S 48 KR 1082/14 ZVW

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
48
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 48 KR 1082/14 ZVW
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Leitsätze:

1. Kosten für den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern gehören zu den allgemeinen Krankenhausleistungen i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz Nr. 2 KHEntgG, sofern sie vom Krankenhaus veranlasst sind.

2. Eine „Veranlassung“ i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz Nr. 2 KHEntgG setzt keinen Vertragsschluss mit dem Dritten voraus.

3. Die Kosten für den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern sind bei der Kalkulation der DRG-Pauschale auch bereits vor Aufnahme der OPS 9-510.X im Jahr 2014 berücksichtigt.

4. Aus § 17 Abs. 2 Satz 2 SGB I, § 19 SGB X ergibt sich nicht, dass die Krankenkassen verpflichtet sind über die DRG-Pauschale hinaus, die Kosten für den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern zu tragen.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 454,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2011 zu zahlen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst trägt. 3. Der Streitwert wird auf 454,30 EUR festgesetzt. 4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt die Vergütung ihres Einsatzes als Gebärdensprachdolmetscherin im Rahmen einer stationären Behandlung.

Die Klägerin ist staatlich geprüfte Gebärdensprachdolmetscherin. Sie übersetzte die ärztlichen Gespräche zur Aufnahme, zur Vorbereitung der Operation und zum Abschlussgespräch für die bei der Beigeladenen versicherte gehörlose 73-jährige S. in der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe der Beklagten. Hierzu legte sie der Beklagten ein mit "Bestätigung" überschriebenes Schreiben vor in dem es heißt: "Hiermit wird bestätigt, dass Frau P. an folgendem Termin für mich/uns (Frau Dr. H. und Mitarbeiter der Station x Gynäkologie) als Gebärdensprachdolmetscherin im Einsatz war. Dieser Einsatz war unerlässlich, da ansonsten keinerlei Verständigung/Kommunikation oder Aufklärung der Patientin Frau S. (gehörlos) möglich gewesen wäre. Mit dem Einsatz der Gebärdensprachdolmetscherin konnten wir zudem § 9 BGG, § 2a SGB I, § 17 SGB I und § 19 SGB X entsprechen". Dieses Schreiben wurde am 10.12.2010 unterschrieben (unleserlich).

Bereits vor diesem Einsatz hatte die Klägerin die Versicherte in die Beckenboden-Klinik zur ambulanten Voruntersuchung begleitet. Dort hatte der Zeugin Dr. H. der Terminkalender des Krankenhauses der Beklagten vorgelegen und es wurde vereinbart, dass die Klägerin als Gebärdensprachdolmetscherin eingesetzt und über die weiteren Termine telefonisch informiert werden solle.

Gegenüber der Beigeladenen kodierte die Beklagte die stationäre Behandlung mit der DRG 06Z (komplexe rekonstruktive Eingriffe an den weiblichen Geschlechtsorganen), wobei sie als Nebendiagnose Taubstummheit, andernorts nicht klassifiziert (H91.3) kodierte und 3.668,18 EUR abrechnete.

Die Klägerin stellte der Beklagten am 18.10.2010 für ihre Dienste 454,30 EUR in Rechnung. Als Grundlage hierfür machte sie die Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) in Höhe von 55 EUR/Std sowie Kilometergeld geltend.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 12.01.2011 die Begleichung der Rechnung unter Verweis auf die Zuständigkeit der Beigeladenen ab.

Mit Schreiben vom 24.1.2011 verwies die Beigeladene unter Hinweis auf § 2 Abs. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) auf die Leistungspflicht der Beklagten.

