L 7 AS 1299/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 3652/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1299/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.06.2015 geändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 3.238,26 Euro festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten iHv 3.238,26 Euro für die Betreuung der am 00.00.1981 geborenen Frau N P und ihres am 00.00.2010 geborenen Sohnes F in einem Frauenhaus für die Zeit vom 10.08.2010 bis zum 04.12.2010.

Der Kläger ist ein Landkreis, die Beklagte eine kreisfreie Stadt. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte bilden jeweils mit der Bundesagentur für Arbeit eine gemeinsame Einrichtung gem. § 44b SGB II. Der Kläger und die Bundesagentur für Arbeit vereinbarten im Vertrag zur Gründung des "Jobcenter Kreis W" vom 12.12.2010, dass die Durchführung der Aufgaben nach §§ 16a und 36a SGB II beim Kläger verbleibt (§ 4 Abs. 1 der Vereinbarung). Eine gleichlautende Bestimmung findet sich in der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Bundesagentur für Arbeit über die Bildung einer gemeinsamen Einrichtung vom 10.09.2014 (§ 3 Abs. 1 der Vereinbarung). Die Beklagte übertrug durch Beschlüsse der Trägerversammlung vom 10.11.2012 und vom 13.11.2015 die Bearbeitung von Kostenerstattungsansprüchen nach § 36a SGB II der Beklagten.

Die erwerbsfähige und hilfebedürftige nigerianische Staatsangehörige N P wohnte bis Anfang August 2010 in O. Nach einer Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann übernachtete sie eine Woche bei einer Freundin. Im unmittelbaren Anschluss zog sie am 10.08.2010 in das Frauenhaus in W, wo bis zum 04.12.2010 blieb. In dieser Zeit bezog sie Leistungen nach dem SGB II von der damaligen ARGE W (Bewilligungsbescheide vom 26.08.2010, 05.10.2010 und 21.10.2010).

Träger des Frauenhauses sind der Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) W e.V. und der SKF L e.V. Am 09.01.1995 haben der SKF W und der SKF L mit dem Kläger als örtlichem Träger der Sozialhilfe eine "Vereinbarung über den Betrieb eines Frauenhauses" abgeschlossen. Auf den Inhalt der Vereinbarung wird verwiesen.

Frau P wurde von den Mitarbeiterinnen des Frauenhauses betreut. Die Mitarbeiterinnen vereinbarten einen Termin bei einem Rechtsanwalt zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche und begleiteten sie zu diesem Termin am 23.08.2010. Weitere Betreuungsleistungen waren: Mitteilung der Adressänderung an die Sparkasse O, Anforderung der Kontoauszüge der letzten drei Monate, Errichtung eines neuen Kontos; Beratung zur erlebten häuslichen Gewalt und Klärung der Zukunftsperspektiven; Suche einer Hebamme wegen der bevorstehenden Geburt; Einholung der Rentenversicherungsnummer; Beschaffung von Babykleidung, Kinderwagen und Zubehör; Unterrichtung im Umgang mit einem Neugeborenen; Antrag einer Auskunftssperre bei der Stadtverwaltung; Antrag auf Kindergeld; Anmeldung des Kindes bei der Krankenkasse; Schreiben an Ausländerbehörde mit Bitte um Zusendung der Heiratsurkunde; Beantragung der Geburtsurkunde. Da Frau P die Anträge nicht verstehen und ausfüllen konnte, haben die Mitarbeiterinnen im Frauenhaus dies für sie erledigt. Diese haben alle Unterlagen beigebracht und Frau P bei den Terminen begleitet.

Mit Schreiben vom 31.08.2010 zeigte der Kläger der Beklagten den Frauenhausaufenthalt an. Mit Schreiben vom 25.11.2010 erkannte die Beklagte ihre Kostenerstattungspflicht dem Grunde nach an. Mit Schreiben vom 14.01.2011 machte der Kläger für Frau P und ab Oktober 2010 zusätzlich für F konkret bezifferte Unterkunftskosten und "psychosoziale Betreuungskosten" (pro Bettentag 17,41 Euro) geltend. Mit Schreiben vom 15.07.2011 übersandte der Kläger der Beklagten eine korrigierte Kostenaufstellung. Er forderte Kosten der Unterkunft iHv 3.258,72 Euro und "psychosoziale Betreuungskosten" iHv 3.238,26 Euro. Die Beklagte erstattete die Unterkunftskosten und weigerte sich bei gleichzeitigem Verzicht auf die Einrede der Verjährung, die Betreuungskosten zu übernehmen (Schreiben vom 27.07.2011 und vom 10.06.2013).

