L 8 SO 130/17 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 SO 10/17 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 130/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine grundsätzliche Ermessensreduzierung auf Null ist alleine wegen der existenzsichernden Zielrichtung der Leistungen im Rahmen einer Entscheidung nach § 41 a Abs. 7 Nr. 1 SGB II nicht gegeben.
2. § 23 Abs. 3 SGB XII ist europarechts- und verfassungskonform.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 11. April 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen begehren im einstweiligen Rechtsschutz die vorläufige Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII.

Die 1978 geborene Antragstellerin zu 1) (die Bezeichnung der Beteiligten der ersten Instanz wird beibehalten) besitzt die rumänische Staatsbürgerschaft und reiste am 02.11.2015 aus Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Tochter der Antragstellerin zu 1), die Antragstellerin zu 2) wurde am 20.07.2016 geboren. Der Vater der Antragstellerin zu 2) und Ehemann der Antragstellerin zu 1), der ebenfalls rumänischer Staatsangehöriger ist, lebt von den Antragstellerinnen getrennt. Im Zeitraum 15.11.2015 bis 08.02.2016 ging die Antragstellerin zu 1) einer geringfügigen Beschäftigung nach. Das Beschäftigungsverhältnis wurde am 08.02.2016 durch den Arbeitgeber gekündigt. Die Antragstellerinnen wohnen in einer Wohnung mit 73 m² zu einer Gesamtmiete von 310.-Euro. Die Antragstellerin zu 1) hat Einkünfte in Form von Kindergeld für die Antragstellerin zu 2) in Höhe von 190.-Euro sowie Elterngeld in Höhe von 300.-Euro. Weitere Einkünfte oder Vermögen sind nicht vorhanden.

Im Zeitraum 01.02.2016 bis 31.10.2016 erhielt die Antragstellerin zu 1) Leistungen nach dem SGB II vom Jobcenter A-Stadt-Stadt aufgrund eines Beschlusses des Sozialgerichts Landshut (SG) in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 11 AS 259/16 ER).

Am 12.12.2016 beantragten die Antragstellerinnen bei der Antragsgegnerin schriftlich die Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII. Dabei wurde angegeben, dass die Antragstellerin zu 1) aufgrund einer Arbeitsaufnahme nach Deutschland gezogen sei. Zuvor hatten sie bereits am 09.11.2016 bei der Antragsgegnerin vorgesprochen und mündlich Leistungen nach dem SGB XII beantragt. Nach Aussage der Antragstellerin zu 1) sei sie dort jedoch weggeschickt und aufgefordert worden, ihre Freizügigkeitsberechtigung von der Ausländerbehörde prüfen zu lassen. Im Folgenden hatten die Antragstellerinnen die Antragsgegnerin am 23.11.2016 schriftlich aufgefordert, über ihren Anspruch zu entscheiden.

Mit Bescheid vom 25.01.2017 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellerinnen Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt im Zeitraum 23.11.2016 bis 31.12.2016. Mit weiterem Bescheid vom 01.02.2017 wurden für den gleichen Zeitraum höhere Leistungen aufgrund einer Korrektur des anzurechnenden Kindergeldes bewilligt.

Gegen den Bescheid vom 25.01.2017 legten die Antragstellerinnen am 05.02.2017 Widerspruch ein. Die Antragstellerinnen hätten Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII über den 28.12.2016 hinaus. Das Ermessen des Sozialhilfeträgers sei im Rahmen des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII dem Grunde und der Höhe nach hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert, da sich der Aufenthalt der Antragstellerinnen aufgrund eines mehr als sechsmonatigen Aufenthalts in Deutschland verfestigt habe. Dem stehe auch § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII neue Fassung nicht entgegen, denn die am 29.12.2016 in Kraft getretene Vorschrift sei evident verfassungswidrig. Nach dem Bundesverfassungsgericht stünde das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Menschenrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten, gleichermaßen zu (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11). Eine pauschale Differenzierung nach dem Aufenthaltsstatus habe das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der existenzsichernden Leistungen ausdrücklich abgelehnt. Für eine abweichende Bedarfsbestimmung komme es darauf an, ob etwa wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfeempfängern mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festgestellt und bemessen werden könnten. Dies lasse sich bei einem Aufenthaltsrecht alleine zum Zwecke der Arbeitssuche über die Ermessensleistung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII regulieren, nicht jedoch bei einem verfestigten Aufenthalt. Sei die Zeitspanne eines Kurzaufenthaltes deutlich überschritten, sei ein zeitnaher Übergang zu den existenzsichernden Leistungen vorzusehen.

