S 22 R 127/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Neuruppin (BRB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 R 127/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2014 verurteilt, der Klägerin weitere ergänzende Leistungen für Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 177,60 Euro zu gewähren.

2. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu 2/3 zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Fahrtkosten, die ihr bei der Durchführung einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung entstanden sind.

Die am 22.05.1962 geborene Klägerin arbeitete seit dem 25.07.2006 als Ausbilderin für behinderte Menschen mit Förderbedarf bei der B B e. V. Seit dem 24.09.2012 war sie arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 13.05.2013 eine Leistung zur stationären medizinischen Rehabilitation, welche die Klägerin vom 04.06.2013 bis zum 13.08.2013 im Reha-Zentrum B M - Klinik T durchführte. Die Rehabilitationseinrichtung entließ die Klägerin als arbeitsunfähig und befürwortete eine Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung, welche die Beklagte ebenfalls gewährte.

Die Klägerin führte die Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung ab dem 26.08.2013 durch. Die Maßnahme sah eine Arbeitstätigkeit an vier Tagen pro Woche und eine tägliche Arbeitszeit von zunächst vier Stunden vor. Am 16.09.2013 wurde die Maßnahme nach zwölf Arbeitstagen aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig beendet. Eine Belastbarkeit der Klägerin für ihren bisherigen Arbeitsplatz konnte nicht mehr hergestellt werden.

Für die Dauer der stationären medizinischen Rehabilitation und der Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung erhielt die Klägerin von der Beklagten Übergangsgeld.

Mit Schreiben vom 23.09.2013 beantragte die Klägerin die Erstattung von Fahrtkosten, die ihr im Rahmen der Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung entstanden seien. Sie begehrte eine Erstattung von 266,40 Euro (74 km Wegstrecke Hin- und Rückfahrt x 12 Tage x 0,30 Euro Fahrtkostenpauschale).

Mit Bescheid vom 14.11.2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Sie gab zur Begründung an, dass während der Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung Übergangsgeld als unterhaltssichernde Leistung gezahlt worden sei. Für die Erstattung weiterer Kosten gebe es keine gesetzliche Grundlage. Nach § 53 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - SGB IX - könnten Fahrtkosten nur im Rahmen von Leistungen zur stationären medizinischen Rehabilitation übernommen werden, nicht jedoch im Zusammenhang mit ergänzenden Leistungen wie der Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 12.12.2013 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.2014 zurückwies.

Mit der am 09.04.2014 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Dieses hat sich zunächst auf die Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 266,40 Euro bezogen. In der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2017 hat die Klägerin ihr Begehren auf einen Betrag in Höhe von 177,60 Euro beschränkt.

Die Klägerin macht geltend, dass sich der Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten aus § 53 SGB IX ergebe. Danach seien Fahrtkosten zu erstatten, soweit sie im Rahmen einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation entstehen. Die hier strittige Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung stelle eine solche Leistung zur medizinischen Rehabilitation dar. Denn sie solle helfen das Ziel der Rehabilitationsmaßnahme, die Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit, zu erreichen und zu sichern. Dass eine Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation sei, ergebe sich auch aus der Stellung des § 28 SGB IX im Gesetz. Dieser befinde sich in Kapitel 4 des SGB IX, welches mit "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" betitelt sei. Soweit § 53 SGB IX Leistungen zur medizinischen Rehabilitation voraussetze, meine der Gesetzgeber damit sämtliche Leistungen des Kapitels 4 und damit auch die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2014 zu verurteilen, ihr Fahrtkosten in Höhe von 177,60 Euro zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Bescheide und hält die dort genannte Auffassung Aufrecht. Sie führt weiter aus, dass die Erstattung von Fahrtkosten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine ergänzbare Hauptleistung voraussetze. An einer solchen fehle es vorliegend. Denn eine Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung stelle keine ergänzbare Hauptleistung dar. Sie verweise insoweit auf § 51 Abs. 5 SGB IX. Mit der Einführung dieser Norm habe der Gesetzgeber klargestellt, dass bei einer Maßnahme zur stufenweisen Widereingliederung zwar Übergangsgeld gewährt werden könne, nicht aber Leistungen hinsichtlich von Fahrtkosten (§ 53 SGB IX) und von Kosten für eine Haushaltshilfe/Kinderbetreuungskosten (§ 54 SGB IX). Eine Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung könne auch nicht als Leistung zur medizinischen Rehabilitation angesehen werden. Denn bei einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation werde in einer hierfür vorgehaltenen Rehabilitationseinrichtung ein ganzheitlicher, interdisziplinärer und erwerbszentrierter Ansatz verfolgt. Die Rehabilitationsleistung werde entweder ganztägig ambulant oder stationär auf der Basis von Rehabilitationskonzepten durchgeführt und ende nach Erreichen des Rehabilitationsziels mit der Entlassung aus der Rehabilitationseinrichtung. Eine Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung ziele hingegen darauf ab, durch eine frühzeitige Rückkehr in das Arbeitsleben die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit zu fördern und eine Arbeitsentwöhnung zu verhindern. Der Lebensunterhalt werde in dieser Zeit durch Sozialleistungen gesichert, sofern der Arbeitgeber kein Entgelt zahle. Bei einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung handele es sich daher um eine Zeit des Sozialleistungsbezugs und nicht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig und - soweit noch über sie zu entscheiden war - begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Streitgegenstand der Klage ist der Bescheid vom 14.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.03.2014, mit welchem die Beklagte die Erstattung der geltend gemachten Fahrtkosten abgelehnt hat. Die Klägerin hat ihr Begehren im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 auf einen Betrag in Höhe von 177,60 Euro beschränkt.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Fahrtkosten sowohl dem Grunde nach (dazu 1.) als auch der Höhe nach (dazu 2.) zu.

