L 1 KR 238/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 208 KR 1497/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 238/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 82/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Katheter ist kein Implantat.
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Der 1962 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte K K (Versicherter, V) wurde in der Klinik der Klägerin in B, einem nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenen Krankenhaus, stationär behandelt. Der V litt an einer Harnstauungsniere infolge eines okkludierenden Harnleitersteins. Ihm war im August 2011 eine perkutane Nephrostomie angelegt worden. Dabei handelte es sich um einen Katheter zur Harnableitung aus dem Nierenbecken. Am 6. Oktober 2011 erfolgte eine Wiederaufnahme zur endoskopischen Steinentfernung des Harnleitersteins über die Harnblase (Uteroendoskopie) sowie zur Entfernung des Nephrostomiekatheters. Die labortechnische Untersuchung des am Aufnahmetag entnommenen Urins ergab einen signifikanten Harnwegsinfekt mit Enterobacter cloacae und Staphylococcus haemolyticus.

Mit Rechnung vom 25. Oktober 2011 stellte die Klägerin der Beklagten für die Behandlung vom 6. Oktober 2011 bis zum 9. Oktober 2011 einen Betrag in Höhe von 3.562,22 EUR auf Grundlage der DRG L20A (Transurethrale Eingriffe außer Prostataresektion und komplexe Ureterorendoskopien, außer bei Para-/Tetraplegie oder andere Eingriffe an der Urethra bei Para-/Tetraplegie, mit äußerst schweren CC) in Rechnung. Als Hauptdiagnose sind in der Rechnung N20.1 (Ureterstein) und als Nebendiagnosen T83.5 (Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt) sowie B95.7! (Streptokokken und Staphylokokken als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind) aufgeführt.

Die Beklagte bezahlt die Rechnung zunächst vollständig. Sie veranlasste eine Überprüfung der Abrechnung für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Thüringen e. V. (MDK). Der MDK zeigte der Klägerin eine Prüfung des Behandlungsfalles mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 hinsichtlich der Nebendiagnosen T83.5 und B95.7. Der Facharzt für Urologie, Sozialmedizin W des MDK gelangte in seiner Stellungnahme vom 22. Februar 2012 zu dem Ergebnis, dass die Nebendiagnose T83.5 (Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt) unzutreffend kodiert worden sei. Vielmehr sei als Nebendiagnose N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet) zu kodieren, da ein Nephrostomiekatheter weder ein Implantat, Transplantat noch eine Prothese sei. Für eine Harnwegsinfektion stehe ein spezifischer Kode N39.0, zur Verfügung. Dieser Auffassung schloss sich die Beklagte mit Schreiben vom 6. März 2012 an und teilte der Klägerin mit, dass der überzahlte Betrag in Höhe von 1.555,62 Euro verrechnet worden sei.

Mit Schreiben vom 13.März 2012 legte die Klägerin bei der Beklagten hiergegen Widerspruch ein. Der MDK erstattete daraufhin am 27. April 2012 durch die Fachärztin für Urologie B ein erneutes Gutachten. Darin ist ausgeführt, bei einem Nephrostomiekathetern handele es sich definitionsgemäß weder um Prothesen noch laut Herstellerangaben um Implantate oder Transplantate. Deshalb sei die Definition des Kodes T83.5 nicht erfüllt. Die Kodes der T80 bis T88 (Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderen Orts nicht klassifiziert) seien nur dann zu verwenden, wenn kein spezifischerer Kode in Bezug auf die Erkrankung bzw. Störung existiere oder die Verschlüsselung dieses spezifischen Kodes durch ein Exklusivum der ICD-10-GM ausgeschlossen sei. Hier existiere der Kode N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet). Es sei die DRG L20C abzurechnen (Transurethrale Eingriffe außer Prostataresektion und komplexe Ureterorenoskopien ohne ESWL, ohne komplexen Eingriff, ohne fluoreszenzgestützte TUR der Harnblase oder andere Eingriffe an der Urethra außer bei Para-/Tetraplegie, ohne äußerst schwere CC).

