S 8 AS 621/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 621/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Leistungsausschluss bejaht nach Auszug des Ehemanns nach fristloser Kündigung.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerinnen auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab Februar 2017.

Die 1988 geborene Klägerin zu 1 und ihre 2014 geborene Tochter, die Klägerin zu 2 (schwerbehindert mit Merkzeichen "H"), sind rumänische Staatsangehörige, ebenso wie der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Klägerin zu 2 (im Folgenden nur: der Ehemann). Erstmals im Mai 2016 kam die Familie nach Deutschland, bezog eine Wohnung in A-Stadt und der Ehemann nahm zunächst eine bis 9. November 2016 währende abhängige Beschäftigung auf und ab Oktober 2016 eine weitere. Letztere wurde zum 10. Februar 2017 arbeitgeberseits wegen des Verdachts des Diebstahls fristlos gekündigt. Zwei Tage später zog der Ehemann aus der gemeinsamen Wohnung aus und hielt sich nach Kenntnis der Klägerin zu 1 bei einem Bekannten in A-Stadt auf. Seit Mai 2017 soll der Ehemann wieder eine abhängige Beschäftigung ausüben. Er wohnt auch weiter in A-Stadt und besucht die Klägerinnen regelmäßig am Wochenende.

Am 20. Februar 2017 beantragten die Klägerinnen beim beklagten Jobcenter Leistungen zum Lebensunterhalt. Die Klägerin zu 1 gab an, seit 10. Februar 2017 von ihrem Ehemann getrennt zu leben.

Seit März 2017 erhält die Klägerin zu 2 Unterhaltsvorschussleistungen, zudem wird für sie laufend Kindergeld gezahlt. Am 22. März 2017 zogen in die Wohnung der Klägerinnen zwei Untermieterinnen, die für die Hälfte der Gesamtmiete aufkommen.

Am 6. März 2017 lehnte der Beklagte mündlich die Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an die Klägerinnen ab. Sie seien mangels Aufenthaltsrechts von Leistungen ausgeschlossen, weil sie rumänische Staatsangehörige und noch keine fünf Jahre in Deutschland seien. Auch habe der Ehemann noch kein Jahr in Deutschland gearbeitet.

Gegen diese Ablehnung legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen am 3. April 2017 Widerspruch ein und beantragte am 19. April 2017 einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Augsburg (Verfahren S 11 AS 433/17 ER). Zwar sei es richtig, dass der Ehemann noch kein Jahr in Deutschland gearbeitet habe. Dennoch bestehe für sechs Monate ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht und davon abgeleitet ein Aufenthaltsrecht der Klägerinnen als Familienangehörige. Die Trennung der Eheleute sei dafür unerheblich.

Mit Beschluss vom 8. Mai 2017 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab.

Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. März 2017 wurde unter dem 12. Mai 2017 zurückgewiesen. Ergänzt wurde, das Bestehen einer Ehe sei nicht nachgewiesen. Das sei jedoch unerheblich, da der Ehemann ebenfalls kein Aufenthaltsrecht mehr besitze. Somit gebe es keine Person, von der die Klägerinnen ein Aufenthaltsrecht ableiten könnten.

Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen für diese am 6. Juni 2017 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben.

Auf die gegen den Beschluss des Sozialgerichts im Eilverfahren erhobene Beschwerde hin hat das Bayer. Landessozialgericht (Verfahren L 7 AS 424/17 B ER) mit Beschluss vom 11. Juli 2017 den Beklagten einstweilen verpflichtet, den Klägerinnen Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 19. April bis zum 31. Oktober 2017 zu bewilligen. Es wurde unter anderem ausgeführt, ob der vom Beklagten angenommene Leistungsausschluss greife und die Leistungsberechtigung der Klägerinnen deswegen entfalle, sei summarisch nicht abschließend zu beantworten. Die Klägerinnen könnten seit der Trennung kein Aufenthaltsrecht mehr vom Ehemann ableiten. Familienangehörige seien nur freizügigkeitsberechtigt, wenn sie einen Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Daraus sei abzuleiten, dass grundsätzlich eine gemeinsame Wohnung erforderlich sei. Ein Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 1 könne sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergeben. Höchstrichterlich sei aber nicht abschließend geklärt, ob der Leistungsausschluss für nicht ausreisepflichtige, nicht erwerbstätige Unionsbürger mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Die Entscheidung des Eufach0000000030s hat der Beklagte mit Bescheiden vom 24. Juli 2017 umgesetzt.

