L 5 KR 260/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 415/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 260/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach § 275 Abs. 1 SGB V ist für die Prüfung der Leistungspflicht in einem zahnmedizinischen Behandlungsfall allein der MDK zuständig. Führt die Krankenkasse unter Missachtung dieser gesetzlichen Aufgabenzuweisung gleichwohl ein nach dem Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehens Gutachterverfahren durch anstatt den MDK zu beauftragen, beträgt die Entscheidungsfrist nach § 13 Abs. 3 a SGB V nur drei Wochen.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 20.01.2016 wird zurückgewiesen.

II. Der Bescheid vom 11.08.2016 wird aufgehoben.

III. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist eine Implantatversorgung der Klägerin einschließlich Augmentation und Suprakonstruktion im Oberkiefer und Unterkiefer. Die 1947 geborene Klägerin legte bei der Beklagten am 13.11.2014 (Eingangsstempel) der Beklagten einen Heil- und Kostenplan vom 28.10.2014 des Facharztes für Oralchirurgie W. B. für eine prothetische Versorgung vor mit einer Anlage, in der der voraussichtliche Eigenanteil für die Suprakonstruktion mit 7.828,30 EUR beziffert ist. Der Festzuschuss sollte sich auf 796,70 EUR belaufen. Zwei weitere Kostenvoranschläge (Kostenaufstellung und Behandlungsplan) vom 28.10.2014, ebenfalls eingegangen am 13.11.2014, betrafen eine Implantatversorgung mit Augmentation im Unterkiefer (Implantate regio 33 und 43) und im Oberkiefer (Implantate regio 14, 12, 22, 24). Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 18.11.2014 mit, dass für implantologische Leistungen grundsätzlich keine Leistungspflicht bestehe und zur Prüfung, ob eine Ausnahmeindikation vorliege, der behandelnde Zahnarzt angeschrieben worden sei. Der Facharzt für Oralchirurgie B. erklärte mit Telefax vom 27.11.2014, dass aus seiner Sicht eine Ausnahmeindikation wegen dauerhaft bestehender extremer Xerostomie bestehe nach Bestrahlung und HNO-Tumor-Operation 2009 in der Uniklinik U ... Eine konventionelle Versorgung ohne Implantate sei nicht möglich. Die Beklagte wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 03.12.2014 unmittelbar an Herrn F. M., S.platz, S. und beauftragte ihn mit der Begutachtung der geplanten implantologischen Leistungen. Mit Schreiben vom gleichen Tag informierte die Beklagte die Klägerin hierüber. Sobald das Gutachten vorliege, werde über den Antrag entschieden. In seinem eine DIN-A 4 Seite umfassenden Gutachten vom 22.12.2014 nach persönlicher Untersuchung vom selben Tag führte Dr. M. aus, dass sich die Klägerin in zahnlosem Zustand mit provisorischen Totalprothesen im Oberkiefer und Unterkiefer vorgestellt habe. Zum Untersuchungszeitpunkt habe sich eine sehr gute Speichelbildung im gesamten Mundbereich gezeigt. Die Schleimhaut sei an keiner Stelle trocken oder gerötet gewesen. Eine Xerostomie sei nicht feststellbar. Die Patientin klage lediglich über nächtliche Mundtrockenheit. Die Interimsprothese im Oberkiefer zeige einen sehr guten Saughalt. Die Kieferkämme im Oberkiefer und Unterkiefer seien sehr gut erhalten. Eine konventionelle Versorgung sei möglich. Eine Ausnahmeindikation liege nicht vor. Ein medizinischer Zusammenhang zur früheren Tumortherapie sei nicht erkennbar. Es handle sich nicht um eine Ausnahmeindikation nach § 28 Abs. 2 SGB V. Dieses Gutachten ging bei der Beklagten am 29.12.2014 ein. Mit Bescheid vom 30.12.2014 lehnte die Beklagte daraufhin eine Kostenübernahme ab. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und berief sich auf das Schreiben ihres Zahnarztes sowie einen onkologischen Brief des Universitätsklinikum U. vom 13.01.2015. Darin wird ausgeführt, dass die Zahnschäden aus HNO-ärztlicher Sicht gut durch die ausgeprägte Xerostomie erklärbar seien. Der Facharzt für Oralchirurgie B. führte in einem Attest vom 26.01.2015 aus, dass es in Folge der onkologischen Therapie zu einer ausgeprägten Xerostomie gekommen sei, die eine massive Schädigung der vorhandenen Zähne nach sich gezogen habe, so dass im Rahmen einer Sanierung alle Zähne entfernt werden mussten. Ohne Implantate sei kein zufriedenstellender Prothesenhalt zu erreichen. Die Beklagte erteilte am 18.02.2015 dem Facharzt für Oralchirurgie B. den Hinweis, dass ein Antrag auf Obergutachten bei der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung einzureichen sei sowie dass die Kosten des Obergutachtens der Antragsteller zu tragen habe. Am 24.02.2015 übersandte die Beklagte der Klägerin einen inhaltsgleichen Hinweis und bat um Mitteilung, ob Herr B. einen entsprechenden Antrag gestellt habe, ob die Bearbeitung bis zum Eingang des entsprechenden Gutachtens zurückgestellte werden solle oder ob sie eine Vorlage nach dem bisherigen Stand beim Widerspruchsausschuss wünsche. Die Klägerin erklärte am 21.05.2015, dass ein entsprechender Antrag nicht gestellt werde. Die Beklagte wies den Widerspruch schließlich mit Bescheid vom 30.07.2015 zurück. Die Klägerin hat ihr Begehren mit Klage vor dem Sozialgericht Augsburg Klage weiterverfolgt und sich auf die vorgelegten fachärztlichen Unterlagen berufen. Die vorhandene Prothese sitze zwar gut und sei auch optisch in Ordnung. Allerdings könne sie mit dieser Prothese nicht essen bzw. beißen. Beispielsweise müsse sie die Prothese sofort neu einkleben, wenn sie Fleisch esse. Durch den fehlenden Gaumenbogen rutsche ein Teil der Nahrung beim Schlucken nach oben und finde sich in der Nase wieder, was sie nur durch Schnäuzen beseitigen könne. Zur Sachaufklärung hat das Sozialgericht einen Befundbericht des Facharztes für Oralchirurgie B. eingeholt. Die Beklagte wurde auf den möglichen Eintritt einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V hingewiesen. Daraufhin hat die Beklagte erklärt, dass die Klägerin über die Notwendigkeit der Begutachtung unterrichtet gewesen sei und der Untersuchungstermin von ihrer persönlichen Terminvereinbarung abhängig gewesen sei. Hier seien sachgerechte Ermittlungen erfolgt und es lägen hinreichende Gründe für die kurzzeitige Überschreitung der Sechs-Wochen-Frist vor, zumal die Klägerin hierüber informiert gewesen sei. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20.01.2016 die Beklagte verurteilt, die Klägerin mit den streitgegenständlichen Implantaten einschließlich Suprakonstruktionen zu versorgen. Es hat seine Entscheidung auf den Eintritt einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a S. 6 SGB V gestützt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Der Senat hat die Beklagte um Stellungnahme gebeten, auf welcher Rechtsgrundlage die Beauftragung von Herrn Dr. M. erfolgt ist. In ihrem Schreiben vom 23.05.2017 verwies die Beklagte auf den EKV-Z Anlage 18 und den BMV-Z. In der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2017 hat die Beklagte erklärt, dass nach Anhörung der Klägerin am 11.08.2016 ein Aufhebungsbescheid hinsichtlich der fiktiven Genehmigung ergangen ist und hat einen Abdruck des Bescheides zu den Akten übergeben. Die Beteiligten haben übereinstimmend keine Einwendungen erhoben, daß dieser Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 20.01.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen und den Bescheid vom 11.08.2016 aufzuheben. Die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, die Klägerin mit den beantragten Implantaten zu versorgen. Werden die Fristen im Sinne von § 13 Abs. 3a Sätze 1 bis 4 SGB V nicht eingehalten und erfolgt keine rechtzeitige und ordnungsgemäße schriftliche Mitteilung nach § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V, gilt eine beantragte Leistung als genehmigt, § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V. Daraus resultiert vorliegend ein Sachleistungsanspruch auf Implantatversorgung. Der Rücknahmebescheid vom 11.08.2016 ist bereits wegen nicht ordnungsgemäßer Ermessensausübung rechtswidrig und auf Antrag der Klägerin aufzuheben. 