S 20 AS 3514/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 20 AS 3514/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Das Konzept des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge entspricht im Jahr 2014 in der Stadt Heidenau nicht den Anforderungen des BSG an die "Schlüssigkeit".
2. Es ist auf Grund der örtlichen Gegebenheiten unzulässig, einen Vergleichsraum über das gesamte Gebiet des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zu bilden.
3. In einem Wohnungsmarkt, der im unteren Segment von Plattenbauten mit nicht selten geringfügig unter 30 m² großen 1-Raum-Wohnungen geprägt ist, ist es unzulässig, Wohnungen, die kleiner als 30 m² sind, aus der Erhebung herauszunehmen.
4. Die Heranziehung eines zu niedrigen Perzentils bei der Beschränkung des Marktvolumens stellt einen nicht korrigierbaren Fehler des Konzepts dar.
5. Eine Indexfortschreibung des Konzepts über die landesweite Mietentwicklung genügt nicht den Anforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept.
I. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum 1. Mai 2014 bis 31. Oktober 2014 weitere Bedarfe der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 97,71 EUR zu zahlen. II. Der Bescheid vom 9. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2014 in der Fassung des Bescheides vom 14. Oktober 2014 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. III. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Mai 2014 bis 31. Oktober 2014.

Die am 1959 geborene Klägerin beantragte erstmals am 23. Dezember 2004 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Zum 1. August 1996 hatte sie eine 2 ½-Raum-Wohnung in Heidenau bezogen, die ca. 60 m² groß ist. Bereits mit Bescheid vom 10. Mai 2006 teilte der Beklagte der Klägerin erstmals mit, dass er die Unterkunftskosten für unangemessen halte. Gemäß Schreiben der Vermieterin vom 24. September 2013 betrug ab 1. November 2013 die Grundmiete 164,83 EUR. Hinzu kam ein Zuschlag Modernisierung in Höhe von 138,88 EUR, eine Vorauszahlung für die Betriebskosten in Höhe von 59,05 EUR und eine Vorauszahlung für die Heizung und Warmwasser in Höhe von 61,14 EUR. Die Bruttokaltmiete betrug mithin monatlich 362,76 EUR. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2013 forderte der Beklagte die Klägerin zur Senkung der Kosten der Unterkunft auf und kündigte ab 1. Mai 2014 die Kappung auf 265,05 EUR an. Mit Schreiben vom 4. November 2013 teilte die Klägerin mit, dass ein Umzug für sie mit erheblichen zusätzlichen Kosten verbunden wäre, die sie nicht tragen könne. Außerdem werde sie einen Elternteil bei sich aufnehmen, wenn der andere "wegfalle". DM H., FA für Allgemeinmedizin bescheinigte am 8. November 2013, dass die damals X und Y Jahre alten Eltern der Klägerin beide schwer krank seien und in der Nähe der Klägerin wohnten. Sie bedürften täglich, auch notfallmäßig ihrer Hilfe.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 17. März 2014 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 9. April 2014 Leistungen für Mai bis Oktober 2014 in Höhe von monatlich 665,19 EUR. Die Klägerin erhob am 16. April 2014 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2014 zurück wies.

Die Klägerin hat am 6. Juni 2014 Klage vor dem Sozialgericht Dresden erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, die von dem Beklagten herangezogene Mietobergrenze basiere nicht auf einem schlüssigen Konzept. Die von dem Beklagten als Vergleichsräume bestimmten Wohnungsmarkttypen genügten nicht den Vorgaben des BSG. Die Städte Freital, Heidenau und Pirna seien zu einem Vergleichsraum zusammengefasst worden und zudem geographisch dazwischen liegende Städte wie Dohna, Müglitztal, Kreischa und Bannewitz einem anderen Vergleichsraum zugeordnet worden. Die geforderte räumliche Nähe sei damit nicht gegeben. Die Stadt Heidenau habe mit Freital beispielsweise keine direkte Verkehrsverbindung im öffentlichen Personennahverkehr. Die Datenerhebung genüge nicht den Ansprüchen der Rechtsprechung des BSG. Unverständlich sei, wieso Wohnungen mit einer Wohnfläche von unter 30 m² von der Betrachtung explizit ausgeschlossen worden seien. Ein-Raum-Wohnungen in Plattenbauweise mit einer Wohnungsgröße von ca. 26 m² seien für alleinstehende Leistungsempfänger nicht unzumutbar. Dieser Wohnungstyp sei in Sachsen weit verbreitet. Kleinere Wohnungen hätten üblicherweise einen höheren Quadratmeterpreis. Die Perzentilbildung auf das 33. Perzentil sei nicht nachvollziehbar.