Über den Widerspruch wurde bis dato nicht entschieden.

Am 06.02.2017 haben die Antragstellerinnen das SG angerufen und beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellerinnen ab 05.02.2017 vorläufig Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Begründet wurde der Antrag wie zuvor der Widerspruch. Soweit das Gericht der Auffassung sei, dass die Rechtslage offen sei, seien den Antragstellerinnen Leistungen im Rahmen einer Folgenabwägung vorläufig zu gewähren, da den Antragstellerinnen bei einer Ablehnung ihres Antrags existenzielle Nachteile drohen würden, die sie aus eigener Kraft nicht abwenden könnten. Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag abzulehnen. Die Antragstellerinnen seien gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII von den Leistungen des SGB XII ausgeschlossen. Ein Aufenthaltsrecht ergebe sich, wenn überhaupt, alleine aus dem Zwecke der Arbeitssuche. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz sei nicht ersichtlich. Vielmehr habe der Gesetzgeber mit dem Leistungsausschluss den Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Mit Beschluss vom 11.04.2017 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unbegründet. Die Antragstellerinnen hätten einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin zu 1) sei als unstreitig Erwerbsfähige bereits gemäß § 21 Abs. 1 SGB XII vom Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen, da der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung, insbesondere zu § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II und § 21 Abs. 1 SGB XII offensichtlich davon ausgegangen sei, dass maßgebliches Abgrenzungskriterium in § 21 Satz 1 SGB XII die Erwerbsfähigkeit sei und damit eine eindeutig allgemeine Abgrenzung der Anwendungsbereiche geschaffen worden sei. Diesen Argumenten stünde die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch entgegen. Danach hätten EU-Ausländer im Falle eines Ausschlusses von Leistungen nach dem SGB II Anspruch auf Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt gegen die Träger der Sozialhilfe (Urteile des BSG vom 03.12.2015, B4 AS 44/15 R, vom 16.12.2015, B 14 AS 15/14 R sowie vom 20.01.2016, B 14 AS 18/14 R). Nach dem BSG seien im Falle eines verfestigten Aufenthalts ab einen Zeitraum von über 6 Monaten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zu erbringen. Das BSG sehe daher eine Anspruchsberechtigung dem Grunde nach auf Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII für Personen, bei denen die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II vorlägen, jedoch auch der Ausschlusstatbestand nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greifen würde. Selbst wenn man der Rechtsprechung des BSG folgen würde, seien die Antragstellerinnen jedoch gemäß § 23 Abs. 3 SGB XII in der seit 29.12.2016 geltenden Fassung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII ausgeschlossen. Es bestehe kein Aufenthaltsrecht neben einem möglichen Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitssuche. Das SG zweifele auch nicht an, dass die neu eingeführte Vorschrift des § 23 Abs. 3 SGB XII grundrechtskonform sei. Insbesondere bestehe keine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gemäß Art. 1 Abs. 1 SGG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 SGG. Ebenso stünden der Anwendbarkeit der Vorschriften über den Leistungsausschluss auch keine europarechtlichen Bestimmungen entgegen. Auch das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) sei nicht auf die Antragstellerinnen mit rumänischer Staatsbürgerschaft anzuwenden.

