L 1 KR 101/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 208 KR 2118/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 101/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur abhängigen Beschäftigung von Honorarärzten im Krankenhaus
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Februar 2014 insoweit aufgehoben, als es den Bescheid der Beklagten vom 29. Februar 2012 in der Gestalt des Bescheides vom 11. Juli 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2012 auch hinsichtlich des 29. November 2010, 20. und 22. Dezember 2010, 18. und 19. Februar 2011, 22. und 25. März 2011, 15. April 2011, 18., 20. und 22. Juli 2011, 9., 15. und 16. September 2011 aufgehoben und festgestellt hat, dass an diesen Tagen keine Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Die Klage wird insoweit abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen, die diese selbst zu tragen haben. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin in der Zeit vom 29. November 2010 bis zum 13. Dezember 2011 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand.

Der 1962 geborene Beigeladene zu 1) ist Facharzt für Anästhesie. Seit dem 4. Oktober 2006 arbeitete er als selbständiger Arzt. Er wurde als mobiler Anästhesist bei anderen Ärzten tätig, meistens bei niedergelassenen Ärzten, aber auch bei Kinderzahnärzten.

Am 11. März 2011 schloss er mit der Klägerin einen Honorararzt-Vertrag, nach dem er ab dem 1. Oktober 2010 auf Honorarbasis mit der selbständigen Betreuung und Behandlung von Patienten in der Abteilung für Anästhesie tätig werden sollte. Nach dem Vertrag war der Beigeladene zu 1) verpflichtet, die ihm übertragenen Aufgaben selbständig, gewissenhaft und pünktlich zu erfüllen. In seiner ärztlichen Verantwortung sollte er unabhängig sein und selbst eine Haftpflichtversicherung für den Betrieb eines Krankenhauses abgeschlossen haben. Er sollte die erteilten Aufträge in eigener Verantwortung ausführen, aber zugleich die Interessen seines Auftraggebers berücksichtigen. Einem Direktionsrecht sollte er nicht unterliegen, aber die fachlichen und organisatorischen Vorgaben des Auftraggebers insoweit beachten, als es die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erforderte. Der Auftragnehmer sollte das Recht haben, die vereinbarten Leistungen durch Dritte zu erbringen. Es oblag ihm ferner, die den Kranken gegenüber bestehenden Aufklärungspflichten zu erfüllen und zu dokumentieren. Der Beigeladene zu 1) war verpflichtet, die ärztlichen Leistungen ausschließlich im Krankenhaus und mit dessen Geräten und Einrichtungen zu erbringen. Er hatte eine medizinische Dokumentation nach den Vorschriften und Vorgaben der Klägerin anzufertigen. Die Tätigkeit wurde mit einem Honorar von 80,- EUR die Stunde vergütet. Die gesetzlichen Abgaben sollten vom Arzt abgeführt werden. Grundlage der Abrechnung sollte ein Tätigkeitsnachweis sein, der vom leitenden Arzt abzuzeichnen war. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er sah ausdrücklich das Recht des Auftragnehmers vor, einzelne Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Die zeitliche und organisatorische Einordnung des Auftragnehmers in das Dienstplansystem sollte nur mit dessen Einverständnis möglich sein. Vorgesehen war auch eine Teilnahme an der Rufbereitschaft.

Der Beigeladene zu 1) rechnete gegenüber der Klägerin erbrachte Leistungen vom 29. November 2010, 20. Dezember 2010 und 22. Dezember 2010, vom 18. und 19. Februar 2011, vom 22. und 25. März 2011, vom 15. April 2011, vom 18. Juli 2011, 20. Juli 2011 und 22. Juli 2011 sowie vom 9. September 2011, 15. September 2011 und 16. September 2011 ab. Der Honorararztvertrag wurde von der Klägerin zum 13. Dezember 2011 gekündigt.