1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Fahrtkosten dem Grunde nach zu.

Rechtsgrundlage für die Erstattung von Fahrtkosten sind § 44 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX i. V. m. § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Danach werden die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben der in § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGB IX genannten Rehabilitationsträger durch Reisekosten ergänzt (§ 44 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX). Als Reisekosten werden (unter anderem) die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlichen Fahrtkosten übernommen (§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Die geltend gemachten Fahrtkosten der Klägerin sind vorliegend zu erstatten, weil sie erforderlich gewesen sind und weil es sich - was hier allein streitig ist - bei der streitgegenständlichem Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im obigen Sinne gehandelt hat.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Anders als die Beklagte ist die Kammer der Auffassung, dass der Gesetzgeber die Leistungen zur stufenweisen Wiedereingliederung im Sinne des § 28 SGB IX mit den ergänzenden Leistungen der §§ 44 ff. SGB IX und damit auch mit der Fahrtkostenerstattung im Sinne des § 53 SGB IX flankieren will. Dies ergibt sich sowohl aus der Gesetzessystematik des SGB IX und des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch - SGB VI - als auch aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen.

Der Gesetzgeber hat in den §§ 9 ff. SGB VI die Leistungen zur Teilhabe geregelt. Die Hauptteilhabeleistungen sind hierbei die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 15 SGB VI) und die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16). Nach § 15 SGB VI erbringen die Träger der Rentenversicherung als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation die Leistungen nach den §§ 26 bis 31 SGB IX und damit sowohl die eigentlichen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB IX als auch die Leistungen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 28 SGB IX. Nach § 28 SGB VI werden die Leistungen zur Teilhabe außer durch das Übergangsgeld (welches in den §§ 20, 21 SGB VI i. V. m. §§ 45 bis 52 SGB IX gesondert geregelt ist) durch die Leistungen nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 und Abs. 2 SGB IX und nach den §§ 53 und 54 SGB IX ergänzt. Hieraus ergibt sich für die Kammer, dass der Gesetzgeber sämtliche der genannten Leistungen zur Teilhabe und damit auch die in § 15 SGB VI i. V. m. § 28 SGB IX genannte Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung für ergänzbar durch Fahrtkosten hält. Dass er zwischen den Leistungen nach § 26 SGB IX und nach § 28 SGB IX eine Unterscheidung vornehmen will, ergibt sich hingegen aus den genannten Vorschriften nicht.

Gleiches gilt auch hinsichtlich der Regelungen im SGB IX. Der Gesetzgeber hat in Kapitel 6 des SGB IX (§§ 44 ff. SGB IX) die "Ergänzenden Leistungen" geregelt, welche die Hauptrehabilitationsleistungen flankieren und zusätzlich zu diesen zu gewähren sind. Die Hauptrehabilitationsleistungen selbst sind in dem Kapitel 4 "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" und in dem Kapitel 5 "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" geregelt. Damit ergibt sich, dass unter die "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB IX sämtliche in Kapitel 4 geregelten Leistungen fallen und damit auch die Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 28 SGB IX (so wohl auch Reyels, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 44 SGB IX, Rz. 13).

