L 5 AS 176/17 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 15 AS 14/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 176/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Antragstellers auf vorläufige Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ab Januar 2017.

Der am ... 1953 geborene Antragsteller bezog vom Antragsgegner bis 31. Dezember 2016 Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Er ist geringfügig als Zeitungszusteller tätig. Aus dieser Beschäftigung erzielt er ein monatlich unterschiedlich hohes Einkommen.

Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, bis zum 31. März 2016 Altersrente zu beantragen. Da er am 23. August 2016 das 63. Lebensjahr erreiche, sei er entsprechend § 12 a SGB II dazu verpflichtet. Gründe, die die Antragstellung unbillig erscheinen ließen, seien nicht ersichtlich. Falls er dieser Aufforderung nicht nachkomme, sei er (der Antragsgegner) berechtigt, den Antrag von Amts wegen zu stellen.

Da der Antragsteller hierauf nicht reagierte, erinnerte der Antragsgegner ihn mit Schreiben vom 11. Juli 2016 unter Beifügung des Schreibens vom 25. Januar 2016 und unter Fristsetzung zum 25. Juli 2016 an diese Aufforderung.

Nach fruchtlosem Fristablauf beantragte der Antragsgegner unter dem 26. Juli und 5. August 2016 (hier unter Zufügung des Rentenantragsformulars) die Rente für langjährig Beschäftigte beim zuständigen Rentenversicherungsträger, der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland.

Mit Bescheid vom 26. August 2016 bewilligte er dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II für die Monate September 2016 bis Februar 2017. Da die Höhe des monatlichen Einkommens und der Zeitpunkt des Eintritts in die Altersrente nicht feststünden, erfolgte die Bewilligung vorläufig und war monatlich unterschiedlich hoch (bspw. Januar 2017: 401,96 EUR, Februar 2017: 375,64 EUR).

Mit Schreiben vom 5. September 2016 bat der Antragsgegner die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland um Vorlage einer aktuellen Rentenauskunft.

Mit Bescheid vom 23. September 2016 setzte der Antragsgegner nach Erhalt der Einkommensbescheinigung die Leistungen für September 2016 endgültig fest.

Der Antragsteller teilte unter dem 21. Oktober 2016 mit, er leiste ab 1. Oktober 2016 einen bis 30. September 2017 befristeten Bundesfreiwilligendienst. Er erhalte monatlich ein Taschengeld in Höhe von 200 EUR sowie eine unentgeltliche Verpflegung im Wert von 10 EUR.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 hob der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 26. August 2016 mit Wirkung vom 1. November 2016 teilweise auf und berechnete die Ansprüche für die Monate November 2016 bis Februar 2017 vorläufig aufgrund der veränderten Einkommensverhältnisse neu.

Unter dem 17. Oktober 2016 teilte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland dem Antragsgegner in Beantwortung seines Schreibens vom 5. September 2016 mit, der Antragsteller habe am 29. Juli 2016 einen Rentenantrag gestellt. Eine Rentenauskunft könne derzeit nicht erteilt werden, da das Verfahren unerledigt sei.

Unter dem 4. November 2016 forderte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland den Antragsteller zum wiederholten Male auf, der formellen Antragstellung bis 21. November 2016 nachzukommen. Sie verwies auf die Rechtsfolgen der §§ 60 bis 65 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil (SGB I). Diese gälten auch für den Fall der Antragstellung durch einen Sozialleistungsträger.

Unter dem 8. Dezember 2016 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, zum 1. Januar 2017 trete eine neue Unbilligkeitsverordnung in Kraft. Anhand dieser solle ermittelt werden, ob es für betreffende Antragsteller auf Leistungen nach dem SGB II zumutbar sei, vorzeitig Rente zu beziehen. Um diese Entscheidung treffen zu können, müsse das Rentenkonto geklärt sein. Diese Klärung habe wegen fehlender Mitwirkung bisher nicht erfolgen können. Daher solle er das von ihm unterschriebene Formular auf Altersrente am 20. Dezember 2016 um 14.30 Uhr beim Antragsgegner vorbeibringen, oder es ihm oder der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland postalisch zukommen lassen. Er wies auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Mitwirkungspflichten hin.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2016 teilte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland dem Antragsteller mit, sie beabsichtige, die vom Antragsgegner beantragte "Rente wegen Erwerbsminderung" gemäß § 66 Abs. 1 SGB I zu versagen.