Die Klägerin hat am 15.7.2011 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Darin stützt sie ihren Anspruch auf §§ 812,818 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Im vorliegenden Falle habe die Klägerin mit ihrer Leistungserbringung keine bewusste oder zweckgerichtete Zuwendung für die Patientin erbringen wollen, sondern es sei ihr um die Erfüllung der Ansprüche der Patientin aus §§ 17 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 2 Absatz 2 KHEntgG gegen die Beklagte gegangen. Die Beklagte sei der Versicherten im Rahmen des Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung verpflichtet, die allgemeinen Krankenhausleistungen nach §§ 39 SGB V, 2 KHEntgG zu erbringen, wobei diese im Wege der Fallpauschale der Krankenkassen nach § 7 KHEntgG bereits umfassend von der Beigeladenen vergütet worden seien. Dazu gehöre auch der Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern. Denn der Anspruch auf die allgemeinen Krankenhausleistungen erstrecke sich auf alle Maßnahmen, die im Einzelfall unter Berücksichtigung der individuellen Patientenbedürfnisse aus medizinischen Gründen notwendig seien, worunter auch die Information-und Aufklärungspflichten eines Arztes fielen. Diese könnten gegenüber einem gehörlosen Patienten nur unter Hinzuziehung eines Gebärdensprachdolmetschers erfolgen. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG stelle klar, dass das Krankenhaus die notwendigen Versorgungsleistungen nicht zwingend selbst erbringen müsse, sondern eine Leistungsbeschaffung auf eigene Kosten bei Dritten möglich sei. Durch das Tätigwerden der Klägerin sei die Beklagte von der Pflicht befreit worden, eigenständig einen anderen Gebärdensprachdolmetscher zu organisieren, um den Anspruch der Patientin auf eine Kommunikationshilfe während einer vollstationären Behandlung zu erfüllen. Die Beklagte habe insoweit Kosten der geltend gemachten Höhe erspart.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 454,30 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass nicht sie, sondern die Versicherte für die Vergütung eintrittspflichtig sei, weil schließlich letztere der Klägerin den Auftrag für ihre Tätigkeit erteilt habe. Diese Sichtweise werde durch den Umstand belegt, dass die Klägerin bereits vor der stationären Behandlung bei der Beklagten für die Patientin tätig gewesen sei. Demzufolge käme auch keine Leistungskondiktion gegenüber der Beklagten in Betracht, da die Klägerin in Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Patientin gehandelt habe. Die Notwendigkeitsbescheinigung zeige, dass alle Beteiligten von einer Verpflichtung zur Kostentragung der Beigeladenen ausgegangen seien, denn andernfalls hätte es einer solchen Bescheinigung nicht bedurft. Die Beklagte könne ihre Leistung auch ohne den Einsatz einer Gebärdensprachdolmetscherin erbringen. Es obliege nämlich ihrer Organisationshoheit in welcher Weise sie die Kommunikation mit der Versicherten sicherstelle. Eine Zuständigkeit der Beigeladenen ergebe sich auch aus der Vorschrift des § 17 Abs. 2 SGB I, die die Leistungsträger zur Erfüllung des Anspruchs auf Gebärdensprachdolmetscher verpflichte. Leistungsträger für die ärztliche Versorgung als Teil der gesetzlichen Krankenversicherung sei gemäß § 21 SGB I die Krankenkasse, nicht aber das Krankenhaus. Die Zuständigkeit für die Aufwendungen für Gebärdensprachdolmetscher folge des Weiteren aus § 19 Absatz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), wonach Kosten von der Behörde oder dem für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger zu tragen seien. Dass ein Code für den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetscher mit der hierfür erforderlichen Kalkulation erstmals im Jahr 2014 in den OPS-Katalog (9-510. X) aufgenommen worden sei, zeige, dass zum streitigen Zeitpunkt die Kosten eines Gebärdensprachdolmetschers nicht in der Fallpauschale enthalten gewesen sein könnten.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Sie schließt sich der Auffassung der Beklagten an. Die Erforderlichkeit des Einsatzes der Klägerin habe die Beklagte mit der Notwendigkeitsbescheinigung am 10.12.2010 bestätigt. Es komme nicht darauf an, wer den Gebärdensprachdolmetscher rufe. Denn ohne Hinzuziehung der Klägerin hätte die Beklagte die Patientin auffordern müssen, einen Gebärdensprachdolmetscher ihres Vertrauens anzufordern.

