L 21 AS 743/17 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 6 AS 1440/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 AS 743/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 24.03.2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der am 00.00.1972 geborene Kläger bezieht seit August 2015 laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.

Am 27.10.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Leistungen zur Deckung seines Bedarfs für die komplette Erstausstattung seiner zum 01.11.2015 bezogenen Wohnung im T 174 in E.

Am 24.11.2015 und 01.12.2015 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten nach dem Bearbeitungsstand seines Antrages. Am 30.12.2015 gelang es den Außendienstmitarbeitern des Beklagten nach drei erfolglosen Versuchen trotz vorheriger Ankündigung (erstmalig am 17.12.2015), den Kläger in seiner Wohnung anzutreffen und den Möblierungszustand der Wohnung in Augenschein zu nehmen. Es wurde festgestellt, dass die Zweieinhalbzimmerwohnung komplett renoviert worden sei, jedoch keine Möbel vorhanden seien.

Am 05.01.2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger gestützt auf § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II eine Beihilfe für die Erstausstattung seiner Wohnung in Form einer Sachleistung und händigte ihm einen Berechtigungsschein zur Vorlage beim sogenannten Sozialen Möbelservice E aus, mit dem sich dieser dort die komplette Erstausstattung für eine Person (inklusive Hausratspaket) besorgen könne. Am 12.01.2016 fand erneut eine Inaugenscheinnahme der Wohnung des Klägers durch Außendienstmitarbeiter des Beklagten statt. Zu diesem Zeitpunkt stellten diese fest, dass das Wohnzimmer bereits komplett eingerichtet gewesen, die Küche hingegen leer sei und im Schlafzimmer eine Matratze auf dem Boden liege.

Gegen den Bescheid vom 05.01.2017 legte der Kläger am 30.01.2016 Widerspruch ein mit der Begründung, dass der Kläger sich die notwendigen Gegenstände bereits selbst beschafft habe. Er reichte hierzu zahlreiche Kaufbelege (mit Datum erstmalig vom 31.10.2015 bis zuletzt 16.01.2016) ein und begehrte die Erstattung dieser Kosten. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.02.2016 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass § 24 Abs. 3 S. 4 SGB II dem Leistungsträger ein Auswahlermessen dergestalt einräume, dass er die Leistungen entweder als Sachleistungen oder als Geldleistungen, letztere auch in Form von Pauschalbeträgen erbringen könne. Der Beklagte habe den Anspruch des Klägers auf Erstausstattung dadurch erfüllt, dass er ihm diese als Sachleistung ausgegeben habe. Er halte selbst Einrichtungsgegenstände in einem Lager vor und gebe diese "in natura" als Sachleistung aus. Im Rahmen der Ermessensausübung sei daher ein Berechtigungsschein für den Erhalt der Erstausstattung am 05.01.2016 ausgestellt worden.

Hiergegen richtet sich die am 04.04.2016 beim Sozialgericht (SG) Duisburg erhobene Klage, für die der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin L aus E beantragt hat. Zur Begründung führt er aus, dass der Antrag auf Erstausstattung erst am 05.01.2016 beschieden worden sei und er dringende Einrichtungsgegenstände und Haushaltsgeräte für eine ordnungsgemäße Haushaltsführung zwischenzeitlich selbst angeschafft habe.

Durch Beschluss vom 24.03.2017 hat das SG Duisburg den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Hiergegen hat der Kläger am 06.04.2017 Beschwerde beim Landessozialgericht für das Land NRW eingelegt und nach Aufforderung und mehrfacher Erinnerung erstmalig mit Schriftsatz vom 07.07.2017 bzw. 24.08.2017 die angeschafften Gegenstände, das Anschaffungsdatum und die Höhe der jeweiligen Anschaffungskosten umfassend aufgelistet, Kaufbelege eingereicht und einen bezifferten Klageantrag gestellt, mit dem er in der Hauptsache die Erstattung von Kosten für die Erstausstattung i.H.v. insgesamt 1.805,11 EUR beantragt.

II.

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des SG Duisburg vom 24.03.2017 ist zulässig, aber unbegründet.

Prozesskostenhilfe wird nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

1. Die gegen den Bescheid vom 05.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2016 erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs.1 und 4 SGG) hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Kosten i.H.v. 1.805,11 EUR für die Anschaffung von Gegenständen für die Erstausstattung der Wohnung gemäß § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 5 SGB II nicht zu.