Gegen den am 18.04.2014 zugestellten Beschluss des SG haben die Antragstellerinnen am 18.05.2017 Beschwerde zum SG erhoben, das diese am 22.05.2017 an das Bayerische Landessozialgericht (LSG) weitergeleitet hat.

Mit Beschluss vom 28.07.2017 ist das Jobcenter A-Stadt Stadt beigeladen worden.

Die Antragstellerinnen beantragen,

1. die Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Landshut vom 11.04.2017 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellerinnen ab 05.02.2017 vorläufig Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren und 2. der Antragsgegnerin die Kosten des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Eine weitere Beschwerdebegründung erfolgte trotz Aufforderung und Fristsetzung bis dato nicht.

Die Antragsgegnerin beantragt, 1. die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 11.04.2017 zurückzuweisen und 2. gemäß § 193 SGG zu entscheiden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind Zur Begründung wurde auf die Gründe im Beschluss vom 11.04.2016 verwiesen.

Der Beigeladene sieht aufgrund des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II keinen Anspruch der Antragstellerinnen auf Leistungen nach dem SGB II. Es bestünden keine Zweifel daran, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform sei.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

A. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie am 18.05.2017 form- und fristgerecht gemäß § 173 SGG gegen den am 18.04.2017 zugestellten Beschluss des SG erhoben. Sie ist auch nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in Verbindung mit § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, da die Antragstellerinnen die vorläufige Gewährung laufender Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII begehren und diese Leistung ausweislich der Bedarfsberechnung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 01.02.2017 bereits für einen Monat rund 650.- beträgt. Bereits bei 2 Monaten ist damit der Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG von 750.-Euro erreicht. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Antragstellerinnen für einen längeren Zeitraum Leistungen begehren.

B. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit, da die Antragstellerinnen eine Ausweitung ihrer Rechtsposition begehren, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG dar. Hiernach ist eine Regelungsanordnung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so Bundesverfassungsgericht - BVerfG - vom 25. Oktober 1988, BVerfGE 79, 69, 74; vom 19. Oktober 1977 BVerfGE 46, 166 /179 und vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hat der Antragsteller hierzu glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 2 und 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl, § 86b RdNr. 41).

An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist bzw. wäre. Wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Falle ist ggfs. anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers zu entscheiden (BVerfG vom 12.05.2005 a. a. O.), insbes. wenn eine Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht möglich ist, etwa da in der gebotenen Zeitspanne eines Eilverfahrens nicht aufklärbare Tatsachen vorliegen (BVerfG,Beschluss vom 14.09.2016, 1 BvR 1335/13).

Da vorliegend existenzsichernde Leistungen der Antragstellerinnen im Streit stehen, war eine abschließende rechtliche Prüfung durchzuführen. Eine Folgenabwägung war entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen nicht angezeigt, da eine rechtliche Prüfung möglich war.

I. Bereits ein Anordnungsanspruch ist nicht gegeben. Die Antragstellerinnen haben keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII gegen die Antragsgegnerin.

1. Ein Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII ist nicht gegeben, da der Anspruchsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII in der Fassung vom 22.12.2016 greift. Ein Ausschluss des Anspruchs nach § 21 S. 1 SGB XII ist hingegen nicht gegeben (s. unten a.).

a. Der Leistungsausschluss gemäß § 21 Satz 1 SGB XII findet vorliegend keine Anwendung. Nach dieser Regelung erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Die Antragstellerinnen sind nicht dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II.