1. Die Klägerin verfolgt den Sachleistungsanspruch zutreffend mit einer echten Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 SGG wegen der eingetretenen Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V (vgl. SG Speyer, Urteil vom 18.11.2016 - S 19 KR 329/16; SG Berlin, Urteil vom 19.10.2016 - S 89 KR 2036/15; SG Augsburg, Urteil vom 12.04.2016 - S 10 KR 50/15; SG Augsburg, Urteil vom 03.06.2014 - S 6 KR 339/13; SG Nürnberg, Urteil vom 27.03.2014 - S 7 KR 520/13). Die prozessuale Situation entspricht nämlich dem Fall, dass ein erteilter Bewilligungsbescheid nicht vollzogen wird; auch dann ist eine echte Leistungsklage zulässig, da ein Verwaltungsakt nicht mehr zu ergehen braucht (vgl. § 54 Abs. 5 SGG). Zutreffend ist dieses Begehren mit einer Anfechtungsklage gem. § 54 Abs. 1 SGG kombiniert im Hinblick auf den Ablehnungsbescheid vom 30.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2015 sowie des Rücknahmebescheids vom 11.08.2016 (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 31. Januar 2017 - L 5 KR 471/15 -, Rn. 21, juris). 2. Die Anfechtungsklage gegen den Rücknahmebescheid ist zulässig, da es eines Vorverfahrens hinsichtlich dieses Bescheides in entsprechender Anwendung des § 96 SGG nicht bedurfte. Auch im Berufungsverfahren ist § 96 SGG anwendbar (§ 153 Abs. 1 SGG). a) Zwar ist der Rücknahmebescheid nicht in unmittelbarer Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG in das Verfahren einbezogen, weil dort nur Fälle erfasst sind, in welchen nach Klageerhebung ein angefochtener Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt geändert oder ersetzt wird, der nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergeht. § 96 SGG ist mit Wirkung zum 01.04.2008 durch das SGGArbGGÄndG vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444) dahingehend konkretisiert worden, dass irgendein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang zwischen dem neuen Verwaltungsakt und dem Streitgegenstand des Klageverfahrens nicht mehr ausreicht. Die Neufassung beschränkt § 96 SGG auf eine Einbeziehung der nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangenen Bescheide zum selben Gegenstand (vgl. Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 96, Rdnr. 4, 5 und 6). Vorliegend ersetzt zwar der Rücknahmebescheid nicht den angefochtenen Ablehnungsbescheid vom 11.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2015, sondern hebt die Genehmigungsfiktion mit Wirkung für die Zukunft auf, so dass eine unmittelbare Anwendung von § 96 Abs. 1 SGG nicht in Betracht kommt. b) Sinn und Zweck des § 96 Abs. 1 SGG verlangen jedoch den Einbezug des Rücknahmebescheides vom 03.12.2015 in das Verfahren analog § 96 SGG (so SG München, Urteil v. 16.06.2016 - S 7 KR 409/15, NZS 2016, 788). Sinn und Zweck der Vorschrift ist die Ermöglichung einer schnellen, erschöpfenden Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis in einem Verfahren (Prozessökonomie). Es soll verhindert werden, dass das Gericht gezwungen wäre, über einen nicht mehr aktuellen Zustand zu entscheiden. c) Die Einbeziehung in das Verfahren soll auch die Gefahr divergierender Entscheidungen vermeiden (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 96, Rn. 1). Würde man den Rücknahmebescheid vom 03.12.2015 vorliegend unberücksichtigt lassen, könnte es zu einer Fallkonstellation kommen, in welcher der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Leistungsgewährung verurteilt wird, während in einem weiteren Prozess über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der "Genehmigungsfiktion" der Beklagten Recht gegeben und von der Leistungsgewährung frei wird. Damit stünden sich zwei sich widersprechende Entscheidungen gegenüber. d) Zwar ist § 96 SGG bei echten Leistungsklagen grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 96, Rdnr. 2a), denn § 96 SGG verlangt, dass ein Verwaltungsakt Klagegegenstand ist. Aber in der vorliegenden Fallgestaltung ist eine analoge Anwendung geboten, da es beim Klagegegenstand der hier erhobenen Leistungsklage gerade um einen Anspruch aus einer Genehmigungsfiktion und damit aus einem fingierten Verwaltungsakt geht. Streitgegenstand ist damit ein Recht aus einem fingierten Verwaltungsakt, welcher nach