Am 2. September 2011 beantragte der Beigeladene zu 1) die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status in Bezug auf seine Tätigkeit bei der Klägerin. Er begehrte die Feststellung, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Nach Anhörung der Klägerin und des Beigeladenen zu 1), in welcher die Klägerin geltend machte, dass eine abhängige Beschäftigung nicht vorliege, entschied die Beklagte durch Bescheid vom 29. Februar 2012, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit bei der Klägerin ab dem 1. Oktober 2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Es bestehe Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung; in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung und der Rentenversicherung bestehe keine Versicherungspflicht. Die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis relevanten Tatsachen würden überwiegen. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass der Vertrag unbefristet abgeschlossen worden sei, der Beigeladene zu 1) an die Beschlüsse der Organe des Krankenhauses und die Weisungen des ärztlichen Direktors gebunden sei, bei Auftragsannahme eine Eingliederung stattfinde, der Beigeladene zu 1) in die Dienstpläne der Klägerin eingeteilt werde, eine Bindung in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsort bestehe, der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit als Vertretung für festangestellte Mitarbeiter ausübe, ihm Patienten zugewiesen würden, eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit den anderen Mitarbeitern der Klägerin bestehe, der Beigeladene zu 1) aus Sichtweise der Patienten sich wie ein Mitarbeiter der Klägerin darstelle, ihm alle notwendigen Arbeitsmittel von der Klägerin gestellt würden, die persönliche Leistungserbringung die Regel sei, dem Beigeladenen zu 1) Planungsanweisungen erteilt würden, seine Haftung über die Klägerin geregelt sei und die Vergütung auf der Grundlage eines pauschalen Stundensatzes erfolge. Für eine selbständige Tätigkeit würde dagegen nur sprechen, dass der Beigeladene zu 1) in der Ausübung seiner Arbeit keinen direkten Weisungen unterliege und er die Möglichkeit habe, angebotene Aufträge abzulehnen. Versicherungspflicht in der Kranken- und sozialen Pflegeversicherung bestehe nicht, weil der Beigeladene zu 1) hauptberuflich selbständig erwerbstätig sei. In der Rentenversicherung bestehe keine Versicherungspflicht, weil der Beigeladene zu 1) als Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung von der Versicherungspflicht befreit sei. Die Versicherungspflicht beginne mit der Aufnahme der Beschäftigung, weil der Antrag auf Statusfeststellung nicht innerhalb eines Monats gestellt worden sei.

Dem erhobenen Widerspruch half die Beklagte durch Bescheid vom 11. Juli 2012 insoweit ab, als sie den Beginn der Versicherungspflicht auf den 29. November 2010 festsetzte. Im Übrigen wies sie den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 1. November 2012 zurück. Sie blieb bei der Annahme einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1).

