L 1 KR 623/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 34 KR 1016/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 623/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.09.2015 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Gewährung von Straffungsoperationen im Bereich der Arme und Oberschenkel in Anspruch.

Die am 00.00.1984 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Es besteht ein Zustand nach mehreren Liposuktionen bei Vorliegen eines Lipödems sowie einer Adipositas dolorosa. Die Klägerin leidet ferner unter einer hereditären motorisch-sensiblen Neuropathie. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 mit dem Merkzeichen G anerkannt.

Unter dem 22.04.2014, eingegangen bei der Beklagten am 24.04.2014, beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine Straffung der Arme und Oberschenkel. Hierzu führte sie aus: Im September finde voraussichtlich ihre letzte Liposuktion an den Beinen statt. Leider habe sie bis jetzt feststellen müssen, dass nach der Anzahl des abgesonderten Fettes die Haut sehr stark nachgelassen habe und sie stark beeinträchtige. Eine Straffung zusammen mit der letzten Liposuktion im September wäre sinnvoll, da dies zusammen durchgeführt werden könne und nicht allzu belastend für den Körper sei. Zudem werde im nächsten Jahr die bereits bewilligte Arm-Liposuktion durchgeführt. Was diese Behandlung betreffe, sei ihr bereits jetzt eindeutig mitgeteilt worden, dass eine Straffung nach dieser Liposuktion unumgänglich sei. Sie bitte daher um Kostenübernahme für eine Straffung der Arme und Beine in Folge nach bekannten Liposuktionen. Mit Schreiben vom 27.05.2014 legte die Klägerin einen von der Beklagten erbetenen Bericht des Chefarztes der Klinik für Plastische Chirurgie des E-Krankenhauses X Dr. S vom 19.05.2014 vor. Dr. S befürwortete dort die Durchführung einer Oberschenkelstraffung.

Der von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte unter dem 09.07.2014 in einer nach Aktenlage verfassten Stellungnahme u.a. aus: Es bestehe keine medizinische Indikation zur Oberschenkelstraffung. Der diskrete Hautüberschuss oberhalb des Knies mit diskreter Faltenbildung sei nicht so stark ausgeprägt, dass es dadurch zu alltagsrelevanten Behinderungen komme; ein entstellendes Erscheinungsbild resultiere hieraus nicht. Ebenso wenig könne die Kostenübernahme für die beantragte Armstraffung empfohlen werden. Bisher sei an den Armen noch keine Liposuktion erfolgt. Wie die Oberarme nach Abschluss der Liposuktion aussähen, bleibe zum Zeitpunkt der Begutachtung rein spekulativ. Daraufhin lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für eine Oberschenkelstraffung ab (Bescheid vom 16.07.2014).

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 22.07.2014 Widerspruch ein. Ein Antrag auf Leistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gelte als genehmigt, wenn innerhalb von fünf Wochen keine Entscheidung vorliege. Diese Frist habe die Beklagte verstreichen lassen, so dass der Antrag als genehmigt gelte. Den Widerspruch wies die Beklagte als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.11.2014).