Da kein schlüssiges Konzept vorliege, sei auf die Wohngeldtabelle, Mietstufe III, zurückzugreifen. Danach seien für einen Einpersonenhaushalt 330 EUR übernahmefähig. In Addition mit einem Sicherheitszuschlag von 10 % ergäben sich übernahmefähige Kosten in Höhe von 363 EUR. Die Bruttokaltmiete der Klägerin betrage nur 362,76 EUR. Allein die Nutzung der jetzigen Wohnung erlaube der Klägerin die Pflege und Betreuung ihrer Eltern bzw. ggf. die Aufnahme eines Elternteils in ihrer Wohnung, so dass ein Umzug in diesem Einzelfall unzumutbar erscheine. Beide Elternteile litten an Demenz. Bei dem Vater sei die Pflegestufe I und bei der Mutter die Pflegestufe II festgestellt worden. Die Klägerin sei die einzige Angehörige, die sich kümmere.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 9. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. Oktober 2014 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum vom 1. Mai 2014 bis 31. Oktober 2014 in Höhe von 97,71 EUR monatlich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, sowie hilfsweise, die Berufung zuzulassen.

Er verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Er gehe davon aus, dass er über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Mietobergrenzen verfüge. Rein menschlich betrachtet sei das Interesse der Klägerin an ihrer bisherigen Wohnung verständlich. Ihre Eltern hätten im streitgegenständlichen Zeitraum Pflegegeld bezogen. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin in der Lage sei, die Differenz zwischen der tatsächlichen und der gekappten Miete aus eigenen Mitteln zu bestreiten.

Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich Einkünfte aus Nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von monatlich 165 EUR mit Ausnahme des Monats August erzielt, in dem die Einkünfte nur 146,25 EUR betragen haben. Mit Schreiben vom 24. September 2014 hat der Vermieter der Klägerin die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2013 erstellt und von der Klägerin bis zum 20. Oktober 2014 eine Heizkostennachzahlung in Höhe von 14,78 EUR gefordert. Mit Änderungsbescheid vom 14. Oktober 2014 hat der Beklagte der Klägerin für Juli 2014 668,79 EUR, für August 2014 683,79 EUR, für September 2014 668,79 EUR und für Oktober 2014 683,57 EUR gewährt. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft im streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von 362,76 EUR pro Monat für die Bruttokaltmiete. Der Bescheid vom 9. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2014 in der Fassung des Bescheides vom 14. Oktober 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit er ihr diesen Anspruch versagt.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, Leistungen nach dem SGB II.

Die Klägerin erfüllt im Zeitraum von Mai bis Oktober 2014 alle Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB II. Sie hat nur Anspruch auf Leistungen, soweit sie hilfebedürftig ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).

Die Höhe des Anspruches auf Arbeitslosengeld II bemisst sich nach § 19 SGB II. Der Bedarf der Klägerin ergibt sich zunächst aus dem ihr gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II a. F. zustehenden Regelbedarf in Höhe von 391 EUR monatlich. Ferner gehören dazu die der Klägerin gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zustehenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung.

Die tatsächlichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung der Klägerin betrugen monatlich 423,90 EUR. Davon entfielen 303,71 EUR auf die Miete, 59,05 EUR auf die Betriebskostenvorauszahlung und 61,14 EUR auf die Heizkostenvorauszahlung. Hinzu kam eine Heizkostennachzahlung in Höhe von 14,78 EUR im August 2014. Die Klägerin hat Anspruch auf Übernahme der Bedarfe für Unterkunft in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Denn die Voraussetzungen für eine Kürzung der Aufwendungen für die Unterkunft gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II lagen im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des BSG hat der Beklagte zur Feststellung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft in mehreren Schritten vorzugehen (Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R): In einem ersten Schritt ist die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard zu bestimmen. In einem zweiten Schritt ist festzulegen, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Sodann ist in einem dritten Schritt nach der "Produkttheorie" zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist. Hierbei ist der ermittelte Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards mit der dem Hilfeempfänger zugestandenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren und so die angemessene Miete festzustellen. Die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze (BSG, Urteil vom 18.6.2008 – B 14/7b AS 44/06 R) muss auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden.

Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung), - es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße, - Angaben über den Beobachtungszeitraum, - Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z. B. Mietspiegel), - Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten, - Validität der Datenerhebung, - Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und - Angaben über die gezogenen Schlüsse (z. B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze) (BSG, Urteil vom 22. September 2009, a. a. O., Rn. 18 f.).