Am 18.10.2013 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, auch Betreuungsleistungen, die nicht unmittelbar der Arbeitsaufnahme dienten, müssten erstattet werden. Bei Frau P habe erheblicher Unterstützungsbedarf hinsichtlich Schwangerschaft, Geburt und Verarbeitung der erlebten Gewalt bestanden. Eine kurzfristige Arbeitsaufnahme habe nicht primäres Ziel der Betreuung sein können. Auch für das Kind sei eine Betreuung erforderlich gewesen. Um eine Arbeitsaufnahme in Zukunft zu ermöglichen, hätten die Gewalterlebnisse verarbeitet werden müssen, zudem habe Frau P ihr Leben mit dem Kind in den Griff bekommen müssen. Der Kläger hat ein Schreiben der Dipl. Sozialarbeiterin S über die erbrachten Betreuungsleistungen und deren Zielsetzung vorgelegt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.238,26 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat - u.a. gestützt auf das Urteil des BSG vom 23.05.2012 - B 14 AS 190/11 R - die Auffassung vertreten, erstattungsfähige psychosoziale Betreuungskosten seien nicht angefallen, da ein Zusammenhang mit dem Ziel der beruflichen Eingliederung nicht ersichtlich sei. Es sei um die Unterstützung bei der allgemeinen Lebensführung gegangen. Wegen der Geburt des Kindes während des Aufenthalts sei eine berufliche Eingliederung unwahrscheinlich gewesen. Für das Kind komme darüber hinaus eine Erstattung auch deswegen nicht in Betracht, da es weder erwerbsfähig gewesen, noch dessen Betreuung für die Eingliederung der Mutter erforderlich gewesen sei.

Mit Urteil vom 09.06.2015 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.228,26 Euro zu zahlen. Auch die geltend gemachten Betreuungskosten unterfielen der Erstattungspflicht nach § 36a SGB II. Die psychische Stabilisierung der betreuten Bewohnerin des Frauenhauses sei Basis für ein stabiles und eigenständiges Leben. Es sei lebensfremd zu verlangen, dass in einem Frauenhaus sogleich über berufliche Perspektiven gesprochen werde. Vorrangiger Ansatzpunkt sei die Verarbeitung des Erlebten, ohne die eine Wiedereingliederung in Arbeit unmöglich sei. Die im Frauenhaus erbrachten Unterstützungsleistungen seien alle nicht primär auf Eingliederung ausgerichtet, sondern dienten der Beseitigung von Schwierigkeiten in der allgemeinen Lebensführung, die einer Eingliederung in das Erwerbsleben entgegenstünden. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Gegen das am 21.07.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.07.2015 Berufung eingelegt. Ergänzend macht sie geltend, eine Forderung des Trägers des Frauenhauses gegen den Kläger habe aufgrund der Regelung des § 17 Abs. 2 SGB II nicht bestanden. Denn eine Vereinbarung des Klägers mit dem Frauenhaus, die den Anforderungen dieser Vorschrift entspreche, habe nicht vorgelegen. Damit scheide auch eine Erstattungspflicht der erbrachten Leistungen nach § 36a SGB II aus.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.06.2015 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat ausgeführt, die Vereinbarung vom 09.01.1995 entspreche den Vorgaben des § 17 Abs. 2 SGB II. In dieser Vereinbarung würden die Qualitätsstandards und das Konzept der Arbeit im Frauenhaus festgeschrieben. Weitere Qualitätsvorgaben ergäben sich aus den verbindlichen Richtlinien des Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit vom 20.04.1999, die vom Kläger und dem SKF beachtet würden. Der Kläger hat ein an den SKF W gerichtetes Schreiben aus April 1999 vorgelegt, aus dem deutlich werde, wie die Tagessätze ermittelt werden. Die Qualitätssicherung sei zudem gewährleistet, weil die SKF Zentralstelle 2006/2007 eine Leistungsbeschreibung für Frauenhäuser erarbeitet habe, auf deren Grundlage auch der SKF W gearbeitet habe. Die Einhaltung der Leitlinien sei jedoch nicht verbindlich zwischen dem Kläger und dem SKF W vereinbart worden. Ab 01.01.2016 gelte eine neue Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem SKF W. In diese sei die aktuelle Fassung der Leistungsbeschreibung der SKF-Zentrale aufgenommen worden.