Das Sozialgericht Hamburg hat sich zunächst für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Hamburg-Altona verwiesen (Beschluss vom 01.02.2013). Das Landessozialgericht Hamburg hat die Beschwerde der Klägerin mit Beschluss 05.08.2013 zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Klägerin hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 29.07.2014 (B 3 SF 1/14R) festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist und den Rechtstreit an das Sozialgericht Hamburg zurückverwiesen.

Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH (InEK) hat mit Schreiben vom 07.09.2012 gegenüber dem Amtsgericht Hamburg Altona in einem Parallelverfahren (318c C 137/12) mitgeteilt, dass über die die Fragestellung, ob die Leistungen des Gebärdensprachdolmetschers allgemeine Krankenhausleistungen gemäß § 2 Abs. 2 KHEntgG seien, in den zuständigen Gremien der Vertragsparteien nach §17 b Abs. 2 Satz 1 Krankenhausgesetz (KHG) zuletzt im Sommer 2011 ohne Konsens beraten worden sei. Im Rahmen der DRG-Kostenkalkulation seien die Kosten für die Inanspruchnahme von Gebärdensprachdolmetscher bei stationärer Leistungserbringung aber in dem Umfang berücksichtigt worden, indem diese Kosten in den an der Kostenkalkulation teilnehmenden Krankenhäusern tatsächlich angefallen seien. Die angefallenen Kosten seien als Einzelkosten den Fallkosten der entsprechend behandelten Patienten zugeordnet und für die Berechnung der durchschnittlichen Kosten einer DRG-Fallpauschale verwendet worden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass einerseits nur ein Bruchteil der in der Durchschnittsberechnung der DRG-Fallpauschalen eingehenden Patientenkosten die Inanspruchnahme eines Gebärdensprachdolmetscher beinhalteten und sich andererseits die Patienten mit Inanspruchnahme eines Gebärdensprachdolmetscher prinzipiell über viele G-DRG-Fallpauschalen verteilten. Eine leistungsrechtliche Beurteilung im Sinne § 2 Absatz 2 KHEntgG stelle diese Auskunft nicht dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beigeladenen. Diese haben der Kammer vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Leistungsklage ist begründet.

Ein vertraglicher Anspruch für das Zahlungsbegehren der Klägerin scheidet aus, denn einen Dienstvertrag nach in dem § 611 BGB haben die Klägerin und die Beklagte gerade nicht geschlossen.

Im vorliegenden Fall ergibt sich der Anspruch der Klägerin jedoch aus dem Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB. Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 2 BGB ist, wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ihm zum Ersatz des Wertes verpflichtet. Vorliegend hat die Beklagte die Befreiung eines Teils von dem der Versicherten ihr gegenüber bestehenden Anspruch auf Gewährung von Krankenhausleistungen (§ 39 SGB V) im Rahmen ihres Versorgungsauftrages erlangt. Die Klägerin hat die zu den allgemeinen Krankenhausleistungen gehörenden Gebärdensprachdolmetscherdienste erbracht und so den Anspruch erfüllt und zum Erlöschen gebracht hatte. Dies geschah im Verhältnis zur Beklagten auch ohne rechtlichen Grund und die Beklagte ist grundsätzlich zum Ersatz des Wertes des durch das Tätigwerden der Klägerin Erlangten verpflichtet (vgl. BSG 13.5.2004 – B 3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 7 Rn. 13).

Die von der Beklagten ersparten Gebärdensprachdolmetscherkosten im Sinne des § 2 KHEntgG in der Fassung vom 17.07.2003 waren von der Beklagten zu tragen, weil sie bereits über das pauschalierende DRG-Vergütungssystem (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG i.V.m. § 17b Abs. 1 Satz 1 HS 2 KHG) abgegolten waren.

