L 5 KA 2448/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KA 5438/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 2448/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die nachgehende Richtigstellung vertragsärztlicher Honorarbescheide beruht auch nach Ablauf der Frist von vier Jahren seit ihrer Bekanntgabe auf § 106a SGB V a.F. (jetzt § 106d SGB V n.F.) und nicht auf § 45 SGB X. Diese Vorschrift ist nur insoweit (teilweise) entsprechend anzuwenden, als sie den Vertrauensschutz des von der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts Betroffenen zum Gegenstand hat. Rücknahmeermessen muss die Kassenärztliche Vereinigung daher nicht ausüben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.05.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 55.184,57 EUR endgültig festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist eine im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung (nachgehende Richtigstellung) verfügte Honorarrückforderung für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 in Höhe von 55.184,57 EUR.

Der Kläger ist Facharzt für Anästhesiologie mit der Berechtigung zum Führen der Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie". Er war bis 31.10.2007 als Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin bei der K.-O.-K. GmbH, St., angestellt. Mit Beschluss vom 24.10.2007 erteilte der Zulassungsausschuss für Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg - Regierungsbezirk St. - (ZA) dem Kläger gemäß § 116 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. § 31a Abs. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) eine (Folge-)Ermächtigung zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung mit Wirkung vom 01.11.2007 für die Betriebsstätte K.-O.-K., Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, St ... Die (bis zum 01.10.2008 befristete) Ermächtigung ist durch eine ihr (unter I.) beigefügte Nebenbestimmung von zu begründenden Ausnahmen abgesehen, begrenzt auf die Durchführung der gebietsbezogenen Schmerztherapie (Fachgebiet Anästhesiologie) auf Grund von Überweisungen der zugelassenen schmerztherapeutisch tätigen Fachärzte für Anästhesiologie sowie der Vertragsärzte, die an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnehmen.

Mit Honorarbescheiden vom 14.07.2008, 15.10.2008 und 15.01.2009 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für in den Quartalen 1/2008 bis 3/2008 (zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung, GKV) erbrachte Ermächtigungsleistungen auf 18.528,53 EUR, 19.189,66 EUR bzw. 17.722,24 EUR fest. Der Kläger hatte jeweils die Abrechnungssammelerklärungen (unter dem 31.03.2008, 11.07.2008 und 10.10.2008) abgegeben. Die Erklärungsvordrucke enthalten unter der Überschrift "Mobile Kartenlesegeräte" u.a. den Hinweis darauf, dass Chipkartenarchivierungsprogramme nicht eingesetzt worden seien und dass das Zurückübertragen/Rückspeichern der in solchen Programmen gespeicherten Patientendaten in mobile Krankenversichertenkartenlesegeräte oder direkt in ein Praxisverwaltungsprogramm nicht zulässig sei.

Der bei der Beklagten (Bezirksdirektion St.) eingerichtete Plausibilitätsausschuss führte eine Plausibilitätsprüfung der vom Kläger für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 eingereichten Honorarabrechnungen durch.

Mit (ohne Anhörung ergangenem) Bescheid vom 17.03.2014 verfügte die Beklagte die Entnahme (Streichung) aller nicht dem Ermächtigungskatalog entsprechenden Behandlungsfälle der Quartale 1/2008 bis 3/2008. Das Honorar des Klägers wurde für die genannten Quartale auf 121,85 EUR, 134,01 EUR bzw. 0,00 EUR neu festgesetzt (Differenz: 18.406,68 EUR, 19.055,65 EUR bzw. 17.722,24 EUR). Außerdem wurde dem Kläger aufgegeben, in den Quartalen 1/2008 bis 3/2008 zuviel gezahltes Honorar i.H.v. 55.184,57 EUR zurückzuzahlen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Abrechnungen der Quartale 1/2008 bis 3/2008 seien einer Plausibilitätsprüfung unterzogen worden. Der Plausibilitätsausschuss habe in seiner Sitzung vom 03.02.2014 die Entnahme aller Behandlungsfälle der Quartale 1/2008 bis 3/2008, die nicht dem Ermächtigungskatalog des Klägers entsprochen hätten, beschlossen. Man habe die Abrechnungsunterlagen dem Plausibilitätsausschuss vorgelegt, weil neben der Nichteinhaltung des Ermächtigungskatalogs aufgefallen sei, dass die Überweisungen an den Kläger fast ausschließlich durch die (ärztliche) Berufsausübungsgemeinschaft M./St./L. (im Folgenden: BAG) ausgestellt worden seien, wobei das Einlesedatum bei der BAG und beim Kläger identisch gewesen sei. Bei der Prüfung und dem Abgleich der Patienten des Praxisnachfolgers des Klägers (Th. M.) mit der BAG sei festgestellt worden, dass die Krankenversicherungskarten in der BAG am Tag der Ausstellung des Überweisungsscheins, der fast immer auch der erste Behandlungstag des Patienten bei dem Arzt M. gewesen sei, eingelesen worden seien, obwohl die BAG Behandlungsleistungen erst wesentlich später abgerechnet habe. Dr. L. habe im Zuge der Prüfung die Existenz eines mobilen Lesegeräts und außerdem bestätigt, dass der Datenaustausch der Patientendaten des Arztes M. in das System der BAG vorgenommen worden sei. Bei den Abrechnungsunterlagen des Klägers für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 befänden sich mit Ausnahme von 2 Fällen nur Überweisungen der BAG. Man habe auch festgestellt, dass die Krankenversicherungskarten in der BAG jeweils an dem Tag eingelesen worden seien, den der Kläger auch in seinen Abrechnungsunterlagen angegeben habe. Nach Auffassung des Plausibilitätsausschusses sei daher von einem Missbrauch der Krankenversicherungskarten auszugehen. Das stelle einen schweren Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten dar. Deswegen würden der Abrechnung des Klägers alle Behandlungsfälle, für die Überweisungsscheine durch die BAG ausgestellt worden seien, nachträglich entnommen. Die von der BAG ausgestellten Überweisungen hätten zudem nicht dem Ermächtigungskatalog des Klägers entsprochen. Der Kläger habe mit der Abrechnungssammelerklärung die sachliche Richtigkeit seiner Abrechnung erklärt. Entfalle - wie hier - die Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärung, weil sie wegen zwar abgerechneter, aber nicht oder nicht vollständig erbrachter Leistungen unrichtig sei, fehle auch eine Voraussetzung für die Festsetzung des Honorars. Man habe daher die Honorarbescheide für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 gemäß § 45 Abs. 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) aufgehoben und das Honorar für die genannten Quartale zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Abrechnung neu festgesetzt. Es seien keine Gründe erkennbar, von dieser Maßnahme abzusehen. Den Plausibilitätsausschüssen stehe bei der Schadensbemessung ein Schätzungsermessen zu. Gemäß § 45 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) könnten die nachgehende Richtigstellung von Honorarfestsetzungen und die Honorarrückforderung auch nach Ablauf einer Ausschlussfrist von 4 Jahren verfügt werden, wenn und soweit der Verwaltungsakt (Honorarbescheid) auf Angaben beruhe, die der Arzt vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe, oder der Arzt die Rechtswidrigkeit des Honorarbescheids gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe; grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße verletzt worden sei.

