L 2 AS 1921/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 193/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 1921/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 166/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB vom BSG als unzulässig verworfen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 10.08.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 00.00.1966 geborene Klägerin wendet sich gegen die endgültige Festsetzung und Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit von Januar bis März 2011.

Bei dem Beklagten stand die Klägerin im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II. Für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.03.2011 wurde mit Bescheid vom 09.09.2010 zunächst der Klägerin und ihrem am 00.00.1990 geborenen Sohn K Arbeitslosengeld II (Alg II) bewilligt, und zwar für die Klägerin in Höhe von 575,37 EUR (Regelleistung: 359,00 EUR, Kosten der Unterkunft und Heizung: 216,37 EUR) und für ihren Sohn in Höhe von 14,38 EUR. Wegen der Erzielung von Einkommen in wechselnder Höhe durch K erfolgte die Bewilligung vorläufig, § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Neufassung der Freibetragsregelungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige (Freibetragsneuregelungsgesetz) vom 14.08.2005, BGBl. I 2407, (a.F.) i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Der Bescheid enthielt folgende Hinweise: "Gründe für die vorläufige Bewilligung: Wechselndes Einkommen von K. Gehaltsmitteilungen sind unaufgefordert nach Erhalt vorzulegen. Sie erhalten erneut einen Bescheid, sobald über Ihren Antrag endgültig entschieden werden kann und Ihr Anspruch von dem hier bewilligten abweicht. Die bis dahin gezahlten Leistungen werden dabei berücksichtigt. Ich weise Sie darauf hin, dass Sie gegebenenfalls zuviel gezahlte Leistungen erstatten müssen. Sofern sich keine Änderungen ergeben, erhalten Sie nur dann erneut einen Bescheid, wenn Sie dies beantragen, § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 2 SGB III."

Wegen des Zuzugs des weiteren, am 00.00.1988 geborenen Sohn D der Klägerin am 15.11.2010 und der Berücksichtigung des geänderten Einkommens von K erging unter dem 01.12.2010 ein Bescheid, mit dem der Bescheid vom 09.09.2010 entsprechend geändert wurde. Der Leistungsanspruch der Klägerin lag damit für die Zeit vom 01.11.2010 bis zum 18.11.2010 bei 311,02 EUR, vom 19.11. bis zum 30.11.2010 bei 234,83 EUR und ab dem 01.12.2010 bei 472,18 EUR. Die Leistungsbewilligung erfolgte erneut lediglich vorläufig. Auch dieser Bescheid enthielt die oben zitierten Hinweise zu einer endgültigen Bewilligung und möglichen Erstattungspflicht. Mit Schreiben vom 25.11.2010 forderte der Beklagte Nachweise über das im September und Oktober 2010 von K erzielte Einkommen bei der Klägerin an und wies darauf hin, dass Verdienstbescheinigungen regelmäßig nach Erhalt vorgelegt werden müssten.

Zum 01.01.2011 nahm die Klägerin eine Vollzeit-Tätigkeit als Altenpflegehelferin in Münster auf. In den Verwaltungsakten des Beklagten findet sich ein Vermerk über ein Telefonat mit der Klägerin, dass diese am 05.01.2011die Arbeitsaufnahme mitteilte. In der Folgezeit erfolgte auf diese Mitteilung keine weitere Reaktion des Beklagten; die Leistungen wurden in unveränderter Höhe weitergezahlt. Mit Änderungsbescheid vom 26.03.2011 setzte der Beklagte die rückwirkend zum 01.01.2011 erfolgte Erhöhung der Regelleistungen um. Auf die Klägerin entfiel nunmehr ein vorläufiger Leistungsanspruch in Höhe von 477,30 EUR monatlich. Als Einkommen wurden bei K ein Nettoverdienst in Höhe von 550,00 EUR monatlich und Kindergeld von 184,00 EUR monatlich berücksichtigt.

