L 3 AL 86/16 NZB

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 8 AL 42/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 86/16 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Bei der Entscheidung über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu beachten, wonach die Anforderungen an eine Wiedereinsetzung mit besonderer Fairness zu handhaben sind, wenn eine Fristversäumung auf Fehlern des Gerichts beruht. Aus Fehlern des Gerichts dürfen keine Verfahrensnachteile für die Beteiligten abgeleitet werden.
2. Eine Entscheidung ist nur dann nicht mit Gründen versehen, wenn die Entscheidungsgründe keine Kenntnis darüber vermittelten, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgebend gewesen sind, und wenn den Beteiligten und dem Rechtsmittelgericht deshalb die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung zu überprüfen. Das ist nur der Fall, wenn die Entscheidungsgründe vollständig oder zu wesentlichen Teilen des Streitgegenstands fehlen oder sich als derart verworren oder unverständlich
darstellen, dass sie unbrauchbar sind (Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 25. September 2013 - 1 B 8/13 - juris Rdnr. 16).
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 3. April 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung ihrer Berufung im Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 3. April 2014, welches ihrer Klage gegen die Erstattung von Arbeitslosengeld abgewiesen hat.

Die Klägerin (geboren 1951) meldete sich zum 1. April 2007 arbeitslos und bezog bis zur Aufnahme einer erneuten Beschäftigung zum 15. April 2008 Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Da das neue Arbeitsverhältnis deutlich geringer entlohnt wurde als ihr letztes Beschäftigungsverhältnis bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 23. April 2008 für 720 Kalendertage einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt in Höhe von 175,05 EUR für die Zeit vom 15. April 2008 bis 14. April 2009 sowie in Höhe von 105,03 EUR für die Zeit ab dem 15. April 2009, da die Beschäftigung durch Entgeltsicherungsleistungen für ältere Arbeitnehmer unterstützt werden konnte. Das Arbeitsverhältnis endete vorzeitig zum 25. Dezember 2008. Die Klägerin meldete sich daraufhin mit Wirkung zum 26. Dezember 2008 erneut arbeitslos. Mit Bescheid vom 8. Januar 2009 bewilligt die Beklagte ihr Arbeitslosengeld, welches die Klägerin vom 26. Dezember 2008 bis zum 13. März 2009 bezog. In der Folge wechselten sich Zeiten der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigung mehrfach ab.

Die Beklagte überwies ihr über den 25. Dezember 2008 hinaus bis zum 14. April 2010 Entgeltsicherungsleistungen. Nachdem ihr dies hörte sie die Klägerin mit Schreiben vom 5. Mai 2010 zur beabsichtigten Aufhebung- und Erstattung der Entgeltsicherungsleistungen an und hob schließlich mit Bescheid vom 9. Juli 2010 die Bewilligung der Entgeltsicherungsleistung als Zuschuss zum Arbeitsentgelt für die Zeit vom 13. Juni 2009 bis zum 30. November 2009 in Höhe von 588,17 EUR auf, da seit Bewilligung der Leistung eine wesentliche Änderung eingetreten sei, nämlich die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Der Klägerin hätte unter Anwendung der erforderlichen Sorgfalt auffallen müssen, dass ihr die bewilligte Leistung nicht mehr zustanden. Die überzahlte Leistung in Höhe von 588,17 EUR sei von ihr zu erstatten.

Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 9. Juni 2010 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2010 zurück.

Der hiergegen erhobenen Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 3. April 2014 abgewiesen. Nach Auffassung des Sozialgerichts habe die Beklagte zu Recht die Bewilligung von Entgeltersatzleistungen für ältere Arbeitnehmer im Fall der Klägerin aufgehoben, da sie nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden und Arbeitslosengeld bezogen habe. Das Sozialgericht hat in seiner Rechtsmittelbelehrung über das Rechtsmittel der Berufung belehrt