Dagegen richtet sich die am 22. November 2012 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage. Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 26. Februar 2014 den Bescheid der Beklagten vom 29. Februar 2012 in der Gestalt des Bescheides vom 11. Juli 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2012 aufgehoben und festgestellt, dass aufgrund der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin in der Zeit zwischen dem 29. November 2010 und dem 13. Dezember 2011 keine Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Der Beigeladene zu 1) habe seine Tätigkeit nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Anhaltspunkte würden überwiegen, auch wenn gewichtige Indizien für eine abhängige Beschäftigung sprechen würden. Grundsätzlich sei die selbständige Honorartätigkeit eines Arztes im Krankenhaus möglich. Das zeige insbesondere die Einführung des sog. Beleghonorararztes. Auch die haftungsrechtliche Seite führe zu keinem anderen Ergebnis. Allein die nach außen hin bestehende Haftung der Klinik für den Arzt begründe nicht notwendig ein Beschäftigungsverhältnis. Ausgangspunkt für die vorzunehmende Abwägung sei das Vertragsverhältnis der Beteiligten. Dem übereinstimmenden auf die Begründung eines sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses gerichteten Willen der Beteiligten komme jedenfalls indizielle Bedeutung zu. Der Beigeladene zu 1) sei nicht weisungsgebunden bei der Klägerin tätig geworden. Es sei nicht ersichtlich, wie sich das von der Beklagten behauptete Weisungsrecht des ärztlichen Leiters der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen zu 1) ausgewirkt haben sollte. Der Beigeladene zu 1) habe sich den Saal und das Personal aussuchen und bestimmte Operationen ablehnen dürfen. Allein aus der Bindung an Arbeitszeit und Arbeitsort ergebe sich noch kein Weisungsrecht. Insoweit werde auf die Rechtsprechung des BSG zu Dozenten verwiesen. Für eine abhängige Beschäftigung spräche dagegen, dass die Klägerin die Arbeitsmittel zur Verfügung stelle, der Beigeladene zu 1) nach Stunden bezahlt werde und eine Tätigkeit verrichte, die auch von festangestellten Mitarbeitern ausgeübt werde. Diese Indizien würden aber zurücktreten. Die Nutzung der gestellten Arbeitsmittel sei mittlerweile auch für andere Freiberufler üblich. Zudem komme es nicht darauf an, ob der Beigeladene zu 1) aus Sicht der Patienten als Mitarbeiter der Klägerin wahrgenommen werde. Der Beigeladene zu 1) trage nur ein geringes Unternehmerrisiko, dass sich in seinem Haftungsrisiko zeige. Die arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegien könne er nicht für sich in Anspruch nehmen. Für den sozialversicherungsrechtlichen Status komme es auch nicht darauf an, dass der Beigeladene zu 1) nicht selbst mit den Krankenkassen abrechne. Wesentliches Indiz für die Selbständigkeit sei zudem, dass der Beigeladene zu 1) berechtigt gewesen sei, die Leistungen durch Dritte zu erbringen.

Gegen das ihr am 7. März 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. März 2014 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Beklagten. Das Urteil überzeuge nicht. Ärzte würden in ihrer eigentlichen Tätigkeit keinen Weisungen unterliegen. Daher komme es darauf an, inwieweit sie in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert seien. Tätigkeiten von Ärzten in einem Explantationsteam, als Hubschrauberarzt, als Notarzt oder Notdienstarzt würden regelmäßig als Beschäftigungsverhältnis qualifiziert. Für die vom Beigeladenen zu 1) ausgeübte Tätigkeit gelte das gleiche. Das entspreche auch der Rechtsprechung des BSG. Die Arbeit in einem OP erfordere die Zusammenarbeit mit weiterem Krankenhauspersonal, woraus sich schon sachlogisch eine Weisungsbefugnis ergebe. Der Beigeladene zu 1) habe den Weisungen des Ärztlichen Direktors unterlegen und sei zur Zusammenarbeit mit anderen Ärzten verpflichtet gewesen. Er sei als Ersatz für angestellte Anästhesieärzte eingesetzt worden und habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht selbst angegeben, keinen Unterschied zwischen seiner Tätigkeit und der von angestellten Ärzten zu sehen. Auch das LSG Baden-Württemberg habe mit Urteil vom 17. April 2013 – L 5 R 3755/11 entschieden, dass auf Honorarbasis tätige Anästhesisten abhängig beschäftigt seien. Der Beigeladene zu 1) habe seine Dienste unter kostenloser Nutzung der vorhandenen Infrastruktur und Arbeitsmittel erbracht. Er habe seine Arbeitskraft und seine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten dem Arbeitgeber für eine gewisse Zeitdauer zur Verfügung gestellt. Er habe seine Tätigkeit nicht ausführen können, ohne die ihm von der Klägern zur Verfügung gestellten Einrichtungen zu nutzen. Die Auswahl des OP-Saales sei von geringerer Bedeutung gewesen, da sie nur möglich gewesen sei, wenn mehrere Säle frei waren. Der Beigeladene zu 1) sei zwar als niedergelassener Arzt in eigener Praxis tätig gewesen, er sei aber während der zusätzlich übernommenen Dienste ebenso wie das Stammpersonal in das Krankenhaus eingegliedert und dort abhängig beschäftigt gewesen. Verwiesen werde noch auf das Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern v. 23. Januar 2013 – L 7 R 78/11. Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Februar 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bereits aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz (ärztliche Behandlung, auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte) ergebe sich die grundsätzliche Zulässigkeit der selbständigen ärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus. Zu Unrecht halte das LSG Baden-Württemberg in der von der Beklagten zitierten Entscheidung dagegen. Falsch sei Behauptung der Beklagten, dass der Beigeladene zu 1) in demselben Maße wie ein angestellter Anästhesiearzt in die Organisation und Struktur des Krankenhauses integriert gewesen sei. Dafür werde auf das Zeugnis von OD, Vertrags- und Riskmanagement, verwiesen. Lediglich die ärztliche Arbeit als solche, welche der Beigeladene zu 1) geleistet habe, sei nicht von der Tätigkeit angestellter Ärzte zu unterscheiden gewesen. Er habe die Möglichkeit gehabt, Operationen abzulehnen und sei nicht zur Nachsorge verpflichtet gewesen. Zeitliche und örtliche Abstimmungen seien auch bei den klassisch selbständigen Leistungen wie etwa bei Handwerkern üblich. Der Beigeladene zu 1) habe sich den OP-Saal aussuchen können. Für ihn hätten weder Schicht- noch Dienstpläne existiert. Für den Haftungsfall habe er eine eigene Versicherung abgeschlossen. Er habe das Unternehmerrisiko getragen, keine Aufträge mehr zu erhalten. Er habe sich aussuchen können, bei welcher Operation und in welchem Fachgebiet er tätig werden wollte und damit Umfang und Dauer seines Einsatzes selbst bestimmt. Einem Weisungsrecht habe er nicht unterlegen. Da der ärztliche Direktor des Krankenhauses kein Anästhesist war, habe er keine fachlichen Weisungen erteilen können. Der Beigeladene zu 1) sei auch anders als die festangestellten Ärzte regelmäßig nicht mit den Aufgaben der Nachsorge und der Patientenaufklärung befasst gewesen. Die von der Beklagten noch angeführten Gerichtsentscheidungen seien schon vom Sachverhalt her mit dem vorliegenden Fall nicht zu vergleichen.