Mit den Entgelten für allgemeine Krankenhausleistungen werden dem Krankenhaus alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen - wie § 7 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG zu entnehmen ist - vergütet. Leistungen, die nicht zu den allgemeinen Krankenhausleistungen gehören sind darin nicht enthalten.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG sind Krankenhausleistungen nach § 1 Abs.1 KHEntgG insbesondere ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, sowie Unterkunft und Verpflegung; sie umfassen allgemeine Krankenhausleistungen und Wahlleistungen. Allgemeine Krankenhausleistungen sind gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG die Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind. Der Begriff der allgemeinen Krankenhausleistung ist identisch mit dem der teil- und vollstationären Krankenhausleistung nach § 39 SGB V und berücksichtigt den Bedarf im Einzelfall unter nach den patienten- und krankenhausindividuellen Bedürfnissen (Tuschen/Trefz: KHEntG Komm. 2. Aufl. 2010 S. 16-17). Das Krankenhaus wird somit zu einer einheitlichen und umfassenden Gesamtleistung verpflichtet (Quaas/Dietz in: Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, § 2 BPflV, Anm. II.1., S. 22b). Grundsätzlich sind Leistungen des Krankenhauses nur solche, die dieses durch eigenes Personal und eigene sächliche Mittel erbringt. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind enumerativ - u.a. in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG - geregelt (vgl. BSG, Urteil v. 23.03.2011 - B 6 KA 11/10 R, juris Rdn. 59; Quaas/Dietz in: Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, § 2 BPflV, Anm. II.1., S. 22b). Danach gehören zu den allgemeinen - abrechnungsfähigen - Leistungen des Krankenhauses auch die von ihm veranlassten Leistungen Dritter, die im Verhältnis zu der vom Krankenhaus zu erbringenden Hauptbehandlungsleistung, wie im vorliegenden Fall, ergänzende oder unterstützende Funktion haben (BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 – B 3 KR 17/06 R –, SozR 4-2500 § 39 Nr. 8). Diese sind somit nur zwischen Krankenkasse und Krankenhaus abzurechnen. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG bezieht jede zur Behandlung notwendige Leistung Dritter ein (Quaas/Dietz in: Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, § 2 BPflV, Anm. II.4., S. 25; Anm. II.10, S. 30 f.). Dass im vorliegenden Fall ein notwendig medizinischer Bedarf an Kommunikation der Versicherten mit den behandelnden Ärzten - insbesondere zur Anamneseerhebung und Patientenaufklärung (vgl. Kreutz, ZFSH 2011, S. 629 ff.) - bestand, der die Versicherte aufgrund ihrer Taubstummheit nicht ohne Einsatz einer Gebärdensprachdolmetscherin nachkommen konnte, liegt auf der Hand und wurde der Klägerin von der Beklagten auch bestätigt. Eine Notwendigkeit des Einsatzes von Gebärdensprachdolmetschern im Rahmen der stationären Behandlung folgt darüber hinaus aus dem Qualitätsgebot (§ 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V) sowie aus § 2a SGB V, wonach den Belangen behinderter und chronisch erkrankter Menschen Rechnung zu tragen ist (vgl. Kreutz a.a.O.).

Des Weiteren spricht für die Einbeziehung der Kosten für Gebärdensprachdolmetscher in die allgemeinen Krankenhausleistungen nach § 2 Abs. 1 KHEntgG der Umstand, dass diese bei der Kalkulation der DRG -Fallpauschalen berücksichtigt wurden. Mithin sind die Vertragsparteien nach §17 b Abs. 2 Satz 1 KHG davon ausgegangen, dass die Kosten für die Inanspruchnahme eines Gebärdensprachdolmetschers zu den allgemeinen Krankenhausleistungen gehören. Zwar hat sich der Aufwand laut Auskunft des InEK in dem hier strittigen Zeitraum vor 2014 nicht in einer Pauschale niedergeschlagen, dies beruht aber auf der Tatsache, dass sich wenige Fälle von Krankenhausbehandlungen gehörloser Patienten auf eine Vielzahl von Codes verteilen. Es liegt nahe, dass es aus diesem Grund von den Vertragsparteien zunächst nicht für nötig befunden wurde, hierfür eine OPS in den Katalog aufzunehmen. Daraus, dass die Prozedur 9-510. X seit 2014 nun kodiert werden kann, aber wiederum nicht erlösrelevant ist, folgt, dass es sich um eine Klarstellung handelt. Für Behandlungsfälle nach 2014 kann nicht mehr streitig sein, dass Leistungen für Gebärdensprachdolmetscher zu den allgemeinen Krankenhausleistungen gehören. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 21/14 R –, SozR 4-2500 § 109 Nr. 46 m.w.N.). Im Übrigen ist der Abrechnung der Beklagten im Rahmen des DRG-Systems auch die Nebendiagnose Taubstummheit, andernorts nicht klassifiziert (H91.3) zu Grunde gelegt worden.