Mit Beschluss vom 23. August 2017 ist der örtliche Sozialhilfeträger zum Klageverfahren beigeladen worden.

In der mündlichen Verhandlung am 7. September 2017 hat der Beklagte den Klägerinnen im Wege eines angenommenen Teilanerkenntnisses die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dem Grunde nach für die Zeit vom 1. bis zum 10. Februar 2017 zugesichert.

Für die Klägerinnen wird im Übrigen beantragt:

Der Beklagte wird unter Aufhebung bzw. Abänderung seines Bescheids vom 6. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 2017 und der Bescheide vom 24. Juli 2017 verpflichtet, den Klägerinnen ab Februar 2017 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen, hilfsweise wird die Beigeladene verpflichtet, ab Februar 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen.

Für den Beklagten wird beantragt,

die Klage abzuweisen.

Für die Beigeladene wird beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig.

Sie hat in der Sache weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg.

Nach dem Teilanerkenntnis aus der heutigen mündlichen Verhandlung ist der Bescheid des Beklagten vom 6. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 2017 rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerinnen haben für die Zeit ab 11. Februar 2017 weder Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gegenüber dem beklagten Jobcenter noch gegenüber dem beigeladenen örtlichen Sozialhilfeträger.

Die Klägerinnen sind nicht anspruchsberechtigt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II), weil sie wegen § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 2016, BGBl. I, S. 3155) von Leistungen ausgeschlossen sind.

Die Klägerin zu 1 erfüllt seit 1. Februar 2017 zwar die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Das nimmt das Gericht für den streitigen Zeitraum auch bezüglich der Hilfebedürftigkeit an, weil nicht durchgehend bedarfsdeckende Mittel ersichtlich sind. Die beiden Klägerinnen bilden gemäß § 7 Abs. 3 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft, so dass für die Klägerin zu 2 Leistungen aufgrund § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II infrage kämen. Der Ehemann gehört der Bedarfsgemeinschaft nicht an, weil er nicht mit den Klägerinnen in einem Haushalt lebt. Die Trennung der Klägerin zu 1 und ihres Ehemanns ist nach derzeitigem Stand als nicht nur vorübergehend anzusehen. Auch wenn die Klägerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung ein erneutes Zusammenleben für die Zukunft nicht ausgeschlossen hat und regelmäßige Besuche des Ehemanns bei den Klägerinnen stattfinden, ist derzeit eine Beendigung der Trennung nicht absehbar. Das drückt sich auch darin aus, dass die Klägerinnen keinerlei Gelder vom Ehemann erhalten, dieser sie nicht - im Rahmen seiner Möglichkeiten - unterhält. Die unerlaubte Ortsabwesenheit der Klägerinnen erstreckte sich nur vom 23. Juli bis zum 6. September 2017 und änderte nichts am gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Beklagten.

Beide Klägerinnen besitzen aber nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, sondern die rumänische, und sind damit Ausländerinnen. Und für sie kommt im noch offenen Zeitraum ab 11. Februar 2017 kein anderes Aufenthaltsrecht als eines der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II genannten in Betracht.