Der Senat hat Herrn O D aus der Vertragsabteilung der Klägerin als Zeugen gehört. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 8. Februar 2017 Bezug genommen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 29. Februar 2012 in der Gestalt des Bescheides vom 11. Juli 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2012 vollständig aufgehoben. Die Bescheide sind nur teilweise rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten Der Beigeladene zu 1) stand am 29. November 2010, 20. und 22. Dezember 2010, 18. und 19. Februar 2011, 22. und 25. März 2011, 15. April 2011, 18., 20. und 22. Juli 2011 sowie 9., 15. und 16. September 2011 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin, aus dem sich Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung ergab. Zutreffend ist das Urteil des Sozialgerichts nur für die übrigen Zeiten.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach hat die Beklagte im Anfrageverfahren über das Vorliegen einer Versicherungspflicht auslösenden Beschäftigung zu entscheiden. Mit Recht ist die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid von Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung ausgegangen. Rechtsgrundlage ist 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Nach dieser Vorschrift unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht.

Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (Urteile des BSG vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – und Urteil vom 12. November 2015 – B 12 KR 10/14 R -). Auch für Ärzte im Krankenhaus gilt nichts anderes.

Der Beigeladene zu 1) ist an den folgenden Tagen für die Klägerin gegen Entgelt tätig geworden: Am 29. November 2010, 20. Dezember 2010 und 22. Dezember 2010, am 18. und 19. Februar 2011, am 22. und 25. März 2011, am 15. April 2011, am 18. Juli 2011, 20. Juli 2011 und 22. Juli 2011 sowie am 9. September 2011, 15. September 2011 und 16. September 2011. Das ergibt sich daraus, dass der Beigeladene zu 1) der Klägerin für seine Tätigkeit an den genannten Tagen Rechnungen gestellt hat, die der Beklagten vorgelegt worden sind. Die Tätigkeiten an diesen Tagen waren jeweils als abhängige Beschäftigung anzusehen.