Die im Jahr 1978 geborene Antragstellerin zu 1) erfüllt zwar die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, da sie die Altersvoraussetzungen erfüllt, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Sie ist jedoch gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der Fassung vom 22.12.2016 vom Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ausgenommen, da sich ihr Aufenthaltsrecht - falls dieses überhaupt besteht - alleine aus dem Zwecke der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 a FreizG/EU ergibt. Die Antragstellerin zu 1) ist rumänischer Nationalität und damit eine Bürgerin der Europäischen Union. Damit unterfällt sie dem Anwendungsbereich des FreizG/EU (§ 1 FreizG/EU). Gemäß § 2 Abs. 1 FreizG/EU haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger das Recht auf Einreise und Aufenthalt. § 2 Abs. 2 FreizG/EU zählt enumerativ auf, in welchen Fällen Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt sind. Für die Antragstellerin zu 1), die insbesondere weder erwerbstätig ist, noch eine Berufsausbildung durchläuft, kommt nach Aktenlage auch keine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizG/EU in Betracht. Danach ist freizügigkeitsberechtigt, wer sich zur Arbeitsuche aufhält, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange er nachweisen kann, dass er weiterhin Arbeit sucht und begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden. Diesbezüglich bestehen bei der Antragstellerin zu 1), die sich bereits über sechs Monate im Bundesgebiet aufhält, erhebliche Zweifel, da sie lediglich im Zeitraum November 2015 bis Februar 2016 einer geringfügigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und keine Angaben gemacht hat, die auf eine Einstellungsaussicht hindeuten würden.

Da die Antragstellerin zu 1) nach eigenen Angaben nicht mehr als ein Jahr erwerbstätig war, kommt auch ein nachgehendes Freizügigkeitsrecht gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizG/EU nicht in Betracht.

Ein Freizügigkeitsrecht gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FreizG/EU abgeleitet vom Ehemann besteht nicht, da nach Aktenlage dieser nicht freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 oder 7 FreizG/EU ist.

Ebenso besteht erkennbar keine Freizügigkeitsberechtigung gemäß § 4 FreizG/EU, da die Antragstellerin zu 1) nicht über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt. Auch besteht kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4 a FreizG/EU, da sich die Antragstellerin zu 1) nicht seit 5 Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Denn sie ist erst im November 2015 in das Bundesgebiet eingereist.

Auch ein Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz ist vorliegend nicht gegeben.

Die Antragstellerin zu 2) hat ebenso kein eigenes Aufenthaltsrecht und mangels Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1) auch kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizG/EU.

Der Leistungsausschluss ist auch nicht gem. § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II aufgehoben, da die Antragstellerinnen ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht seit mindestens 5 Jahren im Bundesgebiet haben. Denn sie leben erst seit November 2015 bzw. Juli 2016 in Deutschland.

Eine Leistungsberechtigung nach dem SGB II dem Grunde nach im Sinne von § 21 S. 1 SGB XII besteht auch nicht gem. § 41 a Abs. 7 Nr. 1 SGB II. Danach kann über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig entschieden werden, wenn die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ist oder eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim Bundessozialgericht (BSG) ist.

Zur hier einschlägigen Gesetzeslage seit 29.12.2016 ist nach Kenntnisstand des Senats kein Verfahren beim BverfG, dem EuGH oder dem BSG anhängig.

Vorliegend wird zwar in der Rechtsprechung z. T. die Auffassung vertreten, dass § 41 a Abs. 7 Nr. 1 SGB II jedenfalls entsprechend anwendbar sei, da das SG Mainz mit Vorlagebeschluss vom 18.04.2016 (S 3 AS 149/16) dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt habe, ob § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011 mit dem Grundgesetz vereinbar ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16.02.2017, L 8 SO 344/16 B ER, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.04.2017. L 1 AS 854/17 ER-B, a. A. SG München, Beschluss vom 26.05.2017, S 46 AS 843/17 ER). Jedenfalls handelt es sich jedoch bei § 41 Abs. 7 Nr. 1 SGB II um eine Ermessensvorschrift, so dass selbst bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ein Anspruch auf Leistungen nicht gegeben ist, sondern lediglich auf fehlerfreie Ermessensausübung. Dass grundsätzlich einem Ermessensreduzierung auf Null gegeben sein solle, ist nicht erkennbar (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.03.2017, L 5 AS 449/17 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18.04.2017, L 13 AS 113/17 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19.05.2017, L 11 AS 247/17 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.05.2017, L 15 AS 62/17 B ER). Hierbei sind neben der Zielrichtung der begehrten Leistungen - Existenzsicherung - weitere Kriterien heranzuziehen wie die Wahrscheinlichkeit des Grundrechtsverstoßes sowie eine mögliche Bedarfsdeckung durch andere Leistungen. Vorliegend ist das Bestehen eines Grundrechtsverstoßes mangels höchstrichterlicher Vorlage zum Bundesverfassungsgericht sowie aufgrund des Fehlens eines Konsenses bzw. einer überwiegenden Meinung der Verfassungswidrigkeit des § 7 Abs. 2 SGB II n. F. eher weniger wahrscheinlich. Auch hat der Gesetzgeber durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3 bis 6 SGB XII eine anderweitige Bedarfsdeckung vorgesehen. (vgl. hierzu die Begründung im Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 18.04.2017, L 13 AS 113/17 B ER).