Mit ihrer am 08.12.2014 vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen: Soweit die Beklagte die Ansicht vertrete, der Genehmigungsfiktion unterlägen nur solche Anträge, auf deren Genehmigung ein Anspruch bestehe, könne dem nicht gefolgt werden. Es sei nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine Regelung eingeführt habe, die im Vergleich zur bisherigen Rechtslage im Ergebnis keine Änderung darstelle. Vielmehr habe der Gesetzgeber die rechtliche Stellung der Versicherten verbessern wollen. Sowohl an den Armen wie an den Oberschenkeln seien Liposuktionen durchgeführt worden. Diese Behandlungen seien jedoch noch nicht abgeschlossen. An einen schriftlichen Kontakt mit der Beklagten in der Zeit vom 24.04.2014 bis zum 27.05.2014 könne sie sich nicht erinnern. Es könne jedoch einen telefonischen Kontakt gegeben haben, im Rahmen dessen sich die Klägerin nach der Möglichkeit erkundigt habe, die beabsichtigte (weitere) Liposuktion der Oberschenkel in einem anderen Krankenhaus durchführen zu lassen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin stationäre Straffungsoperationen der Arme und Oberschenkel als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen bezogen und erwidert: Die begehrten Straffungsoperationen seien medizinisch nicht notwendig. Anspruch auf Kostenerstattung bestehe auch nach Ablauf der Fünf-Wochen-Frist nur, wenn sich der Versicherte nach Ablauf dieser Frist die Leistung selbst beschaffe. Dies sei bislang nicht geschehen. § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V sei im Kontext mit § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V zu lesen und diene der Vorbereitung des darin eingeräumten Kostenerstattungsanspruchs. Es könne nicht angenommen werden, dass § 13 Abs. 3a Satz 6 und Satz 7 SGB V einen unterschiedlichen Regelungsgehalt hätten und somit § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V einen weitergehenderen Sachleistungsanspruch als den in § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V normierten Erstattungsanspruch einräume. Die Kostenersterstattung müsse sich daher auf eine "erforderliche" Leistung beziehen.

Durch Urteil vom 08.09.2015 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt und im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion seien im Hinblick auf die Überschreitung der Fünf-Wochen-Frist, die die Beklagte zwischen Antragseingang und Entscheidung nach Einholung des Gutachtens einzuhalten gehabt hätte, erfüllt. Die Beklagte habe den am 24.04.2014 bei ihr eingegangenen Antrag auf Oberschenkelstraffung mit Bescheid vom 16.07.2014, und damit weit nach Ablauf der Fünf-Wochen-Frist am 29.05.2014, beschieden. Dabei habe sie die Klägerin im Vorfeld nicht schriftlich unter Angabe von Gründen darüber informiert, dass sie die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht einhalten könne. Soweit sich aus der Kontakthistorie der Beklagten entnehmen lasse, dass im Rahmen eines telefonischen Kontaktes zwischen der Klägerin und der Beklagten am 29.04.2014 die Notwendigkeit des Einreichens weiterer Unterlagen zum Zweck der Prüfung durch den MDK erörtert worden sei, erfülle dies die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V nicht. Die Regelung erfordere eine schriftliche Information der Versicherten. Diese Voraussetzung werde durch den vermerkten telefonischen Kontakt nicht erfüllt. Darüber hinaus müsse sich die Benachrichtigung unter Darlegung von Gründen auf das Unvermögen beziehen, die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V einzuhalten. Ein solcher Inhalt des für den 29.04.2014 dokumentierten Kontakts zwischen den Beteiligten sei den vorgelegten Auszügen aus der Kontakthistorie nicht zu entnehmen. Den gleichermaßen am 24.04.2014 eingegangenen Antrag auf Armstraffung habe die Beklagte bis zum heutigen Tag nicht beschieden. Nach dem klaren Wortlaut des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V folge hieraus die Genehmigung der von der Klägerin beantragten Leistungen (stationäre Straffungsoperationen der Oberschenkel und der Arme). Die Rechtsauffassung der Beklagten, dass § 13 Abs. 3a SGB V den Anspruch auf eine Kostenerstattung beschränke, teile die Kammer nicht. Durch die Fiktion der Genehmigung sei die Leistungsberechtigung der Klägerin wirksam verfügt und die Beklagte mit allen Einwendungen - wie hier der Frage, ob es sich bei den begehrten stationären Straffungsoperationen der Oberschenkel und der Arme um im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderliche Leistungen handele - ausgeschlossen. Nur auf diese Weise könne der Wunsch des Gesetzgebers, generalpräventiv die Zügigkeit des Verwaltungsverfahrens zu verbessern, umgesetzt werden. Soweit in der Kostenerstattungsregel des § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V von der "erforderlichen" Leistung die Rede sei, führe dies zu keiner abweichenden Beurteilung. Trotz dieser Formulierung werde ein uneingeschränkter Sachleistungsanspruch festgelegt, dessen Voraussetzungen bereits erfüllt seien, wenn die Krankenkasse die Fristvorschriften nicht beachte. Auf materielle Inhalte werde gerade nicht abgestellt. Die Erforderlichkeit der Leistung folge schon aus der Rechtswirkung der Genehmigungsfiktion. Das Gesetz entgegen dem klaren Wortlaut im Sinne des - letztlich nicht umgesetzten - Gesetzesentwurfs auszulegen würde den Willen des Gesetzgebers missachten. Da es sich bei den beantragten stationären Krankenhausleistungen um solche innerhalb des Systems des SGB V handele, könne offen bleiben, ob die Fiktionswirkung auch bei klar vom Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht erfassten Leistungen (wie z.B. Gegenständen des täglichen Lebens oder Genussmitteln) eingreife.