Auszugehen für die Einordnung als selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung ist zunächst von den zwischen den Beteiligten getroffenen vertraglichen Abreden. Maßgebend ist hier der Honorararzt-Vertrag vom 11. März 2011, der nach den Vorstellungen der Beteiligten die rechtliche Grundlage für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin darstellen sollte. Nach dem Inhalt des Rahmenvertrages ist eindeutig, dass der Willen der Beteiligten darauf gerichtet war, keine sozialversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung zu begründen. Das ergibt sich aus der Bezeichnung der Parteien als Auftraggeber und Auftragnehmer, der wiederholt zu findenden Formulierung, dass der Beigeladene zu 1) seine übernommenen Aufträge selbständig zu erfüllen habe und schließlich aus der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Honorarvertrag zu findenden Regelung, dass sämtliche gesetzliche Abgaben vom Arzt abgeführt werden. Diese Regelung ist deswegen eine Absage an die Sozialversicherungspflicht, weil letztere bewirken würde, dass die Klägerin als Arbeitgeber zur Abführung der auf gesetzlichen Grundlagen beruhenden Versicherungsbeiträge verpflichtet ist.

Allerdings muss die von den Beteiligten gewollte Einordnung auch vor den tatsächlichen Verhältnissen bestehen können. Denn das Entstehen von Versicherungspflicht ergibt sich aus dem Gesetz und ist nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen nicht allein der auf Vermeidung des Eintritts von Sozialversicherungspflicht gerichtete Willen der Parteien, sondern (auch) die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse, welchen gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris Rn 17; Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris Rn 17). Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört auch die aus vertraglichen Positionen herrührende Rechtsmacht, solange sie nicht wirksam abbedungen ist. Nach diesen Maßstäben ist hier von einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) auszugehen.

Für die Beantwortung der Frage, ob vorliegend eine abhängige Beschäftigung anzunehmen ist, kommt es zunächst nicht darauf an, ob der Gesetzgeber an anderer Stelle davon ausgegangen ist, dass auch im Krankenhaus eine selbständige Tätigkeit von Ärzten möglich sein muss. Aus dieser Möglichkeit ergibt sich nämlich noch nichts für die Bewertung der konkreten Tätigkeit, die von dem Beigeladenen zu 1) für die Klägerin verrichtet worden ist.

Für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung spricht hier, dass der Beigeladene zu 1) schon nach dem Honorarvertrag nicht völlig frei von der Verpflichtung war, Weisungen in Bezug auf seine Tätigkeit nachzukommen. Zwar entspricht es dem ärztlichen Beruf, die anfallende Arbeit weitgehend in eigener Verantwortung zu erledigen. Auch gibt es keine Hinweise dafür, dass dem Beigeladenen zu 1) jemals tatsächlich Weisungen in Bezug auf seine Tätigkeit durch die Klägerin erteilt worden sind. § 3 Abs. 1 Honorarvertrag formuliert aber, dass der Beigeladene zu 1) nur grundsätzlich keinem Weisungsrecht unterliege. Bereits aus dieser Formulierung lässt sich ableiten, dass für Ausnahmefälle dann doch eine Weisungsbefugnis bestehen soll. Dazu formuliert der Honorarvertrag genauer, dass der Beigeladene zu 1) die fachlichen und organisatorischen Vorgaben des Auftraggebers insoweit zu beachten habe, als es die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erfordere. Dementsprechend eröffnete der Honorarvertrag der Klägerin das Recht, dem Beigeladenen zu 1) Weisungen zu erteilen, wenn sie das zur Erreichung des Vertragszweckes für erforderlich hielt. Insoweit liegt hier ein Fall der "Schönwetterweisungsfreiheit" vor, in dem die Klägerin nur für den Fall auf die Ausübung des Weisungsrechtes verzichtete, dass sie seinen Einsatz nicht für erforderlich hielt.