Der Senat hat eine schriftliche Beschreibung der an Frau P und ihren Sohn erbrachten Betreuungsleistungen von der Geschäftsführerin des SKF W, Frau R, vom 07.02.2017 eingeholt. Auf den Inhalt der Ausführungen wird verwiesen. Auf Nachfrage des Senats hat Frau R ergänzend mitgeteilt, der SKF W habe 2010 auf der Grundlage der Leistungsbeschreibung für Frauenhäuser der SKF-Zentralstelle 2006/2007 gearbeitet und die Leistungsbeschreibung vorgelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Beklagte zur Kostenerstattung an den Kläger verurteilt. Dem Kläger steht dieser Anspruch nicht zu.

Die gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG), da das Sozialgericht die Berufung zugelassen hat. Eine Zulassung nur in den Entscheidungsgründen ist wirksam, wenn sie eindeutig ausgesprochen wurde (BSG Urteil vom 29.06.1977 - 11 RA 94/76; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 144 Rn. 39 mwN; Breitkreuz/Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl., § 144 Rn. 47), was hier der Fall ist. Die Klage ist als echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft, denn bei einem Erstattungsstreit zwischen Sozialleistungsträgern handelt es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis. Ein Vorverfahren ist nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht erforderlich (vgl. BSG Urteile vom 23.05.2012 - B 14 AS 190/11 R und B 14 AS 156/11 R).

Der Kläger ist aktiv prozessführungsbefugt, also berechtigt, den Prozess im eigenen Namen zu führen. Die Prozessführungsbefugnis fehlt, wenn der Kläger ein materielles Recht in eigenem Namen geltend macht, das einem Dritten zusteht und kein Fall einer Prozessstandschaft vorliegt. Bei dem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch handelt es sich um ein Recht der Kommune, das mit der Trägerschaft für die Leistungen nach § 16a SGB II korrespondiert (BSG Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 190/11 R). Nach § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II bilden die Träger (die Bundesagentur für Arbeit und die kreisfreien Städte und Kreise, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine gemeinsame Einrichtung (hier das Jobcenter Kreis W als Rechtsnachfolger - § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB II - der ARGE W), diese nimmt die Aufgaben der Träger nach dem SGB II wahr (§ 44b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II). Zwar erfolgt die Aufgabenübertragung grundsätzlich umfassend, sofern nicht die Trägerversammlung gem. § 44c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 iVm § 44 Abs. 4 SGB II eine Rückübertragung der Aufgaben beschließt (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 07.07.2016 - L 7 AS 2261/14) Die Regelung des § 44c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB II ist indes erst am 01.01.2011 in Kraft getreten. Zuvor galt § 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, wonach die kommunalen Träger der Arbeitsgemeinschaft die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem SGB II übertragen sollten. Eine derartige Übertragung vom Kläger auf die gemeinsame Einrichtung ist nicht erfolgt. Für eine Wirksamkeit der Aufgabenwahrnehmung durch den Kläger anstelle der gemeinsamen Einrichtung ist es auch nach dem 01.01.2011 nicht erforderlich, die Aufgabe zunächst auf die gemeinsame Einrichtung zu übertragen, um sie sodann durch einen Beschluss der Trägerversammlung zurück zu übertragen (so im Ergebnis auch BSG Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 190/11 R). Damit macht der Kläger kein fremdes Recht im eigenen Namen geltend und ist er aktiv prozessführungsbefugt.

Die Beklagte ist passiv prozessführungsbefugt, da die Trägerversammlung ihr wirksam die Bearbeitung von Kostenerstattungsansprüchen nach § 36a SGB II zurückübertragen hat.