Gegen das ihr am 17.09.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.10.2015 Berufung eingelegt. Sie hält an ihrer erstinstanzlich vertretenen Auffassung fest und trägt vor: Das SG habe in dem angefochtenen Urteil den Bestimmtheitsgrundsatz nicht hinreichend gewürdigt. Mit dem Leistungsantrag habe die Klägerin bekanntlich die Straffung von Armen und Beinen nach Liposuktion beantragt. Weder aus dem Antrag noch aus der Verwaltungsakte ergebe sich, dass sie die Kostenübernahme für eine stationäre Behandlung beantragt habe. Im Hinblick auf die Straffung der Arme sei ferner zu berücksichtigen, dass eine solche Verpflichtung nicht aus einem fingierten Verwaltungsakt resultieren könne, weil die vorausgehende Liposuktion überhaupt noch nicht erfolgt sei. Abgesehen davon könne die medizinische Notwendigkeit einer Straffungsoperation und die erforderliche Art der Behandlung erst nach erfolgter Liposuktion festgestellt werden.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.09.2015 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Genehmigungsfiktion.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen (Schreiben vom 19.01.2017).

Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte sowie der beigezogenen Verfahrensakte SG Köln - S 29 KR 675/11 ER - LSG NRW L 5 KR 545/11 B ER.

II.

Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zurückweisen, weil er die Berufung für unbegründet und angesichts der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R) eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden (Schreiben vom 19.01.2017).

Die Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung stationärer Straffungsoperationen der Arme und Oberschenkel als Sachleistung der GKV aufgrund eingetretener Genehmigungsfiktion. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R) weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin:

1. Statthafte Klageart ist in den Fällen, in denen sich Versicherte auf das Eintreten der Genehmigungsfiktion berufen und die Beklagte den Leistungsantrag abgelehnt hat, die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG. Zwar wird vertreten, dass angesichts des Umstandes, dass in den Fällen des § 13 Abs. 3a Satz 6 und 7 SGB V regelmäßig über den Eintritt der Fiktion gestritten wird, die Feststellungsklage im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft sei (vgl. hierzu Padé, jurisPR-SozR 23/2016 Anm. 1 m.w.N.). Für die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage spricht jedoch, dass diese einen unmittelbaren Leistungsanspruch und - daraus resultierend - einen vollstreckbaren Titel schafft (Senat, Urteil v. 06.12.2016 - L 1 KR 680/15, juris Rn. 25). Abgesehen davon ist der Anspruch in den Fällen, in denen die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (z.B. mangels Aufnahme in den EBM), auf Kostenfreistellung gerichtet (BSG, Urteil v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 Rn. 25). Eine solche kann jedoch mit der Leistungsklage bzw. der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage erreicht werden. Soweit die Beklagte den Antrag auf Straffung der Arme noch nicht beschieden hat, ist, wie das SG zutreffend dargelegt hat, statthafte Klageart die (allgemeine) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG.

2. Nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs. 3a Satz 3 SGB V). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (§ 13 Abs. 3a Satz 4 SGB V). Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen (§ 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V).

a) § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ist sowohl nach seinem zeitlichen als auch nach seinem sachlichen Anwendungsbereich anwendbar (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R Rn. 9 ff.). Die Klägerin hat ihren Leistungsantrag nach Inkrafttreten der Regelung am 13.02.2013 gestellt. Bei den geltend gemachten Straffungsoperationen handelt es sich nicht um - nicht fiktionsfähige - Leistungen der medizinischen Rehabilitation i.S.d. § 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V.

b) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung tritt die Genehmigungsfiktion nicht lediglich bei Kostenerstattungsansprüchen, sondern auch bei Sachleistungsansprüchen ein. Das BSG (Urteil v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R Rn. 25) hat ausdrücklich klargestellt, dass die Genehmigungsfiktion "zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch" begründet, "dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz" entspricht. Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren. Abgesehen davon geht bereits der Wortlaut des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V davon aus, dass die Leistung nach Fristablauf als genehmigt gilt.

c) Die Fiktionswirkung beschränkt sich nicht auf Leistungen, die bereits Gegenstand des Leistungskataloges der GKV sind. Nach der Rechtsprechung des BSG führt die in § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V geregelte Begrenzung auf "erforderliche" Leistungen zu einer Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Die Begrenzung führt mithin zu einer Rechtsmissbrauchskontrolle, nicht jedoch zu einer Beschränkung auf Leistungen, die bereits jetzt ohne weiteres als Sachleistung zulasten der GKV gewährt werden müssen (vgl. BSG, Urteil v. 08.03.2016 - B1 KR 25/15 R Rn. 26; a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 13.09.2016 - L 4 KR 320/16, juris Rn. 52).

Bei Straffungsoperationen handelt es sich um Behandlungen, die (ausschließlich) von Ärzten erbracht werden (vgl. z.B. § 15 Abs. 1 SGB V) und nach Maßgabe weiterer Voraussetzungen grundsätzlich Leistungen der GKV darstellen können. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die beantragten Operationen aus ihrer Sicht für nicht erforderlich halten durfte und sich ihr Begehren damit als missbräuchlich darstellt, liegen im Übrigen nicht vor.

d) Die Beklagte hat den Antrag nicht binnen fünf Wochen nach Eingang des Antrages am 24.04.2014 beschieden, so dass die Genehmigungsfiktion eingetreten ist.

aa) Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte der Klägerin schriftlich einen "hinreichenden Grund" für die Überschreitung der Fünf-Wochen-Frist (§ 13 Abs. 3a Satz 5 und 6 SGB V) mitgeteilt hat. Fest steht lediglich, dass die Klägerin der Beklagten die Bescheinigung des Dr. S vom 19.05.2014 "auf Wunsch" der Beklagten übermittelt hat (§ 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V).

bb) Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V erst mit dem Eingang der von der Klägerin übersandten ärztlichen Bescheinigung am 27.05.2014 zu laufen begann, wäre die Fünf-Wochen-Frist im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides am 16.07.2014 abgelaufen. Abgesehen davon ist Folgendes zu berücksichtigen: Der Antrag war bereits bei Eingang am 24.04.2014 vollständig und die Beklagte somit gemäß § 20 SGB X gehalten, von sich aus den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, ohne der Klägerin aufzugeben, weitere Unterlagen beizubringen. Zur Amtsermittlung im Verwaltungsverfahren gehört auch - wie sich aus § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 und 3 SGB X ergibt - die Einholung von Befund- und Behandlungsberichten der behandelnden Ärzte (vgl. hierzu SG Detmold, Urteil v. 18.06.2015 - S 3 KR 493/14, juris Rn. 24). Es lässt sich mithin in Konstellationen der vorliegenden Art für den Beginn der in § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V geregelten Fristen nicht darauf abstellen, in welchem Zeitpunkt die von den Versicherten geforderte letzte Mitwirkungshandlung abgeschlossen ist, sofern ein hinreichend bestimmter, fiktionsfähiger Antrag gestellt wurde, der die Krankenkassen in die Lage versetzt, diesen zu bescheiden. Abgesehen davon findet sich in § 13 Abs. 3a SGB V keine § 42a Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vergleichbare Regelung, wonach die Frist des § 42a Abs. 1 VwVfG erst mit dem Eingang der vollständigen Unterlagen zu laufen beginnt (vgl. auch Senat, Urteil v. 06.12.2016 - L 1 KR 680/15, juris Rn. 33).

cc) Der von der Klägerin gestellte Antrag war auch hinreichend bestimmt. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Klägerin nicht ausdrücklich die Gewährung stationärer Straffungsoperationen beantragt habe.