Bis einschließlich 10. Februar 2017 besaßen beide Klägerinnen als Familienangehörige ein vom Ehemann abgeleitetes Aufenthaltsrecht als freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige nach § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU). Der Ehemann, der als ebenfalls rumänischer Staatsangehöriger Unionsbürger ist, übte nämlich bis 10. Februar 2017 eine nicht nur unwesentliche, abhängige Beschäftigung aus und hielt sich damit als Arbeitnehmer im Sinn des Freizügigkeitsrechts in Deutschland auf. Die Klägerinnen begleiteten ihn als Familienangehörige. Das Bestehen einer Ehe zwischen der Klägerin zu 1 und dem Ehemann kann für das Gericht nach Vorlage der Heiratsurkunde im Verfahren S 11 AS 433/17 ER nicht mehr infrage gestellt werden. Für den Beklagten ist in der mündlichen Verhandlung ein entsprechendes Teilanerkennntis abgegeben und klägerseits auch angenommen worden, so dass dieser Zeitraum im Urteil nicht mehr weiter behandelt werden muss.

Seit 11. Februar 2017 allerdings kommt für die Klägerinnen kein anderes Aufenthaltsrechts als eines nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II infrage. Vom Ehemann lässt sich ein anderes Aufenthaltsrecht für die Klägerinnen nicht mehr ableiten. Denn dieser ist zum 10. Februar 2017 wegen des Verdachts eines Diebstahls vom Arbeitgeber fristlos gekündigt worden und war seitdem - zunächst - weder Arbeitnehmer noch selbstständig Erwerbstätiger, da er keiner Erwerbstätigkeit mehr nachging. Daran, dass der Ehemann seine Erwerbstätigkeit nicht unfreiwillig verloren hat, besteht für das Gericht angesichts der vorliegenden fristlosen Kündigung kein Zweifel, zumal diese Umstände klägerseits auch nicht infrage gestellt worden sind. Wegen der arbeitgeberseitigen fristlosen, verhaltensbedingten Kündigung liegt auch kein Fall der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit im Sinn des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU vor; ein anderer Tatbestand des § 2 Abs. 3 Satz 1 FreizügG/EU kommt ohnedies nicht infrage. Der Ehemann konnte seit 11. Februar 2017 daher allenfalls ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU besitzen. Damit können die Klägerinnen als Familienangehörige des Ehemanns über § 3 FreizügG/EU kein anderes Aufenthaltsrecht von diesem ableiten. Auf den Zeitpunkt der Trennung kommt es daher nach Ansicht des Gerichts nicht an.