Klageerhebung durch die Beklagte mit Wirkung für die Zukunft aus der Welt geschafft werden sollte. Genau eine solche Fallkonstellation soll § 96 SGG aber erfassen (so zutreffend SG München, Urteil v. 16.06.2016 - S 7 KR 409/15, NZS 2016, 788). Über die Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides vom 11.08.2016 konnte daher durch Einbeziehung nach § 96 Abs. 1 SGG analog in diesem Klageverfahren entschieden werden, ohne dass zu diesem Bescheid noch ein Vorverfahren nach § 78 SGG durchzuführen war. e) Auch ein Vergleich mit entsprechenden prozessualen Konstellationen im Anwendungsbereich der Verwaltungsgerichtsordnung bestätigt dieses Ergebnis (vgl. hierzu Schoch/Schneider/Bier/Pietzcker VwGO § 79 Rn. 7; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 31. Januar 2017 - L 5 KR 471/15 -, Rn. 27, juris). Zudem entspricht die Einbeziehung des Bescheides dem ausdrücklichen, in der mündlichen Verhandlung protokollierten Willen der Beteiligten, der Abweisungsantrag der Beklagten ist auch auf das Aufhebungsbegehren der Klägerin zu beziehen. 3. Nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung (Satz 4). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Der Antrag der Klägerin ist bei der Beklagten am 13.11.2014 eingegangen. Diese hat darüber erst am 30.12.2014 - nach 7 Wochen - entschieden. a) Der von dem Facharzt für Oralchirurgie B. erstellte Kostenvoranschlag sowie Heil- und Kostenplan ist, auch wenn sich in der Verwaltungsakte kein ausdrücklicher Antrag der Klägerin in einem Schreiben findet oder kein mündlicher Antrag als solcher vermerkt ist, als Antrag auf Gewährung implantologischer Leistungen zu verstehen und wurde auch so von der Beklagten, wie sich aus deren Schreiben an den Klägerin vom18.11.2014 ergibt, verstanden. Aus dem Eingang des Kostenvoranschlags bei der Beklagten und dem von Klägerin im gesamten Verfahren verfolgten Ziel der Versorgung mit Implantaten folgt, dass der bei der Beklagten eingegangene Kostenvoranschlag als ein Antrag der Klägerin anzusehen ist. Es handelt sich nach Blatt 1 - 9 der Beklagtenakte um einen konkret auf eine Leistung gerichteten fiktionsfähigen Antrag, da er so bestimmt gestellt ist, dass die auf der Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (zu den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit BSG, Urt. v. 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, Rn. 23 - juris).

b) Die Beklagte hat hierüber nicht innerhalb der dreiwöchigen Frist nach § 13 Abs. 3 a S. 1 SGB V entschieden und die beantragte Versorgung mit Implantaten zu Unrecht abgelehnt. Die Beklagte hat unter Verstoß gegen § 275 Abs. 1 SGB V nicht den MDK mit der Begutachtung beauftragt. Stattdessen hat sie sich unmittelbar an Dr. M. gewandt und ihn mit der Erstellung eines Gutachtens zur Feststellung der Leistungspflicht beauftragt. Dieses erschöpft sich in einer DIN A 4-Seite. Nicht erkennbar ist, dass sich Dr. M. mit den Vorbefunden beschäftigt hat. Der Satz "Ein medizinischer Zusammenhang zur früheren Tumortherapie ist nicht erkennbar." zeigt nicht auf, warum und aus welchen Erkenntnisquellen außer einer momentanen Untersuchung die Einschätzung resultiert und wertet oder würdigt die Vorbefunde nicht. Dieser Einschätzung ist daher nicht zu folgen, sie ist ob dieser Verkürztheit nicht geeignet, die fundierte Einschätzung des Facharztes für Oralchirurgie B. soweit zu widerlegen, dass die Klägerin diese nicht mehr für erforderlich halten durfte und diese als offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegend ansehen musste (vgl. BSG, 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R, Rn. 25 - juris - siehe hierzu unten e)). Es steht zudem den gesetzlichen Krankenasse nicht frei, sich einen Gutachterdienst oder gar einen Gutachter persönlich auszuwählen, wenn es um die Prüfung von Leistungspflichten im Bereich der Zahnmedizin geht. Seit der Errichtung des MDK mit dem Gesundheitsreform-Gesetz (vom 20. Dezember 1988, BGBl I S. 2477 und S. 2606 m.W.v. 1. Januar 1989) ist diese Aufgabe per legem ausschließlich dem MDK zugewiesen.

