L 32 AS 345/17 B

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 2 AS 1149/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 345/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger wird als unzulässig verworfen. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 5 wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Januar 2017 aufgehoben. Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer zu 5 die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 150 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger, vertreten durch den Beschwerdeführer zu 5 als ihren Prozessbevollmächtigten, begehrten vom Beklagten im inzwischen erledigten Hauptsacheverfahren höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Mit Bescheid vom 15. Mai 2013 gewährte der Beklagte den Klägern endgültig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Oktober 2012 bis Januar 2013 und forderte zugleich von ihnen die Erstattung einer Überzahlung in Höhe von 971,88 Euro: Mit Bescheid vom 20. September 2012 seien vorläufig Leistungen für die Monate Oktober 2012 bis März 2013 gewährt worden. Es bestehe jedoch nur ein tatsächlicher Anspruch in geringerer Höhe. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2014 hob der Beklagte den Bescheid vom 15. Mai 2013 teilweise auf und setzte die Leistungen nach dem SGB II für Dezember 2012 und Januar 2013 mit einem höheren Betrag fest. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück: Den Klägern habe für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011 eine Betriebs- und Heizkostengutschrift in Höhe von 971,83 Euro zugestanden. Dieses Guthaben hätten die Kläger aus Rechtsgründen nicht realisieren können, so dass in dem beanstandeten Bewilligungszeitraum keine Berücksichtigung dieses Gutachtens erfolge. Für die Monate Dezember 2012 und Januar 2013 seien keine Grundsicherungsleistungen zu erstatten.

Dagegen erhoben die Kläger am 28. Februar 2014 Klage beim Sozialgericht Cottbus.

Sie meinten, der angegriffene Bescheid sei nicht eindeutig. Zunächst gehe der Beklagte von einer Erstattungssumme von 971,88 Euro aus, da dies die Höhe eines Guthabens aus Betriebskostenabrechnung für 2011 sei. Sodann schreibe der Beklagte jedoch, dass das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für 2011 lediglich ein Guthaben von 555,44 Euro ausweise. Auch aus den tabellarischen Berechnungen lasse sich nicht eindeutig nachvollziehen, von welcher Summe der Beklagte hinsichtlich der Betriebskostenabrechnung 2011 ausgegangen sei. Der Beklagte möge zunächst dartun, von welchem konkreten Guthaben aus Betriebskostenabrechnung 2011 er tatsächlich ausgehe und wie sich seine Einkommensanrechnung auf die Erstattungssumme auswirke.

Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2015 teilte der Beklagte mit, es sei kein Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung 2011 angerechnet worden. Insoweit sei mit dem Widerspruchsbescheid auch keine Erstattungsforderung mehr geltend gemacht worden. Für die Monate Dezember 2012 und Januar 2013 seien höhere Leistungen bewilligt worden. Für die Monate Oktober bis November 2012 sei es bei der beschiedenen Leistungshöhe verblieben. Insoweit ergebe sich für die Kläger keine Beschwer.

Mit Schreiben vom 10. März 2015 hat das Sozialgericht dem Beschwerdeführer zu 5 mitgeteilt, es erwäge, diesem Missbrauchsgebühren aufzuerlegen, da weder dargetan noch sonst ersichtlich sei, warum an der Klage festgehalten werde. Es werde eine Klagerücknahme anheimgestellt.

Nachdem das Sozialgericht Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 18. Januar 2017 bestimmt hatte, nahmen die Kläger am 17. Januar 2017 die Klage zurück.

