L 2 AS 890/17 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 1220/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 890/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 02.05.2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Die am 00.00.1977 geborene Antragstellerin zu 1) ist rumänische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben im Januar 2016 zusammen mit ihren minderjährigen Kindern, den Antragstellern zu 2) und 3), "wegen der besseren Luft" von Italien in die Bundesrepublik Deutschland ein, weil ein Kind der Antragstellerin zu 1) an Asthma leidet. Die Antragsteller zu 2) und 3) sind ebenfalls rumänische Staatsangehörige, die Antragsteller zu 4) und 5) besitzen die italienische Staatsangehörigkeit. Die Antragsteller haben seit Februar 2016 zunächst unter der Adresse "G 00" in L gewohnt und waren dort auch gemeldet. Nach Räumung des Gebäudes durch die Stadtverwaltung leben die Antragsteller seit August 2016 in einer Notunterkunft in der L-straße 00 in L. Die Antragsteller zu 2) bis 5) besuchen die Schule. Eine Arbeitsstelle konnte die Antragstellerin zu 1), die weder lesen noch schreiben kann, zunächst nicht finden, weil sie der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Die Familie lebte nach eigenen Angaben im Wesentlichen von dem für die Antragsteller zu 2) bis 5) gewährten Kindergeld in Höhe von 797,- Euro monatlich sowie von geringfügigen Zuwendungen der in Rumänien lebenden Mutter der Antragstellerin zu 1) und verschiedener Bekannter. Lediglich in der Zeit vom 01.08.2016 bis zum 31.08.2016 übte die Antragstellerin zu 1) einen Minijob als Putzfrau in einem Privathaushalt bei D aus. Im Rahmen dieser Tätigkeit war sie auch bei der Minijobzentrale angemeldet.

Erstmalig im Februar 2016 haben die Antragsteller bei dem Antragsgegner die Gewährung von Arbeitslosengeld II beantragt. Der diesbezügliche Antrag wurde abgelehnt. Das daraufhin geführte Eilverfahren vor dem Sozialgericht Köln (Aktenzeichen: S 8 AS 3213/16 ER) blieb erfolglos. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Landessozialgericht mit Beschluss vom 05.12.2016 mit der Begründung zurück, ein Anordnungsanspruch sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden (Az: L 19 AS 1946/16 B ER). Zu Ungunsten der Antragsteller greife der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ein. Ein anderes Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1) als dasjenige zum Zweck der Arbeitsuche sei nicht ersichtlich. Die kurzzeitige Beschäftigung von insgesamt 9 Stunden im August 2016 begründe keine Arbeitnehmereigenschaft der Antragstellerin zu 1). Ein von der Mutter unabhängiges Aufenthaltsrecht der Antragsteller zu 2) bis 5) aufgrund von Art. 10 der Verordnung (EU) 492/2011 vom 05.04.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union liege ebenfalls nicht vor, weil der Erwerb dieses Aufenthaltsrechts voraussetze, dass das Kind, das sich in der Ausbildung befinde, Kind eines Arbeitnehmers sei. Dies sei hier nicht der Fall, da die Antragstellerin zu 1) gerade keine Arbeitnehmerin sei. Ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sei ebenfalls nicht glaubhaft gemacht, weil das Bestehen von Hilfebedürftigkeit bei den Antragstellern zweifelhaft sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Entscheidung vom 05.12.2016 Bezug genommen.

Im Januar 2017 beantragten die Antragsteller erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Antragstellerin zu 1) teilte diesbezüglich mit, dass sie am 06.01.2017 eine Beschäftigung aufgenommen habe und an jedem Wochentag 2 Stunden arbeite. Im Monat verdiene sie ca. 360,- Euro. Die Antragsteller legten einen "Arbeitsvertrag für eine kurzfristige und geringfügige Beschäftigung in der Gleitzone" als Putzfrau, befristet auf den Zeitraum vom 06.01.2017 bis zum 01.06.2017 mit der Firma I T, Im X 00 in C, sowie Schulbescheinigungen der Antragsteller zu 2) bis 5) vor. Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 22.02.2017 ab: Die ausgeübte Beschäftigung der Antragstellerin zu 1) sei als unterschwellig bzw. untergeordnet anzusehen und begründe keinen Leistungsanspruch.