Nichts anderes ergibt sich aus § 17 Abs. 2 Satz 2 SGB I. Zwar ist die Beigeladene gemäß dieser Vorschrift verpflichtet, die durch die Verwendung der Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen entstehenden Kosten zu tragen. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB I in der bis zum 26.07.2016 geltenden Fassung haben hörbehinderte Menschen das Recht, bei der Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere auch bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen, Gebärdensprache zu verwenden. Diese Vorschrift regelt damit den Anspruch zwischen Leistungsberechtigten und Sozialleistungsträger (SG Berlin, Urteil vom 27.09.2016, S 208 KR 913/16, nicht veröffentlicht). Ebenso wenig wie § 19 SGB X in der Fassung vom 05.05.2004, wonach hörbehinderte Menschen das Recht haben, zur Verständigung in der Amtssprache Gebärdensprache zu verwenden und Aufwendungen für Dolmetscher von der Behörde oder dem für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger zu tragen sind, trifft diese Vorschrift eine Aussage darüber, ob diese Kosten bereits durch die Vergütung der Krankenhausleistung durch Zahlung einer Fallpauschale abgegolten sind.

Die Klägerin hat ihre Leistungen auch nicht gegenüber der Versicherten oder der Beigeladenen erbracht. Vorliegend besteht die Besonderheit, dass neben der Klägerin und der Beklagten die Beigeladene und die Versicherten in die Leistungsbeziehungen eingebunden sind. Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Bereicherungsvorgangs wird die Möglichkeit des Bereicherungsausgleichs allerdings allein auf den Partner des Leistungsverhältnisses reduziert, in dem die Leistungsstörung vorliegt; der Leistende kann sich zum Ausgleich der ungerechtfertigten Vermögensverschiebung nur an diesen, nicht aber an einen ebenfalls beteiligten Dritten halten. Für die Frage, zwischen welchen Beteiligten eine Zuwendung im Dreiecksverhältnis als Leistung angesehen werden muss, wer also Leistender und wer Leistungsempfänger ist, sind für eine sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung die Besonderheiten des einzelnen Falles zu beachten; insbesondere kommt es darauf an, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben. Im Zweifel ist eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers geboten (BSG, Urteil vom 13.05.2004 a.a.O.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich sowohl nach dem Willen der Klägerin als auch nach dem objektiven Empfängerhorizont der Beklagten, dass die Klägerin die Übertragung der ärztlichen Kommunikation mit der Versicherten in Gebärdensprache für die Beklagte erbracht hat.