Am 16.04.2014 legte der Kläger Widerspruch ein. Er trug vor, seine Tätigkeit als Chefarzt im K.-O. K. habe zum 31.10.2007 geendet. Auf Grund der ihm (noch) bis 01.10.2008 erteilten Ermächtigung habe er in den Quartalen 1/2008 bis 3/2008 im K.-O.-K. insgesamt 112 Patienten (60 Alt- und 52 Neupatienten) schmerztherapeutisch behandelt. Bis zur Beendigung seiner Aufgaben als Chefarzt zum 31.10.2007 habe er am K.-O.-K. mit einer zur schmerztherapeutischen Behandlung zugelassenen Ärztin (Dr. St.) zusammengearbeitet; diese Zusammenarbeit sei ebenfalls zum 31.10.2007 beendet worden. Im Hinblick auf die bis 01.10.2008 erteilte Ermächtigung habe er sich um eine Folgeverbindung zu einem in die Schmerztherapie überweisenden Arzt bemüht, den er mit Dr. L. gefunden habe; er habe Dr. L. als Mitglied des für die Verleihung der Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie" zuständigen Prüfungsausschusses gekannt und als Schmerztherapeuten geschätzt. Dr. L. habe einer am Standort des K.-O.-K. geführten Gemeinschaftspraxis angehört und er sei auch Belegarzt an diesem Krankenhaus. Die neue Verbindung mit Dr. L. als niedergelassenem Facharzt für Neurochirurgie und Belegarzt habe sich als besonders geeignet erwiesen, um von der Ermächtigung Gebrauch machen zu können. Man habe wie folgt zusammengearbeitet: Seine fortdauernd behandelten Altpatienten hätten für jedes Folgequartal eine neue Überweisung benötigt. Diese habe seine Sekretärin jeweils für eine fortgesetzte Behandlung angefordert. Dabei habe sie wiederholt den Bedarf für Behandlungsvorgänge binnen kurzer Zeiträume gesammelt und die Überweisungen aus der Praxis von Dr. L. unter Vorlage der Versichertenkarte angefordert. Entsprechend sei bei Überweisungsanforderungen für Neupatienten verfahren worden. Diese würden vom Hausarzt zur schmerztherapeutischen Behandlung in das Schmerztherapie-Zentrum am K.-O.-K. überwiesen. Diese Überweisung habe dann jeweils nach Maßgabe der ihm erteilten Ermächtigung noch durch den schmerztherapeutisch zugelassenen oder an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnehmenden Fach- oder Vertragsarzt unterlegt werden müssen. Auch um diese Überweisung habe seine Sekretärin in der Praxis des Dr. L. nachgesucht und sie von dort bestätigt erhalten. Die weitaus größte Zahl der in den Quartalen 1/2008 bis 3/2008 schmerztherapeutisch behandelten Patienten sei ihm daher auf Grund einer Folgeüberweisung oder einer Erstüberweisung durch den am selben Krankenhaus tätigen Neurochirurgen und Schmerztherapeuten Dr. L. zugeführt worden. Seine Sekretärin habe sodann die Behandlungsleistungen bei der Beklagten auf der Grundlage der ihr vorliegenden Überweisungen und seiner Leistungsangaben abgerechnet. Er habe seine Behandlungstätigkeit mit Ablauf der Ermächtigung zum 30.09.2008 eingestellt. Von der Plausibilitätsprüfung habe er erstmals mit dem Bescheid vom 17.03.2014 erfahren. Er könne nicht nachvollziehen, inwiefern er Versichertenkarten missbraucht haben solle und weshalb die Überweisungen des Dr. L. seinem Ermächtigungskatalog nicht entsprochen haben sollten. Er habe alle abgerechneten Behandlungsleistungen (vollständig) erbracht. Er habe auf den Bestand der Honorarbescheide für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 vertraut und entsprechende Vermögensdispositionen getroffen, die er nicht mehr rückgängig machen könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, der Verdacht des regelwidrigen Datenaustausches mit der BAG habe sich bestätigt. Dr. L. habe eingeräumt, dass er über ein mobiles Kartenlesegerät verfüge und dass ein Großteil der Patientendaten des Klägers mit der BAG ausgetauscht worden sei, ohne dass sich die Patienten bei der BAG vorgestellt hätten. In fast allen Fällen sei der Tag der Überweisung des Patienten durch die BAG zugleich der erste Behandlungstag beim Kläger, wobei die BAG ihre Leistungen aber wesentlich später abgerechnet habe. Der Plausibilitätsausschuss gehe davon aus, dass der Kläger darum im Hinblick auf den Umfang seiner Ermächtigung gewusst haben müsse. Außerdem habe die Zulassung des Dr. L. nicht den Anforderungen des Ermächtigungskatalogs entsprochen. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 SGB X seien daher erfüllt. Die Honorarbescheide für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 hätten deshalb aufgehoben und das Honorar habe neu festgesetzt werden müssen. Dieser Beurteilung schließe sich der Widerspruchsausschuss an. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 08.09.2014 zugestellt.