Die Antragsteller legten hiergegen Widerspruch ein. Parallel dazu haben sie am 27.03.2017 bei dem Sozialgericht Köln erneut einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Antragstellerin zu 1) als Arbeitnehmerin anzusehen sei. Den Antragstellern zu 2) bis 5), die die Schule besuchen, stehe zudem ein eigenständiges Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung (EU) 492/2011 zu. Im Übrigen seien auch Ansprüche nach dem SGB XII gegeben. Die Behauptung des Antragsgegners, für die Firma I existiere in C keine Gewerbeanmeldung, sei unzutreffend. Auch eine Anmeldung des Beschäftigungsverhältnisses der Antragstellerin zu 1) zur Sozialversicherung sei erfolgt. Die Antragsteller haben diesbezüglich verschiedene Lohnabrechnungen und Stundenzettel vorgelegt, aus denen sich unter anderem Einsatzorte der Antragstellerin zu 1) in Bonn, Rheinbach, L, Koblenz, Pulheim und Königsdorf ergeben. Auf den Inhalt der Lohnabrechnungen und Stundenzettel wird Bezug genommen.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 02.05.2017 abgelehnt. Die Hilfebedürftigkeit der Antragsteller sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Gegen den am 02.05.2017 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller noch am selben Tag Beschwerde eingelegt. Zur Begründung tragen sie vor, die Antragstellerin zu 1) arbeite bei der Firma I, die für den Arbeitgeber H stehe. Von diesem werde sie auch zu den verschiedenen Einsatzorten im Rahmen ihrer Tätigkeit gebracht. Die Antragsteller legen hierzu eine eidesstattliche Versicherung vom 08.05.2017 des Zeugen H vor, in der dieser unter anderem bestätigt, dass es ein "Gewerbe H" gebe. Mit eidesstattlicher Versicherung der Antragstellerin zu 1) vom selben Tag bestätigt diese, dass sie im Januar 2017 unter anderem auch in Koblenz gearbeitet habe. Sie sei von einem bei dem Zeugen H beschäftigten Fahrer, dem Zeugen Q, zum jeweiligen Einsatzort gefahren worden. Nachdem der Antragsgegner darauf hingewiesen hat, dass eine Gewerbeanmeldung für die Firma H nicht existiere, haben die Antragsteller in einem weiteren Schriftsatz mitgeteilt, dass das Gewerbe am 14.03.2013 von S angemeldet worden sei. Der Zeuge H sei als "Geschäftsführer" eingesetzt. Er trete unter der Abkürzung "I" für S im Rechtsverkehr auf. Neben der Antragstellerin zu 1) und dem Zeugen Q sei noch S bei der Firma I beschäftigt. S führe die Büroarbeiten aus. Die Antragsteller legen diesbezüglich eine Gewerbeanmeldung vom 14.03.2013 von S und eine Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen gemäß § 48b Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz vom 28.04.2014 an S vor.

Der Senat hat die Stadt L als örtlichen Träger der Sozialhilfe beigeladen und in einem Erörterungstermin am 04.07.2017 die Antragstellerin zu 1) gehört sowie H und Q als Zeugen vernommen. Im Rahmen der Zeugenvernehmung hat der Zeuge H eingeräumt, dass eine Meldung der Antragstellerin zu 1) bei der Minijobzentrale bisher nicht vorgenommen worden sei. Wegen des weiteren Inhalts der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Der Antragsgegner hat im Anschluss an die Zeugenvernehmung eine Auskunft aus dem Gewerberegister vorgelegt, aus der sich ergibt, dass das Gewerbe von S zum 05.08.2014 wieder abgemeldet worden ist. Die Antragsteller haben hierzu vorgetragen, dass dieser Gesichtspunkt ebenso wenig zu ihren Lasten gehe könne wie die fehlende Gewerbeanmeldung. Es liege dennoch ein sogenanntes faktisches Arbeitsverhältnis vor. Die Antragstellerin zu 1) habe darauf vertraut, dass das Arbeitsverhältnis korrekt abgewickelt werde. Weder sei ihr die Notwendigkeit einer Anmeldung bei der Minijobzentrale noch die fehlende Gewerbeanmeldung bekannt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der beigezogenen Akten S 8 AS 1973/16 und S 8 AS 3213/16 ER (L 19 AS 1946/16 B ER) Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-).

Bereits das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Es kann dabei dahinstehen, ob sie hilfebedürftig sind, weil ein möglicher Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) auch bei bestehender Hilfebedürftigkeit ausgeschlossen ist.