aa) § 275 Abs. 1 Ziff. 1 SGB V verpflichtet die Krankenkassen, in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßem Abrechnung, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Im Falle einer geplanten Maßnahme zeigt bereits die Gesetzeshistorie, dass allein der MDK zur Stellungnahme berechtigt ist. Nach § 275 Abs. 3 Nr. 1 SGB V a.F. konnten die Krankenkassen in geeigneten Fällen die medizinischen Voraussetzungen für die Durchführung einer kieferorthopädischen Behandlung nach § 29 SGB V vom MDK prüfen lassen. Nachdem diese Regelung zu Auslegungsproblemen geführt hatte, inwieweit § 275 Abs. 1 Ziff. 1 SGB V auch eine gutachterliche Beurteilung der vertragszahnärztlichen Versorgung (§ 73 Abs. 2 Nr. 2 SGB V) beinhaltet, wurde daher zur Klarstellung im GKV-Modernisierungsgesetz - GMG im Jahr 2003 (BGBl. I S. 2190) m.W.v. 1. Januar 2004 § 275 Abs. 3 Ziff. 1 SGB V gestrichen: § 275 Abs. 1 Ziff. 1 SGB V regelt nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers umfassend die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst für die vertragszahnärztliche Versorgung, mithin auch für die Implantatversorgung (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 15/1525, S. 141).

bb) Die Beklagte kann die Beauftragung von Herrn Dr. M. nicht auf den Bundesmantelvertrag BMV-Z bzw. EKV-Z und das darin geregelte Gutachterwesen stützen. § 87 Abs. 1 SGB V bestimmt, dass im Bundesmantelvertrag auch die Regelungen, die zur Organisation der vertragsärztlichen Versorgung notwendig sind, zu vereinbaren sind. Eine von § 275 SGB V abweichende Aufgabenzuweisung für die Begutachtung von Leistungsfragen ist hier nicht festgelegt. Vertragliche Vereinbarungen auf der Grundlage von § 87 Abs. 1 a SGB V betreffen zwar den Zahnersatz und bestimmen, dass die Krankenkasse den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen kann. Damit ist aber eine systematisch dem Leistungserbringerrecht der vertragszahnärztlichen Versorgung zuzuordnende Bestimmung getroffen, aber keine das Leistungsrecht betreffende, von §§ 13 Abs. 3a, 275 Abs. 1 SGB V abweichende Regelung.

Untergesetzliche Regelungen wie der Bundesmantelvertrag vermögen im Übrigen § 275 Abs. 1 SGB V nicht abzuändern, da der Gesetzgeber hierfür keine entsprechende Ermächtigung erteilt hat. Dies war auch den Vertragsparteien bewusst, denn der Bundesmantelvertrag BMV-Z regelt selbst in § 2 a Abs. 9 S. 2, dass die Bestimmungen der §§ 275, 276 SGB V unberührt bleiben.

cc) Die alleinige Zuständigkeit des MDK für die Begutachtung zahnmedizinischer Leistungsfragen folgt auch aus § 275 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 SGB V. Nach § 275 Abs. 4 SGB V sollen die Krankenkassen bei der Erfüllung anderer als der in Abs. 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den MDK oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung [ ...]. Daraus folgt, dass die Beauftragung eines anderen Gutachterdienstes in den Fällen der § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V gesetzlich ausgeschlossen ist. Im Übrigen spricht die Regelung von Gutachterdiensten, zu denen berufsständische Selbstverwaltungskörperschaften wie die KZVen oder einzelne Gutachter nicht gehören.

dd) Die Krankenkassen können nach § 197 b SGB V zwar Dritte mit der Erledigung der ihnen obliegenden Aufgaben beauftragen. Die Begutachtung von Leistungsfragen ist aber keine Aufgabe der Krankenkassen, sondern eine Aufgabe des MDK. Auch deshalb dürfen die Krankenkassen die Aufgabe der Begutachtung zur Prüfung der Leistungspflicht nicht anderen Gutachterdiensten, berufsständischen Selbstverwaltungskörperschaften oder gar einzelnen Gutachtern übertragen.

ee) Die zwingende Zuständigkeit des MDK ergibt sich zudem aus dem Willen des Gesetzgebers, wie auf die kleine Anfrage in BT-Drs18/2438 zu der Frage der Rechtmäßigkeit des Einsatzes Externer Hilfsmittelberaterinnen und Hilfsmittelberater in der BT-Drs. 18/2549 ausführlich dargelegt wurde. Der vorliegende Sachverhalt ist insoweit vergleichbar, als auch dort externe Gutachter anstelle des MDK zum Einsatz kamen.