Die Trennung wurde erst zum 12. Februar 2017 vollzogen. Dass sie sich als nicht nur vorübergehend darstellt oder auf nicht von den Klägerinnen und dem Ehemann zu vertretenden freizügigkeitsrechtlichen Gründen beruht, ist nicht zu erkennen. Vielmehr ist als einziger Grund ersichtlich, dass der Ehemann und/oder die Klägerin zu 1 die familiäre Gemeinschaft nicht weiter beibehalten wollten. Mit dem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung am 12. Februar 2017 und der damit verbundenen, nicht nur vorübergehenden Trennung war auch aus diesem Grund ein Begleiten oder Nachziehen im Sinn des § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU nicht mehr denkbar. Dies wird zum Teil bereits an der Annahme festgemacht, dass diesen Begriffen, wenngleich das nicht ausdrücklich geregelt ist, ein Zusammenwohnen immanent ist (so BayLSG, Beschluss vom 11. Juli 2017, L 7 AS 424/17 B ER). Ansonsten wäre auch die Regelung über die Beibehaltung des Aufenthaltsrechts bei Wegzug in § 3 Abs. 4 FreizügG/EU überflüssig. Andererseits ist in § 4a FreizügG/EU mehrfach vom ständigen Aufenthalt des Familienangehörigen beim Unionsbürger die Rede. Und auch das für die Regelungen des FreizügG/EU federführend zuständige Bundesministerium des Innern geht in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum FreizügG/EU vom 3. Februar 2016 (AVV zum FreizügG/EU), GMBl 2016 Nr. 5, S. 86, nicht davon aus, dass zwingend eine gemeinsame Wohnung erforderlich ist. Vielmehr heißt es dort zu § 3 FreizügG/EU unter Nummer 3.1.1: "Den Familienangehörigen von Unionsbürgern steht das abgeleitete Aufenthaltsrecht nur dann zu, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Der Begriff "begleiten oder ihm nachziehen" ist dahin gehend auszulegen, dass er sowohl die Familienangehörigen eines Unionsbürgers umfasst, die mit diesem in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, als auch diejenigen, die sich mit ihm dort aufhalten, ohne dass im letztgenannten Fall danach zu unterscheiden wäre, ob die Drittstaatsangehörigen vor oder nach dem Unionsbürger oder bevor oder nachdem sie dessen Familienangehörige wurden, in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008, Rs. C-127/08 - Metock u.a.). Eine gemeinsame Wohnung ist keine zwingende Voraussetzung. Es ist vom Sinn und Zweck der Gewährung des "abgeleiteten" Aufenthaltsrechts des Familienangehörigen auszugehen, nämlich der Herstellung oder Wahrung der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft des Unionsbürgers. Der Begriff "begleiten oder nachziehen" impliziert eine im Sinne des Ehe- und Familienschutzes schutzwürdige tatsächliche Beziehung." Zuvor wird unter Nummer 3.1.0 ausgeführt: "Absatz 1 stellt klar, dass die Familienangehörigen von Unionsbürgern ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht genießen. Die Freizügigkeit der Familienangehörigen dient primär dem Zweck, die Ausübung der Freizügigkeit durch die Unionsbürger zu erleichtern. Die Freizügigkeit der Familienangehörigen ist daher auch auf die Herstellung der Familieneinheit ausgerichtet und in Bestand und Dauer mit dem Aufenthaltsrecht des freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers verknüpft. Das Aufenthaltsrecht des Ehegatten knüpft an die bestehende Ehe an. Dies hat zur Folge, dass auch ein Ehegatte aus einem Drittstaat, der von dem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger getrennt lebt, bis zur rechtskräftigen Scheidung ein Aufenthaltsrecht besitzt, sofern der Unionsbürger nicht durch dauerhaften Wegzug ins Ausland sein Freizügigkeitsrecht aufgibt." Eine nach diesen Maßstäben schutzwürdige Beziehung ist jedoch zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls zu verneinen. Dass die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann sich dauerhaft getrennt haben und heute nicht absehbar ist, dass die familiäre Lebensgemeinschaft wiederhergestellt werden soll, ist bereits mehrfach ausgeführt worden. Es sind auch sonst keine Gründe erkennbar, die es erfordern würden, dem Ehemann die Ausübung seiner Freizügigkeit zu erleichtern, indem seinen Familienangehörigen, also den Klägerinnen, ein von ihm abgeleitetes Freizügigkeitsrecht zugestanden wird. Denn derzeit ist nicht ausreichend erkennbar, dass die (Wieder-)Herstellung der Familieneinheit dem Wunsch des Ehemann oder der Klägerinnen entspricht. Mit Ausnahme von wöchentlichen Besuchen ist nicht zu sehen, dass der Ehemann sich weiter um die Klägerinnen kümmert und nach einem erneuten Zusammenleben strebt; gleiches gilt aus der Blickrichtung der Klägerinnen.

Eine Änderung im Aufenthaltsstatus der Klägerinnen kann aufgrund der laut Klägerin zu 1 erfolgten Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung durch den Ehemann ab Mai 2017 nicht eingetreten sein. Denn dazu wäre, wie eben dargelegt, erforderlich, dass die Klägerinnen mit dem Ehemann erneut gemeinsam wohnen wollen oder zumindest die Familieneinheit wiederhergestellt werden soll. Das ist aber, wie schon ausgeführt, nicht zu erkennen.

Die von der Klägerin zu 1 demnächst beabsichtigten Bewerbungen um eine Arbeitsstelle, führen ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Abgesehen davon, dass die Klägerin zu 1 nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung noch gar keine konkreten Schritte zur Arbeitssuche unternommen hat, sondern diese erst geplant sind, ergäbe sich allenfalls ein Aufenthaltsstatus gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU.

Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der Klägerinnen kommt außerdem nicht auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU in Betracht. Schon dem Wortlaut der Regelung lässt sich zwanglos entnehmen, dass dieses Recht nur in dem von den §§ 3 und 4 FreizügG/EU gesetzten Rahmen und unter den dortigen Voraussetzungen besteht. Diese sind aber gerade zu verneinen, da keine Familieneinheit besteht oder hergestellt werden soll.

Ein aus § 3 Abs. 4 FreizügG/EU resultierendes Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 2 scheidet angesichts ihres Alters aus. Der von der Klägerin zu 1 berichtete Besuch einer Kindertagesstätte durch die Klägerin zu 2 stellt keine Ausbildung in diesem Sinn dar, weil darunter nur Ausbildungseinrichtungen zu verstehen sind, die zum Abschluss einer Ausbildung im Sinn einer beruflichen Qualifikation führen (vgl. AVV FreizügG/EU, Ziffer 3.4.2).

Ebenso wenig ergibt sich gemäß § 4 FreizügG/EU ein anderes Aufenthaltsrecht der Klägerinnen, weil diese gerade nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen, sondern diese mit dem vorliegenden Verfahren erst erhalten wollen.

Die Voraussetzungen des Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizüGG/EU erfüllt ebenfalls keine der beiden Klägerinnen. Beide sind - ebenso wie der Ehemann - erst seit Mai 2016 in Deutschland aufhältig, die Klägerinnen waren in Deutschland gar nicht erwerbstätig, der Ehemann war weniger als 12 Monate erwerbstätig und hat seine Erwerbstätigkeit nicht infolge einer vollen Erwerbsminderung aufgegeben.

Mangels Daueraufenthaltsrechts scheidet zugleich die Rückausnahme nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II aus.

Schließlich kommt auch kein anderes Aufenthaltsrecht der Klägerinnen über die von § 11 Abs. 1 FreizügG/EU vorgesehene Anwendung des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in Betracht. So begründet der besuchsweise Kontakt des Ehemanns mit der Klägerin zu 2 an den Wochenenden kein Aufenthaltsrecht nach § 28 Abs. 1 AufenthG, weil die Klägerin zu 2 nicht Deutsche ist. Aus § 27 des AufenthaltG oder aus Art. 6 des Grundgesetzes (GG) bzw. Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) lässt sich ebenfalls kein Aufenthaltsrecht der Klägerinnen herleiten, weil die familiäre Lebensgemeinschaft nicht hergestellt werden soll und es zudem an einer Verwurzelung in Deutschland fehlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013, 1 C 15/12). Hinzu kommt bei allen auf der Anwendung des AufenthG basierenden Aufenthaltstiteln ferner, dass dann gegebenenfalls die allgemeinen Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG vorliegen müssten, namentlich scheiterte es hier an der Sicherung des Lebensunterhalts.

Demzufolge steht den Klägerinnen vorliegend wegen der einfachgesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht zu.

Das Gericht hat keine durchgreifenden Bedenken an der Vereinbarkeit des genannten Leistungsausschlusses mit höherrangigem Recht.

Nach den Entscheidungen des EuGH vom 11. November 2014, Rs. C-333/13, vom 15. September 2015, Rs. C-67/14, und vom 25. Februar 2016, Rs. 299/14, ist für das Gericht geklärt, dass ein derartiger Leistungsausschluss nicht gegen europarechtliche Regelungen verstößt.