1) Ein Anspruch gegen den Antragsgegner ist nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2a und 2b SGB II in der seit dem 29.12.2016 geltenden Fassung durch Gesetz vom 22.12.2016 (BGBl. I S. 3155) ausgeschlossen. Danach sind Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Diese Voraussetzungen liegen bei den Antragstellern vor. Bei ihnen ist nicht einmal ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche ersichtlich. Die Antragsteller haben insbesondere nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin zu 1) als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Variante 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt ist. Eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmerin setzt die Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit als Arbeitnehmer voraus, die nicht von nur geringem Umfang oder völlig untergeordneter oder unwesentlicher Bedeutung ist, wobei das erzielte Arbeitsentgelt aber nicht das Existenzminimum der betreffenden Person und ihrer Familienangehörigen vollständig abdecken muss (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R, RdNr. 23 juris). Wesentliches Merkmal eines Arbeitsverhältnisses ist, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt und dafür als Gegenleistung eine Vergütung erhält.

Ein Arbeitsverhältnis in diesem Sinn kann hier nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Es liegen vielmehr ausreichende Indizien dafür vor, dass es sich bei der behaupteten Tätigkeit der Antragstellerin zu 1) bei der Firma I um ein sogenanntes Scheinarbeitsverhältnis handelt; das Bestehen eines angeblichen Arbeitsverhältnisses wird allein deshalb behauptet, um Leistungen nach dem SGB II erlangen zu können, die den Antragstellern nicht zustehen.

Gegen den Abschluss eines wirksamen Arbeitsvertrages spricht zunächst, dass der vorgelegte schriftliche Arbeitsvertrag für den Zeitraum vom 06.01.2017 bis zum 01.06.2017 nur lückenhaft ausgefüllt ist. Es fehlen beispielsweise Angaben zur Urlaubsdauer, zur Kündigungsfrist und dazu, ob die Antragstellerin zu 1) eine weitere Beschäftigung ausübt. Bereits hierdurch entsteht der Eindruck, dass mit dem Arbeitsvertrag tatsächlich kein Arbeitsverhältnis begründet werden sollte. Diese Einschätzung wird durch die erheblichen Widersprüche zwischen den nach dem Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen und den sich aus den Lohnabrechnungen und Zeugenaussagen ergebenden und behaupteten Bedingungen bestätigt. So entspricht die Auszahlung des Lohnes am 15. des Monats nicht dem Arbeitsvertrag, nach dem eine Auszahlung am Monatsende erfolgen sollte. Auch die vereinbarte Arbeitszeit von zwei Stunden täglich wurde zu keinem Zeitpunkt umgesetzt. Die Antragstellerin zu 1) arbeitet nach eigener Aussage nicht täglich, sondern auf Abruf. Dabei soll die jeweilige Arbeitszeit zwischen zwei und sechs Stunden schwanken. Auch diese Diskrepanzen sprechen dafür, dass mit dem Arbeitsvertrag tatsächlich kein echtes Arbeitsverhältnis abgeschlossen, sondern lediglich der Weg geebnet werden sollte, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten. Hierfür spricht auch, dass das Arbeitsverhältnis in mehrfacher Hinsicht nicht gesetzlichen Anforderungen entspricht. Der vereinbarte Lohn von 8,50 Euro pro Stunde liegt unter dem gesetzlichen Mindestlohn, eine Anmeldung des Arbeitsverhältnisses bei der Minijobzentrale ist ebenso wenig erfolgt wie eine Meldung zur Unfallversicherung. Beides ist aber gesetzlich vorgeschrieben und wäre im Hinblick auf die behauptete Begründung des Arbeitsverhältnisses bereits zum 06.01.2017 bei ordnungsgemäßer Abwicklung schon seit längerem zu erwarten gewesen. Auch eine Vereinbarung über die Fortführung des Arbeitsvertrages nach Ablauf der Befristung ist nicht getroffen worden. Der bis zum 01.06.2017 befristete Arbeitsvertrag wird vielmehr nach den insoweit übereinstimmenden Aussagen der Antragstellerin zu 1) und des Zeugen H ohne schriftliche Vereinbarung weitergeführt. Dies entspricht in keinem Fall der Üblichkeit und ist vor dem Hintergrund, dass ursprünglich der Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages als notwendig erachtet wurde, auch nicht plausibel. Vielmehr lässt sich dieser Umstand eher dahingehend deuten, dass gerade kein Arbeitsverhältnis "gelebt" wird.