Mit Bescheid vom 23. Dezember 2016 entzog der Antragsgegner die dem Antragsteller mit Bescheid vom 26. August 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Oktober 2016 vorläufig bewilligten Leistungen mit Wirkung ab 1. Januar 2017. Er sei seinen Mitwirkungspflichten mehrfach nicht nachgekommen. Gründe hierfür seien nicht ersichtlich. Die Leistungen würden ganz entzogen. Die Berechnung einzelner Leistungsteile sei nicht möglich.

Den hiergegen seitens des Antragstellers erhobenen Widerspruch hat der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2017 als unbegründet zurückgewiesen. Er habe die angeforderte Rentenauskunft nicht vorgelegt.

Bereits am 1. Januar 2017 hat der Antragsteller beim Sozialgericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Im Wesentlichen hat er zur Begründung vorgetragen, seine Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst hindere die Beantragung der vorzeitigen Altersrente. Zudem habe er ein entsprechendes Aufforderungsschreiben nicht erhalten.

Mit Bescheid vom 19. Januar 2017 hat die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland die Zahlung der durch den Antragsgegner beantragten Rente wegen fehlender Mitwirkung versagt.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 27. Februar 2017 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zurückgewiesen. Im Wesentlichen hat es zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller sei verpflichtet gewesen, den Rentenantrag zu stellen. Gemäß § 12a Satz 1 SGB II seien Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Abweichend von Satz 1 seien Leistungsberechtigte nach § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 13 Abs. 2 SGB II sei das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer Leistungsberechtigte nach Vollendung des 63. Lebensjahres ausnahmsweise zur Vermeidung von Unbilligkeiten nicht verpflichtet seien, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Nach § 1 der auf dieser Grundlage erlassenen Unbilligkeitsverordnung seien Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre. Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben.

Eine Unbilligkeit gemäß § 2 der Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor, weil nicht ersichtlich sei, ob der Antragsteller dadurch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld verlieren würde. Dies gelte zunächst schon für den Zeitraum ab 1. September 2016, für den der Antragsgegner die Gewährung der Rente beantragt habe. Denn zum damaligen Zeitpunkt habe der Antragsteller den Freiwilligendienst noch nicht aufgenommen. Entsprechend habe der Antragsgegner diesen Umstand auch nicht bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen können. Aber auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei weiterhin unklar, ob der Antragsteller den Bundesfreiwilligendienst abschließen und dementsprechend einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben werde. Dass der Antragsteller in nächster Zeit die Rente abschlagsfrei in Anspruch nehmen könnte, werde weder von ihm noch vom Antragsgegner behauptet und sei auch sonst nicht ersichtlich. Schließlich sei die Inanspruchnahme auch nicht unbillig gemäß § 4 Unbilligkeitsverordnung. Auch hier gelte, dass der Antragsteller bei der Antragstellung durch den Antragsgegner den Bundesfreiwilligendienst noch nicht aufgenommen hatte. Darüber hinaus stelle dieser aber auch keine Erwerbstätigkeit im Sinne dieser Vorschrift dar.

Die Aufforderung zur Rentenantragsstellung sei auch ermessensfehlerfrei erfolgt. Der Antragsgegner habe zunächst erkannt, dass er eine Ermessensentscheidung zu treffen habe. Er habe, auch alle maßgeblichen Gesichtspunkte in die Entscheidung mit einbezogen. Die Dauer bzw. Höhe des Leistungsbezugs waren ihm bekannt. Ein weiterer Einkommenszufluss sei bei dem Antragsteller nicht absehbar. Eine dauerhafte Krankheit bestehe bei ihm ebenfalls nicht. Dass die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente regelmäßig mit Abschlägen verbunden ist, habe der Antragsgegner ebenfalls berücksichtigt.

Die Voraussetzungen für eine Antragstellung durch den Antragsgegner nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II lägen ebenfalls vor. Der Antragsteller sei zuvor vergeblich aufgefordert worden, selbst einen entsprechenden Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland zu stellen. Seine Behauptung, die Aufforderung nicht erhalten zu haben, hat das Sozialgericht für nicht glaubhaft erachtet. Mit Datum vom 25. Januar 2016 habe der Antragsgegner auch den Bewilligungsbescheid für die Monate September 2016 bis Februar 2017 versandt. Auf die Aufforderung in dem Bescheid, eine Lohnbescheinigung vorzulegen, habe der Antragsteller mit der E-Mail vom 28. Januar 2016 reagiert. Dass er nur die für ihn günstigen Bescheide, nicht dagegen die ihn belastende Aufforderung zur Rentenantragstellung vom gleichen Tag erhalten haben könnte, erscheine fernliegend. Zudem habe der Antragsgegner den Antragsteller noch mit Schreiben vom 11. Juli 2016 an das Schreiben vom 25. Januar 2016 erinnert. Dass der Antragsteller auch dieses nicht erhalten haben könnte, hat das Sozialgericht für praktisch ausgeschlossen gehalten.

