L 6 AS 106/14

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 31 AS 1924/10
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 106/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 3. Juli 2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand: Zwischen den Beteiligten stehen nach Teilerledigung höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011 im Streit. Der 1986 geborene Kläger und sein 2009 geborener Sohn besitzen die türkische Staatsangehörigkeit. Der Kläger besaß im streitbefangenen Zeitraum eine am 22. Dezember 2008 ausgestellte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), befristet bis zum 21. Dezember 2011. Die Aufenthaltserlaubnis enthielt den Zusatz: "Erwerbstätigkeit gestattet". Seit dem 1. August 2008 war er mit der am 1988 geborenen S. A., die ebenfalls türkische Staatsangehörige war, verheiratet. Mitte 2012 erfolgte die Scheidung. Die Ehefrau lebt seit Oktober 2008 in Deutschland und lebte im streitbefangenen Zeitraum zusammen mit dem Kläger und dem gemeinsamen Sohn in einem Haushalt. Ihr wurde am 3. April 2009 eine bis zum 19. April 2010 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG erteilt. Diese enthielt auf einem Zusatzblatt zum Aufenthaltstitel (06195963) folgende Nebenbestimmung: "Erlischt mit Auflösung der ehelichen bzw. häuslichen Lebensgemeinschaft. Erlischt bei Bezug öffentlicher Leistungen". Mit Datum vom 29. April 2010 wurde die Aufenthaltserlaubnis bis zum 28. April 2011 unter Bezugnahme auf das Zusatzblatt 06195963 verlängert. Der Sohn des Klägers besaß eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 33 AufenthG. Seit Juli 2009 erhalten der Kläger und sein Sohn laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Ehefrau des Klägers nahm wegen ihrer bedingten Aufenthaltserlaubnis keine Leistungen nach dem SGB II in Anspruch. Ihr wurden daher von dem Beklagten keine Leistungen nach dem SGB II gewährt. Zum 1. Juli 2010 bezog der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem Sohn eine 55 qm große 2,5-Zimmerwohnung in der H. Straße in K ... Die Nettokaltmiete belief sich monatlich auf 310,00 EUR, die Nebenkostenvorauszahlung auf 77,50 EUR und die Heizkostenvorauszahlung auf 99,00 EUR, d.h. die Gesamtmiete betrug insgesamt 486,50 EUR bruttowarm. Im mit Schreiben vom 24. August 2010 beantragten Überprüfungsverfahren begehrte der Kläger einen Regelbedarf für Alleinstehende in Höhe von 359,00 EUR sowie die Anerkennung von Unterkunftskosten in Höhe von 471,00 EUR. Er begründete seinen Antrag damit, dass seine Ehefrau mit Rücksicht auf ihr insoweit bedingtes Aufenthaltsrecht keine Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehme und über keinerlei Einkommen oder Vermögen verfüge. Das hierauf geführte Widerspruchsverfahren und Klageverfahren (S 31 AS 1924/10) die mehr war erfolglos. Die von dem Kläger und seinem Sohn eingelegte Berufung endete mit Unterwerfungserklärung des Beklagten. Für den hier maßgeblichen Zeitraum beantragte der Kläger mit Weiterbewilligungsantrag vom 19. August 2010 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab 1. Oktober 2010. Im Antragsformular benannte er unter 1a) (Angaben zu den Personen der Bedarfsgemeinschaft) seine Ehefrau sowie den gemeinsamen Sohn als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Der Sohn verfügte im streitigen Zeitraum über monatliches Einkommen in Form von Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR. Für den streitbefangenen Zeitraum vomm 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011 gewährte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 5. Oktober 2010 wegen Anrechnung eines Guthabens aus einer Betriebskostenabrechnung Leistungen für einen Teilzeitraum (1. Oktober 2010 bis 31. Oktober 2010) in Höhe von 701,83 EUR (für den Kläger 323,00 EUR Regelleistung, 153,51 EUR (kopfanteilig) Unterkunftskosten und 40,80 EUR Zuschuss zur Rentenversicherung). Dieser Änderungsbescheid trug die Überschrift: " Änderung zum Bescheid vom 10.05.2010 über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts". Zur Änderung wird ausgeführt: "Ihre Betriebskostenabrechnung 2009 vom 27.07.2010 weist ein Guthaben von 10,45 EUR aus. Daher werde ich die Kosten für Unterkunft im Oktober 2010 gem. § 22 SGB II um diesen Betrag mindern." Mit Bescheid vom 22. November 2010 (1. Oktober 2010 bis 31. März 2011) bewilligte der Beklagte für Oktober 2010 Leistungen in Höhe von insgesamt 701,83 EUR. Im Oktober 2010 wurden dem Kläger der Regelsatz für Partner in Höhe von 323,00 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 153,51 EUR (kopfanteilig) und ein Zuschuss zur Rentenversicherung in Höhe von 40,80 EUR monatlich gewährt. Für den Zeitraum vom 1. November 2010 bis 31. März 2011 stellte der Beklagte die Leistungshöhe mit 520,80 EUR fest (323,00 EUR Regelbedarf, 157,00 EUR Unterkunftskosten (kopfanteilig), 40,80 EUR Zuschuss zur Rentenversicherung). Ausführungen hinsichtlich eines Leistungsanspruchs der Ehefrau des Klägers enthielt der Bescheid nicht. Gegen den Bewilligungsbescheid vom 22. November 2010 legten der Kläger und sein Sohn am 14. Dezember 2010 Widerspruch ein. Dabei wandte sich der Kläger nicht gegen eine fehlende Leistungsbewilligung für seine Ehefrau, sondern verlangte für sich Erhöhungen der Leistungen wegen des besonderen Status seiner Ehefrau. Ihm sei der Regelsatz für Alleinstehende zuzuerkennen, weil seine Ehefrau aus Rücksicht auf ihr insoweit bedingtes Aufenthaltsrecht keine Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehme. Sie verfüge über keinerlei Einkommen und Vermögen, aus dem sie zum Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft beitragen könne, so dass eine Kürzung der Regelleistung auf 90% des Regelsatzes nicht in Betracht komme. Als Verteilungsregelung sei § 20 Abs. 3 SGB II nur dann anwendbar, wenn beide Partner Leistungen nach dem SGB II bezögen. Eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 3 SGB II in sogenannten "gemischten Bedarfsgemeinschaften" komme zwar grundsätzlich in Betracht. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn der Lebensgemeinschaft insgesamt deutlich weniger als 180% der Eckregelleistung zur Verfügung stehe. Dies träfe auf ihn zu, weil seine Ehefrau keine Leistungen nach dem SGB II oder nach einem anderen Leistungssystem beziehe. Deshalb sei ihn der Regelsatz für Alleinstehende zu gewähren. Der Anspruch auf Übernahme der vollen tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung bestehe gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Zwar seien die Unterkunftskosten für alle Bewohner der Unterkunft grundsätzlich nach Anzahl der Köpfe gleichmäßig aufzuteilen, auch wenn einzelne Bewohner nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II seien. Die Rechtsprechung erkenne jedoch unter bestimmten Umständen eine Abweichung vom Kopfteilprinzip an. Ein solcher Ausnahmefall sei auch hier anzunehmen, weil seine Ehefrau aufgrund ihrer Mittellosigkeit keinen Betrag zu ihrem Unterkunftsanteil erbringen könne. Damit sei sein sozio-ökonomischen Existenzminimum sowie das seines Sohnes, der wie er fehlenden Unterkunftsaufwendungen aus den ihm zustehenden Leistungen hätte erbringen müssen, erheblich unterdeckt. Mit Änderungsbescheid vom 16. Dezember 2010 nahm der Beklagten unter ansonsten unveränderter Leistungsbewilligung den bisher monatlich gewährten Zuschuss zur Rentenversicherung in Höhe von 40,80 EUR ab dem 1. Januar 2011 aus den Leistungsberechnungen heraus. Einen am 25. Januar 2011 von dem Kläger und seinem Sohn gestellten Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 34 AS 54/11 ER) lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 7. Februar 2011 vollumfänglich ab. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. November 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. November 2010 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2011 unter Bezugnahme auf den Beschluss im Verfahren S 34 AS 54/11 ER zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass der individuelle Bedarf eines Partners in einer Bedarfsgemeinschaft sich nicht dadurch erhöhe, dass der andere Partner – wegen eines Leistungsausschlusses oder aus sonstigen Gründen – nicht zu den Generalkosten des Haushalts beitragen könne. Auch in diesem Fall sei die Regelleistung auf 90% zu mindern. Gleiches gelte für die Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese seien nach der Kopfteilmethode aufzuteilen. Die Ehefrau des Klägers habe ihren 1/3 Anteil selber zu tragen, auch wenn sie keine Leistungen nach dem SGB II beziehe. Der Bedarf sowie das anzurechnende Einkommen seien im Übrigen zutreffend bestimmt worden. Mit seiner noch gemeinsam mit seinem Sohn am 10. März 2011 gegen den Bescheid vom 22. November 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. November 2010 und in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. Februar 2011 beim Sozialgericht Kiel erhobenen Klage haben beide ihr Begehren weiter verfolgt. Unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens haben sie vertiefend geltend gemacht, dass eine entsprechende Anwendung des § 20 Abs. 3 SGB II nicht in Betracht komme, da das SGB II Individualansprüche einzelner Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und nicht Ansprüche von Bedarfsgemeinschaften normiere und Sinn und Zweck der Grundsicherungsvorschriften des SGB II nicht die Festsetzung von Bedarfen, sondern die Sicherung der Deckung eines solchen Bedarfs sei. Zu den begehrten höheren Unterkunftskosten haben beide ergänzend ausgeführt, dass ein Abweichen vom Kopfteilprinzip in der Rechtsprechung als gerechtfertigt angesehen werde, wenn ein den Anspruch nach dem SGB II gefährdendes Verhaltens einzelner Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu Lasten der übrigen Mitglieder ginge (keine "Sippenhaft"). Vergleichbar gefährde hier seine Ehefrau ihren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II dadurch, dass sie keinen entsprechenden Leistungsantrag stelle und über keinerlei finanzielle Möglichkeiten verfüge, um ihren Beitrag zur Finanzierung der Wohnung zu leisten. Im Übrigen erscheine das Begehren weder aus sozialrechtlicher noch aus ausländerrechtlicher Sicht unbillig. Seine Ehefrau nehme selber keine Sozialleistungen in Anspruch, so dass die sozialen Leistungssysteme – deren Belastung ausländerrechtlich durch den Familienzuzug gerade vermieden werden solle – nicht belastet würden. Auch sei weder dem Ausländerrecht noch dem Sozialrecht zu entnehmen, dass durch den Nachzug der Ehefrau die ihm und seinem Sohn zustehenden Sozialleistungen eingeschränkt werden sollten. Würde die Ehefrau nämlich die Bedarfsgemeinschaft verlassen und in die Türkei zurückkehren, stünden beiden höhere Leistungen nach dem SGB II zu. Schließlich dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie ihr durch Art. 6 Grundgesetz (GG) normiertes Familiengrundrecht wahrnehmen würden, wenn sie in familiärer Gemeinschaft lebten. Zwar sei dieses Grundrecht einfachgesetzlich durch § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. AufenthG dahingehend eingeschränkt, dass der Lebensunterhalt des zuziehenden Familienmitglieds gesichert sein müsse. Darüber hinaus bestehe jedoch keine derartige Einschränkung, dass die bereits in Deutschland lebenden Familienmitglieder Einschränkungen ihrer Sozialleistungsansprüche hinnehmen müssten. Hierfür bedürfe es vielmehr einer ausdrücklichen Regelung. Eine weitergehende Einschränkung dieses Grundrechts könne nicht durch Rechtsanalogien oder Anwendung richterlich entwickelter Grundsätze erfolgen. Der Erhöhung des Regelbedarfs von 323,00 EUR auf 328,00 EUR ab 1. Januar 2011 trug der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 26. März 2011 Rechnung. Mit Urteil vom 3. Juli 2014 hat das Sozialgericht Kiel die Klage abgewiesen. Unter Verweisung auf den Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2011 (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) hat es ergänzend ausgeführt, dass eine Unterdeckung von 10% der Regelleistung hinzunehmen sei. Eine Übertragbarkeit der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 6. Oktober 2010, in der das BSG einem Leistungsberechtigten, der mit einem Partner zusammenlebe, der Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beziehe, die ungekürzte Regelleistung zuspreche, scheide aus, da diese eine andere als die vorliegende Sachverhaltskonstellation betreffe. Die Ehefrau des Klägers beziehe schon keine Leistungen nach dem AsylbLG. Auch folge die Kammer nicht der Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. November 2010 – S 13 AS 120/10, die die Rechtsprechung des BSG – nur auf der Grundlage des Terminsberichts – auf einen hier vergleichbaren Sachverhalt übertragen habe. Auch hinsichtlich der Unterkunftskosten sei eine Bedarfsunterdeckung hinzunehmen. Gegen das dem Kläger und seinem Sohn am 9. Juli 2014 zugestellte Urteil haben beide am 8. August 2014 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung führt der Kläger unter Ergänzung und Vertiefung des bisherigen Vorbringen aus, dass die in der Entscheidung des BSG vom 6. Oktober 2011 – B 14 AS 171/10 R entwickelten Rechtsgrundsätze zu Unrecht nicht auf den vorliegenden Fall übertragen worden seien. Die Zuerkennung des Regelbedarfs für Alleinstehende in dem vom BSG zu beurteilenden Sachverhalt habe auf wirtschaftlichen Erwägungen beruht, da der nicht im SGB II-Leistungsbezug stehende andere Partner Leistungen nach dem AsylbLG in einem viel geringeren Umfang erhalten habe. Diese Erwägungen würden erst Recht gelten, wenn der andere Partner über gar kein Einkommen verfüge. Hinsichtlich der Unterkunftskosten habe das BSG in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R herausgestellt, dass die Grundsicherungsleistungen den Berechtigten in die Lage versetzen müssten, seinen Wohnkostenbedarf decken zu können. Das Kopfteilprinzip könne danach nur gelten, wenn alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in der Lage seien, ihren Kopfanteil aufzubringen. Andernfalls führe es zu einer Unterdeckung des Existenzminimums der anderen leistungsberechtigten Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Eine Abweichung sei zudem zum Schutz der Familie unter Berücksichtigung des Art. 6 Grundgesetz (GG) gerechtfertigt. Nachdem sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ohne Berufung auf § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dazu verpflichtet hat, für den Kläger für den Zeitraum Juli bis September 2010 die gleichen Bedarfe bei dem Regelsatz und den Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen wie rechtskräftig und endgültig in diesem Verfahren entschieden wird, für den Zeitraum Oktober 2010 bis Dezember 2010 sowie für den Kläger zu 2) den gleichen Anteil der Unterkunftskosten im gesamten Zeitraum Juli 2010 bis März 2011 anzusetzen wie für den Kläger zu 1), ausgehend von einer rechtskräftigen und endgültigen Entscheidung im Verfahren L 6 AS 106/14, beantragt nunmehr allein der Kläger, das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 3. Juli 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 22. November 2010 und 16. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2011 sowie des Bescheides vom 26. März 2011 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2010 die volle Regelleistung von 359,00 Euro monatlich sowie für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. März 2011 die volle Regelleistung von 364,00 Euro monatlich und dem Kläger die hälftigen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 230,28 Euro für den Monat Oktober 2010 und 235,50 Euro monatlich für den Zeitraum 1. November 2010 bis 31. März 2011 zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen. Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen in den angegriffen Bescheiden, die Gründe des Beschlusses vom 7. Februar 2011 sowie die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung. Die den Rechtsstreit betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten – einschließlich des Verfahrens L 6 AS 107/14 – haben dem Senat vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung und Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihren Inhalt sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2017 Bezug genommen.

Gründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhoben worden sowie nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG statthafte, form- (§ 90 SGG) und fristgerecht (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) erhobene und auch im Übrigen zulässige Klage des Klägers zu 1) zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Streitgegenständlich ist nur noch der angefochtene Bewilligungsbescheid vom 22. November 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Dezember 2010, des Widerspruchbescheides vom 8. Februar 2011 und des Änderungsbescheides vom 26. März 2011, hinsichtlich der dem Kläger gewährten Leistungen im Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011. Im Übrigen haben sich die Streitsachen durch die Unterwerfungserklärung vom 6. Februar 2017 erledigt. Der Änderungsbescheid vom 5. Oktober 2010 ist nicht streitbefangen. Er hat sich durch den Erlass des Bewilligungsbescheides vom 22. November 2010 im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Für den Zeitraum 1. Oktober 2010 bis 31. Oktober 2010 erfolgte aufgrund einer vollumfänglichen Prüfung aller Leistungsansprüche durch den Beklagten für den neuen Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011 eine neue Leistungsentscheidung, so dass die Leistungsfestsetzung für Oktober 2010 sich nicht als wiederholende Verfügung darstellt, sondern den Änderungsbescheid ersetzt hat.

Die angegriffenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat weder einen Anspruch auf die Regelleistung für Alleinstehende in Höhe von 359,00 EUR im Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2010 bzw. in Höhe von 364,00 EUR im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2011 noch hat er einen Anspruch auf hälftige Unterkunftskosten in Höhe von 230,28 EUR für den Zeitraum 1. Oktober 2010 bis 31. Oktober 2010 bzw. in Höhe von 235,50 EUR monatlich für den Zeitraum vom 1. November 2010 bis 31. März 2011.