Ein Anspruch auf Leistungen des SGB II dem Grunde nach ist daher auch nach § 41 a Abs. 7 Nr. 1 SGB II für die Antragstellerin zu 1) nicht gegeben, deshalb besteht ebenso kein Anspruch der Antragstellerin zu 2) auf Sozialgeld als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II - so dass die Ausschlussnorm des § 21 S. 1 SGB XII nicht greift.

Diese stellt nicht ausschließlich auf das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit ab, sondern berücksichtigt einen Leistungsanspruch nach dem SGB II dem Grunde nach. Für die Systemzuweisung SGB II einerseits und SGB XII andererseits gilt aufgrund der Erwerbszentriertheit des SGB II, dass derjenige, der von dem auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgerichteten Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen wird, dann dem System des SGB XII zugewiesenen ist (BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R).

b. Der Antragstellerinnen sind jedoch gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII vom Leistungsbezug nach dem SGB XII grundsätzlich ausgeschlossen. § 23 SGB XII regelt den Anspruch auf Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer.

Gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB XII bleiben unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Einschränkungen nach Satz 1 dieser Vorschrift gelten nicht für Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. Letzteres ist bei den Antragstellerinnen nicht gegeben.

Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII erhalten Ausländer und ihre Familienangehörigen keine Leistungen nach Abs. 1 oder nach dem 4. Kapitel, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Unabhängig davon, ob das Aufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizG/EU für die Antragstellerin zu 1) besteht, sind die Antragstellerinnen jedoch gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII vom Anspruch auf Leistungen des SGB XII ausgeschlossen, da sie jedenfalls über kein weiteres Aufenthaltsrecht verfügen (s. o.).

Dieser Leistungsausschluss ist auch nicht nach § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII aufgehoben. Danach erhalten Ausländer abweichend von § 23 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB XII Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII, wenn sie sich seit mindestens 5 Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten. Dies ist jedoch nicht gegeben (s.o.).

Aufgrund der neuen Gesetzeslage zum 29.12.2016 ist die von den Antragstellerinnen angeführte Rechtsprechung des BSG zum verfestigten Aufenthalt und daraus folgend einer Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen der Ermessensausübung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (Urteile vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R und 20.01.2016, B 14 AS 35/15 R) nicht mehr einschlägig. Denn § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII formuliert klar einen Leistungsausschluss für alle Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII, somit auch für Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII (vgl. auch die Ausführungen in der Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/10211, S. 16). Im Übrigen würde die gesetzgeberische Wertung, dass ein Anspruch auf (gebundene) Leistungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII erst ab einer ununterbrochenen Aufenthaltsdauer von 5 Jahren gegeben ist, untergraben, wenn über eine Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen der Ermessensausübung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII, aufgrund der Annahme einer Verfestigung des Aufenthalts bereits nach 6 Monaten, ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII gegeben wäre.