Hiernach sind vom Regelbedarf nach § 20 SGB II Bedarfe für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht umfasst. Leistungen für diese Bedarfe werden gesondert erbracht. Vorliegend liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Deckung des Bedarfs für die Erstausstattung seiner zum 01.11.2015 angemieteten Wohnung gemäß § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGB II ("Ob") unstreitig vor.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Gewährung dieser Leistungen in Form einer Geldleistung statt der bewilligten Sachleistung, insbesondere nicht auf Erstattung der Kosten, die ihm durch die seit Beantragung der Leistungen am 27.10.2015 angeschafften Gegenstände in Höhe von 1.805,11 EUR entstanden sind. Die Erstattungsleistungen in § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II können nach § 24 Abs. 3 S. 5,6 SGB II als Sach- oder Geldleistungen erbracht werden. Insofern besteht grundsätzlich nur ein Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens bezüglich des "wie" und nicht auf eine bestimmte Art der Leistung (vgl. von Bötticher in LPK-SGB II, 6 Auflage 2017, § 24 Rn. 39 m.w.N.). Ein Anspruch auf eine Geldleistung kommt nur im Fall einer Ermessensreduzierung auf Null infrage (BSG Urteil vom 19.08.2010, B 14 AS 10/09 R). Eine solche Ermessensreduzierung auf Null ist vorliegend nicht gegeben. Vielmehr hat der Beklagte sein Auswahlermessen ordnungsgemäß ausgeübt, indem er ausführt, dass er selbst Einrichtungsgegenstände in dem Sozialen Möbelservice Duisburg für die komplette Erstausstattung eines Einpersonenhaushalts (inkl. Hausratspaket) vorhält und hierfür einen Berechtigungsschein ausstellt, so dass diese dort als Sachleistung ausgegeben wird.

Ein Anspruch auf eine Geldleistung ist alternativ möglich bei einem Kostenerstattungsanspruch als Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht, wonach sich (bei Vorliegen der Voraussetzungen) ein Sachleistungsanspruch in einen auf Geld gerichteten Kostenerstattungsanspruch wandeln kann (BSG, a.a.O.). Dies setzt jedoch voraus, dass der Leistungsträger vor der Selbstbeschaffung durch den Leistungsberechtigten mit dem Leistungsbegehren befasst war und sich bei einer umgehend zu deckenden Notsituation nicht rechtlich korrekt verhalten hat, sei es dass er die Leistung zu Unrecht abgelehnt oder nicht zeitnah darüber entschieden hat (von Bötticher, a.a.O., m.w.N.).

Vorliegend hat der Antragsteller den Antrag auf Erstausstattung der Wohnung am 27.10.2015 (Dienstag) mündlich im Rahmen einer Vorsprache beim Beklagten gestellt und hierzu eine Liste der fehlenden Gegenstände eingereicht. Ein Hinweis auf die Erforderlichkeit einer besonders schnellen Entscheidung binnen weniger Tage lässt sich ebenso wenig finden wie ein Hinweis darauf, dass beabsichtigt sei, diese Gegenstände in Kürze selbst anzuschaffen.

Bereits am 31.10.2015 (Samstag) und 03.11.2015 (Dienstag) und damit binnen vier bzw. sieben Tagen hat der Kläger indes eine Wohnzimmereinrichtung, Gardinen mit Zubehör sowie eine Tischleuchte angeschafft und hierbei Kosten i.H.v. 1.143,79 EUR verursacht. Zwar war der Beklagte einige Tage vor der Selbstbeschaffung durch den Leistungsberechtigten mit dem Begehren des Klägers befasst worden. Dass er diesen Antrag nicht binnen weniger Tage bescheidet, ist jedoch vom Kläger hinzunehmen. Ihm ist zuzumuten, bis zu einer Entscheidung binnen einer angemessenen Frist zu warten. Schließlich muss der Beklagte, bevor er Leistungen zur Deckung eines Bedarfs gem. § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II zusprechen kann, zunächst selbst das Bestehen eines solchen Bedarfs, ggf. insbesondere durch Inaugenscheinnahme der Wohnung, feststellen, was ihm binnen solch kurzer Zeit in der Regel nicht möglich ist.

Soweit der Kläger am 30.11.2015 und 03.12.2015 weitere Gegenstände wie eine Lichtleiste, einen Mülleimer, einen Badezimmerunterschrank und -spiegel und eine weitere Lampe (i.H.v. insgesamt 156,47 EUR) angeschafft hat, ist bei Ermangelung dieser Gegenstände eine umgehend zu deckenden Notsituation nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger weitere Kosten in Höhe von 504,85 EUR am 16.01.2016, 04.02.2016 und 08.02.2016 verursacht hat, erfolgten diese Anschaffungen bereits nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 05.01.2016, durch den dem Kläger die komplette Erstausstattung im Form einer Sachleistung bewilligt worden ist. Eine Erstattung dieser erst anschließend angefallenen Kosten scheidet mithin erst recht aus.

2. Kosten werden im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

3. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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