Der Kläger erfüllt die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht. Er ist gem. § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB II erwerbsfähig, da ihm als türkischer Staatsangehöriger in der ausgestellten Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG mit Zusatz die Erwerbstätigkeit ausdrücklich gestattet worden ist. Er hatte und hat auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, da sein Lebensmittelpunkt – trotz befristeter Aufenthaltserlaubnis – seit mehreren Jahren dauerhaft im Inland liegt. Leistungsausschlüsse nach dem § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 SGB II greifen hier zu Lasten des Klägers nicht. Er hält sich bereits länger als drei Monate und nicht allein zum Zwecke der Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland auf. Zudem ist er nicht Anspruchsberechtigter im Sinne des § 1 AsylbLG. Im Weiteren ist er hilfebedürftig (§ 9 Abs. 1 SGB II), weil er im streitgegenständlichen Zeitraum weder über Einkommen noch über Vermögen verfügte.

Die Höhe der Regelleistung des Klägers bemisst sich im streitbefangenen Zeitraum nicht an dem Regelleistungssatz für Alleinstehende nach §§ 20 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 SGB II (in der Fassung vom 10. Oktober 2007, gültig vom 1. Juni 2007 bis 31. Dezember 2010) bzw. § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II (in der Fassung vom 24. März 2011, gültig vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2011), sondern an dem für Partner einer Bedarfsgemeinschaft nach § 20 Abs. 3 SGB II (in der Fassung vom 10. Oktober 2007, gültig vom 1. Juni 2007 bis 31. Dezember 2010) bzw. § 20 Abs. 4 SGB II (in der Fassung vom 24. März 2011, gültig vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2011).

Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der jeweils maßgeblichen Fassung beträgt die monatliche Regelleistung für Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, 345,00 EUR im Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2010 und 364,00 EUR im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2011. Das hier allein in Betracht kommende Merkmal "alleinstehend" ist im Sinne dieser Regelungen für denjenigen Hilfebedürftigen zu bejahen, der keiner Bedarfsgemeinschaft mit anderen Hilfebedürftigen angehört bzw. der für sich allein eine Bedarfsgemeinschaft konstituiert (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 6/06 R – juris, Rn. 18 ff.). Dabei ist das Tatbestandsmerkmal "Alleinstehend" aufgrund des klaren Wortlauts der Vorschrift sowie aus systematischen und teleologischen Erwägungen nicht so auszulegen, dass es auch dann erfüllt sein kann, wenn der Partner des Hilfebedürftigen keine SGB II-Leistungen bezieht (vgl. BSG, Urteil vom 6. Oktober 2011 – B 14 AS 171/10 R – juris, Rn. 17). Alleinstehend bedeutet, dass keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II besteht. Da diese Vorschrift als gesetzliche Definition der Bedarfsgemeinschaft nicht nach gesetzlicher Anspruchsberechtigung differenziert, steht dies einer entsprechenden Interpretation "alleinstehend" im Sinne von "ohne Partner mit Leistungsbezug nach dem SGB II" entgegen. Die Zugehörigkeit einer Person zur Bedarfsgemeinschaft zwischen Partnern erfolgt damit losgelöst davon, ob die einbezogene Person selbst leistungsberechtigt nach dem SGB II ist (vgl. Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 3. Aufl. 2008, § 7 Rn. 114). Das Leistungssystem des SGB II normiert für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zwar Individualansprüche, jedoch besteht kein allgemeines und uneingeschränktes Prinzip dahingehend, dass Personen, die eine Bedarfsgemeinschaft bilden, grundsätzlich die gleichen Leistungen zur Existenzsicherung erhalten sollen (BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 66/08 R – juris, Rn. 19).