Mit Beschluss vom 25. Januar 2017 hat das Sozialgericht dem Beschwerdeführer zu 5 Kosten in Höhe von 150 Euro auferlegt: Die Kostenauferlegung beruhe auf § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Rechtsverfolgung sei missbräuchlich. Sie sei völlig aussichtslos, weil kein konkreter Mangel der angefochtenen Bescheide dargelegt oder ersichtlich sei. Die Kosten seien dem Beschwerdeführer zu 5 aufzuerlegen, da ihm die missbräuchliche Handlung vorrangig zuzurechnen sei. Da der Gesetzgeber den Wortlaut des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG an den des § 34 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) angelehnt habe, sei ein Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu § 34 BVerfGG naheliegend. Das BVerfG habe dem Prozessbevollmächtigten selbst wiederholt eine Missbrauchsgebühr auferlegt, wenn sich besondere Anhaltspunkte dafür ergäben, dass die Missbräuchlichkeit der Verfassungsbeschwerde vorrangig ihm und nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen sei. Selbst wenn die Klage irrtümlich oder aus einer Nachlässigkeit heraus erhoben worden sein sollte, sei nicht erkennbar, aus welchem Grund der Beschwerdeführer zu 5 das Verfahren fortführe. Er habe sich mit der Klage und deren Erfolgsaussichten bis wenige Stunden vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung nicht ernsthaft auseinandergesetzt.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Kläger und Beschwerdeführer zu 5 am 31. Januar 2017 zugestellten Beschluss richtet sich die am 10. Februar 2017 im Namen des Beschwerdeführers zu 5 und vorsorglich auch im Namen der Kläger eingelegte Beschwerde.

Es wird vorgetragen: Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg habe bereits entschieden, dass die Auferlegung von so genannten Verschuldenskosten auf den Prozessbevollmächtigten schon mangels Rechtsgrundlage nicht in Betracht komme. Ferner könne das Gericht überhaupt nicht wissen, ob die Entscheidung, den Rechtsstreit fortzuführen, vom Prozessbevollmächtigten selbst stamme oder doch von den vertretenen Klägern. Im Übrigen sei das Verfahren gerade nicht fortgeführt, sondern für erledigt erklärt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die bei der Entscheidung vorgelegen hat, verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde der Kläger ist unzulässig.

Die Kläger werden durch den angefochtenen Beschluss nicht betroffen, so dass sie nicht beschwert sind. Mit dem Begriff der Beschwer wird das Rechtsschutzbedürfnis oder Rechtsschutzinteresse für die Rechtsmittelinstanz umschrieben. Eine Beschwer des Klägers liegt vor, wenn die angefochtene Entscheidung ihm etwas versagt, das er beantragt hat (so genannte formelle Beschwer). Eine solche formelle Beschwer ist grundsätzlich ausreichend. Eine materielle Beschwer ist gegeben, wenn eine Beeinträchtigung der materiellen Rechtsstellung erfolgt ist (Meyer-Ladewig, Leitherer/Keller, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, vor § 143, Rdnrn. 5, 6 und 7).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Mit der am 17. Januar 2017 erfolgten Rücknahme der Klage hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGG). Über einen Klageantrag der Kläger ist daher nicht mehr zu entscheiden gewesen. Einen Antrag zu den außergerichtlichen Kosten haben die Kläger nicht gestellt. Mit dem angefochtenen Beschluss ist über einen Antrag der Kläger auch nicht entschieden worden. Die materielle Rechtsstellung der Kläger ist durch diesen Beschluss ebenfalls nicht beeinträchtigt worden, denn eine sie in anderer Weise belastende Entscheidung ist ihnen gegenüber nicht ergangen. Durch den angefochtenen Beschluss, ihrem Prozessbevollmächtigten Kosten in Höhe von 150 Euro aufzuerlegen, sind die Kläger daher selbst nicht beschwert (so auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Februar 2012 – L 11 AS 157/12 B, Rdnr. 4, zitiert nach juris).

2. Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 5 ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft.

Nach § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

Nach § 172 Abs. 3 SGG ist die Beschwerde u. a. gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193 SGG (Ziffer 3) und gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4 SGG, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt (Ziffer 4), ausgeschlossen.