In Bezug auf (nationale) verfassungsrechtliche Vorgaben ist ebenfalls kein Verstoß anzunehmen. Das BSG hat bereits zur Vorgängerregelung entschieden (Urteil vom 17. März 2016, B 4 AS 32/15 R, und vom 23. Februar 2017, B 4 AS 7/16 R), dass verfassungsrechtliche Bedenken dem Leistungsausschluss nicht entgegenstehen. Nachdem die hier anzuwendende Regelung dem weitgehend entspricht, meint das Gericht, dass sich keine andere Bewertung ergibt, auch wenn vom BSG auf eine Existenzsicherung im Wege der Sozialhilfe abgestellt wurde. Im Anschluss an das Bayer. Landessozialgericht (Beschlüsse vom 24. Juli 2017, L 8 SO 7/17 B ER, und vom 24. April 2017, L 8 SO 77/17 B ER) und das SG Berlin (Beschluss vom 25. Juli 2017, S 95 SO 965/17 ER) meint auch das erkennende Gericht, dass sich der Gesetzgeber mit der Regelung zum Leistungsausschluss von Ausländern mit bestimmten Aufenthaltsrechten innerhalb des Spielraums bewegt, der ihm bei der Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG eingeräumt ist. Anders als dem Personenkreis, für den das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) einen Anspruch auf laufende existenzsichernde Leistungen vermittelt, ist es Personen insbesondere aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in der Regel ohne weiteres möglich, kurzfristig in ihren Heimatstaat zurück zu reisen, um dort anderweitige Hilfemöglichkeiten zu aktivieren. Das zeigt sich gerade im Fall der Klägerinnen daran, dass diese sich erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung in Moldawien aufgehalten haben, aber wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind. Sie haben also gerade die Chance verstreichen lassen, sich dort um Existenzsicherung zu bemühen.

Hinzu kommt, dass die Freizügigkeitsberechtigung arbeitssuchender Unionsbürger nicht etwa verfassungsrechtlich, sondern vielmehr unionsrechtlich vermittelt wird. Demnach ist es aber gerade zulässig, arbeitssuchende Unionsbürger von dauerhaft existenzsichernden Sozialleistungen im Aufnahmemitgliedstaat auszuschließen. Hierauf hatten sich die Mitgliedsstaaten, denen nach wie vor die originäre (Fürsorge-)Verantwortung für ihre eigenen Staatsbürger zukommt, durch Aufnahme der Ausnahmeregelungen des Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (RL 2004/38/EG) geeinigt. Mit der Inanspruchnahme von Freizügigkeit zum Zweck der Arbeitssuche sollte gerade nicht automatisch auch ein Anspruch auf Existenzsicherung einhergehen, was nach den bereits zitierten Entscheidungen des EuGH auch zulässig war. Dass Unionsbürger, die nicht zugleich erwerbstätig im Aufnahmemitgliedstaat sind, bei Inanspruchnahme ihres Freizügigkeitsrechts zur Arbeitssuche nicht in dem gleichen Umfang mit existenzsichernden Sozialleistungen versorgt werden müssen, wie Bürger des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats, hat seine Grundlage also in einem Übereinkommen aller Mitgliedsstaaten. Die unionsrechtlich legitimierte Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, seine Gewährleistungsverantwortung nicht in vollem Umfang auf lediglich zur Arbeitssuche im Inland aufhältige Unionsbürger zu erstrecken und diese nicht wie eigene Staatsbürger mit existenzsichernden Sozialleistungen zu versorgen, haben Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten zu respektieren, wenn sie zur Arbeitssuche nach Deutschland einreisen. Zumindest aber machen sie sehenden Auges von ihrer Freizügigkeit unter dieser - unionsrechtlich zulässigen - Prämisse, nämlich einer nur eingeschränkten Sozialleistungsberechtigung, Gebrauch. Vor diesem Hintergrund vermag es nicht einzuleuchten, weswegen es unzulässig sein sollte, einem erwerbsfähigen arbeitssuchenden Unionsbürger grundsätzlich keine einen Daueraufenthalt in Deutschland ermöglichenden existenzsichernden Sozialleistungen zur Verfügung zu stellen, sondern ihn zur Sicherstellung seines verfassungsrechtlich zu gewährleistenden Existenzminimums nur noch insoweit mit solchen Leistungen zu versorgen, wie dies zur Organisation und Durchführung der Rückreise unerlässlich ist, und ihn im Übrigen auf die Inanspruchnahme der Sozialleistungen seines Herkunftsstaates zu verweisen. Auch aus der Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungshöhe des AsylbLG a.F. ergeben sich weder für den Gesetzgeber noch für die Gerichte konkrete verfassungsrechtliche Vorgaben im Hinblick auf das "ob" einer Leistungsgewährung an lediglich zur Arbeitssuche aufhältige Unionsbürger. Denn die Situation eines Unionsbürgers, der von seiner Freizügigkeit zur Arbeitssuche in einem anderen Mitgliedstaat Gebrauch macht, ist bereits deshalb nicht mit der eines Asylbewerbers oder Flüchtlings vergleichbar, da ersterer nicht vor Krieg oder individueller Verfolgung flieht und regelmäßig ohne Gefahr für Leib und Leben in sein Herkunftsland zurückkehren kann, um dort existenzsichernde Leistungen zu beziehen. Auch derjenige, der allein wegen Abschiebungshindernissen (z. B. Passlosigkeit) weiter im Bundesgebiet verbleibt und deshalb Leistungen nach dem AsylbLG bezieht, befindet sich evident in einer anderen Situation als ein Unionsbürger, der jederzeit ohne bürokratische Hürden den Grenzübertritt und die Rückreise in seinen Heimatstaat bewältigen kann.