Am 7. März 2012 verrechnete die Beklagte den gesamten Rechnungsbetrag (3.562,22 Euro) und zahlte am 8. März 2012 einen Betrag in Höhe von 2.006,60 Euro an die Klägerin.

Die Klägerin hat am 30. Juli 2013 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Sie begehrt die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.555,62 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. März 2012 zu zahlen. Sie habe die Nebendiagnose zutreffend kodiert. Die Nebendiagnose T83.5 sei die spezifischste Möglichkeit, einen Harnwegsinfekt durch ein Implantat zu kodieren. Sie enthalte sowohl die Ursache des Infekts als auch der Lokalisation. Das alphabetische Verzeichnis der ICD-10-GM sei zu der Problematik eindeutig. Schlage man dort unter "Harnwegskatheter-Entzündung" nach, sei die T83.5 aufgeführt, ebenso, wenn man unter "Entzündung durch Harnwegskatheter" nachschlage. Hierfür spreche auch die weitere Systematik. In der Obergruppe T83 (Komplikationen durch Prothesen, Implantate oder Transplantate im Urogenitaltrakt) würden in den ersten fünf Codes (T83.0 bis T83.4) mechanische Komplikationen aufgeführt, in denen ausdrücklich unter T83.0 auch eine "mechanische Komplikation durch einen Harnwegskatheter" benannt sei. Unter den folgenden Schlüsselnummern T83.5 sei eine "Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt" und unter T83.6 eine "Infektion und entzündliche Reaktion auf Prothese, Implantat oder Transplantat im Genitaltrakt" aufgeführt, ohne dass eine weitere Unterteilung vorgenommen werde. In systematischer Auslegung sei deshalb davon auszugehen, dass eine Infektion durch einen Katheter mit T83.5 zu verschlüsseln sei. Der einliegende Katheter werde spätestens nach drei Tagen mit einem Biofilm überzogen. Auf dem Biofilm könnten sich die Bakterien ungehindert entwickeln und vermehren. Diese Infektion sei durch den Katheter verursacht und ermöglicht worden.