Eine Kostengrundentscheidung nach § 193 SGG liegt nicht vor, denn diese betrifft die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben (§ 193 Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGG). Eine Entscheidung zur Kostenerstattung im Verhältnis der Beteiligten zueinander hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Beschluss nicht getroffen, denn Beteiligte am Verfahren sind (nur) der Kläger, der Beklagte und der Beigeladene (§ 69 SGG), damit also nicht ein Prozessbevollmächtigter.

Der Sachverhalt des § 192 Abs. 4 SGG ist gleichfalls nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden (§ 192 Abs. 4 Satz 1 SGG).

§ 192 Abs. 3 SGG steht der Statthaftigkeit der Beschwerde ebenfalls nicht entgegen.

Danach wird die Entscheidung nach § 192 Abs. 1 SGG, also die Auferlegung von so genannten Verschuldens- bzw. Missbrauchskosten, in ihrem Bestand nicht durch die Rücknahme der Klage berührt. Sie kann nur durch eine zu begründende Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden.

Diese Vorschrift setzt voraus, dass vor Rücknahme der Klage ein Urteil ergangen ist (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 192 Rdnr. 20a), wobei eine Änderung im Rechtsmittelverfahren auch nur in Betracht kommt, wenn ein zulässiges Rechtsmittel eingelegt worden ist (Bundessozialgericht - BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2010 – B 13 R 229/10 B, Rdnr. 14, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1500 § 192 Nr. 1). Bei einer Entscheidung durch Beschluss ist die Beschwerde hingegen ohne Rücksicht darauf statthaft, ob in der Hauptsache die Berufung zulässig gewesen wäre (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 192, Rdnr. 21, m.w.N.; insbesondere Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. Januar 2016 – L 1 AS 4045/15 B, Rdnr. 24, zitiert nach juris, wonach selbst bei Erledigung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens angesichts der Vorschrift des § 172 Abs. 3 Nrn. 3 und 4 SGG im Hinblick auf das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke eine erweiternde Auslegung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausscheidet).

Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 5 ist auch begründet.

Das Sozialgericht hat dem Beschwerdeführer zu 5 zu Unrecht Kosten in Höhe von 150 Euro auferlegt, denn hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage.

Nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGG gilt: Das Gericht kann im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter.

Nach dieser Vorschrift können Kosten nur den Beteiligten auferlegt werden, zu denen, wie bereits ausgeführt, ein Prozessbevollmächtigter nicht rechnet. § 192 Abs. 1 Satz 2 SGG steht dem nicht entgegen. Die darin angeordnete Gleichstellung bezieht sich u. a. auf den in § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG beschriebenen Tatbestand der missbräuchlichen Rechtsverfolgung und bringt den auch sonst geltenden Gedanken zum Ausdruck, dass sich der Beteiligte das Verhalten seines Bevollmächtigten zurechnen lassen muss (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 192, Rdnr. 2, m.w.N.; ausgenommen Prozessbevollmächtigte ohne Vollmacht). Die ausdrückliche Gleichstellung des Vertreters oder Bevollmächtigten berücksichtigt die Bedeutung dieser Vorschrift, wonach trotz des grundsätzlich gerichtskostenfreien Verfahrens auch einem Beteiligten Kosten auferlegt werden können, selbst wenn nicht ihm, sondern (nur) dem Vertreter oder dem Bevollmächtigten die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder –verteidigung dargelegt worden und gleichwohl der Rechtsstreit fortgeführt worden ist.

Soweit wegen des Hinweises in der Gesetzesbegründung auf § 34 Abs. 2 BVerfGG die Auffassung vertreten wird, dass deswegen nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auch der Prozessbevollmächtigte als Adressat einer Missbrauchsgebühr in Betracht kommt (so Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. August 2010 – L 8 SO 159/10, Rdnr. 2, zitiert nach juris; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Februar 2012 – L 29 AS 1144/11, Rdnrn. 52, 53, 55 – 57, zitiert nach juris; ohne Begründung: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08. Mai 2008 – L 8 RA 8/04, Rdnr. 56, zitiert nach juris; offen gelassen: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Juli 2016 – L 34 AS 2443/15, Rdnr. 34, zitiert nach juris), vermag der Senat nicht zu folgen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung - Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (Bundestag-Drucksache 14/5943) sah ursprünglich folgende Fassung des § 192 Abs. 1 Satz Nr. 2 und 3 SGG vor:

"Das Gericht kann im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass 2. der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist oder 3. eine Klage missbräuchlich erhoben oder eine sonstige Verfahrenshandlung missbräuchlich vorgenommen wird."