Der Entzug der Leistungen für die Monate Januar und Februar 2017 sei rechtmäßig. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs sei daher nicht anzuordnen gewesen. Der Antragsteller sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Daher sei der Antragsgegner auch berechtigt, die Leistungsgewährung ab März 2017 zu versagen.

Gegen den Beschluss hat der Antragsteller am 7. März 2017 Beschwerde eingelegt. Im Wesentlichen bezieht er sich auf die bereits erstinstanzlichen vorgetragenen Argumente. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 6. März 2017 habe er Klage erhoben. Er stelle zudem hilfsweise einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 25. Januar 2016.

Mit Bescheid vom 9. März 2017 hat der Antragsgegner die Leistungsgewährung ab März 2017 versagt. Zur Begründung hat er dieselben Argumente wie im Entziehungsbescheid herangezogen.

Der Antragsteller beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. Februar 2017 die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 23. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2017 anzuordnen, die einbehaltenen Leistungen für Januar und Februar 2017 vorläufig wieder an ihn auszuzahlen sowie den Antragsgegner vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB II für März bis August 2017 zu gewähren und den Rentenantrag zurückzunehmen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf die seines Erachtens zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist statthaft nach § 172 Abs. 3 SGG. Sie unterfällt nicht der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da vorliegend die Aufforderung streitig ist, vorzeitig eine Altersrente in Anspruch nehmen zu müssen. Darüber hinaus liegen der Wert der entzogenen Leistungen für Januar und Februar 2017 sowie der der versagten Leistungen ab März 2017 über 750 EUR.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes angelehnt.

1.

Der Antragsgegner ist im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht verpflichtet, den unter dem 29. Juli /5. August 2016 gestellten Rentenantrag zurückzunehmen. Er war nach § 5 Abs. 3 SGB II berechtigt, diesen bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland zu stellen. Zuvor hatte er den Antragsteller vergeblich mit Bescheid vom 25. Januar 2016 aufgefordert, selbst einen Antrag auf vorgezogene Altersrente zu stellen.

Dieser ist bestandskräftig und damit zwischen den Beteiligten gemäß § 77 SGG bindend geworden. Auch der Senat geht davon aus, dass der Bescheid dem Antragsteller gegenüber wirksam erlassen worden ist. Zwar ist es im Rahmen der Zugangsfiktion nach § 37 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) grundsätzlich ausreichend, wenn der Empfänger die Zustellung bestreitet. Vorliegend jedoch sprechen erhebliche Gründe dafür, dieses Bestreiten als nicht glaubhaft erscheinen zu lassen. Zur Begründung verweist der Senat nach eigener Prüfung auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss und macht sie sich zu Eigen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Soweit der Antragsteller in der Beschwerde einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 25. Januar 2016 nach § 44 SGB X gestellt hat, ändert dies das Ergebnis nicht. Der Bescheid ist nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich rechtmäßig. Auch an dieser Stelle verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts.

2.

Die Beschwerde ist ebenfalls nicht begründet, soweit das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Leistungsentziehung für die Monate Januar und Februar 2017 durch den Bescheid vom 23. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. März 2017 abgelehnt hat.

Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Rechtsfolge der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs ist es, den Vollzug eines Verwaltungsaktes zu verhindern.

Die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners 23. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. März 2017 hat gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung.

Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Das Gericht entscheidet auf Grund einer Interessenabwägung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b, Rn. 12). Nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage u.a. in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Das vom Gesetzgeber in § 39 SGB II angeordnete vordringliche Vollzugsinteresse hat für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Bedeutung, dass der Antragsgegner von der ihm nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG obliegenden Pflicht entbunden wird, das öffentliche Interesse der sofortigen Vollziehbarkeit gesondert zu begründen. Das Gesetz unterstellt aber den Sofortvollzug keineswegs als stets, sondern als nur im Regelfall geboten und verlagert somit die konkrete Interessenbewertung auf Antrag des Antragstellers hin in das gerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 17. September 2001, 4 VR 19/01, NZV 2002, 51, 52 unter Bezug auf BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1994, 4 VR 1/94, BVerwGE 96, 239 ff, jeweils zu § 80 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der bis 31. Dezember 1996 gültigen Fassung, der wortgleich zu § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG ist).

Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers gegen die Leistungsentziehung für Januar und Februar 2017 ist unbegründet. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Interesse des Antragstellers am Nichtvollzug. Denn der Bescheid vom 23. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. März 2017 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.

Nach § 66 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen ganz oder teilweise die Leistung entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Voraussetzung ist, dass der Leistungsbezieher seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62 und 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird, oder der Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.

Zwar hat der Antragsteller keine ihm obliegende Mitwirkungspflicht verletzt, indem er die begehrte Rentenauskunft nicht vorgelegt hat.

Nach § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I bestehen Mitwirkungspflichten nach §§ 60 bis 64 SGB I nicht, soweit der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

Dem Antragsgegner ist es möglich, die Rentenauskunft von der Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland selbst - auch gegen den Willen des Antragstellers - zu beschaffen Die Erhebung beim Betroffenen, also dem Antragsteller, hätte einen unverhältnismäßigen Aufwand nach § 67a Abs. 2 Satz 2 Nr.1b SGB X erfordert. Zweck der Regelung ist das öffentliche Interesse an einem effektiven und kostengerechten Verwaltungsvollzug. Entscheidend sind die Art der zu erhebenden Daten, Zeit- und Kostenaufwand beim Betroffenen und beim Dritten. Als Beispiel unverhältnismäßigen Aufwands wird angenommen, dass sich der Betroffene wegen der von ihm verlangten Angaben selbst an eine dritte Stelle wenden müsste (vgl. BSG, Urteil vom 9. März 2016, B 14 AS 3/15 R, Rn. 24, Juris; anders noch die Auffassung des erkennenden Senats im Teilbeschluss vom 29. Juli 2015, L 5 AS 168/16 B ER, n.v., an der nicht mehr festgehalten wird). So liegt es hier, denn ohne direkte Anfrage des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland hätte der Antragsteller bei dieser selbst um die entsprechenden Informationen nachsuchen müssen. Er hat dies auch getan.

Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht liegt jedoch in der Weigerung des Antragstellers, den vom Antragsgegner gestellten Rentenantrag vollständig auszufüllen.

§ 66 SGB I gilt sowohl für denjenigen, der eine Leistung "erhält" (wie hier Leistungen nach dem SGB II) als auch für denjenigen, der eine Leistung "beantragt" (wie hier gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland). Zwischen diesen beiden Bereichen besteht vorliegend ein innerer Zusammenhang (Vor- und Nachrang staatlicher Fürsorge). Die Mitwirkung bei der Antragsbehörde ist auch erheblich. Ein Verbot, in solchen Fallkonstellationen Pflichtverletzungen bei der Antragsbehörde auch bei den Leistungen der gewährenden Behörde zu berücksichtigen, ist den Mitwirkungsregelungen des SGB I nicht zu entnehmen (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB I, § 5 Rn. 166, Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 5, Rd.Nr. 37).

Im Rahmen des vom Antragsgegner auszuübenden Ermessens hat dieser ausreichend berücksichtigt, dass die Leistungsgewährung nach dem SGB II existenzsichernd ist. Er hat keine Gründe gesehen, weswegen der Antragsteller gehindert gewesen sein sollte, den Rentenantrag vollständig auszufüllen. Auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat dieser keine solche Gründe vorgetragen und glaubhaft gemacht. Das Ausfüllen des Rentenantrags ist ihm ohne weiteres und in kurzer Zeit möglich. Sodann kann er bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland einen Vorschuss beantragen, sodass insoweit der Lebensunterhalt gesichert ist.

Seine Rechtsansicht, zur Mitwirkung wegen der Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst nicht verpflichtet zu sein, rechtfertigt sein Verhalten nicht. Ihm ist es zuzumuten, seinen Mitwirkungspflichten der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland gegenüber nachzukommen. Denn er hat die Möglichkeit, gegen den Bewilligungsbescheid der Rente Widerspruch zu erheben und auf die aufschiebende Wirkung zu verzichten (Vgl. BSG, Urteil vom 13. August 2015, B 14 AS 1/15 R, Rn. 13, Juris).

3.

Der Antragsgegner war aus den o.g. Gründen auch berechtigt, die Gewährung der Leistungen ab März 2017 zu versagen. Die Beschwerde ist mithin auch insoweit unbegründet.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGS).
Rechtskraft
Aus
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