Rechtsgrundlage für die Erstattungspflicht kann allein § 36a SGB II sein, diese Vorschrift ist eine gegenüber §§ 102 ff SGB X spezialgesetzliche Kostenerstattungsregel (BSG Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 190/11 R). Danach ist der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthalt verpflichtet, dem durch die Aufnahme im Frauenhaus zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus zu erstatten, wenn eine Person in einem Frauenhaus Zuflucht sucht. Die Beteiligten sind kommunale Träger im Sinne dieser Vorschrift und damit aktiv- und passivlegitimiert.

Der Kläger ist durch Aufnahme von Frau P im Frauenhaus zuständiger kommunaler Träger geworden. § 36a SGB II ist keine Sonderregelug zur örtlichen Zuständigkeit (BSG Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 156/11 R; Aubel in jurisPK-SGB II § 36a Rn. 4; aA Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 36a SGB II Rn. 10), so dass sich die Zuständigkeit nach den allgemeinen Regelungen im SGB II (§ 36 SGB II) richtet. Nach § 36 Abs. 1 SGB II ist grundsätzlich der Träger des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I) für die Leistungserbringung zuständig. Kann ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht festgestellt werden, ist gem. § 36 Abs. 1 Satz 4 SGB II der Träger zuständig, in dessen Bereich sich die oder der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält. Auch wenn angesichts des nur kurzfristigen Aufenthalts in W der dortige gewöhnliche Aufenthalt der Frau P verneint wird, ist der Kläger jedenfalls aufgrund ihres tatsächlichen Aufenthalts in W zuständiger Träger.

Da der letzte gewöhnliche Aufenthalt von Frau P in O war, ist die Beklagte Herkunftskommune iSd § 36a SGB II und daher dem Grunde nach zur Erstattung der Kosten verpflichtet. Der Umstand, dass Frau P unmittelbar nach der Flucht aus der gemeinsamen Wohnung eine Woche bei einer Freundin gewohnt hat, ändert hieran nichts (vgl. BSG Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 190/11 R).

Von der Erstattungspflicht erfasst sind alle Leistungen, die vom kommunalen Träger nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II an die leistungsberechtigte Frau sowie an die ggf mit ihr im Frauenhaus lebenden Kinder für die Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus rechtmäßig erbracht wurden. Die Erbringung der Betreuungsleistungen an Frau P stützt der Kläger zu Recht auf § 16a SGB II. Nach dieser Vorschrift werden von den kommunalen Trägern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II) zur Verwirklichung einer ganzheitlichen und umfassenden Betreuung und Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit u.a. Betreuungsleistungen für minderjährige Kinder (Nr. 1) und eine psychosoziale Betreuung (Nr. 3) erbracht. Voraussetzung der Erbringung von Ermessensleistungen auf dieser Grundlage ist neben der vorliegend unstreitig gegebenen Leistungsberechtigung der Frau P und ihres Sohnes nach § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB II die Erforderlichkeit der Leistung für die Eingliederung in das Erwerbsleben. Die Erforderlichkeit einer Eingliederungsleistung nach § 16a SGB II beurteilt sich nach den Zielvorgaben der §§ 1, 3 SGB II. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 SGB II können Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sind. Verlangt wird eine Prognose über die möglichen Konsequenzen und Erfolge der Eingliederungsleistung, wobei eine Leistungsgewährung nicht nur dann in Betracht kommt, wenn die Leistungsgewährung die einzige Möglichkeit zur Eingliederung des Leistungsberechtigten ist (BSG Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 190/11 R mwN). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Lebenssituation der Frau P während ihres Aufenthalts im Frauenhaus war durch eine Auseinandersetzung mit dem Partner, Schwangerschaft und Geburt geprägt. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass eine Stabilisierung in diesem akuten Zustand mit Bewältigung der aktuell hiermit zusammenhängenden Anforderungen geboten war, um Frau P - wie von § 16a SGB II verlangt - ganzheitlich und umfassend zu betreuen und zu unterstützen und so langfristig eine Reduzierung der Hilfebedürftigkeit zu erreichen. Der Senat hält es nicht für geboten, weitergehende Voraussetzungen in dem Sinne, dass eine Betreuungsleistung im Einzelfall nachweisbar einen konkreten Bezug zur Integration in das Arbeitsleben darstellt, zu fordern. Wie ein Vergleich mit den anderen in § 16a SGB II genannten kommunalen Eingliederungsleistungen - Schuldner- und Suchtberatung - zeigt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Erbringung derartiger Leistungen ohne weitere inhaltliche Konkretisierung geeignet ist, individuellen Schwierigkeiten zu begegnen, die erfolgreichen Integrationsbemühungen in das Erwerbsleben entgegenstehen. Die kommunalen Eingliederungsleistungen stellen in der Regel als solche vorbereitende bzw. flankierende Maßnahmen dar (so Stölting in Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 16a Rn. 3; für eine weite Auslegung auch Schoch in LPK-SGB II, 6. Aufl., § 36a SGB II Rn. 12; Aubel in jurisPK, § 36a Rn. 16), ohne dass im Einzelfall konkret arbeitsmarktbezogene Bestandteile oder Aktivitäten vorliegen müssen.