Hiervon ausgehend erfüllte der Kläger nicht die Voraussetzung "alleinstehend" im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der jeweils maßgeblichen Fassung. Er bildete gem. § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a) SGB II mit seiner Ehefrau, mit der er zusammen – sowie mit dem gemeinsamen minderjährigen Sohn – in einer Wohnung lebte, eine Bedarfsgemeinschaft. Im streitbefangenen Zeitraum bestand die Ehe noch. Die Trennung von seiner Ehefrau erfolgte - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat - erst zu einem späteren hier nicht relevanten Zeitraum.

Der Kläger hatte daher nur einen Anspruch auf den geminderten Regelleistungssatz nach § 20 Abs. 3 SGB II bzw. § 20 Abs. 4 SGB II. Nach § 20 Abs. 3 SGB II (in der gültigen Fassung vom 1. Juni 2007 bis 31. Dezember 2010) beträgt die Regelleistung für zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nach Absatz 2 der Vorschrift jeweils 90 vom Hundert der Regelleistung. In der dann anschließend gültigen Fassung des Regelbedarfs für Partner nach § 20 Abs. 4 SGB II ist geregelt, dass für Partner, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, als Regelbedarf für jede dieser Personen ein Betrag in Höhe von monatlich 328,00 EUR anzuerkennen ist. Auch wenn beide Vorschriften nicht wortgleich sind, treffen sie nach dem Sinn und Zweck die gleiche Regelung. Von dieser Regelung sind Partnerschaften im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II erfasst, wenn beide Partner volljährig sind. Weitergehend verlangt die Anwendung des Regelbedarfs für Partner nach beiden hier maßgeblichen Regelungen, dass beide Partner auch dem Leistungssystem des SGB II unterfallen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Oktober 2011 – B 14 AS 171/10 R – juris, Rn. 19 ff.). Diese Voraussetzung war hier im streitigen Zeitraum auch erfüllt.

Die Ehefrau war anspruchsberechtigt gemäß § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hatte das 15. Lebensjahr beendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht. Sie war im Sinne des § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB II auch erwerbsfähig. Ihre Erwerbsfähigkeit war aus rechtlicher Sicht nicht beschränkt. Nach § 8 Abs. 2 SGB II können Ausländerinnen und Ausländer im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R – juris, Rn. 15). Der Ehefrau hätte zumindest die Aufnahme einer Tätigkeit erlaubt werden können. Diese Berechtigung folgte im streitigen Zeitraum aus § 29 Abs. 5 AufenthG (in der Fassung vom 25. Februar 2008, gültig vom 28. August 2007 bis 30. Juni 2011), da ihr Ehemann, der Kläger zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt war. Sie verfügte im streitbefangenen Zeitraum weder über Einkommen noch Vermögen und war damit hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II. Ihren gewöhnlichen Aufenthalt, den jemand gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I dort innehat, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt, hatte sie in der Bundesrepublik Deutschland. Hier hatte sie den örtlichen Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse seit dem Zuzug aus der Türkei im September 2008 in der Bundesrepublik Deutschland.

Auch ein Leistungsausschluss, insbesondere nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 SGB II, ist nicht einschlägig. Ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II scheidet aus, weil sich der Kläger sowie seine Ehefrau im streitigen Zeitraum bereits länger als drei Monate in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten haben. Aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II folgt ebenfalls kein Leistungsausschluss. Nach dieser Vorschrift sind vom Leistungsbezug ausgenommen Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Vorliegend begab sich die Ehefrau nicht allein zum Zwecke der Arbeitsuche in die Bundesrepublik Deutschland (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 37/12 R – juris, Rn. 14), sondern das Aufenthaltsrecht ergab sich aus dem Familiennachzug (Ehegattennachzug) nach §§ 27, 30 AufenthG. Sie gehörte mit ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG auch nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 AsylbLG, so dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II nicht greift. Andere Leistungsausschlüsse des § 7 SGB II bestanden ebenfalls nicht.