Davon unabhängig gilt weiter, dass eine Tätigkeit mit weitgehenden Entscheidungsfreiheiten der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegensteht. Denn auch bei der Leistung von Diensten höherer Art liegt eine Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit funktionsgerecht dienende Teilhabe an einem fremden Arbeitsprozess bleibt (Urteil des BSG vom 9. Dezember 1981 – 12 RK 4/81). Mehr als eine solche dienende Teilhabe ist dem Beigeladenen zu 1) aber nicht eingeräumt worden. Er hatte zwar fachlich über die medizinischen Notwendigkeiten zu bestimmen, in Bezug auf die sonstigen Umstände seiner Tätigkeit hatte er aber wenig eigene Gestaltungsmöglichkeiten und war in die von der Klägerin geschaffenen räumlichen, sachlichen und zeitlichen Voraussetzungen eingebunden. Das zeigt sich schon am Honorarvertrag. Dieser sieht in § 7 Abs. 4 eine gestaffelte Entscheidungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) in Bezug auf die Übernahme einer Tätigkeit vor. Zunächst bestimmt § 7 Abs. 4 Satz 2 Honorarvertrag, dass die zeitliche und organisatorische Einordnung des Auftragnehmers in das Dienstplansystem des Auftraggebers nur mit dessen Einverständnis möglich war. Diese Regelung bedeutet aber auch, dass der Beigeladene zu 1), wenn er sein Einverständnis abgab, in das Dienstplansystem eingeordnet wurde. Mit anderen Worten: Der Beigeladene zu 1) war zwar grundsätzlich frei in seiner Entscheidung darüber, ob er für die Klägerin tätig werden wollte. Entschied er sich aber für die Übernahme einer ihm angebotenen Tätigkeit, hatte er die Arbeit im Rahmen der organisatorischen Vorgaben und Strukturen zu bewältigen, die ausschließlich von der Klägerin geschaffen waren und bestimmt wurden. Auch § 7 Abs. 4 Satz 1 Honorarvertrag gab dem Beigeladenen zu 1) nicht das Recht, aus den Strukturen nach Belieben wieder auszubrechen. Dort ist formuliert, dass der Auftragnehmer das Recht habe, einzelne Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Das bezieht sich schon dem Wortlaut der Regelung nach nur auf Einzelfälle, die als solche auch erkennbar sein müssen. Dass der Beigeladene zu 1) für besondere Fälle das Recht gehabt haben mag, seine Mitwirkung an einzelnen Operationen zu verweigern, begründet nicht seine Befugnis, sich nach Belieben einzelne Operation aus dem von der Klägerin aufgestellten Dienstplan zur Mitwirkung herauszusuchen und sie im Übrigen zu verweigern. Noch deutlicher wird die Einbindung des Beigeladenen zu 1) in fremde organisatorische Strukturen bei der Ableistung von Rufbereitschaften. Das ist ausweislich der vorhandenen Abrechnungen am 2. Dezember 2010, 15. April 2011, 20. Juli 2011 und 15. September 2011 der Fall gewesen.