Die Kammer ist damit - anders als die Beklagte - der Auffassung, dass es sich bei der Leistung zur stufenweisen Wiedergliederung im Sinne des § 28 SGB IX um eine Hauptrehabilitationsleistung handelt, die einer Ergänzung durch Leistungen gemäß den §§ 44 ff. SGB IX zugänglich ist. Sie folgt hierbei der Auffassung des BSG, dass es sich bei der Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung nicht selbst um eine "ergänzende" Leistung zur eigentlichen (stationären) medizinischen Rehabilitationsleistung handelt, sondern um eine eigenständige Hauptleistung der medizinischen Rehabilitation.

Das BSG (vgl. Urteil v. 29.01.2008 - B 5a/5 R 26/07 R) hat hierzu ausgeführt, dass die Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung zum Katalog der medizinischen Rehabilitationsleistungen gehöre, die in den §§ 26 ff. SGB IX geregelt sind. Sie diene - ebenso wie eine stationäre Rehabilitationsleistung - dazu, die krankheitsbedingte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit zu überwinden, damit der Versicherte an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren kann. Sie stelle daher die "zweite Phase der Rehabilitation" dar. Die stufenweise Wiedereingliederung im unmittelbaren Anschluss an eine stationäre Rehabilitation stehe mit dieser wegen der gemeinsamen Zielsetzung in einem so engen Zusammenhang, dass letztlich beide als einheitliche Rehabilitations-Maßnahme anzusehen sind, die mit der stationären Aufnahme in der Rehabilitationseinrichtung beginnt und im günstigsten Fall mit der vollen Rückkehr des Versicherten an seinen Arbeitsplatz endet.

Das BSG führt weiter aus:

"Entgegen der Auffassung der Beklagten schränkt auch § 20 SGB VI die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für eine stufenweise Wiedereingliederung nicht ein. Nach dessen Abs 1 haben diejenigen Versicherten Anspruch auf Übergangsgeld, die von einem Träger der Rentenversicherung ua Leistungen zur medizinischen Reha erhalten. Die Beklagte möchte dieser Vorschrift entnehmen, dass jedenfalls bis zur Einfügung des § 51 Abs 5 SGB IX durch das Schwerbehinderten-Ausbildungsförderungsgesetz vom 23.4.2004 (BGBl I 606) Übergangsgeld nur dann habe gezahlt werden können, wenn neben der stufenweisen Wiedereingliederung eine medizinische Reha-Leistung als "Hauptleistung" gewährt worden sei, etwa in Form einer ambulanten medizinischen Reha oder einer Anschlussheilbehandlung (so auch Redwitz in Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, 1. Aufl 2006, § 51 RdNr 34; Gerke in Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 2. Aufl 2006, § 28 RdNr 9; aA Mrozynski, SGB IX Teil 1, 2002, § 28 RdNr 9). Mit dieser Argumentation setzt sich die Beklagte jedoch in Widerspruch zum Anliegen des SGB IX, die stufenweise Wiedereingliederung nunmehr ausdrücklich als eine auch von der Rentenversicherung zu erbringende Leistung der medizinischen Reha einzuführen; Anhaltspunkte dafür, dass der Anspruch auf Übergangsgeld während der stufenweisen Wiedereingliederung die gleichzeitige Gewährung einer (Haupt-)Leistung voraussetzt, lässt sich dem SGB IX an keiner Stelle entnehmen."

Der Beklagten ist daher nicht zuzustimmen, wenn sie die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation generell auf ganztägig ambulant oder stationär durchgeführte Rehabilitationen beschränken will und deren Ende mit der Entlassung aus der (stationären) Rehabilitationseinrichtung sieht. Dies wird zwar im Regelfall so sein, insbesondere wenn die krankheitsbedingte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit überwunden wird und der Versicherte an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren kann. Jedoch endet die Rehabilitation mit der Entlassung aus der Rehabilitationseinrichtung dann nicht, wenn der Versicherte für seine letzte Tätigkeit arbeitsunfähig oder darüber hinaus sogar erwerbsgemindert bleibt. Wird er aus der stationären Rehabilitation als arbeitsunfähig entlassen, hat die stationäre medizinische Rehabilitation bis zur Entlassung allenfalls einen Teilerfolg erzielt. In einem solchen Fall kann das Endziel der Rehabilitation - die uneingeschränkte Wiederaufnahme der früheren Tätigkeit durch den Versicherten - ggf. erst durch eine (erfolgreiche) stufenweise Wiedereingliederung erreicht werden (vgl. BSG, Urteil v. 29.01.2008, a. a. O.). Entsprechend ist der Rehabilitationsprozess durch die stufenweise Wiedereingliederung fortzusetzen, um das Ziel der Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten bzw. dessen Rückkehr in das Erwerbsleben möglichst auf Dauer zu erreichen.