Auch die Nebenbestimmung der Aufenthaltserlaubnis der Ehefrau "Erlischt mit Bezug öffentlicher Leistungen" als auflösende Bedingung bewirkt keinen Leistungsausschluss im Sinne des SGB II. Die Leistungsausschlüsse im SGB II sind abschließend in § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 bis 7 SGB II bzw. im Sinne eines Leistungsvorrangs in § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II normiert. Eine Berechtigung zum Bezug von Leistungen nach dem SGB II erfolgt daher allein nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und nicht durch aufenthaltsrechtliche Nebenstimmungen. Deren Nichtbefolgung hat ausschließlich aufenthaltsrechtliche Folgen.

Hier fehlt es wegen der Erfüllung der Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 SGB II bzw. des § 20 Abs. 4 SGB II bereits an einer Regelungslücke für eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 2 SGB II – wie sie in den vom Kläger zitierten Entscheidungen vom BSG zu sogenannten gemischten Bedarfsgemeinschaft (u.a. BSG, Urteil vom 6. Oktober 2010 – B 14 AS 171/10 R – juris, Rn. 24 ff.) angenommen wurde. Eine solche gemischte Bedarfsgemeinschaft zwischen SGB II-Leistungsempfängern und Leistungsberechtigten nach dem SGB II liegt hier nicht vor. Sowohl der Kläger als auch die Ehefrau sind Leistungsberechtigte nach dem SGB II, so dass die Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 SGB II bzw. § 20 Abs. 4 SGB II - anders als in den zitierten Entscheidung - erfüllt sind. Im Übrigen unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt grundlegend von der Konstellation einer solchen gemischten Bedarfsgemeinschaft. Denn die von der zitierten Rechtsprechung anerkannte analoge Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II setzt voraus, dass ein Sachverhalt nicht unter § 20 Abs. 3 SGB II bzw. § 20 Abs. 4 SGB II subsumiert werden kann. Hier gehörte die Ehefrau jedoch gerade zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II. Der Umstand, dass nicht die für Partner vorgesehenen 180 vom Hundert der Regelleistung erreicht werden, trifft zwar auch hier zu. Dies beruhte jedoch nicht auf einer Zuordnung der Ehefrau zu einem anderen Leistungssystem, sondern allein auf einem freiwilligen Verhalten, nämlich einem "Quasiverzicht" der Ehefrau (siehe Widerspruchsschreiben des Klägers) von grundsätzlich zustehenden SGB II-Leistungen. Auch das mit der Nichtinanspruchnahme verfolgte Ziel, nämlich den erlangten Aufenthaltstitel nicht gefährden bzw. eine weitere Verlängerung erhalten zu wollen, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die begehrte analoge Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II würde zu einer Aushebelung und Umgehung aufenthaltsrechtlicher Regelungen in Bezug auf die Sicherstellung des Lebensunterhalts des Zugezogenen führen. Auch wenn eine Unterdeckung des sozio-ökonomischen Existenzminimums des Klägers dadurch droht, ist das Leistungssystem des SGB II nicht Mittel zum Zweck, durch die Gewährung höherer existenzsichernder Leistungen an den Kläger mittelbar den Lebensunterhalt seiner Ehefrau zu sichern, um ihr Bleiberecht nicht zu gefährden oder ihre zukünftigen Bleibechancen zu erhöhen. Die Beurteilung bzw. Bewertung, ob durch einen Familiennachzug eine Belastung der sozialen Sicherungssysteme gerechtfertigt erscheint, hat ausschließlich nach aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen zu erfolgen. Insofern ist das Begehren des Klägers durchaus sozialrechtlich unbillig, auch wenn die Ehefrau selbst auf SGB II-Leistungen "verzichtet" hat.

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht unter Berücksichtigung des Art. 6 Grundgesetz (GG). Die nach Art. 6 GG geschützten Rechte – hier die Fortführung der Familiengemeinschaft zwischen mit dem Kläger und seiner Ehefrau bzw. Mutter und ihrem Sohn im Bundesgebiet – werden nicht durch die Versagung höherer Leistungen an den Kläger berührt. Ob ein Bleiberecht der Ehefrau auch bei fehlender Unterhaltssicherung nach aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen zu bejahen wäre, ist hier nicht Gegenstand des Verfahrens. Allenfalls insoweit könnten Grundrechte betroffen sein. Im Übrigen kommt es für die Frage, ob der Lebensunterhalt im Sinne der §§ 2 Abs. 3 Satz 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gesichert ist, nicht darauf an, ob die Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2008 – 1 C 32/07 – juris, Rn. 21). Der Lebensunterhalt wird bereits als nicht gesichert angesehen, wenn eine Inanspruchnahme dieser Mittel – hier SGB II – zu erwarten oder jedenfalls nicht auszuschließen ist.