Die Beklagte hat eine weitere sozialmedizinische Stellungnahme des MDK veranlasst, welche dieser unter dem 22. April 2014 erstellte. Einzig mögliche Hauptdiagnose sei die N13.6. Die gewählte Nebendiagnose T83.5 sei nicht zutreffend, da es sich dabei um einen Code für eine "Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt" handele. Bei dem ICD-Code T83.5 handele es sich um einen aus dem Kapitel IX "Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere äußere Ursachen (S00-T98)". Die lokale Infektion im Harntrakt sei Bestandteil der Kombinationsschlüsselnummer in 13.6 und bedürfe keiner zusätzlichen Nebendiagnosen-Verschlüsselung. Die Infektionserreger seien im konkreten Fall mit dem ICD-Kode B96.2! und B95.7! als Nebendiagnosen abzubilden.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. April 2015 (Zustellung: 3. Juni 2015) abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt: Die Klägerin habe die stationäre Behandlung des V nicht nach der DRG L20A, sondern (nur) nach der DRG L20C abrechnen dürfen. Hierfür sei unerheblich, ob als Hauptdiagnose N20.1 (Ureterstein) oder N13.6 (Pyonephrose) zu verschlüsseln sei. Unerheblich sei auch, ob neben einer Hauptdiagnose N13.6 Raum für die Kodierung einer Nebendiagnose T83.5 sei und ob die Beklagte mit ihren Einwendungen hinsichtlich der Hauptdiagnose gemäß § 275 Abs. 1 c Satz 2 SGB V ausgeschlossen sei, weil die Anzeige des MDK gegenüber der Klägerin eine Einschränkung des Prüfauftrages über die Kontrolle der Nebendiagnosen enthalten habe und der Klägerin keine Erweiterung des Prüfungsumfangs binnen sechs Wochen nach Rechnungslegung angezeigt worden sei. Denn die DRG L20A sei jedenfalls unstreitig nur dann ausgelöst, wenn die Nebendiagnose T83.5 zu kodieren sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Ohne diese Kodierung ergäbe das Grouping mit einem zertifizierten Grouper für 2011 mit den weiteren Diagnosen und Prozeduren die DRG L20C. Der Wortlaut des Kodes T83.5 (Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt) sei nicht erfüllt. Der Nephrostomiekatheter, mit dem der V versorgt gewesen sei, sei kein "Implantat". Implantat sei ein dem lateinischen entlehntes Wort und bezeichne etwas "Eingepflanztes". Damit gehe es durch eine implizierte gewisse Dauer des Verbleibs jedenfalls über das bloße Einführen hinaus. Auch handele es sich bei einem Implantat auch um ein Medizinprodukt im Sinne des § 3 Nr. 1 des Gesetzes über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz-MPG). Medizinprodukte seien Risikoklassen zugeordnet. Nach § 13 Abs. 1 MPG erfolge die Klassenzuordnung nach den Klassifizierungsregeln des Anhangs IX der Richtlinie 93/42/EWG. In diesem Anhang gelte als implantierbares Produkt auch "jedes Produkt, das dazu bestimmt ist, durch einen chirurgischen Eingriff teilweise in den menschlichen Körper eingeführt zu werden und nach dem Eingriff mindestens 30 Tage dort zu verbleiben". Ein Nephrostomiekatheter sei nicht zum dauerhaften Verbleib im Körper bestimmt. Ein Nephrostomiekatheter müsse – sofern nicht vorher Komplikationen auftreten – etwa alle vier bis sechs Wochen gewechselt werden (Bezugnahme auf Ansbach u.a., Urologie- Prä- und postoperative Behandlung und Pflege, 2013, Seite 37). Damit sei ein solcher Katheter auch nicht dazu bestimmt, mindestens 30 Tage im Körper zu verbleiben. Vier Wochen seien weniger als 30 Tage. Auch eine -nur ergänzend zulässige- Auslegung des Kodes T83.5 in einem systematischen Zusammenhang führe nicht zu dem Ergebnis, dass der Code einschlägig sei. "Implantat" sei danach nicht der Oberbegriff, unter dem auch der Begriff "Katheter" falle. Zwar sei zutreffend, dass die Überschrift "Komplikationen durch Prothesen, Implantate und Transplantate im Urogenitaltrakt" (T83.-) laute, als Diagnoseschlüssel T83.0 aber "mechanische Komplikation durch einen Harnwegskatheter (Vergleichskatheter)" angegeben sei. Der Diagnoseschlüssel T83.1 laute hingegen "mechanische Komplikation durch sonstige Geräte oder Implantate im Harntrakt". Werde also bei den mechanischen Komplikationen ausdrücklich Katheter (Harnwegskatheter inklusive transurethralem Verweilkatheter und Zystostomiekatheter) neben Implantaten genannt, spreche dies dafür, dass beide Begriffe eine eigenständige Bedeutung hätten. Der Zusatz "sonstige" in T83.1 beziehe sich auf "Geräte" nicht auf "Implantate". Weil im Zusammenhang mit "Infektion und entzündliche Reaktion" nur Prothese, Implantat und Transplantat, nicht aber Katheter oder Gerät genannt würden, fielen letztere nicht unter T83.5. Maßgeblich für die Kodierung sei stets das systematische Verzeichnis, nicht das alphabetische Verzeichnung zur ICD-10-GM (Bezugnahme auf D014 d der DKR 2011).

Hiergegen hat die Klägerin am 29. Juni 2015 Berufung eingelegt.