Damit eine beantragte Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags (vgl. auch den in § 42a VwVfG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsatz). Angesichts des Umstandes, dass der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen. Die Fiktion kann somit nur dann eintreten, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (BSG, Urteil v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 Rn. 23). Gleichwohl dürfen an die Bestimmtheit keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Da der fingierte Verwaltungsakt einem in ordnungsgemäßen Verfahren erlassenen - ausdrücklich erteilten - Verwaltungsakt gleichgestellt ist, reicht es aus, wenn sich sein Inhalt aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Akten im Wege der Auslegung ermitteln lässt (zu § 42a VwVfG vgl. u.a. Dürig in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 42a Rn. 9; U. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 42a Rn. 35 jeweils m.w.N.).

(1) Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen ist die fingierte Bewilligung - stationäre Straffung der Oberschenkel und Arme - hinreichend bestimmt. Der Beklagten war, worauf die Klägerin zu Recht und von der Beklagten unwidersprochen hingewiesen hat, aus vorangegangenen Verfahren selber bekannt, dass bei der Klägerin aufgrund der weiterhin bei ihr vorhandenen Erkrankungen Operationen ausschließlich unter stationären Bedingungen durchgeführt werden können. Darauf deutet bereits der unter dem 30.09.2011 erstattete und in dem Beschwerdeverfahren LSG NRW L 5 KR 545/11 B ER vorgelegte Bericht der Allgemeinmedizinerin S1 hin. Frau S1 hatte dort u.a. mitgeteilt, dass nach Rücksprache mit dem behandelnden Neurologen eine ambulante Durchführung der (seinerzeit noch streitigen) Liposuktionen nicht mehr vertretbar sei. Zugegebenermaßen bezieht sich diese Aussage lediglich auf die aktuell nicht mehr streitigen Liposuktionen. Allerdings hat die Klägerin in ihrem Antrag deutlich gemacht, dass Straffungsoperationen zusammen mit den (nur stationär durchführbaren) Liposuktionen durchgeführt werden sollen.

(2) Hinsichtlich der Straffung der Arme kann sich die Beklagte letztlich auch nicht darauf berufen, dass der Zeitpunkt des Leistungsfalls völlig ungewiss und deshalb Unbestimmtheit gegeben sei. Denn die Klägerin hat in dem Leistungsantrag deutlich gemacht, dass die vorausgehende Liposuktion der Arme im Jahr 2015 ("im nächsten Jahr") stattfinden solle.

dd) Die Beklagte hat die fingierte Leistungsbewilligung nicht zurückgenommen. Ungeachtet der Frage, ob eine fingierte Genehmigung aufgrund des Umstandes, dass die genehmigte Leistung nicht Bestandteil des Leistungskataloges der GKV ist, nach § 45 SGB X zurückgenommen werden kann (vgl. demgegenüber § 42a Abs. 1 Satz 2 VwVfG, der u.a. die Regelungen über die Bestandskraft von Verwaltungsakten ausdrücklich für entsprechend anwendbar erklärt), kann in einem verspäteten Ablehnungsbescheid bereits nach seinem objektiven Erklärungswert keine Rücknahme der fingierten Genehmigung gesehen werden (zu § 42a VwVfG vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 42a Rn. 14 a.E.; U. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 42a Rn. 47, 60; Dürig in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 42a Rn. 10). Abgesehen davon sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X mangels ausdrücklicher Rücknahmeentscheidung und fehlender Ermessensausübung ersichtlich nicht erfüllt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

5. Anlass, die Revision zuzulassen, hat vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R) nicht bestanden (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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