Aus den gleichen Erwägungen hat der Kläger im streitigen Zeitraum auch keinen Anspruch auf die hälftigen Unterkunftskosten. Der Beklagte hat dem Kläger seine ihm nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zustehenden Unterkunftskosten zu Recht in Höhe von 1/3 der tatsächlichen Unterkunftskosten gewährt. Die Ehefrau war im streitigen Zeitraum leistungsberechtigtes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft und damit auch bei der Aufteilung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen. Nutzt ein Hilfebedürftiger eine Wohnung gemeinsam mit anderen Personen – hier mit anderen Familienangehörigen –, sind die Unterkunftskosten im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II unabhängig von Alter und Nutzungintensität in ständiger Rechtsprechung anteilig pro Kopf aufzuteilen (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 55/06 R; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 7/07 R – beide nach juris). Gesetzlich ist das sogenannte Kopfteilprinzip in § 22 Abs. 1 SGB II nicht festgeschrieben. Es geht vielmehr auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1988 – 5 C 68/85 – juris, Rn. 12) zurück, die durch das BSG fortgeführt worden ist. Bei dem Kopfteilprinzip handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität. Es basiert darauf, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1988 – 5 C 68/85 – juris, Rn. 10 ff.). In der Rechtsprechung des BSG sind daher unter bestimmten tatsächlichen Bedingungen Ausnahmen vom Kopfteilprinzip anerkannt (z.B. im Fall einer Ortsabwesenheit eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R – juris, Rn. 19; Änderung in der Bewohnerzahl vgl. BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 28/12 R – juris, Rn. 18; bei Wegfall der Unterkunftsaufwendungen wegen Sanktion gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2013 – B 4 AS 67/12 R – juris, Rn. 18 ff.; BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 – B 14 AS 50/13 R – juris, Rn. 19). In allen vom BSG entschiedenen Fällen wird ein Abweichen vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen und um eine Bedarfsunterdekcung auszuschließen, als gerechtfertigt angesehen. Zwar mag aufgrund der Nichtinanspruchnahme von SGB II-Leistungen durch die Ehefrau eine Bedarfsunterdeckung gedroht haben, jedoch sind die tatsächlichen Voraussetzungen hier andere als in den oben genannten Fällen, in denen die Bedarfsunterdeckung durch Sanktionen oder Ortsabwesenheit drohte. Im zu beurteilenden Sachverhalt besteht dagegen ein tatsächlicher Leistungsanspruch der Ehefrau auf ein 1/3 Anteil an den Unterkunftsaufwendungen. Sie war daher durchaus in der Lage, ihren Unterkunftsbedarf zu decken. Dass sie diesen Anspruch aus aufenthaltsrechtlichen Erwägungen nicht realisiert hat, kann nicht zu einem höheren Leistungsanspruch der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft führen. Ob ihr "Verzicht" - wie der Kläger meint - faktisch zu einer Art "Sippenhaftung" geführt hat, ist vor dem Hintergrund, dass ein Abweichen vom Kopfteilprinzip andernfalls zur Umgehung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen führt, hinzunehmen.

Ferner kann dahinstehen, ob der Beklagte die Gutschrift in Höhe von 10,45 EUR gemäß § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II zutreffend im Leistungsmonat Oktober 2010 den Unterkunftskosten bedarfsmindernd gegenübergestellt hat, da der Kläger seinen Antrag betragsmäßig auf Berücksichtigung von Unterkunftskosten für Oktober 2010 auf die Höhe von 230,28 Euro beschränkt hat.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Obergerichtlich ist nicht geklärt, ob einem Hilfebedürftigen der Regelbedarf für einen Alleinstehenden zu gewähren ist bzw. wie die Kopfaufteilung bei den Unterkunftskosten zu erfolgen hat, wenn eine mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau aus bleiberechtlichen Erwägungen einen ihr grundsätzlich zustehenden Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht realisiert.
Rechtskraft
Aus
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