Gegen das ihr am 22. Mai 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 19. Juni 2014 Berufung eingelegt, die unter dem Aktenzeichen L 3 AL 83/14 geführt wurde. Auch Hinweis des Gerichts mit Schreiben vom 12. April 2016 auf die fehlende Statthaftigkeit der Berufung wegen Nichterreichens des für die Berufung notwendigen Beschwerdewertes hat die Klägerin am 18. Mai 2016 die Berufung zurückgenommen und mit Schreiben vom gleichen Tag Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Zur Begründung verweist sie darauf, dass der vom Sozialgericht angewendete Prüfungsmaßstab zur Frage des Vorliegens von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit von der obergerichtlichen Rechtsprechung abweiche. Zudem liege ein Verfahrensmangel dahingehend vor, dass das Sozialgericht die Aussagen der Klägerin im Termin vom 3. April 2014 nicht gewürdigt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde gemäß § 145 Abs. 1 SGG gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts vom 25. November 2013 ist zulässig, insbesondere statthaft.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Eine auf eine Geldleistung gerichteter Verwaltungsakt ist nicht nur gegeben, wenn eine Leistung bewilligt wird, sondern auch, wenn eine Leistung abgelehnt, entzogen, auferlegt, erlassen oder gestundet wird (vgl. BSG, Urteil vom 19. Januar 1996 – 1 RK 18/95NZS 1997, 388 [389f.] = juris Rdnr. 5; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [12. Aufl., 2017] § 144 Rdnr. 10a). § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Vorliegend steht im Streit die Aufhebung und Erstattung von einer Entgeltsicherungsleistung als Zuschuss zum Arbeitsentgelt für die Zeit vom 13. Juni 2009 bis zum 30. November 2009 in Höhe von 588,17 EUR. Der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG für die Berufung notwendige Berufungswert von 750,00 EUR wird nicht erreicht. Es steht hier auch keine wiederkehrende oder laufende Leistung für mehr als ein Jahr im Streit (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Damit hatte das Sozialgericht über die Zulassung der Berufung zu entscheiden. Es hat die Berufung im angegriffenen Urteil nicht zugelassen.

b) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig.

Allerdings legte die Klägerin gegen das am 22. Mai 2014 zugestellte Urteil erst am 18. Mai 2016 und damit nicht wie in § 151 Abs. 1 SGG vorgeschrieben innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils Berufung ein.

Innerhalb der Monatsfrist, die auch bei Nichtzulassungsbeschwerden gilt (vgl. § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG), legte die Klägerin lediglich Berufung Damit wurde jedoch die Beschwerdefrist nicht gewahrt. Denn eine Berufung kann nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes besteht für eine Umdeutung eines eindeutig bezeichneten Rechtsmittels in ein anderes Rechtsmittel kein Raum (vgl. BSG, Beschluss vom 10. November 2011 – B 8 SO 12/11 B – juris Rdnr. 7; BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 25/01 RSozR 4-1500 § 158 Nr. 1 Rdnr. 11 ff. = juris Rdnr. 18 ff.; vgl. auch z. B. BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 7 AL 104/03 RSozR 4-1500 § 144 Nr. 2 Rdnr. 9 = juris Rdnr. 16; Sächs. LSG, Urteil vom 3. November 2010 – L 1 AL 127/10 – juris Rdnr. 36, m. w. N. [auch zum Schrifttum]; Sächs. LSG, Beschluss vom 27. Juni 2012 – L 3 AS 148/10 NZB – juris Rdnr. 9). Der Ausschluss der Umdeutung gilt sowohl für den rechtskundig vertretenen Rechtsmittelführer als auch für den nicht vertretenen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. November 2011, a. a. O.; BSG, Urteil vom 20. Mai 2003, a. a. O., juris Rdnr. 22).

Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass das Sozialgericht fälschlich nicht auf das statthafte Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde, sondern das unstatthafte der Berufung belehrt hatte. Welche Folgen dies für die Rechtsmittelfrist hat, ist streitig (vgl. hierzu auch die Nachweise in BVerfG, Beschluss 4. April 2002 – 1 BvR 60/02 – juris Rdnr. 11). Nach der einen Auffassung gilt die Ausnahmeregelung in § 66 Abs.2 Satz 1 Halbsatz 2 Alt. 2 SGG, wonach die Jahresfrist nicht läuft, wenn eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. Dies sei auch dann der Fall, wenn eine Belehrung nur über ein vermeintlich statthaftes Rechtsmittel erfolgt sei, nicht aber über das nach dem Gesetz wirklich statthafte (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 19/06 RSozR 4-3250 § 14 Nr. 3 = juris Rdnr. 54; mit Verweis zur inhalts- und wortgleichen Vorschrift des § 58 Abs. 2 VwGO auf BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1985 – 8 C 116/84BVerwGE 71, 359-363 = juris Rdnr. 8; und zu § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO auf BFH, Urteil vom 31. Januar 2005 – VII R 33/04BFHE 208, 350 = juris Rn. 31; Sächs. LSG, Urteil vom 3. November 2010 – L 1 AL 127/10 – juris Rdnr. 40, m. w. N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [11. Aufl., 2014], § 66 Rdnr. 13d; offen gelassen: BSG, Urteil vom 19. November 1996 – 1 RK 18/95– SozR 3-1500 § 158 Nr. 1 S. 6 = juris Rdnr. 23; BSG, Urteil vom 25. Mai 2005 – B 11a/11 AL 15/04 R – SozR 4-4300 § 323 Nr. 1 = juris Rdnr. 16). In diesen Fällen ist die Einlegung des Rechtsbehelfs grundsätzlich zeitlich unbefristet möglich, sofern nicht ausnahmsweise Verwirkung eintritt (vgl. Keller, a. a. O., § 67 Rdnr. 13d). Nach der anderen Auffassung steht die fälschliche Belehrung über ein unstatthaftes Rechtsmittel anstelle des statthaften nicht der Belehrung gleich, dass ein Rechtsmittel überhaupt nicht gegeben sei. Allerdings komme in einem solchen Fall die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG in Betracht (vgl. LSG für das Saarland, Beschluss vom 16. Dezember 2002 – L 2 U 88/02 – Rdnr. 24 f.; Wolf-Dellen, in: Breitkreuz/Fichte, SGG [2. Aufl., 2014] § 66 Rdnr. 40).

Diese Rechtsfrage kann vorliegend dahingestellt bleiben, weil der Klägerin jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand besteht gemäß § 67 Abs. 1 SGG, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist, hier die Berufungsfrist, einzuhalten. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 2 SGG). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 3 SGG). Wenn dies geschehen ist, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 4 SGG).

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind vorliegend gegeben. Zwar kann der anwaltlich vertretenen Klägerin insoweit ein Eigenverschulden vorgehalten werden, als der von ihr bevollmächtigte Rechtsanwalt, dessen Verhalten sich die Klägerin im Rahmen des § 67 SGG zurechnen lassen muss (vgl. § 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO), offenbar seiner Obliegenheit, die Rechtsmittelbelehrung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen nicht nachgekommen ist (vgl. LSG für das Saarland, Beschluss vom 16. Dezember 2002, a. a. O., Rdnr. 24). Insoweit hätte er erkennen können, dass vorliegend lediglich Aufhebung und Erstattung von einer Entgeltsicherungsleistung als Zuschuss zum Arbeitsentgelt in Höhe von 588,17 EUR im Streit stand und der für die Berufung notwendige Beschwerdewert nicht erreicht wurde.

Bei der Entscheidung über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist allerdings auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu beachten, wonach die Anforderungen an eine Wiedereinsetzung mit besonderer Fairness zu handhaben sind, wenn eine Fristversäumung auf Fehlern des Gerichts beruht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2004 – 1 BvR 1892/03BVerfGE 110, 339 [342] = juris Rdnr. 11; BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 1 BvR 2327/07NJW 2008, 2167 ff. [Rdnr. 22] = juris Rdnr. 22, m. w. N.). Aus Fehlern des Gerichts dürfen keine Verfahrensnachteile für die Beteiligten abgeleitet werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008, a. a. O., m. w. N.). Vorliegend hat zum einen das Sozialgericht über ein unzutreffendes Rechtsmittel belehrt. Zum anderen hätte die Klägerin, wenn er hierauf im Berufungsverfahren rechtzeitig hingewiesen worden wäre, noch fristgerecht innerhalb der Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGG die statthafte Nichtzulassungsbeschwerde einlegen können. Aus diesem Grund ist ihr trotz Eigenverschuldens ausnahmsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, [12. Aufl., 2017], § 67 Rdnr. 4), nachdem sie innerhalb der Monatsfrist des § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nummer 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nummer 2) oder ein an der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nummer 3).