Dieses auf eine abhängige Beschäftigung hindeutende Ergebnis wird auch bestätigt durch die praktische Handhabung der Tätigkeit durch die Beteiligten, wie sie durch den im Erörterungstermin vom 8. Februar 2017 gehörten Zeugen und den Beigeladenen zu 1) bestätigt worden ist. Verteilt zwischen den zur Verfügung stehenden Anästhesisten wurden Operationssäle mit den dort jeweils vorgesehenen Eingriffen, nicht einzelne Patienten. Damit bestimmte die Klägerin durch die Zuweisung der Patienten zu bestimmten Sälen Ort, Zeit und Gegenstand der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1). Dass er sich in Absprache mit den anderen Anästhesisten einen OP-Saal aussuchen konnte, begründet nur eine eingeschränkte Entscheidungsfreiheit, weil der Gegenstand der Auswahl von der Klägerin vorgegeben wurde und der Beigeladene zu 1) zudem auf eine Einigung mit den anderen Anästhesisten angewiesen war. Die im Honorarvertrag vorgesehene Möglichkeit, trotz Übernahme eines OP-Saales dann einzelne Operationen abzulehnen, ist nach dem Vortrag des Beigeladenen zu 1) nie ausgeübt worden, so dass sie der Tätigkeit nicht das Gepräge gegeben haben kann. Demnach hat der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit nach Übernahme eines OP-Saales wie ein abhängig beschäftigter Arzt im Rahmen der durch die Klägerin geschaffenen organisatorischen und sachlichen Vorgaben verrichtet, was die Annahme einer abhängigen Beschäftigung begründet. Der Beigeladene zu 1) war nur frei in der Entscheidung, ob er einen ihm angebotenen Auftrag annehmen wollte oder nicht, nach Übernahme hatte er aber keine entscheidenden Einflussmöglichkeiten auf die Ausgestaltung seiner Tätigkeit mehr. Der Zeuge D hat bestätigt, dass die Klägerin mit den Honorarkräften vorhandene Lücken schließen wollte, die durch Kündigungen abhängig beschäftigter Narkoseärzte entstanden waren. Dies bekräftigt, dass in der Ausgestaltung der Tätigkeit keine wesentlichen Unterschiede bestanden, wenn die Honorarkraft erstmal ihre Bereitschaft erklärt hatte, sich in den Dienstplan aufnehmen zu lassen oder eine Rufbereitschaft zu übernehmen.

Für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung spricht weiter, dass der Beigeladene zu 1) kein Unternehmerrisiko trug. Eigenes Kapital oder eigene Arbeitsmittel hat er nicht eingesetzt, sondern auf die Sachmittel der Klägerin zurückgegriffen. Der Beigeladene zu 1) setzte seine Arbeitskraft auch nicht mit der Gefahr ein, keine Vergütung zu erhalten. Die pro Stunde und ohne Rücksicht auf den Erfolg der Tätigkeit gewährte Honorierung verhinderte das.

Dagegen ist es ein eindeutiges Merkmal für eine selbständige Tätigkeit, dass der Beigeladene zu 1) nach dem Honorarvertrag das Recht haben sollte, die Leistungen auch durch einen Dritten zu erbringen. Allerdings ist eine solche Ersetzungsbefugnis nicht von einem solchen Gewicht, dass andere auf das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung deutende Umstände zurücktreten müssen. Es kommt hinzu, dass die Ersetzungsbefugnis nie praktisch geworden ist und nach den Vorstellungen der Beteiligten auch nicht praktisch werden sollte, da der Beigeladene zu 1) ersichtlich keine eigenen Angestellten oder Honorarkräfte hatte, die er an seiner Stelle mit der Vornahme der Anästhesie beauftragen konnte. Demnach überwiegen vorliegend die auf eine abhängige Beschäftigung deutenden Umstände.

Für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gilt, dass es erstmals am 29. November 2010 ausgeübt wurde. Mit der Beendigung der Tätigkeit gegen Entgelt endete grundsätzlich auch das bei der Klägerin bestehende Beschäftigungsverhältnis. Bei tageweiser Beschäftigung müssen die einzelnen Beschäftigungszeiträume und die in diesen bestehende Versicherungspflicht jeweils festgestellt werden (BSG v. 11. März 2009 – B 12 R 11/07 R – juris Rn 27). Anhaltspunkte für eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung nach § 8 SGB IV bestehen vorliegend nicht. Die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) war weder entgelt- noch zeitgeringfügig. Angesichts der regelmäßig wiederholten Einsätze haben die erzielten Honorare gewissen Einfluss auf seine wirtschaftliche Position gehabt, so jedenfalls eine Berufsmäßigkeit seiner Tätigkeit für die Klägerin anzusehen ist. Entsprechend war ein Beschäftigungsverhältnis und die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) festzustellen am 29. November 2010, 20. und 22. Dezember 2010, 18. und 19. Februar 2011, 22. und 25. März 2011, 15. April 2011, 18., 20. und 22. Juli 2011 sowie 9., 15. und 16. September 2011.

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil des Sozialgerichts Berlin abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die genannten Zeiträume betroffen sind.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG iVm §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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