In der Gesetzesbegründung (S. 28) ist dazu u. a. ausgeführt:

"Die Neufassung der Vorschrift lehnt sich an § 34 des Gerichtskostengesetzes an. Es wird dem Gericht ermöglicht, in Fällen, in denen Beteiligte oder ihre Vertreter bzw. Bevollmächtigte schuldhaft das Verfahren verzögert haben, ganz oder teilweise die dadurch verursachten Kosten aufzuerlegen." "Entsprechendes gilt, wenn der Beteiligte auf die Aussichtslosigkeit des Rechtsstreites sowie auf eine mögliche Kostentragungspflicht durch den Vorsitzenden in einem Termin hingewiesen worden ist. Außerdem wird dem Gericht entsprechend § 34 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes die Möglichkeit eröffnet, einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen, wenn die Erhebung der Klage oder sonstige Verfahrenshandlungen als Missbrauch des grundsätzlich kostenfreien sozialgerichtlichen Rechtsschutzes anzusehen sind (z. B. bei substanzlosen Klagen in Bagatellfällen)."

Aufgrund Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung - 11. Ausschuss – (Drucksache 14/6335) erhielt § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bei Entfallen der Nr. 3 SGG folgende Gesetzesfassung (mit Inkrafttreten zum 2. Januar 2002, Gesetz vom 17. August 2001, BGBl I 2001, 2144):

"2. der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder –verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist."

Zur Begründung (S. 33) ist dazu ausgeführt:

"Bei einer missbräuchlichen Rechtsverfolgung oder –verteidigung soll der Beteiligte vorab auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung hingewiesen werden. Im Übrigen kann auf die Nennung des Tatbestandes der "offensichtlichen Aussichtslosigkeit" verzichtet werden, weil es sich um einen Unterfall der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung handelt (so auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 34 BVerfGG)."

§ 34 Abs. 2 BVerfGG (in der ab 11. August 1993 geltenden Fassung des Gesetzes vom 2. August 1993, BGBl I 1993, 1442, bzw. in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Gesetzes vom 27. April 2001, BGBl I 2001, 751) bestimmt: Das Bundesverfassungsgericht kann eine Gebühr bis zu 5.000 DM bzw. 2.600 Euro auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde oder der Beschwerde nach Artikel 41 Abs. 2 des Grundgesetzes einen Missbrauch darstellt oder wenn ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 32) missbräuchlich gestellt ist.

Adressat der Missbrauchsgebühr gemäß § 34 Abs. 2 BVerfGG ist derjenige, dem die missbräuchliche Handlung zuzurechnen ist. Nach allgemeinen Grundsätzen, beruhend auf dem in § 85 ZPO kodifizierten Rechtsgedanken, ist auch bei Einschaltung eines Bevollmächtigten generell der Beschwerdeführer bei "missbräuchlicher" Einlegung einer Verfassungsbeschwerde von der Rechtsfolge des § 34 Abs. 2 BVerfGG betroffen. Eine Ausnahme davon ist indes in den Fällen zu machen, in denen sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass die missbräuchliche Inanspruchnahme allein oder primär auf den Bevollmächtigten zurückzuführen ist (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. Dezember 2006 – 2 BvR 2357/06, Rdnr. 12, zitiert nach juris).

Das BVerfG hat auf dieser Grundlage eine solche Gebühr dem Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers auferlegt, wenn die Missbräuchlichkeit der Verfassungsbeschwerde vorrangig dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers zuzurechnen ist.