Es kann offen bleiben, ob diese Rechtsprechung des BSG im Lichte der Entscheidung des BVerfG vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u. a. – noch tragfähig ist (vgl. im Einzelnen: SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 12. Dezember 2014 – S 3 AS 130/14 –). Denn das Konzept des Beklagten erfüllt diese Anforderungen bezüglich des Wohnungsmarktyps IV nicht.

Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße ist nach Ziff. I Satz 2 Nr. 1 der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz zur Regelung von Wohnflächenhöchstgrenzen zu § 18 SächsAGSGB (VwV Wohnflächenhöchstgrenzen; vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 19. Dezember 2013 – L 7 AS 637/12 –, Rn. 89) zu bestimmen und beträgt für Alleinstehende 45 m².

Angemessen sind die Aufwendungen für eine Unterkunft nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R –, Rn. 14). Um die Referenzmiete zu bestimmen, ist die Miete am Wohnort des Leistungsberechtigten als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Dazu ist in einem weiteren Schritt der räumliche Vergleichsraum zu ermitteln. Die Datenerhebung zur Ermittlung der Referenzmiete muss ausschließlich in dem genau eingegrenzten und über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R –).

Zur Festlegung des Vergleichsraums zur Ermittlung einer angemessenen Referenzmiete ist in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend. Ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, kann von dem Leistungsempfänger im Regelfall nicht verlangt werden (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R –, Rn. 26). Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der räumliche Vergleichsmaßstab strikt am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde" nach dem jeweiligen landesrechtlichen Kommunalrecht orientieren muss. Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabs kann es - insbesondere im ländlichen Raum - geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R –, Rn. 21). Am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen sind mithin ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu definieren, die auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (zitiert nach: SG Dresden, Urteil vom 26. Juni 2015 – S 14 AS 8400/12 –).

Der Beklagte hat zuletzt in der mündlichen Verhandlung bekräftigt, dass er den Vergleichsraum über den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in seiner Gesamtheit gebildet habe. Zu dieser Vergleichsraumbildung hat bereits die 32. Kammer des SG Dresden im Beschluss vom 12. Mai 2016 – S 32 AS 984/16 ER – ausgeführt:

"Dem der Verwaltungsvorschrift des Antragsgegners [Verwaltungsvorschrift des Landkreises zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 8. Juli 2013 (VwV Unterkunfts- und Heizkosten 2013)] zugrunde liegenden "Schlüssigen Konzept zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge" [erstellt von Analyse & Konzepte im Januar 2013] ist nicht eindeutig zu entnehmen, von welchen Vergleichsräumen ausgegangen wird. Allerdings deuten die Ausführungen aus Seite 5 des Konzepts darauf hin, dass deren Ersteller durch die Zusammenfassung von "Bereichen mit strukturell vergleichbaren Wohnungsmärkten zu Wohnungsmarkttypen" entsprechende Vergleichsräume bilden wollten. Zumindest beruft man sich insoweit auf das Urteil des BSG vom 7. November 2006, B 7b AS 10/06 R, soweit es dort heißt, dass es bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabes im ländlichen Raum geboten sein kann, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen (vgl. Fußnote 4 auf S. 5 des Konzepts). Unbeschadet dessen hat aber der Antragsgegner auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt, dass für das dortige Konzept der gesamte Landkreis den Vergleichsraum bilde. Daher ist der weiteren Prüfung zunächst diese Prämisse zugrunde zulegen.

Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge geht über einen "ausreichend großen Raum der Wohnbebauung, der auf Grund seiner räumlichen Nähe zueinander, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet", deutlich hinaus (vgl. bezogen auf den Landkreis Nordsachsen: SG Leipzig, 10. Kammer, Urteil vom 19. Januar 2016, S 10 AS 3521/14; gegenteiliger Auffassung: SG Leipzig, 25. Kammer, Urteil vom 24. September 2015, S 25 AS 2228/14; höchstrichterliche Entscheidungen zu Fallgestaltungen, in denen ganze Landkreise als Vergleichsraum herangezogen werden, sind nicht ersichtlich; insbesondere ist der Beschluss des BSG vom 7. Oktober 2015, B 14 AS 255/15 B, zur Nichtzulassungsbeschwerde im Hinblick auf das vom Antragsgegner in Anspruch genommeine Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 8. Juli 2015, L 4 AS 718/14, nicht weiterführend, weil auf die Bildung des Vergleichsraums – dort der gesamte Landkreis Gotha – nicht eingegangen wird; die bisherige Rechtsprechung des BSG zur Vergleichsraumbildung betrifft – soweit ersichtlich – vielmehr Fallgestaltungen, in denen Städte insgesamt als Vergleichsraum her-angezogen wurden; zu solchen Konstellationen liegen auch zahlreiche Entscheidungen von Instanzgerichten vor, die auf Landkreise nicht ohne weiteres übertragbar sind, etwa das vom Antragsgegner erwähnte Urteil des SG Augsburg vom 22. Mai 2015, S 8 AS 121/15, das sich auf die Stadt Augsburg bezieht).