Zur Begründung hat sie ihre Auffassung wiederholt, ein Nephrostomiekatheter sei ein Implantat im Sinne des Codes T83.5. Der einliegende Katheter diene der Erfüllung einer Ersatzfunktion des Körpers (Harnableitung) und sei für einen begrenzten Zeitraum in dem menschlichen Körper eingebracht. Soweit das SG auf die Richtlinie 93/42/EWG für Medizinprodukte verwiesen habe, sei dies nicht zielführend. Ein Wechsel der (künstlichen) Ableitungssysteme sei nicht zeitlich fix, sondern erfolge bei Bedarf. Entgegen der Auffassung des SG spreche auch der systematische Zusammenhang der ICD-10-GM in der Version 2010 unter T83.- für ihre Auffassung. Unter den Kodes T83.0 bis T83.4 würden mechanische Komplikationen aufgeführt, darunter auch eine mechanische Komplikation durch einen Harnwegskatheter (T83.0). Hierfür spreche gerade nicht, dass ein Katheter neben dem Begriff Implantat eine eigenständige Bedeutung habe. Vielmehr sei eine Unterscheidung zwischen Implantat und Harnwegskatheter bei einer Infektion nicht erforderlich, weil die Behandlung der Infektion gleich ablaufe. Das Implantat muss entfernt werden, weil dieses als Keimträger eine zielführende Behandlung verhindere. Zudem müsse eine antibiotische Behandlung erfolgen. Bei einer mechanischen Komplikation sei dem gegenüber aufgrund der jeweils unterschiedlichen Behandlung eine weitere Differenzierung nötig.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.555,62 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. März 2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsakte und auf die Patientenakte des V, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geforderte Zahlung für die Behandlung des V in der Zeit vom 6. Oktober 2011 bis 10. Oktober 2011.

Der Zahlungsanspruch eine Krankenhauses für die Behandlung der Versicherten der Beklagten entsteht dem Grunde nach durch die in Übereinstimmung mit dem Leistungs- und Leistungserbringerrecht des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erfolgte Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung (vgl. BSG, Urt. v. 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 R – juris Rdnr. 15). Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass der V in der genannten Zeit einer Behandlung im Krankenhaus bedurfte.

Der Höhe nach bestimmt sich der Anspruch der Klägerin nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Gemäß § 7 Satz 1 KHEntgG werden die Leistungen der Krankenhäuser (u.a.) durch die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog abgerechnet. Diese Entgelte vergüten nach § 7 Satz 2 KHEntgG alle allgemeinen Krankenhausleistungen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen bzw. seit dem 1. Januar 2008 der Spitzenverband Bund der Krankenkassen haben dazu nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG, 17b Abs. 2 KHG Fallpauschalen und ein Vergütungssystem zu vereinbaren, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG) orientiert und jährlich weiterzuentwickeln und anzupassen ist. Das Vergütungssystem der allgemeinen Krankenhausleistungen soll nach § 17 b Abs. 1 Satz 1 KHG durchgängig, leistungsorientiert und pauschalierend sein. Dieses auf Vereinbarungen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der der Deutschen Krankenhausgesellschaft beruhende Vergütungssystem wurde nach § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG verbindlich für alle Krankenhäuser zum 1. Januar 2004 eingeführt.

Der in Ausführung dieser gesetzlichen Verpflichtung vereinbarte Fallpauschalenkatalog sieht für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG zwei Schritte vor: Zunächst ist die durchgeführte Behandlung nach Gegenstand und prägenden Merkmalen nach einem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen Kode zu verschlüsseln. Dazu haben die Vertragspartner Kodierrichtlinien beschlossen, die ebenfalls jährlich überprüft und angepasst werden. Der sich ergebende Kode ist in zu diesen Zwecken entwickelte Computerprogramme (sog. Grouper) einzugeben, die dann nach bestimmten vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Kriterien die Zuordnung zu einer bestimmten DRG vornehmen. Aus dieser wird dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von dem Krankenhaus zu zahlende Vergütung berechnet (vgl. BSG Urt. v. 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rdnr.17-21, Urt. v. 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R – juris Rdnr.16).

Streitig ist zwischen den Beteiligten ausschließlich, ob für die Behandlung der Versicherten der ICD T83.5 oder der ICD N39.0 als Nebendiagnose zu kodieren war. Sie sind sich einig, dass für den Fall, dass als Nebendiagnose der ICD N39.0 zu kodieren war, die Behandlung auf der Grundlage der DRG L63F zu vergüten war und die Klägerin über die gezahlten 2.006,60 EUR hinaus keinen weiteren Anspruch hat.