K erzielte Einkommen tatsächlich in folgender Höhe: Dezember 2010: 537,16 EUR brutto (426,37 netto), Januar 2011: 369,60 EUR brutto (294,85 netto) und Februar 2011: 398,17 brutto (316,05 netto). Das Gehalt wurde jeweils am 15. des Folgemonats überwiesen. Kindergeld für K wurde bis einschließlich Januar 2011 gezahlt. Die Familienkasse B hob die Kindergeldbewilligung mit Bescheid vom 09.02.2011 ab Februar 2011 auf.

Mit Ablauf des Bewilligungsabschnitts zum 31.03.2011 schied die Klägerin mit ihren Söhnen zunächst aus dem Leistungsbezug aus. Sie beantragte erneut Leistungen nach dem SGB II am 19.09.2011, die antragsgemäß ab dem 01.09.2011 bewilligt wurden (Bescheid vom 04.10.2011).

Nachdem der Beklagte aufgrund eines Datenabgleichs erneut auf die Aufnahme der Vollzeittätigkeit der Klägerin zum 01.01.2011 aufmerksam geworden war, forderte er diese mit Schreiben vom 03.12.2012 zur Vorlage von Einkommensnachweisen und zur Angabe von Absetzungsbeträgen auf. Wie sich aus den vorgelegten Verdienstbescheinigungen ergab, betrug das von der Klägerin erzielte Arbeitsentgelt im Januar 2011 2.417,48 EUR brutto (1.550,19 EUR netto), im Februar 2011 2.253,77 EUR brutto (1.500,04 EUR netto) und im März 2011 2.275,12 EUR brutto (1.522,24 EUR netto). Das Gehalt war der Klägerin am Ende des jeweiligen Monats für den laufenden Monat zugeflossen.

Nach Eingang der Verdienstbescheinigungen der Klägerin hob der Beklagte mit einem an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 12.03.2013 Leistungen für die Zeit von Oktober 2010 bis März 2011 endgültig fest. Für Januar bis März 2011 wurden der Klägerin 36,03 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung gewährt. Die Beklagte verlangte von der Klägerin die Erstattung von Leistungen für die Zeit von Januar bis März 2011 zunächst für die gesamte Bedarfsgemeinschaft in Höhe von insgesamt 2.668,71 EUR.

Nachdem die Klägerin eine Zahlungsaufforderung bzgl. des o. g. Erstattungsanspruchs erhalten hatte, legte sie mit Schreiben vom 09.08.2013 Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.03.2013 ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2013 als unzulässig verwarf. Der Widerspruch sei nicht fristgemäß eingelegt worden. Parallel dazu wertete der Beklagte den Widerspruch als Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbeuch Zehntes Buch (SGB X).

Mit Bescheid vom 25.11.2013 setzte der Beklagte der Klägerin gegenüber die Leistungen für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.03.2011 erneut fest. Er kam zu dem Ergebnis, dass der Klägerin kein Anspruch auf Alg II zustehe und dass es daher zu einer Überzahlung von 1.431,90 EUR gekommen sei (477,30 EUR x 3 Monate). Der Beklagte verlangte nunmehr die Erstattung dieses, allein auf die Klägerin bezogenen Betrages.

Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass der Beklagte von einem zu hohen Nettoeinkommen ausgegangen und dass das Kindergeld für K Ende Januar 2011 ausgelaufen sei. Sie sei auch mit der "gestückelten" Rückforderung nicht einverstanden, da die entsprechenden Bewilligungsbescheide lediglich an sie selbst adressiert worden seien.

Mit Änderungsbescheid vom 13.03.2014 reduzierte der Beklagte den Erstattungsbetrag auf 1.412,35 EUR. Diese Reduzierung ergab sich daraus, dass der Beklagte für Februar 2011 einen Anspruch der Klägerin in Höhe von 17,51 EUR und für März von 2,04 EUR feststellte. Dabei ging der Beklagte von einem monatlichen Bedarf der Klägerin in Höhe von 506,53 EUR aus. Dieser setzte sich zusammen aus der Regelleistung in Höhe von 364,00 EUR und den anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von 142,53 EUR (427,57 EUR: 3 Personen). Bei den beiden Kindern wurde jeweils ein Bedarf von 433,52 EUR zugrunde gelegt (291,00 EUR Regelleistung und 142,52 EUR KdU). Das tatsächlich zugeflossene Einkommen wurde um den Freibetrag für Erwerbstätige und die Versicherungspauschale bereinigt. Sodann wurde das Einkommen auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt.