ff) Das Bundessozialgericht hatte bereits mit Urteil vom 18. Mai 1989 (6 RKa 10/88 -, BSGE 65, 94-100, SozR 2200 § 182 Nr. 115) zur Rechtslage vor der Errichtung des MDK sinngemäß entschieden, dass ein Gutachten eines Dritten nicht Entscheidungsgrundlage einer ablehnenden Leistungsentscheidung sein darf, wenn dieses Gutachten ohne rechtliche Grundlage eingeholt worden ist. Bis zur Errichtung des MDK war die rechtliche Grundlage für die Begutachtung zahnmedizinischer Leistungsfälle der BMV-Z bzw. EKV-Z. Die damalige Rechtsprechung des BSG lässt sich übertragen auf die Rechtslage nach Errichtung des MDK mit der Konsequenz, dass seither Gutachten zur Prüfung der Leistungspflicht, welche nicht der MDK erstellt hat, nicht Grundlage einer ablehnenden Leistungsentscheidung sein dürfen.

c) Das Gutachten von Dr. M. ist daher rechtswidrig zustande gekommen, auch unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Dies ist auch im Hinblick auf die in § 13 Abs. 3 a SGB V geregelten Fristen zu berücksichtigen. Andernfalls liefe der insbesondere aus Datenschutzgründen vom Gesetzgeber zwingend vorgeschriebene Weg über den MDK ins Leere und die Krankenkassen könnten sich mit Hilfe einer rechtswidrigen Beauftragung anderweitiger Gutachterdienst oder Gutachter einen Fristenvorteil verschaffen. Dafür, dass der Gesetzgeber dies gewollt hätte, fehlen sowohl im Gesetzestext als auch in der Gesetzesbegründung zu § 13 Abs. 3 a SGB V jegliche Anhaltspunkte. Hätte die Beklagte eine gutachtliche Stellungnahme des MDK eingeholt, hätte sie innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden gehabt (§ 13 Abs. 3 a S. 1 SGB V). Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden (§ 13 Abs. 3 a S. 4 SGB V). Die Regelung in § 13 Abs. 3 a S. 4 SGB V kann sich aber nicht auf solche Fälle beziehen, in denen nach § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V die Begutachtung zwingend durch den MDK zu erfolgen hat. Ein Gutachten auf der Grundlage des BMV-Z bzw. EKV-Z kann allenfalls eingeholt werden, wenn ein Fall des § 275 Abs. 4 SGB V vorliegt. Dann wäre aber die unmittelbare Beauftragung eines einzelnen Gutachters - wie vorliegend Herrn Dr. M. - ebenfalls rechtswidrig, da § 275 Abs. 4 SGB V nur die Beauftragung eines anderweitigen Gutachterdienstes zulässt. Daher ist der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3 a S. 5 SGB V sehr eingeschränkt und betrifft nicht - wie hier - die Begutachtung der Leistungspflicht zahnärztlicher Maßnahmen im Einzelfall.

d) Im hier zu entscheidenden Fall ist festzustellen, dass die Beklagte keine der in § 13 Abs. 3 a SGB V genannten Fristen eingehalten hat. Insbesondere genügt hierfür nicht der Umstand, dass man die Klägerin von dem Erfordernis einer Begutachtung unterrichtet hatte. Eine den Eintritt der Genehmigungsfiktion verhindernde ordnungsgemäße schriftliche Mitteilung nach § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V erfolgte nicht. Die Schreiben der Beklagten vom 18.11.2014 (Mitteilung der Arztanfrage) und vom 03.12.2014 (Mitteilung der Beauftragung eines Gutachters) stellen keine den Eintritt der Genehmigungsfiktion verhindernde schriftliche Mitteilung nach § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V dar (vgl. hierzu BSG Urteil v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R). In diesen Schreiben wurde nicht mitgeteilt, dass es eine gesetzliche Frist von drei Wochen gibt, die nicht eingehalten werden kann bzw. konnte. Die Beklagte hätte aber zwingend noch vor Ablauf der Frist mitteilen müssen, dass sie die Frist des § 13 Abs. 3a SGB V nicht einhalten könne und sie hätte die Gründe hierfür benennen müssen. Dies wäre namentlich deshalb erforderlich gewesen, weil die Hinweispflicht der Krankenkasse eine wichtige Brückenfunktion zwischen der Bindung an die Entscheidungsfristen und den an die Überschreitung geknüpften Sanktionen nach § 13 Abs. 3a Satz 6 und 7 SGB V hat. Normzweck ist es, den Versicherten Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Entscheidung fristgerecht