Am 07.10.2014 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er trug ergänzend vor, nach Beendigung der Zusammenarbeit mit Dr. St. habe er sich (für eine weitere Zusammenarbeit) an Dr. L. gewandt. Dieser sei in einer am K.-O.-K. ansässigen Gemeinschaftspraxis für Orthopädie, Unfallchirurgie und Neurochirurgie (vertragsärztlich) tätig; er verfüge über die Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie". Die Zusammenarbeit mit Dr. L. sei ihm wegen der engen lokalen Verbundenheit zum K.-O.-K. und der neurochirurgischen Kompetenz des Dr. L. als besonders vorteilhaft erschienen. Man habe sich deshalb darauf verständigt, dass Dr. L. ihm die nach einer ambulanten Schmerztherapie nachfragenden Patienten zur Behandlung zuweise. Hierfür sei wie folgt verfahren worden: Der Schmerzpatient habe sich von seinem Hausarzt in seine (des Klägers) ambulante Behandlung überweisen lassen. Bei ihm sei sodann die Versichertenkarte in sein Lesegerät eingegeben worden; dadurch sei der Aufnahmetag gespeichert worden. Seine (in der Ambulanz tätige) Sekretärin habe die eingegebenen Daten in die Praxis des Dr. L. weitergeleitet, der sie in sein System eingelesen und dort gespeichert habe. Dr. L. habe daraufhin den Überweisungsschein für seine, des Klägers, Behandlung ausgestellt und er habe die Behandlung durchgeführt und abgerechnet. Die Abrechnungen für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 seien ihm nicht mehr zugänglich; sie seien nach Angaben des Trägers des K.-O.-K. gelöscht worden. Die Beklagte habe seine Abrechnungen seinerzeit nicht beanstandet. Die Plausibilitätsprüfung sei offenbar im Nachgang zu einer Prüfung bei seinem Nachfolger in der Schmerzambulanz des K.-O.-K. (Oberarzt Dr. M.) durchgeführt worden; dieser habe seine (als ermächtigter Krankenhausarzt erbrachten) Behandlungen offenbar ohne ausreichende Überweisung vorgenommen. Die angefochtenen Bescheide seien formell rechtswidrig; die Beklagte habe sich mit seinem Widerspruchsvorbringen auch nicht hinreichend auseinandergesetzt. Die Nutzung eines mobilen Kartenlesegeräts, das den Datenaustausch mit der Praxis des Dr. L. ermöglicht habe, stelle keinen Missbrauch dar. Das Kartenlesegerät habe dazu gedient, die aus der Versichertenkarte gewonnenen Patientendaten an den Überweisungsarzt zu übertragen und diesem die Ausstellung des Überweisungsscheins zu erleichtern. Dafür bedürfe es nach gängiger Praxis (vgl. auch Gebührenordnungsposition (GOP) 01430 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen, EBM) keines persönlichen Patentenkontaktes zum überweisenden Arzt. Sowohl bei Erstpatienten wie bei Dauerpatienten könne die Überweisung auf Grund der verfügbaren Angaben des Hausarztes oder auf Grund der beim überweisenden Arzt gespeicherten Krankengeschichte des Patienten erfolgen. Er habe seinerzeit alle abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß und vollständig erbracht. Das Schätzungsermessen sei nicht ausgeübt worden. Man habe nicht erwogen, dass er weder die Krankenkassen mit der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen belastet noch (niedergelassene) Schmerztherapeuten benachteiligt habe, weil die Schmerztherapie deutlich "unterbesetzt" sei. Da Dr. L. die Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie" führe, sei er davon ausgegangen, dass er auch an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnehme. Dass das nicht der Fall sei, habe er nicht gewusst. Er habe Dr. L. seinerzeit gefragt, ob er bereit sei, die von ihm, dem Kläger, eher als Formalie eingestuften und angesichts der schmerztherapeutischen Unterversorgung unkritischen Überweisungen auszustellen. Dr. L. habe ihm das zugesagt, weshalb er angenommen habe, dass Dr. L. dazu berechtigt sei. Die Voraussetzungen für die Rücknahme der Honorarbescheide nach Ablauf der Vierjahresfrist seien nicht geprüft worden und auch nicht erfüllt. Er habe die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 weder gekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit verkannt. Er habe die Patienten auf Grund der Überweisung durch Hausärzte oder durch Dr. L. behandeln dürfen. Dass er Dr. L. nicht nach der Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung gefragt habe, begründe allenfalls den Vorwurf leichter Fahrlässigkeit. Die geschilderte Nutzung des Kartenlesegeräts zur Beschaffung der notwendigen (Sonder-)Überweisungen habe er nicht als missbräuchlich angesehen. Er habe gemeint, sich in der Zusammenarbeit mit Dr. L. richtig zu verhalten. Schließlich sei die Jahresfrist für die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte verstrichen. Die Beklagte habe seine Abrechnungen im Hinblick auf Feststellungen bei der Prüfung der Abrechnungen seines Nachfolgers (Oberarzt Dr. M.) vorgenommen. Diese Prüfung habe im Jahr 2012 stattgefunden und man habe gegenüber dem Oberarzt Dr. M. unter dem 04.03.2013 eine Honorarrückforderung verfügt. Der Bescheid vom 17.03.2014 sei daher verspätet. Auch die Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X sei verstrichen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Dass der Kläger die in den Quartalen 1/2008 bis 3/2008 abgerechneten Leistungen (vollständig) erbracht habe, sei unerheblich. Die verfügte Honorarrückforderung beruhe darauf, dass die Maßgaben der dem Kläger erteilten Ermächtigung nicht eingehalten worden seien; auch wegen eines formalen Verstoßes dieser Art dürfe gemäß des § 106a SGB V (in der hier noch maßgeblichen Fassung, a.F.) sachlich-rechnerisch berichtigt werden. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 SGB X seien erfüllt. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig gehandelt und könne Vertrauen in den Bestand der für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 ergangenen Honorarbescheide nicht geltend machen. Das folge schon aus dem Klagevorbringen, in dem der Kläger die Zusammenarbeit mit Dr. L. geschildert habe. Er habe damit das (Leistungserbringungs-)Verhalten, von dem der Plausibilitätsausschuss ausgegangen sei, gerade bestätigt. Die Patienten hätten die Ambulanz des Klägers entweder ohne Überweisungsschein oder ohne eine der Ermächtigung entsprechende Überweisung aufgesucht. Der Kläger habe sich sodann die der Ermächtigung vermeintlich entsprechende Überweisung selbst beschafft, indem er die bei ihm eingelesenen Daten der Versichertenkarte dem Dr. L. zugleitet habe, der sodann an Hand dieser Daten die Überweisungsscheine ausgestellt habe. Die Existenz eines mobilen Kartenlesegeräts sei eingeräumt worden. Die betroffenen Patienten seien in der Praxis des Dr. L. später oder gar nicht behandelt worden. Diese mit Dr. L. abgesprochene Vorgehensweise stelle einen Missbrauch der Krankenversichertenkarte dar, mit deren Hilfe man Überweisungsscheine hergestellt habe. Dass dies den Regelungen in § 24 Abs. 1 und 2 BMV-Ä widerspreche, sei offensichtlich. Damit habe der Kläger jedenfalls grob fahrlässig gehandelt. Die Überweisungen hätten außerdem nicht der Ermächtigung entsprochen, weil Dr. L. nicht an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnehme. Der Kläger sei dafür verantwortlich, dass die Überweisungen den Vorgaben seiner Ermächtigung genügten. Das müsse er und nicht der überweisende Arzt überprüfen. Der Kläger habe dies unterlassen und auch insoweit grob fahrlässig gehandelt. Er habe seinerzeit ausschließlich mit Dr. L. zusammengearbeitet; nur 2 Überweisungsscheine seien von anderen Ärzten ausgestellt worden. Man habe daher zu Recht alle dem Ermächtigungskatalog nicht entsprechenden Fälle gestrichen. Ermessen habe man nicht ausüben müssen (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 24.10.2012, - L 5 KA 5778/11 -, Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 28.08.2013, - B 6 KA 50/12 R -, beide in juris). Die Jahresfrist für die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte sei nicht einschlägig; § 45 SGB X sei auf Honorarbescheide nur im Hinblick auf die Regelungen in Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 anwendbar (vgl. SG Stuttgart, Urteil vom 30.11.2012, - S 5 KA 8002/10 -, nicht veröffentlicht).

Mit Urteil vom 11.05.2015 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 17.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2014 auf. Zur Begründung führte es aus, Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide sei § 45 Abs. 1 SGB X; die Vierjahresfrist für die Aufhebung von Honorarbescheiden im Wege sachlich-rechnerischer Berichtigung sei verstrichen. Die angefochtenen Bescheide seien formell rechtmäßig, die zunächst unterbliebene Anhörung des Klägers sei im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden. Die Bescheide seien aber materiell rechtswidrig. Die Honorarbescheide für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 seien (teilweise) rechtswidrig. Der Kläger habe die abgerechneten Leistungen unter Verletzung der seiner Ermächtigung beigefügten Nebenbestimmungen erbracht. Es habe an der Überweisung (§ 24 Abs. 1 und 2 BMV-Ä) durch einen zugelassenen schmerztherapeutisch tätigen Facharzt für Anästhesiologie bzw. durch einen an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnehmenden Arzt gefehlt. Die Behandlungen seien nicht durch den überweisenden Arzt veranlasst worden, vielmehr habe der Kläger die Überweisung veranlasst. Außerdem sei Dr. L. weder Facharzt für Anästhesiologie noch nehme er an der Schmerztherapie-Vereinbarung teil. Hinsichtlich beider Umstände falle dem Kläger auch grobe Fahrlässigkeit zur Last. Ob die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt worden sei, könne offen bleiben. Die angefochtenen Bescheide seien nämlich schon deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte ihr Ermessen nicht ausgeübt habe; der Rechtsprechung der 5. Kammer des SG Stuttgart (Urteil vom 30.11.2012, - S 5 KA 8002/10 -, nicht veröffentlicht) sei insoweit nicht zu folgen. Ob die Anwendung des § 45 SGB X in Verfahren der vorliegenden Art auf die Vertrauensschutzregelungen in Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 beschränkt sei, sei höchstrichterlich nicht geklärt (vgl. jurisPK-SGB V/Clemens § 106a (2012) Rdnr. 71). Würden die Regelungen der §§ 45 ff. SGB X - wie hier - nach Ablauf der Vierjahresfrist für die sachlich-rechnerische Berichtigung von Honorarbescheiden nicht verdrängt, seien die genannten Vorschriften in vollem Umfang und nicht nur teilweise anzuwenden (jurisPK-SGB V/Clemens, a.a.O.). Aus dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24.10.2012 (- L 5 KA 5778/11 -, in juris) folge nichts anderes. Es habe die sachlich-rechnerische Berichtigung von Honorarbescheiden nach Maßgabe des § 106a SGB V a.F. zum Gegenstand; diese Vorschrift sehe - anders als § 45 SGB X - Ermessen nicht vor. Man müsse zwar berücksichtigen, dass zu Gunsten eines Arztes rechtswidrig festgesetztes Honorar zu Lasten der anderen Ärzte gehe. Das könne aber im Rahmen der - hier zu Unrecht unterbliebenen - Ermessensentscheidung berücksichtigt werden. Dass Ermessen ausgeübt worden sei, könne weder dem Ausgangs- noch dem Widerspruchsbescheid entnommen werden. Die Angabe, Gründe von der Honorarrückforderung abzusehen, seien nicht ersichtlich, genüge hierfür ebenso wenig wie der allgemeine Hinweis auf das (vom Rücknahmeermessen verschiedene) Schätzungsermessen des Plausibilitätsausschusses. In Fällen der vorliegenden Art müsse die Beklagte sowohl Entschließungs- wie Auswahlermessen (hinsichtlich des Umfangs der Honorarrückforderung) ausüben (vgl. Merten: in Hauck/Noftz, SGB X § 45 Rdnr. 104). In der mündlichen Verhandlung sei für die Beklagte ausdrücklich das Vorliegen einer gebundenen Entscheidung bekräftigt worden.