§ 23 Abs. 3 SGB XII in der Fassung vom 22.12.2016 stellt auch keinen Verstoß gegen europarechtliche Bestimmungen dar. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Regelungen eines Mitgliedstaates, nach denen Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Zugang zu beitragsunabhängigen Sozialleistungen ausgeschlossen werden, wenn ihnen gar kein Aufenthaltsrecht zusteht oder wenn ihr Aufenthaltsrecht sich nur aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 11.11.2014, C-333/13 und Urteil vom 15.09.2015, C-67/14). Zweifel an der Europarechtskonformität von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII stellen sich aufgrund dieser Entscheidungen nicht (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.02.2017, L 23 SO 30/17 B ER).

Ebenso bestehen, wie vom Senat bereits mit Beschluss vom 24.04.2017 (L 8 SO 77/17 B ER) festgestellt, keine durchgreifenden Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in der Fassung vom 22.12.2016, so dass eine Leistungsgewährung im einstweiligen Rechtsschutz ohne Anwendung der Regelungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht in Betracht kommt. Eine solche Leistungsgewährung wäre dann aufgrund des Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unter Nichtbeachtung des Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, wenn gewichtige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des entscheidungserheblichen Gesetzes vorlägen, die sich so weit verdichtet hätten, dass die für eine Vorlage im Hauptsacheverfahren erforderliche Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit voraussichtlich bejaht würde (LSG NRW, Beschluss vom 16.03.2017, L 19 AS 190/17 B ER m. w. N.). Dies ist hier jedoch nicht gegeben.

Insbesondere eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG hergeleitet wird, ist nicht ersichtlich. Dieses Grundrecht ist als Gewährleistungsrecht auf die Ausgestaltung durch den Gesetzgeber angelegt. Zwar ist dieses Grundrecht unverfügbar und muss durch einen gesetzlichen Leistungsanspruch eingelöst werden, dieser bedarf jedoch der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bedingt nicht, dass existenzsichernde Leistungen voraussetzungslos zur Verfügung gestellt werden müssten. Dem Gesetzgeber steht bei der Ausgestaltung vielmehr ein Gestaltungsspielraum zu, innerhalb dessen er die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat (BSG, Urteil vom 09. März 2016 - B 14 AS 20/15 R, Rn. 36 f.).

Hier hat der Gesetzgeber Unionsbürgern ohne materielles Aufenthaltsrecht bzw. nur mit einem Recht zur Arbeitssuche einen Anspruch auf Erhalt von existenzsichernden Leistungen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 bis 6 SGB XII, sog. Überbrückungsleistungen, zugewiesenen, die primär der Existenzsicherung bis zur Ausreise dienen. Dabei wird durch eine Härtefallregelung nach § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII sichergestellt, dass im Einzelfall zur Überwindung besonderer Härten andere Leistungen, sowie dass Leistungen auch über einen Zeitraum von einem Monat hinaus erbracht werden können. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe lassen sich in Zweifelsfällen im Lichte des gebotenen Schutzes der Menschenwürde weit auslegen, so dass zuverlässig eine Verletzung des nach Art. 1 GG begründeten Rechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum im Einzelfall auszuschließen ist (LSG Hessen, Beschluss vom 20.06.2017, L 4 SO 70/17 B ER). Im Übrigen werden diese Ausländer darauf verwiesen, existenzsichernde Leistungen ihres Heimatlandes in Anspruch zu nehmen. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Nachrangigkeit des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert (vgl. Senatsbeschluss vom 24.04.2017, L 8 SO 77/17 m. w. N.). Nur Unionsbürger mit einem materiellen Aufenthaltsrecht erhalten Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII. Diese Differenzierung in der Ausgestaltung der Leistungsgewährung in Bezug auf ein auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht, bzw. kein oder ein zeitlich befristetes Aufenthaltsrecht ist sachlich gerechtfertigt aufgrund des unterschiedlichen Aufenthaltsstatus (LSG NRW, a. a. O., Rn. 45).