Nach Erlass des Änderungsbescheides wies die Beklage den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2014 im Übrigen als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat am 31.03.2014 Klage zum Sozialgericht Münster erhoben. Ergänzend hat sie vorgetragen, dass Herr C, ein Mitarbeiter des Beklagten, ihr im Dezember 2010 erklärt habe, dass das Januar-Gehalt nicht angerechnet werden würde. Sie, die Klägerin, habe die Arbeitsaufnahme sofort mitgeteilt, daher sei der Beklagte nicht berechtigt, für die Vergangenheit Leistungen zurückzufordern. Sie genieße Vertrauensschutz. Nach einem Urteil des Landessozialgericht Hessen sei es unzulässig, "von einer ganzen Bedarfsgemeinschaft Geld zurückzuverlangen". Eine Rückforderung dürfe nur individuell an eine konkrete Person gerichtet sein. Für K sei im Januar 2011 kein Kindergeld mehr gezahlt worden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Bescheide vom 25.11.2013 und 13.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 12.03.2013 zurückzunehmen, soweit er die endgültige Bewilligung und Erstattung der Leistung für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2011 betrifft.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Klägerin erklärt, dass sie mit dem Kraftfahrzeug zur Arbeit gefahren sei. Die Arbeitskleidung werde nicht vom Arbeitgeber gestellt. Sie habe sich weiße Hosen, weiße Kittel und rutschfeste Schuhe kaufen müssen. Außerdem müsse sie die Arbeitskleidung zu Hause waschen und bügeln. Belege über die Anschaffung seien nicht mehr vorhanden. Die Klägerin legte die Beitragsrechnung für die Kfz-Haftpflichtversicherung vor. Daraus ergab sich ein Beitrag von 26,10 EUR monatlich (ohne Teilkasko).

Der Beklagte setzte auch für den Sohn der Klägern D auf einen Überprüfungsantrag hin die Leistungen für Januar bis März 2011 endgültig fest und verlangte die Erstattung von 1.208,77 EUR (Bescheide vom 25.11.2013 und 13.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2014). In dem diesbezüglich geführten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Münster (S 8 AS 194/14) hob der Beklagte später die Bescheide auf und machte 2011gegenüber D keine Erstattungsforderung für die Zeit von Januar bis März mehr geltend.

Mit Urteil vom 10.08.2016 hat das Sozialgericht im vorliegenden Rechtsstreit die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und beschwere die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Beklagte habe zu Recht die Leistungen für den Zeitraum von Januar bis März 2011 endgültig festgesetzt und die Erstattung von 1.412,35 EUR verlangt.

Soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig ungewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien, sei der Verwaltungsakt gemäß § 44 Abs. 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, da der Beklagte zu Recht die Erstattung von 1.412,35 EUR verlangt habe.

§ 44 Abs. 1 SGB X finde auf Bescheide über die Erstattung von Sozialleistungen entsprechende Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1996, 11 RAr 31/96, juris).

Gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung in Verbindung mit § 328 Abs. 3 SGB III seien aufgrund einer vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt werde, seien aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten. Der Beklagte habe die Leistungen für den streitigen Zeitraum vorläufig bewilligt. Mit der abschließenden Entscheidung sei der Klägerin für Januar 2011 keine Leistung und für Februar und März 2011 eine geringere Leistung zuerkannt worden.

