L 6 KR 218/16

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 16 KR 115/14
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 218/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Klägerin vom 25. Januar 2017 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt L. F. H., , , für das Berufungsverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht wird abgelehnt. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache die Zahlung von Krankengeld vom 1. August bis 7. Oktober 2013 streitig.

Die 1989 geborene Klägerin war bei der Beklagten als Beschäftigte pflichtversichert. Seit dem 17. Juni 2013 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Am 12. Juli 2013 bescheinigte ihr der Facharzt für Allgemeinmedizin M. Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. Juli 2013. Zum 26. Juli 2013 meldete die vormalige Arbeitgeberin die Klägerin bei der Beklagten wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses als Versicherungspflichtige ab. Bis dahin bezog sie Entgelt-fortzahlung. Am 1. August 2013 bescheinigte der Facharzt für Allgemeinmedizin M. Arbeits-unfähigkeit bis zum 7. August 2013. Beide Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gingen bei der Beklagten am 7. August 2013 ein. Ab dem 18. August bis 13. Oktober 2013 war die Klägerin bei der Beklagten freiwillig versichert.

Mit Schreiben vom 12. August 2013 teilte die Beklagte ihr u.a. mit, die mit Krankengeldanspruch ausgestattete Mitgliedschaft ende, wenn die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit nicht lückenlos ärztlich festgestellt werde. Mit Bescheid vom 2. September 2013 lehnte sie die Zahlung von Krankengeld ab dem 2. August 2013 ab. Der Anspruch auf Krankengeld entstehe nach § 46 Satz 1 Nr. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) grundsätzlich ab dem Tag, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung folge. Der fortlaufende Anspruch auf Krankengeld setze voraus, dass die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit jeweils vom behandelnden Arzt abschnittsweise lückenlos festgestellt werde, d.h. spätestens am letzten Tag der zuletzt vorläufig bestätigten Arbeitsunfähigkeit. Ende ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis während des Anspruchs auf Krankengeld, so bleibe die Mitgliedschaft für die Dauer des Bezuges von Krankengeld erhalten. Werde die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit allerdings nicht lückenlos ärztlich festgestellt, ende die mit Krankengeldanspruch ausgestattete Mitgliedschaft. Ihre Mitgliedschaft mit Krankengeldbezug habe am 31. Juli 2013 geendet. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zudem aus, der grundsätzlich bestehende Krankengeldanspruch ruhe vom 29. bis 31. Juli 2013, weil sie ihre Arbeitsunfähigkeit erst am 7. August 2013 mitgeteilt habe. Insoweit habe auch keine rechtzeitige Beratung erfolgen können.

Im Klageverfahren hat die Klägerin die Zahlung von Krankengeld ab dem 1. August 2013 begehrt und vorgetragen, sie sei am 31. Juli 2013 aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit verhindert gewesen, einen Arzt aufzusuchen. Mit Urteil vom 10. November 2015, zugestellt am 22. Januar 2006, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 22. Februar 2016 Berufung eingelegt und am 25. Januar 2017 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Sie ist der Ansicht, da eine Entscheidung des Gerichts noch nicht erfolgt sei, sei § 46 SGB V in der Fassung ab dem 16. Juli 2015 anwendbar. Danach habe sie einen gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld über den 31. Juli 2013 hinaus.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung war.

II.

Der Antrag ist unbegründet.

Nach § 73 a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum Erfolg führen kann. Dies ist hier für das ab dem 1. August 2016 begehrte Krankengeld nicht ersichtlich.

Nach § 44 Abs. 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl I Seite 1990 ff.), gültig ab 1. August 2009 bis 22. Juli 2015, haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4 SGB V, §§ 24, 40 Abs. 2 SGB V und § 41 SGB V) behandelt werden. Ob und in welchem Umfang sie Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für Krankengeld vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - Az.: B 1 KR 25/14 R, Rn. 9, m.w.N., nach juris), nicht da-nach, wann eine gerichtliche Entscheidung erfolgt.