Maßgebend für den Vergütungsanspruch ist der Fallpauschalenkatalog nach § 7 i. V. m. § 17 b Abs. 1 Satz 1 KHG, der Bindungswirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG i. V. m. § 18 Abs. 2 KHG entfaltet und streng nach dem Wortlaut einschließlich der Operation- und Prozedurenschlüssel sowie der Kodierrichtlinien auszulegen ist (BSG, Urteil vom 22. November 2012 – B 3 KR 1/12 R – Rdnr. 11 mit Bezugnahme auf Urteil vom 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R–). Eine Vergütungsregelung, die für routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen lässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (BSG, Urteil vom 19. April 2016 – B 1 KR 34/15 R – Rdnr. 15 mit Bezugnahme auf BSG SozR 4–2500 § 109 Nr. 9 Rdnr. 17 mit weiteren Nachweisen; BSGE 109, 236).

Nach diesen rigiden Maßstäben ist die T83.5 nicht einschlägig. Die Infektion beim V war keine durch ein Implantat im Harntrakt.

Nach dem Wortlaut ist ein Katheter kein Implantat. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist ein Implantat eine gänzlich in den Körper aufgenommene Sache. Der z. B. Herzschrittmacher wird "implantiert". Hingegen wird ein Katheder in den Körper ein- oder hineingeführt. Dem entsprechen auch die Erläuterungen der einschlägigen Nachschlagewerke: Ein Katheter ist nach Duden ein Röhrchen aus Metall, Glas, Kunststoff oder Gummi zur Einführung in Körperorgane (z. B. in die Harnblase), um sie zu entleeren, zu füllen, zu spülen oder zu untersuchen. Ein Implantat ist danach ein in dem Körper eingepflanztes Gewebe, Organ (Teil) oder anderes Material, auch mikroelektronisches Gerät, das im Körper bestimmte Funktionen übernimmt. Nach Wikipedia soll ein solches permanent oder zumindest für einen längeren Zeitraum im Körper verbleiben.

Der medizinische Wortgebrauch weicht hiervon nicht ab. Nach Pschyrembel (266 A. 2014) ist Implantat die zusammenfassende Bezeichnung für Stoffe und Teile, die zur Erfüllung bestimmter Ersatzfunktionen für einen begrenzten Zeitraum oder auf Lebenszeit in den menschlichen Körper eingebracht werden. Ein Katheter ist hingegen ein röhren- oder schlauchförmiges, starres oder flexibles Instrument zum Einführen in Hohlorgane, Gefäße bzw. präformierte Körperhöhlen zur Drainage, Spülung, Probengewinnung, Untersuchung, Messung und Überwachung von Körperfunktionen und Therapie.

In systematischer Hinsicht folgt der Senat der Auffassung des SG und der Beklagten, wonach sich aus der expliziten Aufführung des Begriffes Katheter in T83.0 ergibt, dass es einen relevanten Unterschied zwischen Katheter und Implantaten gibt und sich ein Katheter nicht als Unterfall eines Implantates darstellt. Auf die Begründung des SG wird ergänzend nach § 153 Abs. 1 SGG verwiesen. Auf die Definition in der EU- Richtlinie für Medizinprodukte kommt es danach bereits nicht an. Allerdings unterstützt auch diese das gefundene Ergebnis. In den Klassifizierungskriterien (Anhang IX N. 1 2 der Richtlinie 93/42/EWG) erfolgt nämlich zunächst die begriffliche Definition eines implantierbaren Produktes als eines, das ganz in den menschlichen Körper eingeführt wird oder eine Epitheloberfläche oder die Oberfläche des Auges ersetzt, um nach dem Eingriff dort zu verbleiben. Ergänzend wird im Wege der Legaldefinition darüber hinaus extra bestimmt, dass auch die Produkte als implantierbare gelten, die durch einen chirurgischen Eingriff teilweise in den menschlichen Körper eingeführt werden und nach dem Eingriff dort mindestens 30 Tage verbleiben. Die teileingeführten Produkte werden also (nur) für Zwecke der Klassifikation in Medizinproduktklassen den normalen Implantaten als Ganzeingeführte gleichgestellt.

Ist der speziellere Code nicht einschlägig, war für die Infektion beim V der ICD N39.0 zu verwenden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197 a SGG i. V. m. 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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