Im zu entscheidenden Fall hat die Beklagte den Einsatz der Klägerin im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 KHEntgG "veranlasst" und musste daher davon ausgehen, dass die Klägerin ihr die Leistung zugewendet hat. Zu dieser Bewertung kommt das Gericht aufgrund der Aussage der Zeugin H ... Die die Versicherte behandelnde Zeugin hat nämlich bereits während der ambulanten Voruntersuchung mit der Klägerin deren Einsätze zum Gebärdensprachdolmetschen im Krankenhaus der Klägerin vereinbart. Nach dem Duden (www.duden.de /woerter buch) bedeutet "veranlassen" "dazu zu bringen, etwas zu tun" oder "durch Beauftragung eines Dritten, durch Anordnung oder ähnliches dafür sorgen, dass etwas Bestimmtes geschieht oder getan wird". Vorliegend hat die Zeugin, nachdem sie auf den Anspruch und die Notwendigkeit der Übertragung der ärztlichen Gespräche mit der Versicherten in Gebärdensprache hingewiesen wurde und sich dies von der Krankenhausverwaltung hat bestätigen lassen, den Einsatz der Klägerin durch Terminvereinbarung organisiert. Nach der Wortbedeutung ist für das Tatbestandsmerkmal "veranlassen" mithin ein Vertragsschluss mit dem Dritten nicht erforderlich. Unerheblich ist auch, dass die Initiative zum Gebärdensprachdolmetschen zunächst von der Klägerin ausging. Denn ohne ihre Mitwirkung bei der Anbahnung ihres Einsatzes wäre - ebenso wie bei der eigentlichen Krankenhausbehandlung der Versicherten - eine Kommunikation gar nicht möglich gewesen. Somit hat die Klägerin die Leistung als Dritte im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG und damit - rechtlich gesehen - nicht gegenüber dem versicherten Patienten, sondern gegenüber dem sie beauftragenden Krankenhaus (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Januar 2012 – L 5 KR 14/11 –, juris) erbracht.

Dass die Klägerin möglicherweise bereits zu anderen Gelegenheiten für die Versicherte als Gebärdensprachdolmetscherin fungiert hat, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falls unerheblich, denn die Beklagte hat, wie bereits gezeigt, den Einsatz der Klägerin im Sinne des Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG veranlasst.

Die Klägerin hat ihren Einsatz als Gebärdensprachdolmetscherin auch nicht für die Beigeladene erbracht. Dies setzt voraus, dass die Einsätze der Klägerin entweder von der Versicherten selbst oder von der Zeugin H. erkennbar zur Realisierung einer Sach- oder Dienstleistungsverpflichtung der Beigeladenen aus dem Versicherungsverhältnis abgerufen oder veranlasst worden seien (BSG, Beschluss vom 29.07.2014 a.a.O.). Hierfür besteht für das Gericht kein Anhalt. Denn die Zeugin H. hat glaubhaft bekundet, dass über die Frage, wer letztlich die Kosten des Einsatzes der Klägerin zu tragen habe, nicht gesprochen wurde. Auch aus dem "Bestätigungsschreiben" ergibt sich nichts anderes. Das Gericht teilt nicht die Auffassung des Amtsgerichts-Altona (Urteil vom 28.09.2012, 318c C 137/12, nicht veröffentlicht), wonach die Unterzeichnung der Notwendigkeitsbescheinigung dafür spräche, dass die unterzeichnende Mitarbeiterin davon ausgegangen sei, die Beigeladene habe die für den Einsatz der Klägerin entstehende Kosten zu tragen. Denn zum einen betrifft dies eine rechtliche Frage, zum anderen dient die Notwendigkeitsbescheinigung nur dazu, einen Nachweis für die individuell medizinische Notwendigkeit des Einsatzes der Klägerin von den die Versicherte konkret behandelnden Ärzte zu erlangen. Die Notwendigkeitsbescheinigung kann somit auch als Nachweis gegenüber der Krankenhausverwaltung als Kostenträger dienen.

Es handelt sich im vorliegenden Fall auch nicht um eine aufgedrängte Bereicherung. Eine aufgedrängte Bereicherung liegt vor, wenn für den Erwerbenden die ohne seine Zustimmung erfolgte objektive Wertsteigerung subjektiv kein Interesse hat; dann kollidiert dessen Selbstbestimmungsrecht mit dem Bereicherungsausgleich (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 31.10.2007 – L 1 KR 21/07 –, juris m.w.N.). Entgegen dem Vortrag der Beklagten ist eine anderweitige Sicherstellung einer stationären Behandlung der gehörlosen Versicherten, die dem Qualitätsgebot entspricht, nicht denkbar. Wäre die Klägerin nicht tätig geworden, hätte sie eine andere Gebärdensprachdolmetscherin rufen müssen, die Kosten in gleicher Höhe hätte beanspruchen können (§ 19 SGB X).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1, Abs. 2 Abs. 7 i.V.m. § 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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