Einen solchen Sachverhalt hat es z. B. darin gesehen, - wenn der Bevollmächtigte über Jahre hinweg mit im Wesentlichen gleichen Klagezielen, in gleich gelagerten Fällen, anhand derselben einfach-rechtlichen Anknüpfung sowie mit nahezu identischen verfassungsrechtlichen Begründungen Verfassungsbeschwerden erhoben hatte, die ausnahmslos nicht zur Entscheidung angenommen worden waren und es ausgeschlossen erscheint, dass gleichsam zufällig verschiedene Beschwerdeführer mit nahezu identischen einfach-rechtlichen und verfassungsrechtlichen Begründungen ihre Verfassungsbeschwerden dem Bundesverfassungsgericht vorlegen, so dass in der Gesamtschau die schriftlichen Einlassungen zeigen, dass letztlich ein Urheber, nämlich der Bevollmächtigte, die verschiedenen Verfahren mit den gleichen, ständig wiederkehrenden Begründungsansätzen auf eine nicht ordnungsgemäße Weise betrieben hat (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. Dezember 2006 – 2 BvR 2357/06, Rdnr. 12 und 13, zitiert nach juris), - dass nach bereits drei vorangegangenen erfolglosen Verfassungsbeschwerden bei jetzt weitgehend identischem Vorbringen ohne Auseinandersetzung mit der ausführlichen gerichtlichen Begründung ein richterlicher Hinweis mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen worden war (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 12. September 2005 – 2 BvR 1435/05, Rdnr. 3, zitiert nach juris), - dass der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin erst vor kurzem in einem ähnlich gelagerten Fall als Bevollmächtigter eine im Wesentlichen inhaltlich und sprachlich gleiche, ebenfalls missbräuchliche Verfassungsbeschwerde eingelegt hatte (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09. Juni 2004 – 1 BvR 915/04, Rdnr. 6, zitiert nach juris), - dass der Bevollmächtigten in der Verfassungsbeschwerdeschrift Angaben über den Zugang des angegriffenen Beschlusses gemacht hatte, die in hohem Maße geeignet waren, das Bundesverfassungsgericht über die entscheidungserhebliche Tatsache des Beginns der Verfassungsbeschwerdefrist in die Irre zu führen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 01. Dezember 2008 – 2 BvR 2187/08, Rdnr. 9 zitiert nach juris).

Mit dem Verweis der o. g. Gegenansicht auf die Gesetzesbegründung zu § 192 SGG wird unberücksichtigt gelassen, dass zum einen § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG als Adressaten ausdrücklich einen "Beteiligten", wozu nach § 69 SGG der Prozessbevollmächtigte nicht rechnet, benennt, während § 34 Abs. 2 BVerfGG eine solche Beschränkung auf Beteiligte nicht vorsieht, und dass zum anderen es erst die seit 11. August 1993 geltende Fassung des § 34 Abs. 2 BVerfGG überhaupt ermöglicht hat, auch einem Prozessbevollmächtigten eine Missbrauchsgebühr aufzuerlegen, denn die bis zum 10. August 1993 gültige Fassung des § 34 Abs. 2 Sätze 1 und 3 BVerfGG (in der Fassung des Gesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl I 1985, 2226) lautete:

"Wird die Annahme einer Verfassungsbeschwerde abgelehnt (§ 93b Abs. 1 oder § 93c) oder eine Verfassungsbeschwerde oder eine Beschwerde nach Artikel 41 Abs. 2 des Grundgesetzes verworfen (§ 24), so kann das Bundesverfassungsgericht dem Beschwerdeführer eine Gebühr bis zu 1.000 Deutsche Mark auferlegen. Das Bundesverfassungsgericht kann dem Antragsteller nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 eine Gebühr auferlegen, wenn es einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückweist."