Gegen das ihr am 21.05.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.06.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23.06.2010, - B 6 KA 7/09 R -, in juris) gelte die Regelung des § 45 SGB X für die Rücknahme von Honorarbescheiden nach Ablauf der Vierjahresfrist nicht insgesamt. Die Anwendung des § 45 SGB X beschränke sich vielmehr auf die Vertrauensausschlusstatbestände in § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 SGB X. Zu prüfen seien - so BSG (a.a.O.) - allein die Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X, nicht hingegen die sonstigen Voraussetzungen des § 45 SGB X für die Rücknahme bestandskräftiger Verwaltungsakte. Im dem Urteil des BSG vom 23.06.2010 (a.a.O.) zugrunde liegenden Fall sei Ermessen ebenfalls nicht ausgeübt worden. Das BSG habe gleichwohl nur das Vorliegen von Vertrauensausschlusstatbeständen geprüft und das - vom Rücknahmeermessen verschiedene - Schätzungsermessen angesprochen. Das BSG habe der Sache nach dargelegt (a.a.O. Rdnr. 66 ff.), weshalb die Ausübung von Rücknahmeermessen nicht notwendig sei. Davon abgesehen enthalte der Bescheid vom 17.03.2014 Ermessenserwägungen; es sei darauf verwiesen worden, dass man den Honoraranspruch zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Abrechnung neu festgesetzt habe und dass Gründe, hiervon abzusehen, nicht erkennbar seien. Solche Gründe seien auch später, etwa im Widerspruchsverfahren, nicht geltend gemacht worden. Hier sei zudem von einem kollusiven Zusammenwirken des Klägers mit Dr. L. auszugehen. Der Kläger habe auch grob fahrlässig gehandelt und daher auf den Bestand der Honorarbescheide für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 nicht vertrauen dürfen. Das gehe aus seinem Klagevorbingen hervor. Die (eigentlich nicht geltende) Jahresfrist für die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte sei ebenfalls gewahrt. Sie habe frühestens auf Grund eines Gesprächs mit dem Nachfolger des Klägers (Oberarzt Dr. M.) am 29.04.2013 Kenntnis von den für die Rücknahme der Honorarbescheide maßgeblichen Tatsachen gehabt. Vorher habe eine weitergehende genauere Prüfung der Abrechnungen des Klägers nicht stattgefunden. Der Ausgangsbescheid vom 17.03.2014 wäre daher fristgerecht ergangen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.05.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er bekräftigt sein bisheriges Vorbringen. Er habe seinerzeit nicht missbräuchlich gehandelt. Nach der Beendigung der Zusammenarbeit mit Dr. St. habe er im Wesentlichen die Altpatienten weiterbehandelt; es seien nur ungefähr 50 Neupatienten hinzugekommen. Seinerzeit habe es im Großraum St. einen akuten Mangel an Schmerztherapeuten gegeben. Deswegen sei die restriktive Überweisungspraxis mittlerweile geändert worden. Die von der Beklagten befürwortete eingeschränkte Anwendung des § 45 SGB X lasse sich der Rechtsprechung des BSG nicht entnehmen (vgl. auch BSG, Urteil vom 28.08.2013, - B 6 KA 50/12 R -, in juris). Rücknahmeermessen habe die Beklagte nicht ausgeübt. Auch die Jahresfrist für die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte sei verstrichen; diese Frist sei anzuwenden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.02.2013, - L 7 KA 81/10 -, in juris Rdnr. 30). Die Ermittlungen gegen seinen Nachfolger hätten bereits Ende 2012 begonnen; dieser habe sein Patientenklientel und seine betrieblichen Abläufe unverändert übernommen. Die Beklagte habe aus der Anhörung seines Praxisnachfolgers und dem gegen diesen geführten Verwaltungsverfahren (Widerspruch gegen Kürzungsbescheide am 19.03.2013) um den hier maßgeblichen Rücknahmesachverhalt gewusst. Der Bescheid vom 17.03.2014 sei ihm nach seiner Erinnerung am 20.03.2014 zugestellt worden. Zudem habe man ihn nicht angehört, was für die Anwendung der Rücknahmefrist ebenfalls berücksichtigt werden müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Streitgegenstand ist die mit den angefochtenen Bescheiden verfügte (teilweise) Aufhebung der Honorarbescheide für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 und die Rückforderung von Vertragsarzthonorar i.H.v. 55.184,57 EUR; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist überstiegen. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig.

II. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind formell und materiell rechtmäßig. Das SG hätte sie nicht aufheben dürfen.

1.) Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Beklagte ist für deren Erlass sachlich zuständig gewesen. Sie hätte den Kläger freilich gemäß § 24 SGB X anhören müssen. Dieser Mangel ist indessen durch die Anhörung des Klägers im Widerspruchsverfahren geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X); er hat sich im Widerspruchsverfahren äußern und seine Einwendungen gegen den Bescheid vom 17.03.2014 vortragen können (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2001, - B 6 KA 3/01 R -, in juris).

2.) Die angefochtenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat die Honorarbescheide für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 auf der Grundlage des § 106a SGB V a.F. zu Recht insoweit (teilweise) aufgehoben, als der Kläger schmerztherapeutische Leistungen ermächtigungswidrig erbracht hat; die Tatbestandsvoraussetzungen des § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. sind deswegen erfüllt (unten a). Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen (unten b). Die (hier anzuwendende) einjährige Rücknahmefrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist gewahrt (unten c). Ermessen hat die Beklagte nicht ausüben müssen (unten d). Verfassungsrechtliche Bedenken (im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) bestehen nicht (unten e). Die Beklagte hat das zuviel gezahlte Honorar gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu Recht zurückgefordert (unten f).

a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. für die sachlich-rechnerische Richtigstellung der zu den Quartalen 1/2008 bis 3/2008 ergangenen Honorarbescheide sind erfüllt; der Kläger hat ambulante schmerztherapeutische Leistungen ermächtigungswidrig erbracht.

Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung und Rückforderung ist § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. Danach stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (so: BSG, Urteil vom 28.08.2013, - B 6 KA 50/12 R -, in juris Rdnr. 17).

Der Kläger hat in den Quartalen 1/2008 bis 3/2008 ambulante schmerztherapeutische Leistungen unter Verstoß gegen die seiner Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (unter I.) beigefügte Nebenbestimmung erbracht, wonach die Leistungserbringung (nur) auf Grund von Überweisungen zugelassener schmerztherapeutisch tätiger Fachärzte für Anästhesiologie und von an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnehmenden Vertragsärzten zulässig ist (Überweisungsvorbehalt). Das SG hat das zutreffend dargelegt; auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird daher Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei angemerkt:

Die vom Kläger mit Dr. L. praktizierte Zusammenarbeit ist nicht statthaft gewesen und hat eine Umgehung des Überweisungsvorbehalts dargestellt. Der Kläger hat den Überweisungsvorbehalt - wie aus seinem Klagevorbringen hervorgeht - als (bloße) "Formalie" angesehen und dementsprechend auch "pro forma" Überweisungsscheine mit Hilfe des Dr. L. "produziert" und mit diesen "Pro-forma-Überweisungsscheinen" die dem Ermächtigungsvorbehalt nicht genügenden Überweisungen von Hausärzten der Versicherten "unterlegt". Der Kläger hat die (unzulässige) Zusammenarbeit mit Dr. L. eingehend geschildert. Danach haben die Versicherten die ambulant erbrachten schmerztherapeutischen Behandlungsleistungen des Klägers nicht - wie in der Ermächtigung festgelegt - auf Überweisung nach Maßgabe des § 24 BMV-Ä durch die hierfür im Überweisungsvorbehalt benannten Ärzte, sondern auf Überweisung ihrer Hausärzte oder auch ohne Überweisung in Anspruch genommen. Die vom jeweiligen Hausarzt in die ambulante Behandlung des Klägers überwiesenen oder den Kläger ohne Überweisung konsultierenden Versicherten haben dem Kläger (seiner Sekretärin) die Versichertenkarte vorgelegt, man hat die Daten eingelesen und an Dr. L. übermittelt, der sodann die "Pro-forma-Überweisungsscheine" ausgestellt hat. Dass diese Vorgehensweise weder den Anforderungen des § 24 BMV-Ä noch dem Überweisungsvorbehalt entsprochen hat, liegt auf der Hand (dazu auch noch im Folgenden). Der Kläger ist der Sache nach nicht als ermächtigter Krankenhausarzt im Rahmen seiner Ermächtigung, sondern praktisch wie ein zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Vertragsarzt tätig geworden. Er hat seine Handlungsweise offenbar wegen der als unzureichend eingeschätzten Versorgungslage in der Schmerztherapie für (so sein Klagevorbringen) "unkritisch" gehalten. Die für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung geltenden rechtlichen Regelungen - etwa in § 24 BMV-Ä oder in einer der Ermächtigung beigefügten Nebenbestimmung - stehen freilich nicht zur Disposition des Vertragsarztes oder des ermächtigten Krankenhausarztes. Der Arzt ist nicht dazu befugt, sie nach Maßgabe einer eigenen Einschätzung der jeweiligen Bedarfslage zu befolgen oder - als bloße "Formalie" - für unverbindlich zu erklären und unbeachtet zu lassen. Davon abgesehen ist die Beurteilung des Versorgungsbedarfs Sache der hierfür zuständigen Gremien (ZA), die bei entsprechender Bedarfslage etwa - wie hier - eine Ermächtigung erteilen können (§ 31 Ärzte-ZV). Der ermächtigte Arzt muss dann die in der Ermächtigung verfügten Regelungen befolgen, auch wenn er die vom ZA erteilte Ermächtigung auf Grund seiner Beurteilung des Versorgungsbedarfs für nicht ausreichend oder wegen beigefügter Nebenbestimmungen für unzureichend hält. Dass der Kläger die ambulanten Behandlungsleistungen (unstreitig) ordnungsgemäß erbracht hat, ändert nichts an dem Rechtsverstoß durch Missachtung (Umgehung) des Überweisungsvorbehalts. Dieser Rechtsverstoß rechtfertigt die von der Beklagten verfügte nachgehende Richtigstellung der Honorarbescheide für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 (vgl. auch etwa LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.03.2015, - L 7 KA 27/12 -, in juris Rdnr. 23). Die Honorarbescheide sind ersichtlich nicht wegen Unrichtigkeit der Abrechnungssammelerklärungen (vollständig) aufgehoben worden; man hat nur die Honorarfestsetzung für die unter Verletzung des Überweisungsvorbehalts erbrachten Leistungen aufgehoben. Auf Verschulden des Klägers kommt es daher nicht an (vgl. etwa BSG, Urteil vom 22.03.2006, - B 6 KA 76/04 R -, in juris).

b) Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen. Der (hier einschlägige) Vertrauensausschlusstatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ist erfüllt.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28.08.2013, - B 6 KA 50/12 R -, in juris Rdnr. 22 ff.) kann der Vertragsarzt auf den Bestand eines vor einer endgültigen Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erteilten Honorarbescheides grundsätzlich nicht vertrauen. Die Auskehrung der Gesamtvergütungsanteile durch die Kassenärztliche Vereinigung im Wege der Honorarverteilung ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass diese quartalsmäßig auf die Honoraranforderungen ihrer Vertragsärzte hin Bescheide zu erlassen hat, ohne dass sie - aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen - die Rechtmäßigkeit der Honoraranforderungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Leistungserbringung bereits umfassend überprüfen konnte. Die Berechtigung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Rücknahme rechtswidriger Honorarbescheide ist nicht auf die Berichtigung von Fehlern aus der Sphäre des Vertragsarztes beschränkt, sondern besteht umfassend, unabhängig davon, in wessen Verantwortungsbereich die allein maßgebliche sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt.

Die umfassende Berichtigungsbefugnis der Kassenärztlichen Vereinigung, die den Besonderheiten und Erfordernissen der Honorarverteilung Rechnung trägt, ist aber im Hinblick auf den gebotenen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu begrenzen. Das gilt nach der Rechtsprechung des BSG sowohl für Unrichtigkeiten, die ihre Ursache in der Sphäre des Vertragsarztes finden, wie auch bei anderen Fehlern, etwa der Unwirksamkeit der generellen Grundlagen der Honorarverteilung. Insbesondere im letztgenannten Fall müssen die Interessen des einzelnen Arztes an der Kalkulierbarkeit seiner Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit einerseits und die Angewiesenheit der Kassenärztlichen Vereinigung auf die Weitergabe nachträglicher Änderungen der rechtlichen Grundlagen der Honorarverteilung an alle Vertragsärzte andererseits zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden. Zur generellen Sicherstellung dieses Interessenausgleichs und damit zur Beurteilung der Frage, in welchen Konstellationen das Vertrauen des Vertragsarztes auf den Bestand eines rechtswidrigen, ihn begünstigenden Verwaltungsaktes schutzwürdig ist, hat das BSG Fallgruppen herausgearbeitet, in denen die Befugnis zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen aus Gründen des Vertrauensschutzes begrenzt ist.