Bereits die Ausdehnung des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in Ost-West-Richtung von 69 Kilometern (Angabe auf der Homepage des Landkreises) lässt eine räumliche Nähe etwa zwischen Neustadt oder Sebnitz auf der einen und Wilsdruff oder Tharandt auf der anderen Seite ausgesprochen zweifelhaft erscheinen. Hinzu kommt die Trennung des östlichen vom westlichen Teil des Landkreises durch die Elbe mit Brücken nur in Pirna und Bad Schandau, was auch die verkehrstechnische Erreichbarkeit entsprechend beeinflusst.

Gegen die Annahme, der gesamte Landkreis stelle einen homogenen Lebens- und Wohnbereich dar, spricht auch der Umstand, dass innerhalb des Kreises ausweislich des Sächsischen Landesentwicklungsplans (Stand 2013) drei Mittelzentren bestehen (Pirna, Freital und Dippoldiswalde), die jeweils von – sich teils überschneidenden – sogenannten Mittelbereichen umgeben sind, die ihrerseits einzelne Überschneidungen mit dem Oberzentrum Dresden aufweisen. Diese Struktur deutet – auch etwa im Gegensatz zu den Gegebenheiten im Landkreis Gotha, wo lediglich die Kreisstadt ein Mittelzentrum darstellt (vgl. dazu das durch den Antragsgegner in Anspruch genommene Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 8. Juli 2015, Az. L 4 AS 718/14) – darauf hin, dass im Umfeld der Mittelzentren jeweils homogene Lebens- und Wohnbereiche bestehen, die als eigenständige Vergleichsräume anzusehen sein dürften. Hinzu kommt, dass sich einzelne Gebiete des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sowohl im Hinblick auf die Infrastruktur als auch hinsichtlich der Bevölkerungsdichte ganz erheblich unterscheiden. Während die in der Nähe des Oberzentrums Dresden gelegenen Städte und Gemeinden eine vergleichsweise hohe Bevölkerungsdichte aufweisen (vor allem Heidenau mit über 1000 Einwohnern/km² sowie Freital und Pirna mit über 500 Einwohnern/km²; darüber hinaus auch Bannewitz mit über 250 Einwohnern/km²; Quelle: Homepage des Landkreises), ist die Bevölkerungsdichte vor allem in der Grenzregion zur Tschechischen Republik ausgesprochen niedrig (insbesondere Hartmannsdorf-Reichenau, Hermsdorf, Rosenthal-Bielatal und Reinhardtsdorf-Schöna mit jeweils unter 50 Einwohnern/km²; Quelle: wie vor). Das spricht dagegen, dass es sich bei dem Landkreis insgesamt um einen einheitlichen homogenen Lebens- und Wohnbereich handelt. Auch die infrastrukturelle Erschließung weist erhebliche Unterschiede auf. Die Hauptverkehrsachsen befinden sich im Elbtal (S-Bahn und B 172) sowie westlich der Elbe (S-Bahn durch das Weißeritztal sowie A 17, B 170, B 172a und B 173) und verbinden einzelne Gebiete des Landkreises untereinander und/oder mit dem Oberzentrum Dresden. In den Gebieten östlich des Elbtals befindet sich hingegen keine einzige Autobahn oder Bundesstraße, lediglich die B 6 wird dort im Norden des Landkreises tangiert. Die vorgenannten wesentlichen Verkehrsachsen führen – was auch der geographischen Lage geschuldet ist – im Wesentlichen vom Oberzentrum Dresden sternförmig durch den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hindurch; eine vergleichbare Verbindung innerhalb des Landkreises in Ost-West-Richtung, der größten räumlichen Ausdehnung des Kreises (siehe oben), besteht hingegen nicht.

Diese Gegebenheiten zeigen auch die erheblichen strukturellen Unterschiede zwischen dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und dem vom Antragsgegner als vergleichbar angesehenen Landkreis Gotha. Dort weist die Bevölkerungsdichte nur eine deutlich geringere Bandbreite auf. Die meisten Gemeinden haben zwischen 50 und 200 Einwohnern/km²; nur die Kreisstadt Gotha mit ca. 650 Einwohnern/km² und Waltershausen mit ca. 350 Einwohnern/km² heben sich etwas ab (Quelle: http://www.tlug-jena.de/uw raum/umweltregional/gth/gth04. html). Überdies ist der gesamte Landkreis Gotha verkehrstechnisch sehr gut erschlossen (vgl. dazu die Feststellungen des Thüringer Landessozialgerichts, a.a.O.; Rn. 43).

Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge nicht als ein Raum der Wohnbebauung anzusehen ist, der auf Grund seiner räumlichen Nähe zueinander, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Der Landkreis in seiner Gesamtheit erfüllt damit nicht die Voraussetzungen, die einen Vergleichsraum kennzeichnen. Soweit der Antragsgegner meint, aus der Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte für die Gewährung von Leistungen für Bedarfe der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II folge, dass Vergleichsräume unterhalb der Grenzen des jeweiligen Landkreises oder der kreisfreien Stadt dem geltenden Recht widersprächen, steht diese These ersichtlich nicht im Einklang mit den Vorgaben des Bundessozialgerichts für die Vergleichsraumbildung. Aus den gleichen Gründen kann auch das vom Antragsgegner angesprochene Prinzip der Einräumigkeit bei der Bildung der Vergleichsräume keine Rolle spielen.

Selbst wenn man hilfsweise – entgegen der Mitteilung des Antragsgegners zum maßgeblichen Vergleichsraum – auf die räumlichen Bereiche mit gleichem Wohnungsmarkttyp als Vergleichsräume abstellen würde, unterläge deren Bildung durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl. zu ähnlichen Fallgestaltungen SG Dresden, Urteil vom 26. Juni 2015, S 14 AS 8400/12, juris, bezogen auf den Landkreis Meißen; SG Koblenz, Urteil vom 29. Januar 2016, S 14 AS 361/14, juris, bezogen auf den Landkreis Altenkirchen). Die Zuordnung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zu den Wohnungsmarkttypen erfolgt auf der Basis mietpreisbildender Faktoren (Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsdichte, Neubautätigkeit, Siedlungsstruktur, Pro-Kopf-Einkommen, Tourismus, Zentralität und Bodenpreis; vgl. S. 6 ff. des Konzepts); die räumliche Nähe und infrastrukturelle Verbundenheit, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts von maßgebender Bedeutung sind, spielen dagegen keine Rolle. Die zugrunde gelegten Indikatoren geben auch weder Auskunft darüber, noch bieten sie hinreichende Anhaltspunkte, inwiefern eine räumliche Nähe der zusammengefassten Gebiete, eine homogene Infrastruktur oder eine verkehrstechnische Verbundenheit vorliegt; ebenso wenig lassen die Indikatoren darauf genügend Rückschlüsse zu (SG Dresden, a.a.O., Rn. 55 m.w.N.; vgl. auch SG Koblenz, a.a.O., Rn. 21 ff.). Dies hat zur Folge, dass Bereiche ohne jeglichen räumlichen Bezug zueinander dem gleichen Wohnungsmarkttyp zugeordnet werden (was die Konzeptersteller ausdrücklich als zulässig ansehen, vgl. S. 5 des Konzepts). Hinsichtlich des hier maßgeblichen Wohnungsmarkttyps III wäre es zwar angesichts der räumlichen Nähe und verkehrstechnischen Verbundenheit (S-Bahn-Line 1; B 172) denkbar, Pirna und Heidenau einem Vergleichsraum zuzuordnen. Freital bildet hingegen wie auch Pirna ein eigenes Mittelzentrum mit jeweils zugeordneten Mittelbereichen (siehe oben). Zwischen Pirna/Heidenau und Freital liegen weitere Gemeinden (Bannewitz, Kreischa, Dohna-Müglitztal). Auch führt die verkehrstechnische Verbindung im Wesentlichen über das Oberzentrum Dresden (sternförmige Anbindung beider Bereiche), während außerhalb dessen weder eine direkte Bahnverbindung, noch eine solche über eine Bundesstraße oder Autobahn besteht.

Der örtliche Vergleichsraum kann auch nicht erst bei der konkreten Angemessenheitsprüfung bestimmt werden. In Einzelfällen, bei besonderen persönlichen Belangen, muss geprüft werden, ob innerhalb des Vergleichsraums im Sinne eines homogenen Lebens- und Wohnbereichs noch engere Grenzen zu ziehen sind. Die Festlegung des Vergleichsraums im Sinne eines homogenen Lebens- und Wohnbereichs ist bereits auf der abstrakt-generellen Ebene vorzunehmen, sonst entspricht dies nicht den grundsätzlichen Anforderungen eines Konzepts (SG Leipzig, Urteil vom 19. Januar 2016, S 10 AS 3521/14, Rn. 50; SG Dresden, Urteil vom 26. Juni 2015,S 14 AS 8400/12, Rn. 68, jeweils juris)."