Im Januar 2011 habe die Klägerin ein Bruttoeinkommen von 2.417,48 EUR erzielt. Hiervon seien gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II zunächst die auf das Einkommen entrichtete Steuern und die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung abzusetzen. Damit verbleibe ein (Netto-)Einkommen von 1.550,19 EUR. Abzusetzen sei weiterhin ein Freibetrag für Erwerbstätige (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6, § 30 SGB II). Dieser belaufe sich für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100,00 EUR übersteige und nicht mehr als 800,00 EUR betrage, auf 20 v.H. und für den Teil des monatlichen Einkommens, das 800,00 EUR übersteige und nicht mehr als 1200,00 EUR betrage, auf 10 v.H. (§ 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 SGB II). Daraus ergebe sich ein Freibetrag von 180,00 EUR (140,00 EUR + 40,00 EUR).

Vom Einkommen abzusetzen sei die Versicherungspauschale von 30,00 EUR (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld Il/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V -) sowie der Beitrag für die Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 26,10 EUR (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II).

Auch die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben seien abzusetzen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II). Hierzu gehörten die Fahrtkosten von der Wohnung zur Arbeitsstelle. Bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien 0,20 EUR für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 b Alg ll-V). Bei 21 Arbeitstagen im Monat ergäben sich damit Fahrtkosten von 47,04 EUR (21 Tage x 11,2 km x 0,20 EUR). Außerdem sei eine Werbungskostenpauschale von 15,33 EUR monatlich zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Alg ll-V). Weitere mit der Erzielung des Einkommens verbundene Ausgaben seien nicht in Abzug zu bringen. Insbesondere seien im streitigen Zeitraum keine Ausgaben für die Beschaffung von Arbeitskleidung nachgewiesen worden.

Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig seien, sei anstelle der Beträge nach Satz 1 Nrn. 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100,00 EUR abzusetzen. Betrage das monatliche Einkommen mehr als 400,00 EUR, gelte Satz 2 nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nachweise, dass die Summe der Beträge nach Satz 1 Nrn. 3 bis 5 den Betrag von 100,00 EUR überstiegen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB II). Die Summe der Beträge, die nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 5 abzusetzen seien, betrage damit 118,47 EUR (30,00 EUR Versicherungspauschale, 26,10 EUR Kfz-Haftpflicht, 47,04 EUR Fahrtkosten, 15,33 EUR Werbungskostenpauschale). Vom Nettoeinkommen von 1.522,24 EUR seien damit Freibeträge von 180,00 EUR und 118,47 EUR in Abzug zu bringen, so dass ein anrechenbares Einkommen von 1.223,77 EUR verbleibe.

Der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft habe bei 1.373,57 EUR gelegen und sich zusammengesetzt aus dem Bedarf der Klägerin in Höhe von 506,53 EUR und dem Bedarf der beiden Kinder von jeweils 433,52 EUR. Dem Sohn K habe Erwerbseinkommen von netto 426,37 EUR sowie Kindergeld von 184,00 EUR zur Verfügung gestanden. Entgegen dem Vortrag der Klägerin sei die Bewilligung des Kindergeldes für K mit Bescheid der Familienkasse B vom 09.02.2011 erst ab Februar 2011 aufgehoben worden.

Unter Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin, das auf die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufzuteilen sei, und des eigenen Einkommens von K ergebe sich für Januar 2011 kein Leistungsanspruch der Klägerin. Bezüglich des berücksichtigten Einkommens für K seien Fehler weder vorgetragen noch ersichtlich.

Im Februar 2011 habe die Klägerin ein Einkommen von 2.253,77 EUR brutto (1.500,04 EUR netto) erzielt. Dieses Einkommen sei so zu bereinigen wie das Einkommen im Januar. Damit sei von dem Nettoeinkommen in Höhe von 1.500,04 ein Betrag von EUR 298,47 EUR abzusetzen, so dass ein anrechenbares Einkommen von 1.201,57 EUR verbleibe. Dieses Einkommen sei gemäß § 9 Abs. 2 SGB II auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufzuteilen. Sei in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gelte jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig. Der Beklagte habe bei der endgültigen Festsetzung für Februar 2011 Einkommen der Klägerin in Höhe von 1.190,04 EUR berücksichtigt und dieses Einkommen auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt. Tatsächlich anzurechnen sei jedoch ein Betrag von 1.201,57 EUR gewesen. Durch die Anrechnung eines geringeren Betrages sei die Klägerin jedoch nicht beschwert.