Die nachträgliche Korrektur eines Honorarbescheids nach den Vorschriften über die sachlich-rechnerische Richtigstellung ist nicht mehr möglich, wenn die Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheids bereits abgelaufen ist. Eine Rücknahme des Honorarbescheides ist nach Ablauf der Frist nur noch unter Berücksichtigung der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 SGB X möglich. Weiterhin ist die Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigung zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten eingeschränkt, soweit die Kassenärztliche Vereinigung ihre Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honoraranforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat. In diesem Fall ist die jedem Honorarbescheid innewohnende spezifische Vorläufigkeit und damit die Anwendbarkeit der Berichtigungsvorschriften entfallen. Darüber hinaus ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu beachten, wenn die Kassenärztliche Vereinigung es unterlassen hatte, bei der Erteilung des Honorarbescheids auf ihr bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen der Honorarverteilung oder ihrer Auslegung oder auf ein noch nicht abschließend feststehendes Gesamtvergütungsvolumen hinzuweisen und durch einen Vorläufigkeitshinweis zu manifestieren. Der Vorläufigkeitshinweis muss sich dabei nicht ausdrücklich aus dem Honorarbescheid selbst ergeben, es genügt vielmehr, dass sich der Vorbehalt aufgrund bestehender Ungewissheiten ausreichend deutlich aus den Gesamtumständen ergibt. Hat die Kassenärztliche Vereinigung einen derartigen Hinweis in der notwendigen Form unterlassen, sind die Berichtigungsvorschriften zwar weiterhin anwendbar, wegen des durch das Verhalten der Kassenärztlichen Vereinigung begründeten Vertrauensschutzes der Vertragsärzte ist für die Aufhebung eines Honorarbescheides aber nur Raum, wenn in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 SGB X Vertrauensausschlusstatbestände gegeben sind. Schließlich ist die Richtigstellungsbefugnis der Kassenärztlichen Vereinigung begrenzt, wenn die Besonderheiten der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen, die in der Rechtsprechung für die Verdrängung der Regelung des § 45 SGB X durch die Vorschriften über die sachlich-rechnerische Richtigstellung angeführt worden sind, nicht konkret tangiert sind. Diese Fallgruppe erfasst die fehlerhafte Abrechnung im Einzelfall etwa infolge eines Rechenfehlers oder der versehentlichen Verwendung eines falschen Berechnungsfaktors. Auch in einem solchen Fall wird die Honorarberichtigung zwar nach den einschlägigen bundesmantelvertraglichen Regelungen durchgeführt, im Rahmen des Berichtigungsverfahrens sind indes die speziellen Vertrauensschutztatbestände des § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 SGB X entsprechend heranzuziehen. Ein solcher Sachverhalt gibt keinen Anlass, von den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grund-sätzen abzuweichen, wonach die Behörde vorbehaltlich der besonderen Tatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 SGB X das Risiko dafür trägt, dass sie einen für den Bürger günstigen Verwaltungsakt erlässt, der sich nachträglich als teilweise rechtswidrig erweist. Ob daneben ein allgemeiner Vertrauensschutz weiterhin in Betracht kommt, wenn die Kassenärztliche Vereinigung die rechtswidrige Erbringung bestimmter Leistungen in Kenntnis aller Umstände längere Zeit geduldet hat, diese später jedoch insgesamt von einer Vergütung ausschließt, hat das BSG offen gelassen; die bloße fehlerhafte Zahlung über einen längeren Zeitraum ist jedenfalls nicht geeignet, Vertrauensschutz zu begründen (so: BSG, Urteil vom 28.08.2013, a.a.O.).

Die Vierjahresfrist nach Bekanntgabe (dazu BSG, Urteil vom 28.03.2007, - B 6 KA 22/06 R -, in juris) der Honorarbescheide für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 vom 14.07.2008, 15.10.2008 und 15.01.2009 ist bei Ergehen des Richtigstellungsbescheids vom 17.03.2014 (unstreitig) verstrichen gewesen, weshalb die (teilweise) Rücknahme der Honorarbescheide nur unter Berücksichtigung der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 SGB X zulässig ist. Vertrauensschutz ist hier nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ausgeschlossen.

Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X kann sich der (durch den Verwaltungsakt) Begünstigte (hier der Vertragsarzt bzw. ermächtigte Arzt) nicht auf Vertrauensschutz berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts (hier des Honorarbescheids) kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Notwendig ist, dass schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und daher nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall (hier) dem an der vertragsärztlichen Versorgung - sei es auf Grund einer Zulassung, sei es auf Grund einer Ermächtigung - teilnehmenden Arzt einleuchten muss. Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen (hier) des Arztes sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (allgemein zu § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.03.2016, - L 1 AS 296/15 -, in juris Rdnr. 82 m.w.N.).

Davon ausgehend hat der Kläger nach Auffassung des Senats (zumindest) grob fahrlässig verkannt, dass er die streitigen Behandlungsleistungen ermächtigungswidrig erbracht hat und ihm deshalb Honorar hierfür nicht zustehen kann (zu einem Fall grob fahrlässigen Verhaltens eines Vertragsarztes auch etwa BSG, Urteil vom 23.06.2010, - B 6 KA 7/09 R -, in juris). Der Kläger ist als Krankenhausarzt (Chefarzt eines Krankenhauses) zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt worden. Ihm ist klar gewesen, dass er nicht wie ein niedergelassener (zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassener) Arzt Versicherte ambulant behandeln darf, sondern dass er dazu nur nach Maßgabe seiner Ermächtigung und des ihr beigefügten Überweisungsvorbehalts berechtigt ist; etwaige Zweifel wären zur Vermeidung des Vorwurfs grob fahrlässigen Handelns ggf. durch Nachfrage bei der Beklagten auszuräumen gewesen. Der Kläger hätte sich auch über die für die ambulante Leistungserbringung geltenden (grundlegenden) rechtlichen Maßgaben - sollte er sie nicht gekannt haben - Klarheit verschaffen müssen, auch etwa darüber, was es mit der Leistungserbringung auf Überweisung (§ 24 BMV-Ä) im Einzelnen auf sich hat; dem Kläger sind diese Maßgaben freilich bekannt gewesen. Danach hat ihm (jedenfalls) bei einfachster Überlegung klar sein müssen, dass sich der Regelungsgehalt des Überweisungsvorbehalts nicht darin erschöpfen kann, für die ambulante Behandlung von Versicherten - bloß formal - "Pro-forma-Überweisungsscheine" zu beschaffen, sondern dass die ambulante Behandlung - tatsächlich (materiell) - als Behandlung auf Überweisung i.S.d § 24 BMV-Ä stattfinden muss, zumal der Überweisungsvorbehalt die Überweisungsberechtigung klar und unmissverständlich und einer Auslegung nicht zugänglich (eng) auf zugelassene schmerztherapeutische Fachärzte für Anästhesiologie und an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnehmende Vertragsärzte begrenzt hat; Ausnahmen sind zu begründen gewesen. Wenn der Kläger gleichwohl angenommen haben sollte, er müsse die Versicherten in Wahrheit gar nicht gemäß § 24 BMV-Ä auf Überweisung durch einen hierfür nach dem Überweisungsvorbehalt berechtigten Arzt behandeln, sondern sich nur einen Arzt suchen, der die Voraussetzungen des Überweisungsvorbehalts erfüllt, und sich von diesem "Pro-forma-Überweisungsscheine" für von anderen Ärzten oder gar nicht in seine Mit- oder Weiterbehandlung (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 BMV-Ä) überwiesene Versicherte ausstellen lassen, muss er sich grob fahrlässige Unkenntnis der ermächtigungswidrigen und deswegen nicht zu honorierenden Leistungserbringung entgegenhalten lassen. Nach Auffassung des Senats hat der Kläger aber auch gewusst, dass seine Vorgehensweise nicht zulässig ist. Er hat sie - so sein Klagvorbringen - nur deshalb als "unkritisch" (aber ansonsten eben doch als "kritisch") angesehen, weil er die schmerztherapeutische Versorgungslage (und sei es auch in der Sache zu Recht) als unzureichend eingestuft hat. Das gibt ihm - wie vorstehend bereits dargelegt worden ist - freilich nicht das Recht, den Ermächtigungszuschnitt unter Übergehung des ZA der selbst eingeschätzten Bedarfslage anzupassen und der Sache nach einen (weiten) Überweisungsvorbehalt zu praktizieren, der in der Ermächtigung mit ihrem (engen) Überweisungsvorbehalt so nicht verfügt worden ist. Ggf. hätte der Kläger beim ZA eine Änderung der Ermächtigung bzw. des Überweisungsvorbehalts beantragen müssen. Wenn er stattdessen - wie hier - eigenmächtig vorgeht, läuft er Gefahr, ermächtigungswidrig (wenngleich im Übrigen ordnungsgemäß) erbrachte Leistungen nicht vergütet zu erhalten. Davon abgesehen hat sich der Kläger, worauf es aber entscheidungserheblich nicht mehr ankommt, auch pflichtwidrig nicht vergewissert, ob Dr. L. die Voraussetzungen des Überweisungsvorbehalts erfüllt. Dies hat er - ohne groben Sorgfaltsverstoß - nicht schon deswegen unbesehen annehmen dürfen, weil er Dr. L. die Prüfung für die Verleihung der Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie" (als Mitglied des zuständigen Prüfungsausschusses) abgenommen hat.