Der Hinweis in der Gesetzesbegründung auf § 34 Abs. 2 BVerfGG bedeutet mithin lediglich, dass – wie in § 34 Abs. 2 BVerfG vorgesehen – nunmehr auch nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG eine solche Missbrauchsgebühr möglich ist. Da § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG – im Unterschied zum geltenden § 34 Abs. 2 BVerfG - den Adressaten einer solchen Missbrauchsgebühr ausdrücklich nennt, folgt hingegen daraus nicht, dass außer den Beteiligten auch Dritte Adressaten einer Missbrauchsgebühr sein könnten, zumal die Gesetzesbegründung selbst im Zusammenhang mit § 34 Abs. 2 BVerfGG (nur) einen "Beteiligten" anspricht und ansonsten nicht den geringsten Anhalt dafür bietet, dass ein Prozessbevollmächtigter Adressat einer Missbrauchgebühr sein könnte, die vom BVerfG, soweit ersichtlich, überhaupt erstmalig mit Nichtannahmebeschluss vom 09. Juni 2004 – 1 BvR 915/04 einem Prozessbevollmächtigten auferlegt wurde.

Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 5 hat daher Erfolg.

Im Beschwerdeverfahren hat eine Entscheidung über Kosten zu ergehen.

Bei der Beschwerde eines Beteiligten bedarf es einer solchen Kostenentscheidung, wenn es sich um die Beschwerde gegen einen Beschluss handelt, der einen eigenständigen Verfahrensabschnitt abschließt. Eine solche Kostenentscheidung ist ebenfalls erforderlich, wenn die Beschwerde von einer Person eingelegt wird, die nicht Beteiligter ist (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 176 Rdnrn. 5a und 5).

Bezogen auf die Kläger liegt ein eigenständiger Verfahrensabschnitt vor, da ein Hauptsacheverfahren nach Klagerücknahme nicht mehr anhängig ist. Der Beschwerdeführer zu 5 ist nicht Beteiligter.

Die Kostenentscheidung im Verhältnis zu den Klägern beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des insoweit erfolglosen Beschwerdeverfahrens.

Die Kostenentscheidung im Verhältnis zum Beschwerdeführer zu 5 folgt analog § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, denn der Beschwerdeführer zu 5 gehört nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen (insbesondere zu den Versicherten und Leistungsempfängern), i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt. Unterliegender Teil ist die Staatskasse, auch wenn sie formell am Verfahren der Auferlegung der Kosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG und dem Beschwerdeverfahren nicht beteiligt ist, denn der zu ihren Gunsten ergangene angefochtene Beschluss ist, wie ausgeführt, aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beschränkt sich auf eine Entscheidung zu den notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers zu 5. Einer Entscheidung über Gerichtskosten bedarf es nicht.

Zwar sieht § 197a Abs. 1 Satz 1 erste Alternative SGG vor, dass Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben werden. Nach § 3 Abs. 2 GKG werden Kosten nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben. Nach dem Kostenverzeichnis Nr. 7504 (Verfahren über die nicht besonders aufgeführte Beschwerden, die nicht nach anderen Vorschriften gebührenfrei sind) gilt: Die Beschwerde wird verworfen oder zurückgewiesen 60 Euro. Wird die Beschwerde nur teilweise verworfen oder zurückgewiesen, kann das Gericht die Gebühr nach billigem Ermessen auf die Hälfte ermäßigen oder bestimmen, dass eine Gebühr nicht zu erheben ist. Diese Regelung schließt Gerichtskosten im Falle eines vollen Erfolges der Beschwerde aus, so dass eine Entscheidung über Gerichtskosten entfällt (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. Januar 2012 – L 5 AS 228/11 B, Rdnr. 13, zitiert nach juris, Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Juli 2009 – L 10 U 2682/09 B, Rdnr. 5, zitiert nach juris).

Die Festsetzung des Streitwertes, die nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. § 197a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG ergeht, ergibt sich aus § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 2 GKG und bestimmt sich, wenn der Antrag des Rechtsmittelführers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, nach deren Höhe.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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