Weitere Zweifel an dem Bestehen eines wirksamen Arbeitsverhältnisses ergeben sich zudem aus den wenig nachvollziehbaren Angaben zum angeblichen Geschäftsgegenstand der Firma I, die im Firmennamen "T" führt, und aus dem Umstand, dass eine Gewerbeanmeldung dieser Firma überhaupt nicht existiert. Die Antragstellerin zu 1) hat diesbezüglich zunächst wahrheitswidrig vorgetragen, dass eine solche Anmeldung vorliege, und hat ihren Vortrag im Nachfolgenden dann dahingehend angepasst, dass die Firma I im Rechtsverkehr unter dem im Jahre 2013 angemeldeten Gewerbe von S auftrete. Dies wird von dem Zeugen H noch im Erörterungstermin behauptet und dabei verschwiegen, dass dieses Gewerbe tatsächlich bereits in 2014 abgemeldet worden ist. Es stellt sich auch vor diesem Hintergrund die Frage, ob es sich bei der Firma I nicht um eine Scheinfirma handelt. Angesichts des von dem Zeugen H angegebenen angeblichen monatlichen Auftragsvolumens von 1300,- bis 1500,- Euro brutto ist jedenfalls die Beschäftigung von zwei Mitarbeitern mit einem monatlichen Einkommen von insgesamt 400,- bis 500,- Euro wenig plausibel, zumal der Zeuge H nach eigenen Angaben auch selbst Reinigungsarbeiten durchführt. Die Notwendigkeit der Beschäftigung einer weiteren Reinigungskraft erschließt sich vor diesem Hintergrund ebenso wenig wie die Wirtschaftlichkeit von zweistündigen Reinigungseinsätzen in Koblenz oder Bonn mit weiten Anfahrtswegen - der Aufwand in zeitlicher und wirtschaftlicher Hinsicht steht in keinem Verhältnis zu der durch die Tätigkeit zu erzielenden Einnahme. Wenig nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang auch die für den Zeitraum vom 15.05.2017 bis zum 16.06.2017 an die Antragstellerin zu 1) gezahlte pauschale Vergütung von 188,- Euro, die der Zeuge H damit erklärt, dass die Firma in diesem Zeitraum nur einen einzigen Auftrag im zeitlichen Umfang von wenigen Tagen gehabt habe. Warum er trotz der geringen Einkünfte und der Möglichkeit seiner eigenen Mitarbeit dennoch einen Einsatz der Antragstellerin zu 1) mit dem daran anknüpfenden Vergütungsanspruch als notwendig und wirtschaftlich sinnvoll erachtet haben sollte, ist insbesondere auch vor dem Hintergrund des zum 01.06.2017 ausgelaufen Arbeitsvertrages wenig plausibel. Ab Juni 2017 hat nicht einmal ein Anspruch der Antragstellerin zu 1) auf Arbeitsentgelt unabhängig von einem Arbeitseinsatz bestanden, trägt doch der Arbeitgeber das Risiko, den Arbeitnehmer einsetzen zu können.