Eine Kostenerstattungspflicht scheidet vorliegend indes aus, weil der SKF W eV als Träger des Frauenhauses keinen Vergütungsanspruch gegen den Kläger hatte und damit keine erstattungsfähigen Kosten iSd § 36a SGB II entstanden sind. Voraussetzung für eine Erstattungspflicht ist, dass eine rechtmäßige Leistung erbracht wurde, denn nur in diesem Fall ist eine Vergütungsverpflichtung wirksam entstanden, hinsichtlich derer Kostenerstattung geltend gemacht werden kann (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 36a Rn. 24; Striebinger in Gagel, § 16a SGB II Rn. 7; Aubel in jurisPK-SGB II § 36a Rn. 8; vgl. auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 08.05.2015 - L 12 AS 1955/14).

Gem. § 17 Abs. 2 SGB II in der bis zum 31.03.2011 geltenden und damit für den vorliegenden Fall maßgeblichen, bis heute insoweit unveränderten Fassung sind die Träger der Leistungen nach dem SGB II zur Vergütung für die Leistung nur verpflichtet, wenn mit dem Dritten oder seinem Verband eine Vereinbarung insbesondere über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Nr. 1), die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzen kann (Nr. 2) und die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Nr. 3) besteht, sofern - wie hier - im SGB III keine Anforderungen geregelt sind, denen die Leistung entsprechen muss.

Ohne die Vereinbarung besteht keine Vergütungspflicht, die dennoch gezahlt Vergütung ist in diesem Fall rechtswidrig (Aubel in jurisPK-SGB II § 36a Rn. 9; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.05.2015 - L 12 AS 1955/14).

An einer derartigen Vereinbarung fehlt es hier. Zwar dürfen an die Vereinbarung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 08.05.2015 - L 12 AS 1955/14), da nach § 17 Abs. 1 SGB II keine neuen Einrichtungen geschaffen werden sollen, soweit geeignete Einrichtungen vorhanden sind (Satz 1), die Träger der freien Wohlfahrtspflege angemessen unterstützt werden sollen (Satz 2) und dieser Zielsetzung zu strenge Anforderungen an den Inhalt der (teilweise bereits bestehenden) Vereinbarungen zuwiderlaufen würden. Die gesetzesgebundene Verwaltung darf jedoch nur solche Vereinbarungen abschließen, in denen sämtliche gesetzlichen Bestandteile vollständig und hinreichend aussagekräftig geregelt sind (Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, K § 17 Rn. 111). Die Vereinbarung muss eine Prüfungsvereinbarung enthalten, also eine Regelung über eine Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung durch den Leistungsträger. Damit soll die vertragsgemäße Leistungserbringung durch die Einrichtung sichergestellt werden (Adolph SGB II, SGB XII, AsylbLG, § 17 SGB II Rn. 20). Dabei sind möglichst präzise Vorgaben zu machen. Vorgesehen werden sollten Aufbewahrungs- und Vorlagepflichten, sinnvoll ist auch die Vereinbarung von Betretungsrechten zur Überprüfung der Leistungsstandards (vgl. Baur in Mergeler/Zink, SGB II, § 17 Rn. 23; Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, K § 17 Rn. 127). Die Erforderlichkeit der Qualitätsprüfung ergibt sich auch daraus, dass die von Dritten erbrachten Leistungen Ausprägung der staatlichen Schutzpflicht zur Sicherung des menschenwürdigen Lebens Hilfebedürftiger darstellen und der in § 17 Abs. 1 SGB II enthaltene Grundsatz institutioneller Subsidiarität aus verfassungsrechtlicher Sicht der Einschränkung unterliegt, dass soziale Dienstleistungen nur so lange von privaten Leistungserbringern erbracht werden können, wie der sozialstaatliche Versorgungsauftrag hierdurch sichergestellt wird (zur Gewährleistungsverantwortung der Träger eingehend BSG Urteil vom 10.08.2016 - B 14 AS 23/15 R; vgl. auch Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, K § 17 Rn. 8). Insbesondere die Prüfung der Qualität ist damit notwendige Folge der in § 17 Abs. 1 SGB II vorgesehenen grundsätzlichen Subsidiarität neu geschaffener (staatlicher) Einrichtungen. Für eine Privilegierung der freien Wohlfahrtspflege ist bei der Vertragsgestaltung kein Raum, da § 17 Abs. 2 SGB II sämtliche Dritte ohne weitere Abstufung in den Kreis der Leistungserbringer einbezieht (Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, K § 17 Rn. 99).