erfolgt oder eine Selbstbeschaffung zulässig ist. Die vorgeschriebene Schriftform trägt der Bedeutung der Mitteilung Rechnung und hat Klarstellungs- und Beweisfunktion (vgl. SG Marburg, Urteil vom 15.01.2015 - S 6 KR 160/13; SG Lüneburg, Urteil vom 17.02.2015 - S 16 KR 96/14). Hervorzuheben ist insoweit, dass der Gesetzgeber ausdrücklich und unmissverständlich im Wortlaut von einer Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die Nichteinhaltung der Frist spricht und damit an die benannte Warnfunktion anknüpft. Wenn die Nichteinhaltung der gesetzlichen 3-Wochen-Frist schon nicht mitgeteilt wird und auch nicht die Folgen aufgeführt werden, dann wird die mit § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V gesetzlich normierte Warnfunktion nicht erfüllt. Nach BSG Urteil v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R muss eine Krankenkasse, die den Eintritt der Genehmigungsfiktion hinausschieben will, einen hierfür hinreichenden Grund benennen und den Antragsteller über eine taggenau bestimmte Fristverlängerung vor Fristablauf in Kenntnis setzen. Vorliegend fehlt es auch an einer taggenauen Fristverlängerung im Sinne der Rechtsprechung des BSG.

e) Der Antrag betraf auch eine Leistung, die die Klägerin für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung lag (zu diesem Erfordernis BSG, Urt. v. 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, Rn. 24f - juris). Die Regelung des § 13 Abs. 3a SGB V soll nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (BSG, Urt. v. 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, Rn. 25 - juris). Zwar ist die Versorgung mit Implantaten nur in eng begrenzten Ausnahmefällen nach § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V iVm. der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses möglich, jedoch ist sie im konkreten Fall der Klägerin und ihrem Gesundheitszustand nicht völlig ausgeschlossen und es finden sich zudem obergerichtliche Entscheidungen, die bei Xerostomie einen Anspruch auf Implantatversorgung zubilligen (vgl. nur LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Dezember 2009 - L 11 KR 4668/09 - juris). Die einseitige Stellungnahme des Dr. M. konnte das Vertrauendürfen der Klägerin nicht beseitigen, denn der Satz "Ein medizinischer Zusammenhang zur früheren Tumortherapie ist nicht erkennbar." zeigt nicht auf, warum und aus welchen Erkenntnisquellen außer einer momentanen Untersuchung die Einschätzung resultiert und wertet oder würdigt die Vorbefunde nicht. Die Einschätzung konnte mangels Fundiertheit die tief begründete Einschätzung des Facharztes für Oralchirurgie B. nicht soweit entkräften, dass die Klägerin diese nicht mehr für erforderlich halten durfte und als offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegend ansehen musste.

4. Die eingetretene Genehmigungsfiktion ist auch von der Beklagten nicht wirksam durch Bekanntgabe des Rücknahmebescheids vom 11.08.2016 beseitigt worden. Unabhängig von der einschlägigen Rechtsgrundlage für die Rücknahme- bzw. die Widerrufsentscheidung (§§ 45, 47 SGB X) wurde das Ermessen im Rahmen der Entscheidung nicht gesehen bzw. ausgeübt. a) Im Anwendungsbereich von § 13 Abs. 3a Satz 6 SGV sind auch die Regelungen über die Aufhebung von Verwaltungsakten nach §§ 44 ff. SGB X anwendbar. Einer fingierten Genehmigung kann keine höhere Bestandskraft zukommen als einer innerhalb der Entscheidungsfrist erteilten Genehmigung (vgl. zur Parallelproblematik bei § 42a VwVfG vgl. BVerwG, Urt. v. 12.07.2012 - 5 C 16/11, NJW 2013, 99 und Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 42a Rn. 60 ff). b) Für § 13 Abs. 3a SGB V ist der vierte Leitsatz des BSG zur Entscheidung vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R zu beachten: "Eine Krankenkasse kann eine fingierte Leistungsgenehmigung nur zurücknehmen, widerrufen oder aufheben, wenn die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion von Anfang an nicht vorlagen oder später entfallen sind". Ansatzpunkt für die Rücknahme oder den Widerruf (§§ 