Für ein Scheinarbeitsverhältnis, das niemals tatsächlich "gelebt" worden ist, spricht schließlich auch, dass sich ein tatsächlicher Zufluss von Arbeitsentgelt nicht feststellen lässt. Die Antragsstellerin zu 1) hat zwar Quittungen über angebliche Barauszahlungen über 120,- Euro, 315,- Euro, 367,- Euro, 170,- Euro und 188,- Euro vorgelegt. Der Senat hat jedoch nicht zu widerlegende Zweifel, ob die Beträge auch tatsächlich ausgezahlt worden sind. Die Antragstellerin zu 1), die nach eigener Aussage nicht lesen und schreiben kann, hat diesbezüglich eingeräumt, dass sie auch keine Zahlen lesen könne und ihr seitens des Zeugen H vorgelegte Quittungen in dem Vertrauen unterschrieben habe, der dort genannte Zahlbetrag stimme mit dem ihr ausgezahlten überein. Es lässt sich daher nicht einmal feststellen, dass die Zahlungen überhaupt, geschweige denn in der quittierten Höhe, geflossen sind. Die Zweifel daran werden noch durch die sich teilweise widersprechenden Angaben der Antragstellerin zu 1) und des Zeugen H zu den Modalitäten der Auszahlung verstärkt. Die Antragstellerin zu 1) hat diesbezüglich angegeben, dass sie teilweise auch einen Vorschuss in Höhe von 50,- oder 100,- Euro auf ihren Lohn erhalten habe. Der Zeuge H hat dies nicht bestätigt, sondern vielmehr erklärt, das Geld sei regelmäßig zum 15. des Monats ausgezahlt worden und "damit komme die Antragstellerin zu 1) klar". Es könne allenfalls sein, dass sie "vorab mal 10,- Euro bekommen" habe. Durchgreifende Zweifel daran, dass die Höhe der quittierten Zahlungen den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, ergeben sich auch daraus, dass die vorgelegten Stundenzettel und die daraus errechneten Monatslöhne teilweise nicht übereinstimmen. So wird in der Abrechnung vom 14.03.2017 ein Betrag in Höhe von 315,- Euro errechnet und als ausgezahlt quittiert, nach den vorgelegten Stundenzetteln hat die Antragstellerin zu 1) in diesem Monat aber 39 Stunden gearbeitet. Dies würde unter Berücksichtigung des nach dem Arbeitsvertrag vereinbarten Stundenlohns von 8,50 Euro einem Betrag von 331,50 Euro entsprechen. Einer ordnungsgemäßen Abrechnung, zu der auch im Hinblick auf den geringen Umfang der wirtschaftlichen Betätigung des Arbeitgebers und der übersichtlichen Zahl von beschäftigten Mitarbeitern Zeit bestanden hätte, genügt dies jedenfalls nicht.

Auch eine nachvollziehbare Erklärung dazu, warum die Auszahlung des Lohnes in bar erfolgt ist, hat weder die Antragstellerin zu 1) noch der Zeuge angeben können. Angesichts des Umstandes, dass die unbare Kontozahlung heute den absoluten Regelfall darstellt und auch im Reinigungsgewerbe der Üblichkeit entspricht, die Antragstellerin zu 1) zudem auch über ein eigenes Konto verfügt, hätte es einer solchen Rechtfertigung, warum dies dennoch anders gehandhabt wurde, aber bedurft (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.06.2017 - L 31 AS 848/17 B ER, RdNr. 25 bei juris). Kann eine plausible Begründung hierfür nicht abgegeben werden, spricht auch dies gegen ein echtes Arbeitsverhältnis, weil der Aufwand für eine solche Barzahlung in der Regel größer ist, als der Aufwand für eine Überweisung (vgl. auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18.04.2017 - L 13 AS 113/17 B ER, RdNr. 13 bei juris). Dies gilt insbesondere, wenn die Beschäftigung nicht in einem Privathaushalt, sondern in einem Gewerbebetrieb erfolgt.

Gegen eine tatsächliche Tätigkeit der Antragstellerin zu 1) für die Firma I spricht auch, dass diese zu den von ihr geleisteten Stunden keine konkreten Angaben machen konnte, und der Zeuge Q, der die Antragstellerin zu 1) regelmäßig zu den auswärtigen Arbeitsstellen gefahren haben soll, trotz mehrmaliger und nachdrücklicher Nachfrage keine Aussage dazu machen konnte und/oder wollte, wie häufig er die Antragstellerin zu 1) zu Arbeitseinsätzen gefahren hat. Dies ist angesichts des Umstandes, dass er nach übereinstimmenden Aussagen im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mit der Firma I nur die Antragstellerin zu 1), den Zeugen H und gelegentlich dessen Familie fährt, wenig nachvollziehbar. Es entsteht diesbezüglich der Eindruck, dass auch das Beschäftigungsverhältnis des Zeugen fraglich ist und er keine weiteren Angaben machen wollte, um sich selbst und der Antragstellerin zu 1) nicht zu schaden.