Im März 2011 habe die Klägerin ein Einkommen in Höhe von 2.275,12 EUR brutto (1.522,24 EUR netto) erzielt. Das Nettoeinkommen sei um 298,47 EUR zu bereinigen, so dass ein anrechenbares Einkommen von 1.223,77 EUR verbleibe. Der Beklagte habe lediglich Einkommen von 1.212,24 EUR angerechnet. Hierdurch sei die Klägerin jedoch wiederum nicht beschwert. Bezüglich des berücksichtigten Einkommens für K seien auch für Februar und März Fehler weder vorgetragen noch ersichtlich. Kindergeld sei zutreffend nicht mehr angerechnet worden.

Da die endgültig festgesetzte Leistung geringer seien als die vorläufig bewilligten, müsse die Klägerin die zu viel erbrachten Leistungen erstatten. Die Erstattungspflicht entfalle nicht, weil die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Mitteilung der Arbeitsaufnahme nachgekommen sei. Das Gesetz lasse eine Erstattungspflicht dann eintreten, wenn die endgültig festgesetzte Leistung geringer sei als die vorläufig bewilligte Leistung.

Schließlich habe der Beklagte von der Klägerin nur das Alg II zurückverlangt, das auch an sie gezahlt worden sei.

Gegen das ihr am 01.09.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05.09.2016 Berufung eingelegt, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet: Mit der unverzüglichen Mitteilung ihrer Arbeitsaufnahme zum 01.01.2011 sei sie ihrer Mitwirkungsverpflichtung nachgekommen: Sie habe Herrn C zutreffend informiert, der ihr versichert habe, sie müsse sich um nichts mehr kümmern. Er werde "alles abmelden". Damit genieße sie Vertrauensschutz, der einer späteren Erstattungsforderung des Beklagten entgegen gehalten werden könne. Eine weitergehende Prüfung der Richtigkeit von Bewilligungsbescheiden könne von Leistungsberechtigten nicht gefordert werden. Im Übrigen sei es Aufgabe des Beklagten, wahrheitsgemäße Angaben von Leistungsberechtigten in rechtlich einwandfreier Weise umzusetzen. Die Überzahlungen seien allein aufgrund des dem Beklagten vorwerfbaren Verhaltens entstanden. Daher scheide eine Rückforderung aus. Im Übrigen habe sie die Leistungen verbraucht. Sie stünden ihr wirtschaftlich nicht mehr zur Verfügung. Ergänzend hat die Klägerin im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 17.03.2017 angegeben, sie habe Ende 2010 bei Herrn C vorgesprochen, ihn über die bevorstehende Arbeitsaufnahme informiert, ihm mitgeteilt, dass sie ab 2011 "kein Geld mehr ziehen" müsse und ihn bei dieser Gelegenheit gefragt, wie es mit einer Zahlung von Übergangsgeld für einen Monat aussehe. Herr C habe ihr geantwortet, dass "das Geld sofort gestoppt" werde. Sie müsse nichts mehr unternehmen.

Die Klägerin, die sich ebenso wie der Beklagte mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hat, beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 10.08.2016 zu ändern, die Bescheide des Beklagten vom 25.11.2013 und 13.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 12.03.2013 zurückzunehmen, soweit er die endgültige Bewilligung und Erstattung der Leistung für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2011 betrifft.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf die aus seiner Sicht zutreffende erstinstanzliche Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte die Streitsache durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da hierfür die Voraussetzungen gegeben sind.

Gemäß § 124 Abs. 2 SGG darf ein Urteil ohne mündliche Verhandlung ergehen, wenn die Beteiligten ausdrücklich zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Sinne des § 124 Abs. 2 SGG vom Gericht angehört wurden und hierzu von ihnen auch ausdrücklich ein Einverständnis mit dieser Entscheidung erklärt wurde. Das Einverständnis muss schriftlich erfolgen und muss sich unmissverständlich auf eine Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erstrecken. (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 124 RdNrn. 3 ff. m.w.N.). Vorliegend haben die Klägerin und der Beklagte am 17.03.2017 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet.