Nach § 46 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (a.a.O.), gültig bis zum 22. Juli 2015, der hier Anwendung findet, entsteht der Anspruch auf Krankengeld (1) bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4 SGB, § 24 SGB V, § 40 Abs. 2 SGB V und § 41 SGB V) von ihrem Beginn an, (2) im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Wird Krankengeld wegen ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit begehrt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes demgemäß grundsätzlich auf den Tag abzustellen, der dem Tag nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Das Gesetz bietet weder einen Anhalt für ein Verständnis des § 46 S 1 Nr. 2 SGB V als bloße Zahlungsvorschrift noch dafür, dass der Krankengeldanspruch nach § 44 SGB V schon bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entsteht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014, Rn. 10, a.a.O.). Die durch das Beschäftigungsverhältnis begründete Mitgliedschaft der Klägerin endete nicht mit dem Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis endete (§ 190 Abs. 2 SGB V), sondern bestand über den 27. Juli 2013 unter den Voraussetzungen des § 192 SGB V hinaus fort. Sie bleibt nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V u.a. erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld besteht. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V verweist damit wieder auf die Vorschriften über den Krankengeldanspruch, die ihrerseits voraussetzen, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld vorliegt.

Die Mitgliedschaft der Klägerin blieb aufgrund des unstreitigen Anspruchs auf Krankengeld nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bis zum 31. Juli 2013 erhalten. Findet keine der in § 46 Abs. 1 Nr. 1 SGB V genannten Maßnahmen statt, entsteht der Krankengeldanspruch nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V nur aufgrund ärztlicher Feststellung (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 - Az.: B 1 KR 30/04 R, nach juris). Für den Umfang des Versicherungsschutzes ist demgemäß auf den Tag abzustellen, der dem Tag nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Es reicht allerdings aus, dass Versicherte am letzten Tag des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld - hier des Versicherungsverhältnisses aufgrund der aufrecht erhaltenen Mitgliedschaft - alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Beendigung des Ablaufs dieses Tages und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages einen Krankengeldanspruch entstehen zu lassen (vgl. BSG, Urteile vom 16. Dezember 2014, Rn. 11, a.a.O. und 10. Mai 2012 - Az.: B 1 KR 19/11 R m.w.N., nach juris). Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit, aber abschnittsweiser Krankengeldbewilligung, ist jeder Bewilligungsabschnitt gesondert zu prüfen. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs aus der Beschäftigtenversicherung ist es deshalb erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014, Rn. 12, a.a.O.). Dies war hier nicht der Fall.

Die Klägerin hat sich bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin M. am 1. August 2013 vorgestellt. Danach lagen mit Ablauf des 31. Juli 2013 die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft wegen des Anspruchs auf Krankengeld nicht

Folgen der unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sind grundsätzlich vom Versicherten zu tragen. Die Ausschlussregelung des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V ist strikt zu handhaben. Ausnahmen hiervon hat das BSG nur in engen Grenzen anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 - Az.: B 1 KR 30/04 R, Rn. 18 ff., nach juris). Hat ein Versicherter (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er (2.) daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (z.B. durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK) und macht er (3.) seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die Klägerin hat sich erst am 1. August 2013 bei dem Arzt M. vorgestellt und damit gerade nicht alles in ihrer Macht Stehende und ihr Zumutbare getan, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit spätestens am 31. Juli 2013 zu erlangen. Dies ist ihr auch zuzurechnen. Ausgangspunkt der Verteilung von Obliegenheiten und Risiken zwischen dem Versicherten und dem Versicherungsträger ist, dass der kraft des Mitgliedschaftsverhältnisses hierzu berechtigte Versicherte einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt aufzusuchen und seine Beschwerden zu schildern hat, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen. Soweit sie vorgetragen hat, sie sei aufgrund Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen, einen Arzt aufzusuchen, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Klägerin auf die besondere gesetzliche Regelung und deren im Regelfall gravierenden Folgen hinzuweisen für. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin wegen Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit am 31. Juli 2013 keinen Arzt aufsuchen konnte, liegen nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014, Rn. 16, a.a.O.).

Die Klägerin hat auch keinen Krankengeldanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V. Sie war spätestens ab dem 18. August 2013 bei der Beklagten nach § 9 SGB V ohne Krankengeldanspruch versichert. Dieser neue Status ist gegenüber der Auffangregelung des § 19 Abs. 2 SGB V vorrangig und schließt in Bezug auf das Krankengeld weitere Ansprüche aus (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 2007 - B 1 KR 2/07 R, Rn. 20, nach juris).

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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