Gegen ein tatsächlich bestehendes Arbeitsverhältnis der Antragstellerin zu 1) spricht weiter, dass die in der Bundesrepublik Deutschland zwingend geltenden Rahmenbedingungen nicht eingehalten wurden. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat diesbezüglich ergeben, dass für die Tätigkeit entgegen früherer Behauptungen keine Sozialabgaben entrichtet worden sind. Weder eine Anmeldung zur Minijobzentrale noch zur Unfallversicherung ist erfolgt. Auch wenn dieser Umstand allein keine Zweifel am Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu begründen vermag, ist in der Gesamtschau zu Lasten der Antragsteller zu berücksichtigen, dass auch der gesetzliche Mindestlohn weder vereinbart noch gezahlt worden ist. Selbst wenn - wovon der Senat nicht ausgeht, die Tätigkeit tatsächlich von der Antragstellerin zu 1) ausgeübt worden wäre, vermag eine Tätigkeit, die offensichtlich im Widerspruch zu geltenden rechtlichen Regelungen steht, zur Überzeugung des Senates keine schützenswerte Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt zu begründen und damit auch kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Variante 1 FreizügG/EU zu vermitteln (vgl. auch Beschluss des Senates vom 29.04.2015 - L 2 AS 2388/14 B ER, RdNr. 13 bei juris; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.02.2014 - L 20 SO 449/13 B ER, RdNr. 45 bei juris; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.10.2014 - L 29 AS 2052/14 B ER, RdNr. 58 juris; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.05.2017 - L 31 AS 571/17 B ER, RdNr. 6 bei juris). Eine solche Verbindung fordert vielmehr, dass der Arbeitnehmer durch die von ihm entrichteten Abgaben zur Finanzierung der sozialpolitischen Maßnahmen beiträgt, die er selbst auch in Anspruch nehmen will. Maßgeblich sind deshalb allein die objektiven Umständen, so dass der Vortrag der Antragstellerin zu 1), sie habe darauf vertraut, dass das Arbeitsverhältnis werde ordnungsgemäß abgewickelt werde, unbeachtlich ist. Angesichts der in früheren Schriftsätzen aufgestellten Behauptung, eine Anmeldung zur Sozialversicherung sei erfolgt, und angesichts des Umstandes, dass der Antragstellerin zu 1) das Erfordernis einer Meldung bei der Minijobzentrale durch ihre Tätigkeit bei D bekannt war, ist ein diesbezügliches berechtigtes Vertrauen im Übrigen auch äußerst zweifelhaft.

Ein von der Mutter unabhängiges Aufenthaltsrecht der Antragsteller zu 2) bis 5) aufgrund des Schulbesuchs liegt ebenfalls nicht vor. Nach Art. 10 der VO 492/2011/EU setzt der Erwerb dieses Aufenthaltsrechts voraus, dass das Kind, das sich in Ausbildung befindet, Kind eines Arbeitnehmers ist. Die Antragstellerin zu 1) hat aber zur Überzeugung des Senates gerade keinen Arbeitnehmerstatus durch die behauptete Tätigkeit für die Firma I erlangt. Da die Beschäftigung bei D lediglich im August 2016 und nur für insgesamt 9 Stunden erfolgt ist, vermag sie ebenfalls keinen Arbeitnehmerstatus der Antragstellerin zu 1) zu begründen; insoweit konnte der Senat offen lassen, ob dieses Beschäftigungsverhältnis tatsächlich existiert hat oder ebenfalls nur fingiert worden ist, um einen Leistungsbezug nach dem SGB II für die Antragsteller zu ermöglichen. Eine nur vorübergehende einmonatige Tätigkeit - wie hier - ist hierzu jedenfalls nicht ausreichend (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R, RdNr. 23 bei juris). Es handelte sich lediglich um eine völlig untergeordnete Tätigkeit. Auf die zutreffenden Gründe des Beschlusses des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 05.12.2016 (Az: L 19 AS 1946/16 B ER) wird diesbezüglich vollinhaltlich Bezug genommen. Weiter kann vor diesem Hintergrund dahinstehen, ob der seit dem 29.12.2016 geltende Leistungsausschluss für Personen, die ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO 492/2011/EU besitzen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2c SGB II) europarechtskonform ist.

2) Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII gegenüber der Beigeladenen glaubhaft gemacht. Ein diesbezüglicher Anspruch ist nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII ausgeschlossen. Ob dieser Leistungsausschluss auch für Ausländer gilt, die unter das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) fallen, kann hier dahinstehen, da die Antragsteller zu 4) und 5) als italienische Staatsangehörige zwar zu dem Personenkreis gehören, auf den das Abkommen anwendbar ist, die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des EFA, aus denen im Wege der Gleichbehandlung mit inländischen Staatsangehörigen ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen erwachsen kann (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 59/13 R, RdNrn. 19 ff. bei juris; BSG, Urteil vom 20.01.2016 - B 14 AS 15/15 R, RdNrn. 29 ff. bei juris), aber nicht erfüllen. Art. 1 EFA setzt insoweit einen erlaubten Aufenthalt voraus, der nur dann anzunehmen ist, wenn eine (weiterhin bestehende) materielle Freizügigkeitsberechtigung vorliegt (BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 59/13 R, RdNrn. 21 ff. bei juris; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2017 - L 19 AS 190/17 B ER, RdNr. 27 bei juris). Ein solches materielles Aufenthaltsrecht ist hier nicht ersichtlich. Als Familienangehörige haben die Kinder nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU nur dann ein Aufenthaltsrecht, wenn sie einen Unionsbürger nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU begleiten. Einen solchen Unionsbürger begleiten die Antragsteller zu 4) und 5) aber nicht, weil ein diesbezügliches Freizügigkeitsrecht der Antragstellerin zu 1) nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit besteht. Insbesondere eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitsuchender ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Davon ist hier keinesfalls auszugehen. Die Antragstellerin zu 1) ist nach eigenen Angaben zunächst nicht zur Arbeitsuche, sondern "wegen der besseren Luft" nach Deutschland gekommen. Sie kann weder lesen noch schreiben, beherrscht nicht einmal in Grundzügen die deutsche Sprache und hat auch keine Ausbildung abgeschlossen. Zwar hat sie nach eigenen Angaben versucht, eine Stelle als Reinigungskraft zu erlangen, diesbezüglich aber selbst eingeräumt, dass sie wegen mangelnder Deutschkenntnisse keine Arbeitsstelle habe finden können. Das von ihr behauptete Arbeitsverhältnis bei D liegt mittlerweile ein volles Jahr zurück, die Tätigkeit bei der Firma I ist nicht glaubhaft gemacht. Einen Erwerb bzw. eine Verbesserung von Kenntnissen der deutschen Sprache hat die Antragstellerin zu 1) weder behauptet noch hat sich der Senat im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugen können. Bei dieser Sachlage besteht keine begründete Aussicht auf eine erfolgreiche Arbeitsuche.

Ein Anspruch des Antragstellers ergibt sich auch nicht unmittelbar aus Verfassungsrecht. Aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i,V.m. Art. 20 Abs. 1 GG folgt zwar ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Bei der Ausgestaltung dieses Grundrechts ist dem Gesetzgeber aber einen Gestaltungsspielraum eingeräumt. Dabei kann auch die Möglichkeit einer Bedarfsdeckung im Ausland berücksichtigt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.10.2016 - 1 BvR 2778/13, RdNr. 8 bei juris). Diesbezüglich ist nach Auffassung des Senats zu berücksichtigen, dass es Staatsangehörigen aus anderen Mitgliedsstaaten der EU ohne Weiteres möglich und zumutbar ist, in ihr Heimatland zurückzukehren, wenn ihr Existenzminimum hier nicht gesichert ist. Sie halten sich aufgrund einer autonomen Entscheidung in der Bundesrepublik Deutschland auf und können diese Entscheidung jederzeit rückgängig machen. Die Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums kann daher für den Personenkreis der arbeitsuchenden Unionsbürger auch durch die in § 23 Abs. 3 bis 4 SGB XII vorgesehenen, lediglich als Überbrückungsleistungen ausgestalteten Ansprüche erfolgen. Mit den diesbezüglichen Regelungen bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb des Gestaltungsspielraumes, der ihm bei der Ausgestaltung des Grundrechts eingeräumt ist (vgl. auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18.04.2017 - L 13 AS 113/17 B ER, RdNrn. 22 ff. bei juris; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2017 - L 19 AS 190/17 B ER, RdNrn. 43 ff. bei juris; Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom 31.01.2017 - S 62 SO 628/16 ER, RdNrn. 46 ff. bei juris; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.02.2017 - L 23 SO 30/17 B ER, RdNrn. 40 ff. bei juris). Diesbezügliche Überbrückungsleistungen haben die Antragsteller nicht einmal beantragt. Sie stellen im Verhältnis zu den laufenden Leistungen nach dem SGB XII auch einen eigenständigen Streitgegenstand dar (vgl. Landessozialgericht Berlin-.Brandenburg, Beschluss vom 24.03.2017 - L 5 AS 449/17 B ER, RdNr. 22 bei juris), mithin ein aliud im Verhältnis zu den beantragten Leistungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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