Ein Anspruch auf die begehrten Leistungen kann sich darüber hinaus nicht aus dem Gleichbehandlungsgebot des Europäischen Fürsorgeabkommens ableiten lassen, weil Rumänien nicht zu den Signatarstaaten gehört. Zudem hat die Bundesrepublik Deutschland wirksam einen Vorbehalt bezüglich Leistungen nach dem SGB II erklärt hat (vgl. BSG, a.a.O.).

Die Klage hat deshalb im Hauptantrag keinen Erfolg.

Für den Hilfsantrag ergibt sich dasselbe Ergebnis aufgrund des Leistungsausschlusses nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Dass dessen Voraussetzungen vorliegen, begründet sich anhand der Ausführungen zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, so dass hierauf verwiesen wird.

Ebenso kann Bezug genommen werden auf die oben angeführten Erwägungen zur Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses mit höherrangigem Recht. Diesen können im Hinblick auf § 23 Abs. 3 SGB XII im gleichen Maß Geltung beanspruchen, zumal die Existenzsicherung durch die Sozialhilfe nicht als subsidiäres soziales Sicherungssystem gegenüber dem SGB II angesehen werden kann. Vielmehr belegen die im Dezember 2016 durch das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erfolgten Änderungen an beiden Gesetzen, dass der Gesetzgeber hilfebedürftige Personen maßgeblich nach dem Kriterium der Erwerbsfähigkeit bzw. deren Fehlen entweder dem Sicherungssystem des SGB II oder alternativ dem des SGB XII zuweisen will. Diese Änderungen (oder Klarstellungen) sind gerade vorgenommen worden, weil das BSG in den Entscheidung vom 3. Dezember 2015 (a.a.O.) noch geurteilt hat, dass in den Abgrenzungsnormen zwischen SGB XII und SGB II nicht ausschließlich auf das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit abgestellt werde - und demzufolge hat das BSG einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII angenommen. Dem sollte mit der jüngsten Änderung bewusst entgegengewirkt werden. Sofern dieser Leistungsausschluss - wie vom Gericht - als verfassungsrechtlich zulässig erachtet wird, ist daher keine "Ausweichabsicherung" über das SGB XII anzunehmen.

Auf einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen gemäß § 23 Abs. 3 Satz SGB XII kommt es nicht an, weil dieser nicht streitgegenständlich ist. Begehrt wurden, so auch die Antragstellung in der mündlichen Verhandlung, laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, nicht zur Ermöglichung der Rückkehr ins Heimatland. Dass es den Klägerinnen zudem an einem Rückkehrwillen fehlt, führen ihrer Rückkehr nach Deutschland nach mehrwöchigem Auslandsaufenthalt und die von der Klägerin zu 1 berichteten Pläne, sich eine Arbeitsstelle zu suchen, aktuell nochmals deutlich vor Augen.

Demzufolge ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Der teilweise Erfolg in Form des Teilanerkenntnisses ist derart zu vernachlässigen, dass er die Erstattung außergerichtlicher Kosten der Klägerseite nicht rechtfertigt.
Rechtskraft
Aus
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