Auch eine unterschiedliche Behandlung bzgl. des Personenkreises der Ausländer, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, und auch bei bestehender Ausreisepflicht noch Anspruch auf existenzsichernde Leistungen gemäß § 1 a AsylbLG haben, ist gerechtfertigt, da es Personen aus Mitgliedstaaten der europäischen Union in der Regel möglich ist, kurzfristig in ihre Heimat zurückzureisen um dort anderweitige Hilfsmöglichkeiten zu erhalten. Dies ist bei dem Personenkreis, auf den das AsylbLG Anwendung findet, nicht ohne weiteres gegeben, so dass die Gewährleistungsverpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG umfangreichere und länger andauernde Leistungen zur Existenzsicherung erfordert (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.02.2017, L 23 SO 30/17 B ER, Rn. 42 f.).

Diese Rechtsauffassung widerspricht nicht den Ausführungen des BSG im Urteil vom 20.01.2016 (B 14 AS 35/15 R). Dort führt das BSG unter Rn. 42 aus, dass eine Leistungsgewährung nach Ermessensausübung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nicht aufgrund der Möglichkeit einer Heimkehr des Ausländers in sein Herkunftsland ausgeschlossen sei. Denn diese Möglichkeit sei so lange unbeachtlich, wie der tatsächliche Aufenthalt in Deutschland von der zuständigen Behörde faktisch geduldet werde. Der Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII sei keine eigenständige Ausschlussnorm. Diese Ausführungen betreffen jedoch die Frage der Möglichkeit einer Ermessensausübung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII bzgl. der alten Rechtslage vor dem 22.12.2016 und nicht die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in der Fassung vom 22.12.2016. Das BSG führt vielmehr weiter aus, dass ein Verweis auf eine Selbsthilfe durch Ausreise in das Herkunftsland nach dem derzeit geltenden Recht keine rechtliche Grundlage habe. Zu verfassungsrechtlichen Fragestellungen der erst nach der Entscheidung geänderten Rechtslage in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII konnte das BSG naturgemäß nicht Stellung nehmen.

c. Auch ein Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII unter Anwendung des europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) ist nicht gegeben. Nach diesem Abkommen werden die Bürger bestimmter Länder Inländern gleichgestellt und erhalten entsprechende Leistungen der Sozialhilfe. Dieses Abkommen ist unmittelbar geltendes Bundesrecht (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 23/10). Die Antragstellerinnen als rumänische Staatsangehörige unterfallen jedoch nicht dem Anwendungsbereich des europäischen Fürsorgeabkommens, da Rumänien dieses nicht abgeschlossen hat und ihm nicht beigetreten ist. Im Ergebnis besteht daher ein Anspruch auf Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII gegen die Antragsgegnerin nicht.

d. Da die Antragstellerinnen ausdrücklich keine sog. Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3 bis 6 SGB XII begehren (sie beantragen Leistungen ab 05.02.2017), war nicht darüber zu befinden, ob den Antragstellerinnen ein solcher Anspruch zusteht. Denn diese Leistungen stellen kein "minus" zu einer originären Leistungsbeantragung auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dar, sondern ein "aliud", denn Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII dienen regelmäßig der existenziellen Absicherung eines rechtmäßigen Aufenthalts, die Überbrückungsleistungen zielen jedoch nur auf eine kurze überbrückende Absicherung des Aufenthalts bis zur Ausreise ab. Auch folgt aus § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII, dass im Einzelfall zu prüfen ist, wie lange konkret Überbrückungsleistungen bis zu einer Ausreise zu gewähren sind und ob ggf. weitere Leistungen zu gewähren sind. Diese gesonderte Prüfung obliegt zunächst dem Sozialhilfeträger (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.02.2017, L 23 SO 30/17 B ER, Rn. 46; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18. April 2017 - L 13 AS 113/17 B ER -, Rn. 30; a. A. Hess. LSG, Beschluss vom 20.06.2017, L 4 SO 70/17, wonach Überbrückungsleistungen, die auf die Sicherung des Lebensunterhaltes gerichtet sind, ein minus gegenüber Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII darstellen).

Da bereits ein Anordnungsanspruch nicht gegeben ist, kommt es auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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