Die Entscheidung des Sozialgerichts Münster vom 10.08.2016 ist auch unter Berücksichtigung des Klägervortrages im Berufungsverfahren zutreffend. Zur Begründung bezieht sich der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG vollinhaltlich auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe, denen er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage vollinhaltlich anschließt. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:

Soweit die Klägerin geltend macht, Herr C habe ihr zugesagt, sich um alles kümmern zu wollen und sie "aus dem Leistungsbezug abzumelden", liegt darin gerade keine Zusicherung gemäß § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen, nämlich den Zufluss von Einkommen ab Januar 2011 nicht bescheidmäßig umzusetzen und von einer Erstattung abzusehen. Die Angaben der Klägerin über die Tatsache und den Inhalt des Gespräches mit Herrn C als zutreffend unterstellt, hat dieser der Klägerin gegenüber vielmehr unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass aufgrund des erzielten Arbeitseinkommens gerade kein oder ein deutlich verringerter Leistungsanspruch mehr bestehe, nicht aber, dass die einmal bewilligten Leistungen von der eingetretenen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unberührt bleiben würden. Selbst wenn er eine Gewährung von "Übergangsgeld" von einem Monat zugesagt haben sollte, so fehlte es jedoch bzgl. der Wirksamkeit einer solchen Zusicherung an der gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X notwendigen Schriftform.

Die Klägerin geht weiter fehl in der Annahme, dass sie sich auf Vertrauensschutz berufen könne. Zum einen ist bereits nicht nachvollziehbar, wie sie im Hinblick auf ihre Vorerfahrungen hat glauben können, dass allein die Mitteilung der Tatsache der bevorstehenden bzw. stattgefundenen Arbeitsaufnahme hätte ausreichen können, leistungsrechtliche Konsequenzen daraus zu ziehen. Ihr musste ohne Weiteres aus der nahen Vergangenheit bekannt sein, dass zur bescheidmäßigen Umsetzung eine Mitteilung der konkreten Höhe des Arbeitsentgeltes, der zu berücksichtigenden Absetzungen und des Monats des jeweiligen Zuflusses erforderlich sein würden. Sie hat jedoch in der Folgezeit weder Verdienstabrechnungen noch Kontoauszüge und Arbeitsvertrag vorgelegt. Zum anderen hat sie die Mitteilung der Arbeitsaufnahme gerade in der Erwartung getätigt, dass sie wegen des zufließenden Arbeitsentgelts aus der Vollzeittätigkeit zusammen mit den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft keinen Leistungsanspruch mehr haben würde bzw. sich dieser sehr deutlich verringern werde.

Auf Vertrauensschutzgesichtspunkte kommt es vorliegend jedoch, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, gar nicht an. Der Klägerin und ihren Söhnen waren lediglich vorläufige Leistungen bewilligt worden. Dies impliziert, dass sich der Empfänger der Leistungen gerade nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, sondern er das Risiko kennt, dass es endgültig dem Grunde oder Höhe nach nicht bei den bewilligten Leistungen bleiben werde (vgl. BSG, Urt. vom 12.10.2016, B 4 AS 60/15 R, RdNr. 17 bei juris m.w.N.). Darauf hat der Beklagte auch deutlich bereits mit Bescheid vom 01.12.2010 deutlich hingewiesen: "Sie erhalten erneut einen Bescheid, sobald über Ihren Antrag endgültig entschieden werden kann und ihr Anspruch von dem hier bewilligten abweicht. Die bis dahin gezahlten Leistungen werden dabei berücksichtigt. Ich weise Sie darauf hin, dass Sie gegebenenfalls zuviel gezahlte Leistungen erstatten müssen." Als Adressatin des Bescheides und der beiden folgenden Änderungsbescheide hat die Klägerin daher gewusst, dass kein Vertrauensschutz berücksichtigt werden kann, zumal den Grund für die vorläufige Bewilligung der Zufluss von Einkommen bildete, um den es auch bei der endgültigen Bewilligung ging. Unabhängig davon, dass sie nicht einmal Luxusausgaben angeführt hat, ist der Vortrag, sie habe die zugeflossenen Leistungen verbraucht, damit ebenso unbeachtlich.