Die Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem SKF über den Betrieb eines Frauenhauses vom 09.01.1995 genügt diesen Anforderungen nicht. Auch wenn man davon ausgeht, dass § 1 der Vereinbarung Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen beschreibt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und in der Bezugnahme in § 3 auf die Anlage 1, in der der Tagessatz festgelegt wird, eine Vergütungsvereinbarung iSd § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II sieht, fehlt jede Regelung über die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen. Der Senat hat schon Bedenken, ob in § 5 der Vereinbarung eine Regelung über die Prüfung der Wirtschaftlichkeit zu sehen ist. Nach deren Wortlaut ist der SKF nur verpflichtet, Einnahmen und Ausgaben nach einem anerkannten Buchführungssystem zu buchen und die Unterlagen dem Kläger jederzeit zu Prüfzwecken zur Verfügung zu stellen. Nicht normiert wurde hingegen, welches Buchführungssystem verwendet wird, nach welchen Grundsätzen der Kläger seine Prüfmöglichkeit ausübt, welche Anforderungen an das Wirtschaftlichkeitsverhalten des SKF gestellt werden und welche Konsequenzen sich aus unwirtschaftlichem Verhalten ergeben. In § 5 dürfte lediglich eine Finanzierungs- und Abrechnungsregelung zu sehen sein, die eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit zwar nicht ausschließt, aber hierzu schon keinen konkreten Regelungsrahmen schafft. Jedenfalls haben der Kläger und der SKF keine Vereinbarung über die Prüfung der Qualität der Leistungen getroffen. Selbst unter Zugrundelegung niedrigster Anforderungen ist nicht erkennbar, wie der Kläger die Qualität der Leistungserbringung durch den SKF sicherstellen will. In § 1 ist die vertragsgemäße Leistung zwar beschrieben, es fehlen jedoch Kontroll- und Prüfinstrumente. Betretungsrechte sind nicht vorgesehen, den SKF treffen auch keine Vorlagepflichten, etwa die Verpflichtung zur Vorlage von Sozialberichten, anhand derer sich die Situation der Betroffenen, die Entwicklung und Perspektiven und die Notwendigkeit der Aufnahme und Betreuung im Frauenhaus beurteilen lassen, was wiederum Aufschluss über Arbeit und Erfolg des Frauenhauses gibt (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg Urteil vom 08.05.2015 - L 12 AS 1955/14). Allein der Umstand, dass die die Buchungen begründenden Unterlagen prüffähig aufbereitet aufzubewahren sind, ermöglicht keine Qualitätskontrolle, sondern führt lediglich zur Nachvollziehbarkeit der angegebenen Ein- und Ausgaben des Frauenhauses. Nicht stützen kann sich der Kläger auf die Leitlinie der SKF-Zentrale für Frauenhäuser, da diese keine verbindlichen Vertragsbestandteile geworden sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 und Abs. 3 SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a SGG iVm § 52 Abs. 1, 3 GKG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Der Umstand, dass eine Vereinbarung zur Leistungserbringung Regelungen zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen enthalten muss und ein Vergütungsanspruch als Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 36a SGB II nur bei Bestehen einer wirksamen Vereinbarung begründet ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.
Rechtskraft
Aus
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