45, 47 SGB X) ist danach die Genehmigungsfiktion an sich und nicht der fingierte Verwaltungsakt. Dem steht das Folgende entgegen. aa) Zum einen setzen die Aufhebungsvorschriften nach §§ 44 ff. SGB X einen Verwaltungsakt voraus. Die isoliert betrachtete Fiktion stellt gerade keinen Verwaltungsakt dar. Verwaltungsaktqualität hat erst die fingierte Genehmigung. bb) Zum anderen führte ein Abstellen auf die Genehmigungsfiktion zu einem Zirkelschluss. Liegen die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion nicht vor, können sie auch nicht eintreten. Einer Rücknahme bedürfte es in einem solchen Fall folglich nicht. Ein späteres Entfallen der Voraussetzungen für die Genehmigungsfiktion (hinreichend bestimmter Antrag, fehlende fristgemäße Entscheidung bzw. Mitteilung) ist denklogisch ausgeschlossen. Damit kann es nicht darauf ankommen, ob die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion vorlagen (so SG Speyer Urt. v. 18.11.2016 - S 19 KR 329/16). cc) Entscheidend ist vielmehr, ob eine nachträgliche Beseitigung des fingierten Verwaltungsaktes möglich ist, z.B. wenn ein tatsächlich ergangener Verwaltungsakt mit einem entsprechenden bewilligenden Inhalt rechtswidrig ergangen und daher rücknehmbar wäre. Dies entspricht auch einem rechtswegübergreifenden Vergleich mit § 42a VwVfG. Es ist anerkannt, dass § 42a VwVfG eine allgemeine Norm für Genehmigungsverfahren ist. Der Gesetzgeber hat dort eine bereichsübergreifende Regelung bzw. ein "vollständiges Regelungskonzept" geschaffen (vgl. nur Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a Rn. 1; BT-Drs. 16/10493, 15). Für Auslegungsfragen bei § 13 Abs. 3a SGB V sind daher die zu § 42a VwVfG entwickelten Grundsätze heranzuziehen (so auch Krüger NZS 2016, 521 f.). Für den Anwendungsbereich des § 42a VwVfG ist es jedoch h.M. (Stelkens/Bonk/Sachs/ Stelkens VwVfG § 42a Rn. 60 ff.), dass es bezüglich der Rücknahmeentscheidung alleine auf die fingierte Genehmigung ankommen kann. dd) Der unterschiedliche Ansatz hat ggf. Auswirkungen auf die Wahl der korrekten Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung. Wie dargelegt kommt es alleine auf den fingierten Verwaltungsakt an. Wäre ein tatsächlich ergangener Verwaltungsakt mit einem entsprechenden bewilligenden Inhalt rechtswidrig ergangen, kommt als Aufhebungsvorschrift § 45 SGB X in Betracht. Folgt man dem nicht, wäre Gegenstand die Genehmigungsfiktion an sich. Hierbei dürften jedoch mangels Verwaltungsakts-Qualität der Fiktion §§ 44 ff. SGB X allenfalls analog Anwendung finden. Lagen die Voraussetzungen für die Fiktion zunächst vor, kommt als Rechtsgrundlage für den späteren Widerruf § 47 SGB X in Frage. ee) Der Rücknahmebescheid der Beklagten vom 11.08.2016 ist jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte - unabhängig von der einschlägigen Rechtsgrundlage § 45 oder § 47 SGB X - ihr Rücknahmeermessen nicht ausgeübt hat. Rechtswidrig ist eine Ermessensentscheidung bei Ermessensnichtgebrauch, wenn also die Behörde ihr Ermessen nicht ausgeübt oder im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat, bei Ermessensüberschreitung bzw. Ermessensunterschreitung oder bei Ermessensfehlgebrauch (vgl. § 54 Abs. 2 S. 2 SGG). Im hier strittigen Fall liegt ein Ermessensnichtgebrauch vor. Dazu ist in Auswertung und Würdigung der im Bescheid dokumentierten Ausführungen festzustellen, dass der Beklagten nicht bewusst war, dass eine Ermessensentscheidung zu treffen ist. Das Aufhebungsermessen ist vorliegend auch nicht reduziert. Das nicht pflichtgemäß ausgeübte Ermessen führt sowohl im Anwendungsbereich des § 45 SGB X als auch des § 47 SGB X zur Rechtswidrigkeit der Rücknahmeentscheidung. 5. Zusammenfassend ist daher auszuführen, dass die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und der Rücknahmebescheid der Beklagten vom 11.08.2016 aufzuheben sind. 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. 7. Die Revision ist gem. § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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