S 8 SO 26/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 SO 26/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten vorliegend um die Verpflichtung der Beklagten zur Kostenübernahme der Gebühren für einen Kabelanschluss der Klägerin, der es ihr ermöglicht, türkisches Fernsehen zu empfangen. Die geborene Klägerin steht im laufenden Bezug ergänzender Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Sie ist der deutschen Sprache nicht mächtig. Mit Antrag vom 30.09.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für einen Kabelanschluss. Eine Satellitenantenne sei in ihrem Haus nicht vorhanden, mit der sie Programme in eigener Muttersprache empfangen könnte. Da der Vermieter einen Kabelanschluss zur Verfügung stelle, sei er auch nicht gehalten, das Anbringen einer Satellitenantenne zu erlauben. Mit Bescheid vom 10.11,2011 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für einen Kabelanschluss ab. Die Kosten für einen Kabelanschluss seien nicht Bestandteil des Mietvertrages und entsprechend abschließend von dem der Klägerin gewährten Regelbedarf erfasst. Gegen den Bescheid der Beklagten vom 10.11.2011 legte die Klägerin mit Schreiben vom 25.11.2011 Widerspruch ein. Sie benötige einen Kabelanschluss, um türkische Radio-und Fernsehprogramme zu empfangen. Sie befinde sich somit in einer sonstigen Lebenslage im Sinne des § 73 SGB XII. Sie gehöre einer besonderen Minderheit an, deren weitere Besonderheit ihr gegenüber besteht, dass sie in ihrem relativ hohen Lebensalter die deutsche Sprache nicht erlernt habe. Um ihr Bedürfnis nach Kultur, Unterhaltung und Bildung in einer für sie verständlichen Sprache zu befriedigen, müsste sie erheblich höhere Ausgaben tätigen, als der Durchschnitt der hier lebenden Hilfeempfänger. Zudem habe sie einen Bedarf, der erheblich vom Durchschnittsbedarf in diesem Bereich abweiche. Entsprechend dürfte ihr Bedürfnis unter § 27 a Abs. 4 Satz 1 SGB XII fallen. Mit Widerspruchsbescheid vom 17,01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten finden als Bestandteil der Regelbedarfstufe nach § 28 SGB XII Berücksichtigung. In dem Regelbedarf seien abschließend Aufwendungen auch für Nachrichtenübermittlung, Unterhaltung, Kultur und Bildung enthalten. Ein abweichender Bedarf sei nicht festzustellen, da die Hohe des Bedarfes nicht erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweiche und der abweichende Bedarf auch nicht unabweisbar sei. Auch Hilfe in sonstigen Lebenslagen gemäß § 73 Abs. 1 SGB XII sei nicht zu bewilligen, da diese Vorschrift eine subsidiäre Auffangvorschrift sei, die besondere Bedarfe erfassen solle. Voraussetzung sei, dass für die fragliche Lebenslage keine speziell gesetzliche Regelung für eine Hilfeleistung vorhanden sei. Die zusätzlichen Kosten für eine Kabelanlage seien jedoch in den §§ 19 bis 28 SGB XII abschließend geregelt. Mit der am 03.02.2012 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie habe nur diese Möglichkeit, Informationen in ihrer Sprache aufzunehmen. Nur so könne sie ihr Grundrecht auf Zugang zu den Medien gemäß Artikel 5 Grundgesetz wahrnehmen. Die Kosten seien auch nicht aus dem Regelbedarf gemäß Bedarfsabteilung 8/9 zu decken, da der streitgegenständliche Bedarf einen eigenständigen Bedarf für fremdsprachliche Leistungsberechtigte darstelle. Entsprechend sei die Beklagte verpflichtet, Kosten in Höhe von monatlich 23,85 EUR zu übernehmen. Dieser Betrag beinhalte 16,90 EUR Grundgebühr sowie 6,95 EUR für die Möglichkeit des Empfangs von türkischem Fernsehen. Sie wünsche sich mindestens drei türkische Programme. Zeitungen und Bücher könne sie nicht lange lesen, da ihr dann schwindelig werden würde. Weitere kulturelle Veranstaltungen besuche sie nicht. Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.11.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2012 zu verurteilen, der Klägerin ab Antragstellung vom 30.09.2011 Kosten für einen Kabelanschluss in Höhe von 23,85 EUR monatlich zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verweist auf ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid. Sie weist zusätzlich darauf hin, dass türkisches Radio auch durch die Haussatellitenanlage der Klägerin gehört werden könnten. Zudem sei die Klägerin auf die Nutzung von Tageszeitungen zu verweisen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakt, die das Gericht beigezogen hat.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht in ihren Rechten i. S. d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Die Bescheide sind rechtsfehlerfrei ergangen. Die Beklagte hat zu Recht die Übernahme der Kosten für einen Kabelanschluss der Klägerin abgelehnt. Eine derartige Leistung steht der Klägerin unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt zu. Die Kammer bezieht sich insoweit voll inhaltlich auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides vom 17.01.2012. Ergänzend weist die Kammer nochmals ausdrücklich darauf hin, dass aus der bei der Klägerin zugrunde zu legenden Regelbedarfsstufe I gemäß Abteilung 8 für die Nachrichtenübermittlung einen Betrag in Höhe von 33,04 EUR zur Verfügung steht. In Abteilung 9 ist für die Bedarfe Freizeit, Kultur und Unterhaltung ein Betrag in Höhe von 41,31 EUR vorgesehen. Insbesondere in der Abteilung 9 {Freizeit, Unterhaltung und Kultur) steht der Klägerin ein Betrag in Höhe von 41,31 EUR zur Verfügung, den sie für derartige Bedarfe einsetzen kann und der hierfür vorgesehen ist. Selbst wenn man den Vortrag der Klägerin, sie gehe wenig bis gar nicht ins Kino und ins Theater oder zu Sportveranstaltung außen vor lässt, so ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass, gerade auch im Hinblick auf die Eigenverantwortung, jeder Leistungsempfänger für sich zu entscheiden hat, wofür er die Geldbeträge innerhalb der Regelleistung einsetzt. Die hier monatlich begehrten 23,85 EUR stellen bei Weitem nicht den gesamten zur Verfügung stehenden Betrag für Freizeit, Unterhaltung und Kultur dar. Insoweit obliegt es der Klägerin zu entscheiden, ob sie diesen Betrag für den Bezug von türkischem Fernsehen einsetzen möchte oder ihn anderweitig verwendet Das Gericht weist weiter darauf hin, dass Kabelanschlussgebühren grundsätzlich aus dem Regelsatz aufzubringen sind (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.01.2009, Az.: L 23 B 247/08 SO PKH), Ausnahmsweise sind Kabelanschlussgebühren gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII vom Sozialhilfeträger als Aufwendung für Unterkunft zu übernehmen, wenn sie dem Hilfeempfänger für die Gewinnung oder den Erhalt der Unterkunft zwangsläufig erwachsen unabhängig davon, ob die Bereithaltung des Kabelanschlusses seinem Willen und seinen persönlichen Bedürfnissen entspricht, etwa wenn der Mietvertrag ihn zur Zahlung verpflichtet, obwohl er kein Fernsehgerät besitzt und wünscht. Die Kosten für das begehrte Kabelfernsehen stellen hier keine Kosten der Unterkunft aar; die Bedarfslage ist auch nicht mit dieser Zwangssituation bzgl. einer Verpflichtung im Mietvertrag vergleichbar. Insoweit ist es nicht gerechtfertigt, die Klägerin anders zu behandeln als andere Sozialhilfeempfänger, die die Kosten, soweit sie Kabelfernsehen empfangen möchten, ebenfalls aus ihrem Regelsatz