Die Kammer folgt daher nicht der zitierten Rechtsprechung des Sozialgerichts Kassel (Urteil v. 20.05.2014 - S 9 R 19/13; kritisch auch Nellissen, jurisPR-SozR 8/2015 Anm. 3). Insbesondere ist sie nicht der Auffassung, dass eine Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung nur durch solche Leistungen ergänzt werden kann, die explizit auf § 28 SGB IX Bezug nimmt. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem bereits erwähnten § 51 Abs. 5 SGB IX ("Ist im unmittelbaren Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation eine stufenweise Wiedereingliederung (§ 28) erforderlich, wird das Übergangsgeld bis zu deren Ende weitergezahlt."). Die Entstehungsgeschichte zu § 51 Abs. 5 SGB IX zeigt vielmehr, dass der Gesetzgeber auch vor dessen Einführung bereits vorgesehen hatte, die Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung durch Leistungen wie das Übergangsgeld zu ergänzen. Dies hat er in der Gesetzesbegründung klar zum Ausdruck gebracht (vgl. BT-Drucksache 15/1783, S. 13). Jedoch hat er es aufgrund der danach ergangenen Rechtsprechung als notwendig angesehen klarzustellen, dass das Übergangsgeld im Falle einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung, die zeitnah an eine (stationäre) medizinische Rehabilitation anschließt, durchgehend geleistet werden soll (und zwar durch den primär zuständigen Rehabilitationsträger). Es soll so zwischen der Leistung zur (stationären) medizinischen Rehabilitation und der Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung keine Lücke entstehen, in der kein Übergangsgeld gezahlt wird. § 51 Abs. 5 SGB IX soll also die nahtlose Leistungsgewährung sicherstellen (im Sinne eines Zwischenübergangsgeldes). Dies setzt aber gerade voraus, dass auch im Falle der Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung (ergänzende) Leistungen wie das Übergangsgeld gewährt werden können.

Vorliegend hat die Klägerin eine Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung im Sinne des § 28 SGB IX durchgeführt. Diese hat sich an eine Leistung zur (stationären) medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 26 SGB IX angeschlossen, weil die Klägerin als arbeitsunfähig entlassen worden ist. Die Beklagte hat sich für beide Leistungen als zuständiger Leistungsträger angesehen und für die Zeit seit Beginn der stationären Behandlung durchgehend Übergangsgeld gezahlt. Gemäß den dargelegten Maßstäben hat sie für die Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung auch Fahrtkosten im Sinne des § 53 SGB IX zu erstatten.

2. Der Klägerin sind Fahrtkosten in der im Tenor genannten Höhe zu erstatten.

Gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 SGB IX werden Fahrkosten in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Klasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs. 1 Bundesreisekostengesetz - BRKG -. Diese beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges 0,20 Euro je Kilometer zurückgelegter Strecke, höchstens jedoch 130,00 Euro (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BRKG). Abrechnungsfähig ist der Aufwand sowohl für die Hinreise als auch für die Rückreise.

Die Klägerin hat an zwölf Tagen an der Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung teilgenommen. Die Wegstrecke für Hin- und Rückfahrt zur Arbeitsstätte beträgt nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten 74 km. Dies ergibt eine Gesamtwegstrecke von 888 km (74 km x 12 Tage).

Der Klägerin sind daher 888 km x 0,20 Euro = 177,60 Euro zu erstatten. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG - und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens. Die Kammer hat hierbei berücksichtigt, dass die Klägerin ursprünglich einen Betrag in Höhe von 266,40 Euro begehrt hat und damit mit einem Teil ihres Begehrens nicht erfolgreich gewesen ist.

Hinsichtlich des Unterliegens der Beklagten ist gemäß § 144 SGG über die Zulassung der Berufung zu entscheiden, da der Wert der Beschwer unter 750,00 Euro liegt und auch nicht um Leistungen für mehr als ein Jahr gestritten wird. Die Berufung ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtsfrage, ob ein Rentenversicherungsträger die bei einer Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung im Sinne des § 28 SGB IX entstandenen Fahrtkosten nach § 53 SGB IX zu erstatten hat, ist klärungsbedürftig, da - soweit für die Kammer ersichtlich - eine höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu noch nicht existiert und die bisherigen Urteile uneinheitlich sind (siehe oben). Die Rechtsfrage hat auch Breitenwirkung, weil eine grundsätzliche Rechtsauffassung der Rentenversicherungsträger in Streit steht, welche eine Vielzahl von Fällen betreffen kann.

Rechtsmittelbelehrung: ( ...)

J.
Richter am Sozialgericht
Rechtskraft
Aus
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