c) Die einjährige Rücknahmefrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist gewahrt. Danach muss die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der dies rechtfertigenden Tatsachen vorgenommen werden.

Die Vorschrift des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist in Fällen der vorliegenden Art anzuwenden. Davon geht das BSG im Urteil vom 12.12.2012 (- B 6 KA 35/12 R -, in juris Rdnr. 22) - ohne Weiteres - aus. Der Senat schließt sich dem an. Die einjährige Rücknahmefrist dient im Ausgangspunkt der Rechtssicherheit (dazu im Hinblick auf die Voraussetzungen des Fristbeginns etwa BSG, Urteil vom 25.01.1994, - 7 RAr 14/93 -, in juris Rdnr. 28), gibt dem von der Rücknahme des Verwaltungsakts Betroffenen (damit) zugleich aber auch Vertrauensschutz in verfahrensrechtlicher Hinsicht, da er nach Ablauf der Rücknahmefrist mit einer Rücknahmeentscheidung nicht mehr rechnen muss; die Vertrauensausschlusstatbestände in § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 SGB X haben demgegenüber die Gewährung von Vertrauensschutz in materiell-rechtlicher Hinsicht zum Gegenstand. Beide Vertrauensschutzregelungen sind für den Vertrauensschutz bei nachgehender Richtigstellung von Honorarbescheiden nach Ablauf der Vierjahresfrist (entsprechend) anzuwenden (dazu noch unter d) sowie für die materiell-rechtlichen Vertrauensausschlusstatbestände BSG, Urteil vom 28.08.2013, - B 6 KA 50/12 R -, in juris Rdnr. 24). Da Vertrauensschutz nach Maßgabe des § 45 SGB X vor Ablauf der Vierjahresfrist nicht in Betracht kommt (dazu ebenfalls BSG, a.a.O.), kann die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X vor Ablauf der Vierjahresfrist nicht beginnen (vgl. auch jurisPK-SGBV/Clemens (2012) § 106a Rdnr. 85).

Die Beklagte hat von dem Sachverhalt, der der ermächtigungswidrigen Leistungserbringung durch den Kläger zugrunde liegt - der Zusammenarbeit des Klägers mit Dr. L. zur Ausstellung von "Pro-forma-Überweisungsscheinen" - erst im Zuge der deswegen veranlassten Prüfung der Honorarabrechnungen des Klägers in den Quartalen 1/2008 bis 3/2008 Kenntnis erlangt. Erkenntnisse aus der Plausibilitätsprüfung der (wenn auch offenbar gleichartigen) Behandlungstätigkeit des Oberarztes Dr. M. im Jahr 2012 sind nicht von Belang. Sie betreffen ein anderes Verwaltungsverfahren (Richtigstellungsverfahren) und haben nur den Verdacht begründet, dass auch der Kläger ermächtigungswidrig behandelt haben könnte und dass deshalb an ihn gerichtete Honorarbescheide im Wege nachgehender Richtigstellung (ebenfalls) aufzuheben sein könnten. Die Erkenntnisse aus dem Richtigstellungsverfahren gegen den Oberarzt Dr. M. haben die Prüfung der Honorarabrechnungen (auch) des Klägers veranlasst. Für den Beginn der Rücknahmefrist im Verwaltungsverfahren (Richtigstellungsverfahren) des Klägers kommt es auf die behördliche Kenntnis der Tatsachen an, die die Rücknahme der an den Kläger gerichteten Honorarbescheide rechtfertigen. Feststellungen hierzu sind aber erst im Zuge einer Prüfung der Abrechnungen des Klägers, angestoßen durch ein Gespräch von Mitarbeitern der Beklagten mit Dr. M. am 29.04.2013, getroffen worden; vorher hatte eine weitergehende Prüfung der Abrechnungen des Klägers nicht stattgefunden, so dass der Richtigstellungsbescheid vom 17.03.2014 innerhalb der einjährigen Rücknahmefrist ergangen ist. Dass die Behörde den Kläger vor Erlass dieses Bescheids nicht angehört hat und dieser Verfahrensfehler (erst) im Widerspruchsverfahren geheilt worden ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X), ist unschädlich. Die Entscheidungsfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist mit dem Ergehen des (wirksamen - § 39 SGB X) Richtigstellungsbescheids binnen Jahresfrist gewahrt.

d) Ermessen hat die Beklagte nicht ausüben müssen. Das Unterlassen von Ermessenerwägungen - im Widerspruchsbescheid vom 05.09.2014 ist ausdrücklich davon die Rede, die Honorarbescheide für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 hätten aufgehoben werden müssen - ist daher unschädlich.

Die nachgehende Richtigstellung von Honorarbescheiden beruht auch nach Ablauf der Frist von vier Jahren seit ihrer Bekanntgabe auf § 106a SGB V a.F. (jetzt § 106d SGB V), der die Ausübung von Verwaltungsermessen nicht vorsieht, und nicht auf § 45 SGB X. Diese Vorschrift ist nur insoweit (teilweise) entsprechend anzuwenden, als sie den Vertrauensschutz des von der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts Betroffenen zum Gegenstand hat.

Für die nachgehende Richtigstellung von vertragsärztlichen Honorarbescheiden trifft § 106a SGB V a.F. eine Sonderregelung, die für ihren Anwendungsbereich der allgemeinen Vorschrift in § 45 SGB X über die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte vorgeht. Das folgt aus dem in § 37 Satz 1 SGB I festgelegten Vorbehalt (vom SGB I und SGB X) abweichender Regelungen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 28.08.2013, - B 6 KA 50/12 R -, in juris Rdnr. 17). Nach Auffassung des Senats endet der Anwendungsbereich des § 106a SGB V und damit die Verdrängungswirkung des § 37 Satz 1 SGB I nicht nach vier Jahren seit Bekanntgabe der Honorarbescheide; hierfür gibt es keine rechtliche Grundlage. Die Vierjahresfrist hat Bedeutung nur für die Maßgaben, unter denen Vertrauensschutz bei nachgehender Richtigstellung von Honorarbescheiden zu gewähren ist. In der Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa Urteil vom 14.12.2005, - B 6 KA 17/05 R -, in juris Rdnr. 14; Urteil vom 06.09.2006, - B 6 KA 40/05 R -, in juris Rdnr. 12) ist zwar davon die Rede, nach Ablauf der Vierjahresfrist sei die weitere Anwendung der (bundesmantelvertraglichen) Berichtigungsvorschriften ausgeschlossen; im Weiteren stellt das BSG für die Rücknahme von Honorarbescheiden aber dennoch nur auf die Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 SGB X ab.