Dem schließt sich die Kammer an. Mit dem Vortrag des Beklagten kurz vor der mündlichen Verhandlung werden die Ausführungen der 32. Kammer, auf die das Gericht bereits mit Beschluss vom 2. Mai 2017 Bezug genommen hat, eher bestätigt als widerlegt.

Die Kammer sieht auch in Anbetracht der vom Beklagten vorgelegten Unterlagen keine Möglichkeit, wie vom Beklagten angeregt, einen eigenen Vergleichsraum zu bilden. Hierzu führt die 32. Kammer des SG Dresden (a. a. O.) aus: "Zwar haben die Gerichte den Vergleichsraum grundsätzlich anhand der allgemeinen rechtlichen Vorgaben zu bestimmen (BSG, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 16/11 R, juris). Das erkennende Gericht ist allerdings der Ansicht, dass auch für die Bildung von Vergleichsräumen unverhältnismäßig aufwendige Ermittlungen nicht durch das Gericht durchgeführt werden müssen (vgl. BSG, a.a.O.). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Grundsicherungsträger bzw. das von ihm beauftragte Unternehmen eine an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts orientierte Bildung von Vergleichsräumen gar nicht vorgenommen hat. So liegt der Fall hier. Weder durch den Antragsgegner noch durch das mit der Erstellung des Konzepts beauftragte Unternehmen sind Untersuchungen zur homogenen Wohn- und Lebenssituation in dem zu beurteilenden Gebiet angestellt worden. Vielmehr ist in dem Konzept ausschließlich auf eine Untergliederung des Landkreises in Wohnungsmarktypen abgestellt worden, die sich gerade nicht an den Gesichtspunkten der räumlichen Nähe und infrastrukturellen Verbundenheit orientieren. Der Antragsgegner hat aufgrund dessen, dass er den gesamten Landkreis als Vergleichsraum ansieht, ebenfalls keine Untersuchungen zu dessen Untergliederung in homogene Lebens- und Wohnbereiche im Sinne der Rechtsprechung des BSG angestellt. Es ist aber Sache der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln. Dazu gehört auch, die Vergleichsraumbildung anhand der rechtlichen Vorgaben vorzunehmen. Geschieht dies – wie hier – nicht und lassen sich die notwendigen Erhebungen zur Bildung von Vergleichsräumen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand aus allgemein zugänglichen Quellen realisieren, so hat die vollständige Neuermittlung nicht von Seiten des Gerichts zu erfolgen (vgl. SG Dresden, a.a.O., Rn. 72; SG Leipzig, a.a.O., Rn ... 52; SG Koblenz, a.a.O., Rn. 29)."

Zwar wäre grundsätzlich zu erwägen gewesen, auf die Stadt Heidenau als Vergleichsraum abzustellen und auf der Grundlage der dafür erhobenen Datensätze eine Angemessenheitsgrenze zu bestimmen. Ohne die fehlenden Untersuchungen zur Vergleichsraumbildung lässt sich schon nicht bewerten, ob die Stadt Heidenau allein oder in Verbindung mit weiteren Gemeinden, etwa der Stadt Pirna und anderen angrenzenden Orten, einen homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Dies bestimmt aber die in die Neuberechnung der Angemessenheitsgrenze einzubeziehenden Datensätze und ist daher unentbehrliche Voraussetzung für die Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten (SG Dresden, Beschluss vom 12. Mai 2016, a. a. O.; vgl. SG Leipzig, a.a.O., Rn. 51).

Die Datenerhebung durch den Beklagten entspricht nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an ein "schlüssiges Konzept". Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Der Beklagte hat alle Wohnungen mit einer Wohnfläche von unter 30 m² aus den berücksichtigten Daten herausgenommen (vgl. Tabelle 9, S. 17 des Konzepts). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass ein Leben in einer 1-Raum-Plattenbauwohnung nur Studenten zumutbar sei. Im örtlichen Bereich des Beklagten und insbesondere auch in der Stadt Heidenau ist der Wohnungsmarkt im unteren Segment weiterhin geprägt von Plattenbauten, in denen 1-Raum-Wohnungen nicht selten geringfügig kleiner als 30 m² sind. Kleinere Wohnungen haben im Verhältnis oftmals einen höheren Preis pro m², als größere Wohnungen. Die Herausnahme von Wohnungen, die kleiner als 30 m² sind führt also im Ergebnis zu einer Verringerung der ermittelten Mietwerte. Hierfür ist ein sachlicher Grund nicht ersichtlich.