zu begleichen haben. Eine notwendige Ungleichbehandlung wird hier auch nicht begründet durch die einzig mögliche Verständigung auf Türkisch. Auch die Klägerin ist nach Überzeugung der Kammer nicht gezwungen, einen Kabelanschluss zu unterhalten. Der guten Ordnung halber weist das Gericht zudem darauf hin, dass die Klägerin in dem von ihr geforderten Klageantrag zu dem Basiskabelfernsehen weitere türkische Programme einklagt. Bereits für die Grundgebühr könnte sie jedoch das türkischsprachige Fernsehen TRT Türk empfangen, welches der Befriedigung ihres Informationsbedürfnisses dienen dürfte. Weiter weist das Gericht darauf hin, dass es nach eigenen Recherchen am 24.04.2012 unter www.kabelbw.de recherchiert hat, dass bei dem Anbieter des Kabelfernsehens Kabel BW GmbH bei bestehendem Kabelanschluss 8 türkische Sender für 6,90 EUR empfangen werden können. Wie zuvor ausgeführt, gebietet es die Gleichbehandlung aller Leistungsempfänger, dass auch die Klägerin ihren Kabelfernsehanschluss gegebenenfalls aus dem Regelsatz finanziert. Insoweit bleibt für ihre besonderen Bedürfnisse ein

Kostenbeitrag in Höhe von 6,90 EUR bei dem Anbieter Kabel BW GmbH. Die Höhe dieser Summe entspricht weniger als einem Fünftel des für den Bereich Freizeit, Kultur, Unterhaltung zur Verfügung stehenden Betrages im Regelsatz. Weiterhin findet sich die Klägerin nach Auffassung der Kammer auch nicht in einer sonstigen Lebenslage gemäß § 73 SGB XII. Sonstige Lebenslagen liegen nur dann vor, wenn sich die Hilfesituation thematisch keinem Tatbestand der in § 8 SGB XII aufgeführten Hilfen zuordnen lässt (Grube, in: Grubisch/Warendorf, SGB XII, § 73 Rdnr. 4). Der von der Klägerin zu deckende Bedarf bezüglich des Kabelfernsehens umfasst jedoch die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§ 8 Abs. 2 SGB XII). Die Kammer weist weiter darauf hin, dass die Kostenübernahme für die Kabelanschlussgebühr auch nicht aus § 27 a Abs. 4 SGB XII folgen kann, im Einzelfall wird entsprechend der Norm der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz festgelegt, wenn ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Diese Voraussetzungen liegend vorliegend nicht vor. Wie zuvor dargestellt; müssen Leistungsempfänger den Kabelanschluss, soweit sie nicht mietvertraglich zur Übernahme verpflichtet sind, aus dem Regelsatz begleichen. Schon insoweit weicht der Bedarf der Klägerin nicht unabweisbar in der Höhe erheblich von dem durchschnittlichen Bedarf ab. Nach weiteren obigen Ausführungen kann auch mit einem weitaus geringeren Betrag die Bedürfnisse der Klägerin auf Information in türkischer Sprache gedeckt werden, sodass auch nicht mehr von einem erheblichen Abweichen zu sprechen ist. Letztlich dürfte die Klägerin zudem darauf zu verweisen sein, dass sie ihren Bedarf an Information auch über türkischsprachige Zeitungen/Zeitschriften sowie über das türkische Radio decken kann. Dies gilt auch dann, wenn sie nicht große Texte am Stück lesen kann und das türkische Radio in schlechterer Qualität empfängt. Die Gesamtschau der Dinge rechtfertigt keine über den Regelsatz hinaus bestehenden Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten. In zeitlicher Hinsicht war Gegenstand der Klage die Gewährung von Leistungen auf unbegrenzte Zeit. Wird eine Leistung, wie vorliegend, ohne zeitliche Beschränkung abgelehnt, ist über die gesamte bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit zu befinden (Bundessozialgericht, Urteil vom 25.08.2011, Az.; B 8 SO 19/10 R, m.w.N.). Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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