§ 106a SGB V a.F. regelt im Ausgangspunkt die quartalsgleiche Richtigstellung, also die sachlich-rechnerische Richtigstellung von Honoraranforderungen gleichzeitig mit der Honorarfestsetzung. Daran ändert es nichts, dass die Vorschrift (unstreitig) auch für die nachgehende (quartalsversetzte) Richtigstellung gilt (zu den Begriffen jurisPK-SGB V/Clemens § 106a (2012) Rdnr. 46); das kommt im Gesetz (nur) etwa in der (Berechnungs-)Vorschrift des § 106a Abs. 2 Satz 6 SGB V a.F. (implizit) zum Ausdruck (zur Bedeutung dieser Vorschrift jurisPK-SGB V /Clemens a.a.O. Rdnr. 58). Im Hinblick auf den Ausgangspunkt bei der quartalsgleichen Richtigstellung sind Fragen des Vertrauensschutzes in § 106a SGB V a.F. nicht geregelt; bei der quartalsgleichen Richtigstellung besteht hierfür kein Anlass. Das gilt freilich nicht für die nachgehende (quartalsversetzte) Richtigstellung. Das Fehlen von Vertrauensschutzregelungen in § 106a SGB V a.F. erweist sich hier als Regelungslücke, die durch Heranziehung des Rechtsgedankens bzw. die entsprechende Anwendung anderer Vorschriften zu schließen ist. Für die Vierjahresfrist - während der Vertrauensschutz grundsätzlich nicht stattfindet - hat das BSG auf die Vorschriften zur Verjährung von Ansprüchen auf Sozialleistungen und von Erstattungsansprüchen (§ 45 Abs. 1 SGB I oder auch § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, SGB IV) und den in diesen Vorschriften enthaltenden Rechtsgedanken abgestellt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 12.12.2001, - B 6 KA 3/01 R -, in juris Rdnr. 47; Urteil vom 16.06.1993, - 14a/6 RKa 37/91 - in juris Rdnr. 30). Für die Gewährung von Vertrauensschutz nach Ablauf der Vierjahresfrist sind die Regelungen des § 45 SGB X, die den Vertrauensschutz des von der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts Betroffenen zum Gegenstand haben, entsprechend anzuwenden. Dem stehen Besonderheiten der Interessenlage bei der Richtigstellung von Vertragsarzthonorar, die aus den Erfordernissen der vertragsärztlichen Honorarverteilung folgen, nicht - mehr - entgegen (dazu BSG, Urteil vom 28.08.2013, - B 6 KA 50/12 R -, in juris Rdnr. 23). Entsprechend anzuwenden sind daher die Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 SGB X als materiell-rechtliche Vertrauensschutzregelungen und die Rücknahmefrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X als (auch) verfahrensrechtliche Vertrauensschutzregelung. Im Übrigen bleibt es aber auch für die nachgehende Richtigstellung von Honorarbescheiden bei der alleinigen Maßgeblichkeit des § 106a SGB V a.F. Dass in dieser Vorschrift die Ausübung von Verwaltungsermessen nicht vorgesehen ist, erweist sich auch in Ansehung der nachgehenden Richtigstellung nicht als planwidrige Regelungslücke. Das Gesetz verpflichtet die Kassenärztliche Vereinigung vielmehr (bewusst) dazu, zuviel gezahltes Honorar, das für die Honorarverteilung an alle Ärzte (zu Unrecht) nicht zur Verfügung gestanden hat, zurückzufordern, wenn der Arzt mit der Geltendmachung von Vertrauensschutz ausgeschlossen ist. Dies ist auch im Hinblick auf die Steuerungsfunktion der für die vertragsärztliche Leistungserbringung geltenden Vorschriften geboten (dazu BSG, Urteil vom 23.06.2010, - B 6 KA 7/09 R -, in juris Rdnr. 67). Das Fehlen der Möglichkeit, dem Arzt bei ausgeschlossenem Vertrauensschutz im Ermessensweg das wegen Verletzung der für die Leistungserbringung geltenden Vorschriften zu Unrecht gezahlte Honorar (bei nachgehender Richtigstellung nach Ablauf der Vierjahresfrist) ganz oder teilweise zu belassen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich (dazu auch unter e).

e) Verfassungsrechtliche Bedenken (im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) bestehen nicht (dazu BSG, Urteil vom 23.06.2010, - B 6 KA 7/09 R -, in juris Rdnr. 66 ff.).

Die rückwirkende Aufhebung der Honorarbescheide für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 und die Pflicht zu vollständiger Erstattung des zu Unrecht erhaltenen Honorars ist (insbesondere) auch (im engeren Sinne) verhältnismäßig (angemessen), da bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist. Bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Rechtsfolge nicht aus Umständen resultiert, die vom Kläger nicht zu beeinflussen sind, wie etwa das Überschreiten einer bestimmten Altersgrenze oder eines bestimmten Versorgungsgrades in einem Planungsgebiet. Vielmehr hat der Kläger die Ursache selbst gesetzt, indem er sich bewusst und in zumindest möglicher Kenntnis der Folgen bzw. (Vergütungs-)Risiken für die gewählte Form der Leistungserbringung in Zusammenarbeit mit Dr. L. entschieden hat; hierfür sei auch auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Zudem ist die Rechtsfolge unvermeidlich, um die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu erhalten. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG haben Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, innerhalb dieses Systems die Funktion, zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Vertragsarzt für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden. Daher steht dem Vertragsarzt für Leistungen, die nicht gemäß den Bestimmungen des Vertragsarztrechts erbracht worden sind, auch kein Vergütungsanspruch auf bereicherungsrechtlicher Grundlage zu. Denn die Bestimmungen des Leistungserbringungsrechts über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung könnten ihre Steuerungsfunktion nicht erfüllen, wenn der Vertragsarzt die rechtswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im Ergebnis dennoch vergütet bekäme. Dies gilt selbst dann, wenn bei Wahl der rechtmäßigen Gestaltungsform der Honoraranspruch ebenso hoch gewesen wäre (so: BSG, Urteil vom 23.06.2010, - B 6 KA 7/09 R -, in juris Rdnr. 67). Das gilt auch für die Tätigkeit eines zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten Arztes.

f) Die Beklagte hat das zuviel gezahlte Honorar zu Recht vom Kläger zurückgefordert. Das folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen - hier gezahlte Honorare - zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt - wie die Honorarbescheide für die Quartale 1/2008 bis 3/2008 - aufgehoben worden ist. Ermessen ist nicht auszuüben (vgl. von Wulffen/Schütze, SGB X § 50 Rdnr. 18).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Es bedarf aus Sicht des Senats der rechtsgrundsätzlichen Klärung, wie sich die Regelungen des § 106a SGB V a.F. (§ 106d SGB V n.F.) und des § 45 SGB X zueinander verhalten.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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