Das Konzept des Beklagten widerspricht auch insofern den Anforderungen des BSG an die "Schlüssigkeit", als er bei der Berechnung der Netto-Kaltmieten lediglich auf 1/3 des Marktvolumens abstellt, das sogenannte 33. Perzentil. Hierbei handelt es sich zur Überzeugung der Kammer um einen nicht korrigierbaren Fehler des Konzepts.

Es ist bereits nicht ersichtlich, wieso im Konzept des Beklagten auf das 33. Perzentil abgestellt wird, obwohl z. B. die Firma Analyse & Konzepte in dem auf gleiche Art und Weise für den größeren Landkreis Gotha erstellten Konzept auf das 45. Perzentil abstellt. Das Perzentil dient der Einbeziehung einer größeren Wohnungsmenge, also der Erweiterung des Angebotes, da nicht nur bedürftige Menschen auf den preiswerteren Wohnungsmarkt drängen. Das Konzept des Beklagten wendet einen niedrigen Perzentilwert einheitlich für den gesamten Raum des Landkreises an, ohne diesen Wert nachvollziehbar zu begründen.

Da das Gericht anhand der vorliegenden Unterlagen außer Stande ist, den angemessenen Perzentilwert selbst zu bestimmen und sodann die erhobenen Rohdaten des Beklagten erneut auszuwerten, führt dieser Fehler dazu, dass das zu Grunde liegende Konzept nicht "schlüssig" im Sinne der Rechtsprechung des BSG ist. Eine Verpflichtung des Gerichts zu weiteren Ermittlungen besteht in diesem Fall nicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 44/14 R – Rn. 19). Das Konzept des Beklagten entspricht schließlich auch insofern nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG, als der Beklagte mit der Fortschreibung VwV Unterkunfts- und Heizkosten zum 1. Juli 2014 das Konzept (hier vom Januar 2013 mit Daten aus März bis Oktober 2012, Stichtag 1. April 2012) über die "Indexfortschreibung" aktualisiert hat. Im Rahmen eines schlüssigen Konzeptes muss eine zeitnahe Erhebung und Aktualisierung der Daten erfolgen (vgl. Urteil des SG Potsdam vom 20. August 2010 – S 41 AS 5276/08). Diese Verpflichtung hat der Beklagte offenbar erkannt, denn gemäß Ziff. 3 der VwV Unterkunfts- und Heizkosten 2013 ist die Verwaltung verpflichtet, die Werte für die Unterkunft mindestens alle zwei Jahre und die Werte für die Heizung mindestens jährlich zu überprüfen und gegebenenfalls neu festzusetzen. Vorliegend war die Fortschreibung also spätestens zum 1. April 2014 vorzunehmen. Dies ist jedoch unterblieben. Die VwV Unterkunfts- und Heizkosten in der Fassung vom 1. Juli 2014 beruht auf demselben nicht aktualisierten Konzept wie die VwV Unterkunfts- und Heizkosten 2013. Dieses wurde auf der Grundlage einer im Jahr 2012 durchgeführten Mietwerterhebung erstellt. Zwar ist eine Fortschreibung mittels eines Indexes nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die zum 1. Juli 2014 von Seiten des Beklagten vorgenommene Anhebung der Angemessenheitsgrenzen auf Grundlage einer durch Analyse & Konzepte mit Endbericht vom Juni 2014 erstellten Fortschreibung der ermittelten Richtwerte mittels eines Indexes der Entwicklung der Mietkosten für Sachsen genügt aber nicht den Anforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept, da es sich bei dem verwendeten Preisentwicklungsindex, nämlich der Entwicklung der Mietkosten für Sachsen nicht um einen geeigneten Index handelt. Hierzu hat bereits die 16. Kammer des SG Dresden in ihrem Urteil vom 18. August 2016 – S 16 AS 7305/14 – ausgeführt:

"Die Verwendung eines Indexwertes, der nicht nur die maßgeblichen lokalen Verhältnisse im Bereich des Beklagten beinhaltet, sondern landesweite Verhältnisse abbildet, ist nicht mit den Vorgaben des § 22 Abs. 1 SGB II in Einklang zu bringen (vgl. Urteile des SG Augsburg vom 07.12.2015, Az.: S 8 AS 860/15 und vom 15. 06.2016, Az.: S 11 AS 92/16). Denn diese Norm verlangt, dass das Konzept des Grundsicherungsträgers Gewähr dafür bietet, dass die Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes abgebildet werden. Es liegt aber auf der Hand, dass dies ein sachsenweiter Index nicht leisten kann. Die Verhältnisse des Mietwohnungsmarktes im Bezirk des Beklagten sind nicht ausreichend erfasst, wenn größtenteils Daten in den Index einfließen, die aus Gebietskörperschaften stammen, deren Lebensverhältnisse mit denen im Bezirk des Beklagten nicht vergleichbar sind. Daten aus den weiteren neun Landkreisen sowie den drei kreisfreien Städten des Freistaates Sachsen, die neben den Daten aus dem Bezirk des Beklagten die Grundlage des angewandten Preisentwicklungsindexes bilden, sind nicht geeignet, die Preisentwicklung der Mietentwicklung im hier maßgeblichen Landkreis Meißen in geeigneter Weise abzubilden. Dies gilt vor allem für Faktoren, welche die Mietpreisbildung beeinflussen, wie Bevölkerungsdichte, Arbeitsplätze, Anbindung an das nächste Oberzentrum oder Einkommen der ansässigen Bevölkerung. Deshalb kann der für die Bildung des Indexwertes herangezogene Vergleichsraum, der gesamte Freistaat Sachsen, schon ob seiner Größe sicherlich auch nicht als homogener Lebens- und Wohnbereich betrachtet werden.

Das Konzept des Beklagten muss daher für den Zeitraum ab dem 01.01.2014, dem Zeitpunkt des Vorliegens des Konzeptes (vgl. Urteile des BSG vom 19.10.2010, Az.: B 14 AS 2/10 R und B 14 AS 65/09 R sowie Beschluss des Sächsischen LSG vom 03.06.2014, Az.: L 7 AS 1366/12 NZB), bereits auf Grund der untauglichen Fortschreibungsmethodik als nicht schlüssig erachtet werden. Daher sind die so ermittelten Werte nicht geeignet, die angemessenen Unterkunftskosten für den Zeitraum ab dem 01.01.2014 zu bestimmen."

Nichts anderes gilt für die Fortschreibung durch den Beklagten, so dass die Kammer das Konzept des Beklagten auch insoweit nicht für "schlüssig" im Sinne der Rechtsprechung des BSG hält. Im Falle eines Erkenntnisausfalls zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen der Unterkunft zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 87/12 R –, Rn. 25). Die Einbeziehung eines "Sicherheitszuschlages" hat auch im Falle der Heranziehung von § 12 WoGG zu erfolgen. Die von der Rechtsprechung des BSG für die Geltung von § 8 WoGG a. F. angestellten Erwägungen sind auf § 12 WoGG zu übertragen (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, a. a. O., Rn. 27). Dieser Sicherheitszuschlag beträgt bis heute 10 % (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, a. a. O., Rn. 28). Damit ergibt sich im streitgegenständlichen Zeitraum ein Angemessenheitswert für die Bedarfe der Unterkunft der Klägerin bis zur Höhe von monatlich 363 EUR (Tabelle zu § 12 WoGG a. F., 1 Haushaltsmitglied, Mietstufe III: 330 EUR zuzüglich 10 % = 33 EUR). Die Bedarfe der Unterkunft der Klägerin unterschreiten mit 362,76 EUR diesen Wert und sind damit vom Beklagten in voller Höhe zu erstatten.

Folglich kann offen bleiben ob die von der Klägerin vorgetragene Unzumutbarkeit eines Umzuges im streitgegenständlichen Zeitraum selbst bei "Schlüssigkeit" des Konzeptes des Beklagten dazu führen musste, dass der Klägerin im Einzelfall ausnahmsweise höhere Bedarfe der Unterkunft zuzubilligen waren. Auch konnte letztlich offenbleiben, ob der Beklagte mit seinem Vortrag kurz vor und in der mündlichen Verhandlung gemäß § 106a Abs. 3 SGG präkludiert war, da trotz Berücksichtigung dieses Vortrages das Konzept des Beklagten nicht "schlüssig" ist. Da das gemäß §§ 11 – 11b SGB II anzurechnende Einkommen der Klägerin zwischen den Beteiligten im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig ist, war der Beklagte zur Zahlung der vollständigen Bedarfe für Unterkunft und Heizung im tenorierten Umfang zu verurteilen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Berufung, die der Zulassung bedarf, da der Wert des Beschwerdegegenstandes weniger 750 EUR beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), war zuzulassen, da der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG gegeben ist. Vor dem Sozialgericht Dresden ist noch eine Vielzahl von Verfahren anhängig, in denen die "Schlüssigkeit" des Konzepts des Beklagten im Streit steht.
Rechtskraft
Aus
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