Keiner dieser Zulassungsgründe ist gegeben.

a) Eine Rechtssache hat dann im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die weitere Entwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt hingegen nicht (vgl. Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 28). Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. BSG, Beschluss vom 16. November 1987 – 5b BJ 118/87SozR 1500 § 160a Nr. 60 = juris Rdnr. 3; BSG, Beschluss vom 16. Dezember 1993 – 7 BAr 126/93SozR 3-1500 § 160a Nr. 16 = juris Rdnr. 6; ferner Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 28 f. und § 160 Rdnr. 6 ff.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht mehr, wenn sie schon entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 30. September 1992 – 11 BAr 47/92SozR 3-4100 § 111 Nr. 1 Satz 2 = juris Rdnr. 8). Zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage muss die abstrakte Klärungsfähigkeit, das heißt die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die konkrete Klärungsfähigkeit, das heißt die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage, hinzutreten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 14. Juni 1984 – 1 BJ 82/84 – SozR 1500 § 160 Nr. 53 = juris). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BSG, Beschluss vom 26. Juni 1975 – 12 BJ 12/75SozR 1500 § 160a Nr. 7 = juris Rdnr. 2).

Der vorliegende Fall wirft keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf; eine solche wird von Seiten der Klägerin bereits nicht formuliert. Der Senat vermag auch im Ergebnis der Prüfung von Amts wegen dem erkennenden Sach- und Streitstand keine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage entnehmen, deren Beantwortung fallübergreifend – grundsätzlich – bedeutsam wäre.

b) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin liegt auch ein Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt nicht vor. Dieser Zulassungsgrund liegt nur dann vor, wenn das Urteil des Sozialgerichts entscheidungstragend auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von dem zur gleichen Rechtsfrage aufgestellten Rechtssatz in einer Entscheidung eines der im § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht (vgl. BSG, Beschluss vom 29. November 1989 – 7 BAr 130/88SozR 1500 § 160a Nr. 67 = juris Rdnr. 7; BSG, Beschluss vom 19. Juli 2012 – B 1 KR 65/11 B – SozR 4-1500 § 160a Nr. 32 = juris Rdnr. 21, m. w. N.; Sächs. LSG, Beschluss vom 18. Dezember 2013 – L 3 AS 1613/13 NZB – juris Rdnr 25; Leitherer, a. a. O., § 160 Rdnr. 13). Es ist nicht ausreichend, wenn nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder ein Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen. Auch eine fehlerhafte Subsumtion oder eine unzutreffende Beurteilung oder das Übersehen einer Rechtsfrage, genügt nicht (vgl. hierzu Sächs. LSG, a. a. O.; Sächs. LSG, Beschluss vom 19. November 2013 – L 3 AS 1200/13 NZB – juris Rdnr. 17; BSG, Beschluss vom 8. April 2013 – B 11 AL 137/12 B – juris Rdnr. 4, m. w. N.; Leitherer, a. a. O., § 160 Rdnr. 14).

Für eine solche Abweichung ist hier nichts ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich weder eine dementsprechende Divergenz zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beurteilung der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X unter der zu Grundlegung eines subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstabs (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 7a AL 14/05 R –, BSGE 97, 73-80, SozR 4-4300 § 144 Nr 15 = juris Rdnr. 21 und 24), noch in Bezug auf die auf Beurteilung der groben Fahrlässigkeit unter Berücksichtigung des Vorliegens einer abstrakten Rechtsbelehrung durch ein Merkblatt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R –, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 – juris; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 27. Juli 2001 – L 3 AL 103/00 – juris). Das Sozialgericht hat keinen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt. Es hat vielmehr ausgehend von dem von ihm festgestellten Sachverhalt und subjektiven Umständen in der Person der Klägerin bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt einen rechtswidrigen Bezug von Leistungen in grob fahrlässiger Unkenntnis festgestellt. Dass es zum Ergebnis gelangt ist, dass das Verhalten der Klägerin grob fahrlässig war, ist keine Frage einer Divergenz, sondern der Richtigkeit der Rechtsanwendung im Einzelfall.

c) Schließlich liegt auch der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht vor. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Er bezieht sich begrifflich auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil, nicht aber auf dessen sachlichen Inhalt, das heißt auf die Richtigkeit der Entscheidung (vgl. Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 32 ff.). Die Zulassung der Berufung aufgrund eines Verfahrensmangels erfordert, dass dieser Mangel nicht nur vorliegt, sondern auch geltend gemacht wird (vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG; Sächs. LSG, Beschluss vom 27. Januar 2016 – L 3 AS 1378/14 NZB – juris Rdnr. 14; Sächs. LSG, Beschluss vom 15. Mai 2015 – L 3 AL 115/13 NZB – juris Rdnr. 11).