Dass der Beklagte die Klägerin erst mit Schreiben vom 03.12.2012 zur Vorlage von Einkommensnachweisen und zur Angabe von Absetzungsbeträgen aufgefordert und erstmals mit Bescheid vom 12.03.2013 eine endgültige Festsetzung der Höhe der Leistungen für Januar bis März 2011 sowie eine Erstattung geltend gemacht hat, steht der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ebenfalls nicht entgegen. Im Gegensatz zu § 45 Abs. 3 und 4 SGB X und § 48 Abs. 4 Satz 2 SGB X enthält § 328 SGB III keinerlei besondere Handlungsfristen für die Behörde (Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck‘scher-Online-Kommentar zum Sozialrecht/Kaminski, § 328 SGB III RdNr. 16 m.w.N.; Brand, Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung/Due, 7. Aufl. 2015, § 328 RdNr. 24 m.w.N.).

Der streitgegenständliche Erstattungsanspruch ist nicht verjährt. Der Erstattungsanspruch nach § 328 SGB III verjährt in entsprechender Anwendung des § 50 Abs. 4 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der endgültige Bescheid unanfechtbar geworden ist (ua Schmidt-De Caluwe-NK SGB III, § 328 RdNr. 56; Brand, a.a.O., RdNr. 27); dieser Zeitraum ist bei weitem nicht abgelaufen.

Der Anspruch ist auch nicht verwirkt. Es ist anerkannt, dass auf die Rechtsbeziehungen zwischen einem Träger öffentlicher Gewalt im Sozialrecht und Leistungsberechtigten/-verpflichteten der Rechtsgedanke des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - Treu und Glauben - in Gestalt der Verwirkung einwirken kann. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (stRspr; vgl.BSG, Urteil vom 05.07. 2016 - B 1 KR 40/15 R -, RdNrn. 20 f. bei juris mit Hinweis auf eine Vielzahl weiterer Nachweise). Vorliegend fehlt es schon an einer Vertrauensgrundlage im oben genannten Sinne. Zwar ist der Klägerin nach Mitteilung der Arbeitsaufnahme noch der Änderungsbescheid vom 26.03.2011 zugegangen, mit dem ihr und den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft höhere Leistungen nach dem SGB II rückwirkend ab dem 01.01.2011 bewilligt worden sind. Dieser Bescheid diente jedoch unzweifelhaft lediglich der Umsetzung der Regelsatzerhöhung; aus ihr konnte die Klägerin nach objektiviertem Empfängerhorizont keinesfalls ableiten, dass der Beklagte von einer Anrechnung des inzwischen seit Januar 2011 erzielten Einkommens und Geltendmachung einer Erstattungsforderung hat absehen wollen, zumal ihm die Klägerin keinerlei Unterlagen über Höhe und Zeitpunkt der jeweiligen Zuflüsse zur Verfügung gestellt hatte. Auch stellt die erneute Bewilligung von Leistungen ab September 2011 nach der Leistungsunterbrechung keine Vertrauensgrundlage im oben genannten Sinne dar; denn die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II erfolgt regelhaft abschnittsweise und ohne dass bei der Entscheidung über einen neuen Leistungszeitraum Vertrauensschutzgesichtspunkte zu beachten wären (BSG, Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 49/10 R -, RdNrn. 10 ff. bei juris m.w.N.). Zumindest aber fehlt es vorliegend an dem Zeitmoment. Der Beklagte hat lediglich knapp zwei Jahre vergehen lassen, bis er Unterlagen über die zum 01.01.2011 aufgenommene Tätigkeit angefordert hat. Dieser deutlich unterhalb der Verjährungsfrist liegende Zeitraum reicht zur Annahme einer Verwirkung in vorliegenden Sachverhaltskonstellation keinesfalls aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass die Revision zuzulassen hat nicht bestanden, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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