß § 387 BGB, dass sich zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige und fällige bzw. erfüllbare Forderungen gegenüberstehen. Dies ist hier der Fall. Zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung der Beklagten im September 2009 standen sich ihre o.g. fällige Erstattungsforderung und der o.g. aus der Behandlung des Versicherten Radenkovic resultierende erfüllbare Vergütungsanspruch der Klägerin als gleichartige Forderungen gegenüber.

b) Der Aufrechnung seitens der Beklagten steht die von ihr mit Erfüllungswirkung (§ 366 BGB) vorgenommene Zahlung nicht entgegen. Denn der Krankenkasse bleiben etwaige Einwendungen gegen Grund und Höhe der geltend gemachten Behandlungskosten trotz der Zahlung erhalten; die Rückforderung und die Möglichkeit späterer Aufrechnung gegen unbestrittene Forderungen des Krankenhauses aus anderen Behandlungsfällen werden durch die Zahlung nicht ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 20. November 2008 – B 3 KN 4/08 KR R –, juris m.w.N.).

c) Die Beklagte hat die Aufrechnung auch wirksam gegenüber der Klägerin (§ 388 BGB) erklärt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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