Soweit die Klägerin geltend macht, dass das Sozialgerichts in seiner Entscheidung ihre Aussage im Verhandlungstermin nicht gewürdigt habe, begründet dies keinen Verfahrensmangel. Gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG enthält das Urteil die Entscheidungsgründe. Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist unter anderem gegeben, wenn ein Urteil nicht mit solchen Gründen versehen ist (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 27. Januar 2016, a. a. O., juris Rdnr. 16; vgl. Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 34, m. w. N.). Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 25. September 2013 zu den vergleichbaren Regelungen in § 117 Abs. 2 Nr. 5 i. V. m. § 108 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ausgeführt, dass eine Entscheidung nur dann nicht mit Gründen versehen sei, wenn die Entscheidungsgründe keine Kenntnis darüber vermittelten, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgebend gewesen seien, und wenn den Beteiligten und dem Rechtsmittelgericht deshalb die Möglichkeit entzogen sei, die Entscheidung zu überprüfen. Das sei nur der Fall, wenn die Entscheidungsgründe vollständig oder zu wesentlichen Teilen des Streitgegenstands fehlen oder sich als derart verworren oder unverständlich darstellen würden, dass sie unbrauchbar seien (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2013 –juris Rdnr. 16, m. w. N.; eingehend bereits BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 1998 – NJW 1998, 3290 = juris Rdnr. 5, m. w. N.). In ähnlicher Weise hat sich auch das Bundessozialgericht wiederholt geäußert (vgl. z. B. BSG, Beschluss vom 12. Februar 2004 – B 4 RA 67/03 B – juris Rdnr. 7, m. w. N.; vgl. hierzu LSG, Beschluss vom 27. Januar 2016, a. a. O., juris Rdnr. 16).

Gemessen hieran, genügt das Urteil des Sozialgerichts vom 3. April 2014 diesen Anforderungen. Nicht erforderlich ist, dass sich das Gericht zu jedem Beteiligtenvorbringen auseinandersetzt, wenn es offensichtlich unerheblich ist oder sich aus dem Urteil zweifelsfrei ergibt, dass und warum das Gericht das Vorbringen auch ohne ausdrückliche Erwähnung für unerheblich gehalten hat (vgl. Keller, a. a. O., § 136 Rndr. 71). Dies hat das Sozialgericht getan und die subjektive Sorgfaltspflichtverletzung beurteilt und festgestellt. Soweit die Klägerin rügt, dass das Sozialgericht aufgrund ihrer Aussagen im Termin zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen, betrifft dies den Inhalt der Entscheidung und die Beweiswürdigung, was keinen Verfahrensmangel darstellt (vgl. BSG, Beschluss vom 25. April 2001 – B 11 AL 27/01 B – juris Rdnr. 2; Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 34a).

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Sozialgericht auch nicht ihre Amtsermittlungspflicht verletzt, da es ihre Aussage im Termin nicht zum Anlass zu weiteren Untersuchungen in Bezug auf das Merkblatt genommen hat. Ein derartiger Verstoß liegt vor, wenn sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen aus seiner Sicht hätte gedrängt fühlen müssen (vgl. Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 34). Anhaltspunkte hierfür sind nicht ersichtlich und ergeben sich auch nicht aus den Entscheidungsgründen und den hierin enthaltenen Ausführungen zur subjektiven Sorgfaltspflichtverletzung. Der Entscheidung lässt sich entnehmen auf Grund welcher Erwägungen das Sozialgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Klägerin grob fahrlässig gehandelt habe.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).

Dr. Scheer Höhl Krewer
Rechtskraft
Aus
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